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Vorwort

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Von Klaus-Dieter Welker

„Up dat uns dat good geihen schall up use olen Dage!“

Der Sprecher hob sein randvoll gefülltes Glas und blickte über das Feuer hinweg in die Runde. Obwohl nicht jeder der um die Flammen Sitzenden des Plattdeutschen mächtig war, so wussten doch alle, was die Worte bedeuteten.

„Nun ja, ich hoffe, die ´alten Tage´ liegen noch vor mir“, ließ sich eine junge weibliche Stimme vernehmen. „Allzu eilig habe ich es nicht damit.“

„Manchmal geht das schneller, als es einem lieb ist“, antwortete ein grauhaariger bärtiger Mann, beugte sich nach vorn in den Feuerschein und schaute die Männer und Frauen, alte und junge, der Reihe nach an. „So mancher ist über Nacht ergraut, der des Morgens noch mit blondem oder tiefschwarzem Haar in den Spiegel schaute.“

Es war schon eine Weile her seit sie sich das letzte Mal getroffen hatten. Damals hatten sie in den Dünen gesessen, bei eisigem Wind und jagenden Wolken. Und so wie bei diesem ersten Mal, saßen sie wieder vor einem loderndem Feuer, genossen die Gemeinschaft und blickten abwechselnd in die züngelnden Flammen, den sternenübersäten Himmel und die nun schon fast vertrauten Gesichter.

Ein jüngerer Mann beugte sich nach vorne und warf ein weiteres Scheit in die Flammen, sodass ein Funkenregen wie ein Schwarm Glühwürmchen in den dunklen friesischen Himmel stieg.

„So ein bisschen vermisse ich das Meer“, ließ er sich vernehmen. „Die Luft riecht zwar ein wenig nach See, und ich glaube auch ein wenig Salz mit jedem Atemzug zu schmecken. Aber mir fehlt das Rauschen der Wellen, das Donnern und Tosen einer ordentlichen Sturmflut, die gegen die Deiche schlägt.“

„Und doch ist das Meer nicht weit“, entgegnete ein anderer mit ruhiger Stimme. „Noch vor wenigen hundert Jahren hätten wir alle, die wir jetzt hier sitzen, wohl mehr als nasse Füße gehabt, wenn wir uns hier getroffen hätten. Damals toste an dieser Stelle noch die Nordsee. All das Land rings um uns herum wurde dem Meer in mühseliger Arbeit abgetrotzt. Unzählige fleißige Hände haben über Generationen hinweg Deiche gebaut, das Land entwässert und urbar gemacht. Oft holte sich die See ihren Besitz wieder zurück, durchbrach die Dämme und Deiche, zerstörte Höfe und Dörfer. Diese Fluten kosteten viele Menschen das Leben.“

Nicht weit entfernt war schemenhaft der alte Leuchtturm von Sankt Peter-Böhl zu sehen, der in ruhigen Kreisen sein Licht in die Nacht hinaus sandte.

„Ja, das Meer gibt und nimmt. Freude und Leid. Und in manchem löst es eine Sehnsucht aus, die so stark ist, dass sie niemals gestillt werden kann. Ich möchte zuweilen dorthin, wo das Meer in der Ferne den Himmel berührt. Aber ebenso sehr liebe ich es, an den Küsten und Stränden zu verweilen, bei Sonnenschein wie bei stürmischem Wetter, und von fernen Ländern nur zu träumen.“

Das Glänzen in den Augen der Sprecherin strahlte beinahe so hell wie die Glut.

„Was könnten uns das Meer und der Wind nicht alles erzählen? Unendlich mehr Geschichten, als es Wellen gibt. Mir fällt da gerade eine ein. Wollt ihr sie hören?“

Natürlich wollten sie das. Geschichten waren ihr Leben, ihre Leidenschaft. Bei guten Freunden zu sitzen, im Schein des Feuers, unter einem Dach aus funkelnden Sternen und einer verträumten, einer lachenden oder einer nachdenklichen Stimme zu lauschen. Was gab es Schöneres auf Gottes weiter Welt?

Und während sich die einen erwartungsvoll vorbeugten, die anderen sich gemütlich zurücklehnten, der eine in die endlose Weite des Himmels und eine andere in die helle Glut des Feuers schaute, lauschten sie gebannt den Erzählungen, die diese Nacht wieder zu einer besonderen machten.

Dünen, Sand und Meer

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