Читать книгу Djin - Claus Bork - Страница 10
Miran
ОглавлениеDann wurden er selbst und Duncan Yol hineingeführt, während die Leute sich um ihre Pferde kümmerten. Die Maruder blieben draußen, wo sie in den Schatten verschwanden und warteten. Die Dorfbewohner studierten furchtsam die schweigenden Gestalten und die Säbel, die kalt im Mondlicht glänzten.
Als sie um den Tisch herum saßen, Angicore, Duncan Yol und der Alte, kam eine junge Frau mit einer dampfenden Schüssel Essen herein. Sie stellte sie auf den Tisch, drehte sich um und ging wieder. Nicht ein einziges Mal hob sie den Blick und sah sie an. Sie starrte nur auf den Boden und gab sich Mühe, nicht ihre Aufmerksamkeit zu wecken.
Angicore hielt den Atem an und betrachtete sie. Gegenüber von ihm, auf der anderen Seite des Tisches saß der Alte und betrachtete ihn. Aber er sagte nichts, und als sie verschwunden war, fingen sie an zu essen.
"W... Wer war sie?" fragte Angicore mit belegter Stimme.
"Nur eine junge Frau aus dem Dorf, Milord!" antwortete Duncan Yol.
"Bloß eine junge Frau aus dem Dorf, Euer Gnaden," stimmte der Alte zu.
Angicore hörte seine eigene Stimme, hörte, wie sehr sie Eindruck auf ihn gemacht hatte. Aber er war doch der Kaiser und konnte tun, was er wollte.
Mit vollem Mund fragte er den Alten: "Wie heißt sie?"
Duncan Yol wollte gerade antworten, aber Angicore hob die Hand und ermahnte ihn, zu schweigen.
"Miran, Euer Gnaden," antwortete der Alte und sah beinahe aus, als hätte er sich selbst die Zunge abbeißen können.
Sie war schön, zu schön, um nicht sein Interesse zu wecken. Er hatte nie eine Frau gekannt. Sein Vater, der Jaranakaiser, war derjenige gewesen, der eine Wahl für ihn treffen sollte. Er hatte daran nie einen Gedanken verschwendet.
Nun saß er hier, in einem fernen Dorf, auf der Flucht vor einem gewaltigen Feind, der ihn schon tot sah, bevor die Sonne aufging. Und er verlor für eine Weile das Interesse an diesem vorausgesagten Tod und diesen drohenden Feinden und dachte an sie.
Er dachte, daß er sie unbedingt noch einmal sehen mußte, sehen mußte, ob er sich geirrt hatte...
Er ließ den Blick über den Tisch schweifen, während er nachdachte.
"Mir fehlt Salz zum Essen!" sagte er dann.
Der Alte drehte sich um und rief. In seinen Augen, schien Angicore, war die Andeutung eines Lächelns zu sehen, bevor er ihnen den Rücken zugedreht hatte.
"Miran!"
Die Tür ging langsam auf, und ihr Gesicht kam in der Türöffnung zum Vorschein. Sie sah den Alten an, nur ihn. "Sei so gut, und hol etwas Salz, mein Kind."
Sie verschwand und die Tür schloß sich wieder.
"Sie ist wohl kaum noch ein Kind ?" bemerkte Angicore.
"Für mich sind sie alle Kinder, Euer Gnaden. Alle unter sechzig." Er lächelte und nickte freundlich. Dann fiel ihm das Beleidigende an seinen Worten auf, und er beeilte sich, hinzuzufügen: "Das gilt natürlich nur den Kindern meines eigenen Dorfes, Euer Gnaden. Ich würde nicht einmal träumen, damit Euch zu..."
"Iß nun weiter," sagte Angicore und lachte. Duncan Yol sah den Alten scharf an.
Sie kam wieder herein.
Dieses Mal ließ Angicore den Dingen nicht so einfach seinen Lauf, ohne einzugreifen, und er sprach mit ihr.
"Wie heißt du?" fragte er vorsichtig.
Sie hob langsam den Blick und sah ihm in die Augen.
Er saß, steif auf dem Stuhl, mit dem Löffel über der Schüssel und vergaß Luft zu holen. Er fühlte sich, als hätte ein Blitz ihn getroffen und bemerkte ein ganz neues und schwaches Gefühl, das von seiner innersten Seele Besitz ergriff. Er starrte ihr in die Augen, ohne an etwas anderes denken zu können, und die Zeit stand still.
"Miran," antwortete sie leise und sah ihn mit denselben Gefühlen an, wie er sie.
Der alte Greis und Duncan Yol saßen zwischen ihnen, die Blicke wie auf den Tisch genagelt, die Arme vor sich auf den Planken.
"Miran," wiederholte er und hörte es in seinen Ohren klingen, das schönste, was er jemals gehört hatte, dieser Name.
"Miran..." murmelte er noch einmal.
"Wie heißt Ihr, Euer Gnaden?" fragte sie.
"Äh - Angicore..." sagte er und es schien ihm, als hörte dies sich dumm und klanglos an.
"Angicore..." wiederholte sie, ohne daß sie Anstalten machte, zu gehen.
Dann klopfte es laut und energisch an der Tür, Duncan Yol rief `Herein` und einer der Maruder trat ein. Er teilte mit tonloser Stimme mit, daß des Kaisers Nachtlogis bereitet und alles friedlich und still im Wald sei.
Die Trance war gebrochen. Miran stellte das Salzfass von sich auf den Tisch und eilte davon.
Plötzlich lehnte der Greis sich über den Tisch und sagte, während er Angicore mit ernstem, wissenden Blick ansah:
"Hütet Euch vor dem Wolf, der den Felsen bewacht. Nur der, der seinen wahren Namen kennt, kann von dort lebend entkommen..."
"Welchen Felsen?" fragte Angicore und versuchte, sich zu erinnern, was er hier eigentlich zu tun hatte und was geschehen war, und warum. Er sah immer noch ihre Augen vor sich.
"Die Felsen, in denen Djin wartet, Euer Gnaden. Denn der ist es doch wohl, zu dem ihr auf dem Weg seid?"
"Das... das weiß ich nicht so genau." Angicore versuchte, wieder klar zu denken, aber sie tauchte die ganze Zeit in seinen Gedanken auf, und machte sie unzusammenhängend und sinnlos.
Duncan Yol sah den Alten kalt an.
"Woher weißt du das, alter Mann?"
"Oh," seufzte der Alte und erwiderte seinen Blick. "Ein langes Leben lehrt einen so manches, wenn man fähig ist, Nutzen aus seinen Erfahrungen zu ziehen. Das Leben ist wie die Wellen auf dem Meer, Höhen und Tiefen, aber im Großen und Ganzen in der Balance. Gerade jetzt muß etwas anders gekommen sein, als es kommen sollte. Sonst würde unser mächtiger Herrscher, der Jaranakaiser - der einzig wahre Herrscher - kaum hier an meinem Tisch sitzen, in einem armen Dorf dicht an den äußersten Grenzen der Welt, und diese Mahlzeit teilen, die nichts ist, für einen Herrscher wie ihn!"
Er sah abwechselnd Angicore und Duncan Yol an. Er wußte, daß er Recht hatte, und sie wußten es auch.
"Ich fühle mich sehr wohl in diesem Dorf," sagte Angicore. Er dachte an die junge Frau, aber sagte es nicht.
"Ihr denkt an Miran, Euer Gnaden." Der Alte sah ihn ohne Reue an.
Duncan Yol schubste den Stuhl zurück, erhob sich halb und griff nach dem Schaft des Säbels.
"Halt!" rief Angicore. Er sah Yol wütend an und sagte mit eiskalter Stimme:
"Beschütze mich nie vor ehrlichen Menschen. Verschon mich nie vor der Wahrheit über mich selbst!"
Duncan Yol sah ihn verständnislos an. Aber ganz langsam begann er zu ahnen, das die Dinge sich geändert hatten, daß die Tradition und der Respekt, die den alten Thron umgeben hatten, weichen mußten, vor den Wünschen des neuen Herrschers. Er sah den jungen Mann an seiner Seite schuldbewußt an und wußte nicht, was er tun sollte.
"Tu mir einen Gefallen," sagte Angicore.
"Euer Wort ist mein Befehl, Milord," sagte Duncan Yol leise.
"Hilf mir, indem du auch mein Freund bist," sagte Angicore.
Duncan Yol sah verwirrt über den Tisch. Aber da war nichts Höhnisches in dem Blick des Alten, nur große Anerkennung für das, was er gerade gehört hatte.
"Aber, Milord..."
"Das ist mein Wunsch, und ich bin immer noch dein Kaiser," sagte Angicore.
"Ich werde mein Bestes tun, Milord!" flüsterte Duncan Yol.
Der alte Mann sagte nichts. Er schaute nur mit starren Augen und einem kleinen Lächeln um den Mund auf Angicore.
"Ich wünsche auch, daß dieses Dorf beschützt wird, wenn wir fortziehen," sagte der junge Kaiser.
"Das wird geschehen," sagte Duncan Yol.
Dann erhoben sie sich, dankten dem Alten für das Essen und wünschten ihm eine gute Nacht.
Als sie das Haus verlassen hatten, kam Miran in die Stube und sah ihnen aus dem Fenster nach. Sie sah sie wie zwei undeutliche Schatten zwischen den Häusern gehen, und sie sah die Säbel, die im Schatten unter den Dachüberhängen an jeder Hausecke glitzerten. Dann drehte sie sich zu dem Alten um und fragte:
"Wer war er eigentlich, Onkel Joln?"
"Das war der Jaranakaiser, der mächtigste Herrscher, den Dynadan bis jetzt gesehen hat."
"Aber... es war nichts mächtiges an ihm. Er war doch nur ein junger Mann, nichts anderes..."
"Nicht?" antwortete Joln und lächelte. " Du sahst aber aus, als hätte dich der Blitz getroffen, nur, als du ihm in die Augen gesehen hattest."
Sie errötete und zuckte mit den Schultern. Aber sie widersprach ihm nicht.
Die Dorfbewohner hatten all ihre besten Besitztümer in dem kleinen Haus zusammengesammelt, in dem er übernachten sollte.
Mitten im einzigen Raum des Hauses stand ein großes Bett, und etwas rechts von der Tür stand eine Pritsche für Duncan Yol.
Sie legten sich schlafen und löschten das Kerzenlicht auf dem Tisch.
Angicore lag noch etwas wach, lauschte nach den Stimmen der Maruder in der Dunkelheit, aber er hörte keine. Sie schwiegen wie Gräber, auf den dunklen Feind wartend, der ihnen folgte. Da waren nur das Wispern des Windes in den Baumkronen und das leichte Trommeln des Regens auf das Dach.
Duncan Yol lag auf der Pritsche mit dem Säbel an seiner Seite und den Händen um dessen Schaft. Er lag lange wach, hörte Angicores tiefe, regelmäßige Atemzüge, die ihm verrieten, daß er schlief.