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Die Warnung

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Der Kapitän der Windreiter, Zendo Kur, stand vor dem Kaiser von Jarana, der behaglich zurückgelehnt auf einem mit Gold belegtem Stuhl vor der offenen Balkontür saß. Auf jeder Seite des vergoldeten Thrones lag ein rauhaariger, schläfriger Wolfshund. Ihre Köpfe lagen auf den Vorderpfoten und sie beobachteten die Versammlung durch ihre halbgeschlossenen Augen.

Der Kaiser selbst sah ruhig vor sich hin. Er spielte mit einem Messer, das er zwischen den Fingern hielt, und rollte langsam die scharfe Klinge auf der Haut hin und her, ohne es zu beachten.

Dieser Kaiser, über den so viel Großes geschrieben und gesungen worden war, war der natürliche Mittelpunkt der Welt. Und darum war es nur natürlich, daß Zendo Kur um eine Audienz ersuchte, um einen Bericht über die Reise der Windreiter, Dynadans Stolz, abzugeben.

Das markante Gesicht des Kaisers hatte entspannte Falten, und die bohrenden, grauen Augen schauten auf diese Versammlung mächtiger Männer, die immer zur Stelle waren, umgesehen zu werden.

Der Kaiser sah ruhig auf die Menge der Gesichter. Er kannte sie alle, sie waren alle Bürger seiner Gnaden. Und sie waren alle da, so, wie er es am liebsten sah. Sie stellten sich auf Zehenspitzen, die, die am weitesten hinten standen, um von ihm gesehen und bemerkt zu werden, dem mächtigsten unter den Herrschern. Der Kaiser lächelte vor sich hin; lächelte über ihren Eifer, ihn zufriedenzustellen. Und sie lächelten zurück und nickten untertänigste, erleichtert über seine hochehrwürdige, gnädige Geste. Diskret im Hintergrund, aber doch in effektiver Reichweite, standen die Maruder mit kalten, ausdruckslosen Blicken und den Händen lässig auf den Säbelschäften.

Angicore saß auf einem schön geschnitzten Stuhl mit überkreuzten Beinen und den Händen im Schoß. Er war das ganze Ebenbild seines Vaters und genoß allen Respekt und alle Aufmerksamkeit, die mit Recht einem solchen Herrschernachkommen zuteilwerden sollte. Auch er beobachtete den Kapitän, aber er war nicht fähig, seine innere Aufregung zu verstecken, so wie es die älteren Staatsmänner konnten. Er hob den Blick, ließ ihn über die Menge der Gesichter schweifen, bis er unter ihnen Zarafir entdeckte. Dann entspannte er sich und richtete seine Aufmerksamkeit auf den Kapitän.

"Was meinen Sie mit `dunklen Kräften`?" fragte der Kaiser von Jarana.

Er hatte sich vorgebeugt, mit einer Hand auf dem einen Knie ruhend und einem verbissenen Ausdruck im Gesicht.

Die Maruder sahen den Kapitän an, sahen durch ihn hindurch, mit ihren harten, wachsamen Augen.

Der Kapitän sah auf die Gardinen, die in dem sanften, warmen Sommerwind schwankten, und zuckte leicht mit den Schultern. Die Stille war so überragend und tief, daß sie fast Formen annahm und sich berühren ließ. Es knisterte leise durch das Salz im Stoff, als der Kapitän den Arm hob. Die Maruder folgten der gleitenden Bewegung der Hand, angespannt wie Federn in Menschengestalt.

"Das ist schwer zu erklären, Euer Gnaden."

"Versuch es!" sagte der Kaiser tonlos.

"Es ist, als hätte ein Geist seine Arme über der Welt ausgebreitet," murmelte der Kapitän. Er hob eine schwielige Faust, hielt sie vor den Mund und hustete. Seine Stimme zitterte vor Aufregung und sein Blick flackerte nervös vom Kaiser und Angicore zu den Marudern an den Wänden.

"Wir fuhren in den Hafen von Illemed, dem Land, wo es sich unbeschwert leben läßt, und die Sorgen nur ein Nebel in der Erinnerung sind," sprach er weiter. "Aber das Leben ist nicht mehr unbeschwert in Illemed, und das Leid hat den Weg in alle Herzen gefunden."

Er schloß den Mund, stand da und starrte auf den Boden.

"Weswegen macht man sich Sorgen in Illemed?" wollte der Kaiser wissen.

"Das weiß ich nicht, Euer Gnaden," sagte der Kapitän.

"Sprich weiter!" sagte der Kaiser.

"Wir gingen an Land, um frische Früchte und frisches Gemüse zu holen, denn nichts darf doch einem Schiff aus Dynadan verweigert werden?"

Er sah den Kaiser fragend an. Der nickte.

"Aber wir trafen auf Waffen, Euer Gnaden. Und uns wurde mit Hass und Verachtung begegnet. Wir mußten kämpfen, um die Leute zu befreien, die an Land gegangen waren."

Er befeuchtete die Lippen mit der Zunge und holte tief Luft. "Wir verloren viele, in Illemed..."

All die großen Staatsmänner, alle, die sich im Saal befanden und aus den offenen Balkontüren sehen konnten, auf die glitzernde, golden schimmernde Fläche des Meeres, starrten Zendo Kur ungläubig an. Und so sehr erwarteten sie den Zorn des Kaisers, daß keiner zu sprechen wagte, aus Furcht, diesen Zorn auf sich zu ziehen.

"Wir hatten getrocknetes Fleisch und eingesalzenen Fisch und lebende Schafe an Bord. Also setzten wir die Fahrt durch die inneren Fahrwasser fort und passierten die Gay-Tiefe, danach setzten wir Kurs auf Erzurum. Wir hatten gehört, daß die Dunkelheit von dort kommen sollte."

"Die Dunkelheit?"

"Sie folgte uns, die ganze Zeit. Tag und Nacht lagen die schwarzen Galeeren am Horizont und bewachten uns. Ich glaube, sie dachten, wir wären zu viele an Bord, und daß wir zu gut ausgerüstet wären, als daß sie einen Angriff hätten wagen können. Aber auf den Inseln in der Bucht vor Erzurum sandte ich eine Expedition an Land, die herausfinden sollte, wie sich dort das Leben abspielte."

Zarafir bahnte sich einen Weg durch die Menge und näherte sich dem Rücken des Kapitäns. Er stellte sich ruhig hin und wartete an seiner Seite, ohne etwas zu sagen.

"Schwarze Galeeren..." der Kaiser starrte entrüstet vor sich in die Gesichter. "Ich bin der Kaiser von Dynadan, ich übe die Gerechtigkeit in diesem Teil der Welt aus und brauche der Furcht in meinem Herzen keinen Platz zu geben!" Er hob die Augenbrauen und die Menge murmelte zustimmend.

Aber selbst Angicore konnte sehen, was für einen tiefen Eindruck Zendo Kurs Bericht hinterlassen hatte und wie schockiert sie nun waren, ihn zu sehen. Denn sie hatten ihn davonziehen sehen als Führer des stolzen Schiffes Windreiter, einen Mann mit dem Körperbau eines Bären, der klaren Urteilskraft eines Zauberers und einem unbezwingbaren, eisernen Willen.

"Wenn dem nur so wäre, Euer Gnaden..." Zendo Kurs Worte waren kaum hörbar.

Die Menge starrte ihn wie gelähmt an. Bis jetzt hatte noch niemand Zweifel an den Fähigkeiten des Kaisers von Jarana, als unbestrittenes Oberhaupt Dynadans geäußert und lange genug gelebt, um es zu bedauern.

Die Maruder, die an den Wänden standen, rührten sich.

Die Wolfshunde hoben die Köpfe und knurrten drohend in den Saal hinein.

Zarafir trat einen Schritt vor, hob abwehrend die Hand und mahnte sie, zu schweigen. Dann sah er einen Augenblick dem Kapitän in die Augen, richtete dann seine ganze Aufmerksamkeit auf den Kaiser und sprach.

"Euer Gnaden. Auch ich habe die Bedrohung bemerkt, die sich über die Welt ausbreitet. Noch bevor die Windreiter am Horizont sichtbar wurde, wußte ich, daß etwas nicht in Ordnung war." Er sah Angicore an, der nickte.

"Ich bitte Euch. Gebt diesem Mann eine Chance, zu beweisen, welche Gefahren an seiner Seele gezehrt haben. Einen Mann wie Zendo Kur zu verurteilen, einen Mann, der so viele Jahre seinen Wert für den kaiserlichen Thron bewiesen hat, ohne ihm diese Chance zu geben, wäre gegen jede Vernunft."

Der Kaiser von Jarana öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Aber dann schloß er ihn wieder und sank in seinen Stuhl zurück. Die Maruder warteten mit ihren Säbeln halb aus den Scheiden gezogen.

Der Kaiser nickte verbissen, ohne etwas zu sagen.

Zarafir wandte sich zu Zendo Kur und legte die Hände auf seine Schultern.

"Schließ die Augen mein Freund. Laß es in dein Bewußtsein dringen, was der Nährboden dieser großen Furcht ist. "

Der Kapitän schloß sie und schwankte ein wenig vor und zurück. Auch Zarafir schloß seine Augen und ließ die eine Hand über dem Boden schweben, über den offenen Platz vor dem Thron.

Die Gardinen wurden in den Saal geweht und das Geschrei der Möwen drang zu ihnen hinein, vom Hafen her.

Dann zitterte es in der Luft. Eine Spannung ohne Laut. Sie wurde ganz langsam ausgelöst und verdichtete sich im Raum vor der von Schweiß tropfenden Stirn des Kapitäns.

Und plötzlich, wie von einer fremden, unwirklichen Welt hervorgerufen, nahm es vor ihnen allen Formen an, sichtbar für ihre erschrockenen Blicke, umgeben von einem gräulichen, flimmernden Schein.

Es trat aus Zendo Kurs Körper heraus, war von ihm hierher getragen worden, vielleicht ohne sein Wissen. Es war ein Gisal, ein Wesen menschlichen Ursprungs - aber nicht mehr Mensch; ein Wesen, das große Kräfte in sich hatte, große Kräfte, wie die Zarafirs.

Es hatte nicht das markante Gesicht des Menschen und nicht die Ausstrahlung des Menschen von Gefühl und Bewußtsein.

Es strahlte den Willen eines bösen Erschaffers aus, der wie ein saurer Gestank durch die Luft wallte und verursachte, daß sie alle, jeder einzelne, laut schrien vor Angst.

Die schwarzen Gewänder flatterten um es herum, während es sich langsam um sich selbst drehte und seine brennenden, blanken Augen durch die zunehmende Dunkelheit schweifen ließ.

Schwere Wolken zogen vom Meer herauf, und der Lärm der laufenden Menschen unten in den Straßen, drang zu ihnen hinein.

Dann trat es auf den Thron zu, während es heiser aus der Kehle fauchte.

Die Maruder stürzten vor, im Nu glänzte die Luft von dem hitzigen Tanz der blanken Klingen durch die Stille.

Angicore sprang auf, zog sein Schwert und warf sich vor seinen Vater. Aber es fegte ihn zur Seite, unsanft und schonungslos und er krachte auf den Boden, während das Schwert über die glatte Fläche dahinrutschte.

Im nächsten Augenblick stieß der Kaiser von Jarana, der mächtigste Herrscher seit der Erschaffung der Welt, einen langgezogenen, klagenden Schrei aus und sank über der einen Armlehne des Thrones zusammen.

Der Gisal lief zum Balkon, wo die Schwerter glänzten und mit heulendem Zucken die Luft zerrissen. Dann fiel er mit großer Kraft gegen die Brüstung und stürzt mit einem heiseren Jammern über sie hinweg.

Zarafir stand mitten im Saal und starrte auf den Thron. In seinen Augen spiegelte sich so großer Schmerz, daß kein Mensch vermochte ihn allein zu ertragen. Der Kapitän, Zendo Kur, lag vor seinen Füßen, in einer verrenkten Stellung und hatte den steifen Blick an die Decke gerichtet.

Die Maruder hasteten zu Angicore hinüber, nahmen ihn vorsichtig an den Armen und zogen ihn hoch in den Stand. Als sie sich vergewissert hatten, daß er unbeschadet war, richteten sie ihre Aufmerksamkeit auf den Thron, wo andere einen Kreis um den Kaiser von Jarana gebildet hatten.

Er lag immer noch auf dem Stuhl, halb über der breiten Armlehne hängend, in einer unnatürlich verrenkten Stellung. Sein aschgraues Gesicht und der Ausdruck des starren Schreckens darin, ließ sie einen Augenblick stehenbleiben.

Angicore schwankte zu ihm, schweigend und ängstlich.

Eine verwirrende Mischung von Gefühlen durchströmte ihn. Er betrachtete unsicher die leblose Gestalt seines Vaters und fühlte, wie ein Abgrund sich vor ihm öffnete, fühlte wie der Felsen unter ihm weg glitt - der Felsen der Geborgenheit und der erhabenen Würde, der das einzige war, was sie gemeinsam hatten, dieser Kaiserliche Vater und er.

Es war wie ein böser Traum, ein Traum, der jede Sekunde vorbei sein konnte und sich als Streich entpuppen konnte, der seinen Sinnen gespielt worden war. Er suchte in seinem Innern nach einem Weg aus diesem Traum, entdeckte aber nur, daß es keinen gab.

Das Unwetter heulte über Dynadan und der Regen peitschte von dem schwarzen Himmel, fegte die Gardinen zur Seite und lief in breiten Bächen über den Fußboden.

Zarafir bahnte sich einen Weg durch die Menge, kniete sich vor seinen Kaiser und legte seine Hand auf dessen Hals. Doch aus seinem verbissenen Gesichtsausdruck und seinen schweren Atemzügen folgerten auch sie die fürchterliche Tatsache, daß er, der Inbegriff alles Mächtigen und der erhaben war über alles, was menschliche Niedertracht sich ausdenken konnte, tot war... Getötet von einem Funken dessen, was da kommen sollte, das in einer Welt fern von Dynadan wuchs, auf der anderen Seite des Meeres.

"Die Stunde der Prüfung ist gekommen..." Zarafir starrte in die Dunkelheit hinaus, zwischen den flatternden Gobelins hindurch, starrte auf die schwarze Angst, die den Himmel und die Luft zwischen den Nebelbänken erfüllte - und in ihre Herzen drang.

Er stand ruhig mit vor dem Bauch gefalteten Händen und einem müden Gesichtsausdruck da. Überall um ihn herum hatte der erste Schock sich gelegt und sich in eine fast fieberhaft, hektische Geschäftigkeit gewandelt.

Die Maruder waren sehr schnell im Ziehen ihrer Säbel. Sie sahen Angicore an, und warteten darauf, daß er die Führung übernahm und Befehle erteilte. Sie sahen ihn nicht als den Jungen, der einmal den Thron erben würde - sie sahen ihn nicht als das Kind, das noch nicht bereit war. Sie sahen ihn als den Kaiser von Jarana - den einzig wahren Herrscher. Sie reagierten auf nichts anderes in dieser Welt, als auf seine Stimme.

Der kaiserliche Schatzmeister drängte sich mit einem irren Gesichtsausdruck und wütende, unzusammenhängende Beschuldigungen ausstoßend, zu Zarafir. Während er sich durchdrängelte zog er ein Messer aus dem lose herabhängenden Gewand, das seine korpulente, schwitzende Gestalt verhüllte. Zarafir starrte auf das Messer, das von den dicken Fingern umklammert wurde, ohne Anstalten zu machen, sich zu schützen.

Die Maruder warteten, die Blicke fest auf Angicore gerichtet.

Der Schatzmeister hob das Messer, unartikulierte Laute floßen in endlosen Strömen über seine Lippen und wurden zu einem unverständlichen Stammeln.

Zarafir, für ihn fühlte er die tiefste Zuneigung, wegen ihm war er nun fähig, zu handeln.

"Haltet ihn auf..." Angicores Ruf war kaum verklungen, da sank der tote Körper des Schatzmeisters auch schon schlaff unter den leuchtenden, zischenden Säbeln auf den Boden.

Der Kapitän der Maruder, Duncan Yol, betrachtete den toten Körper mit deutlichem Unbehagen, darauf drehte er sich auf den Hacken um und ging durch den Saal, in Richtung auf Angicore.

"Milord..." Er grüßte mit zur Decke erhobenem Säbel.

"Wir stehen zu ihren Diensten - Ihr seid der Kaiser, der einzig wahre Herrscher von Dynadan!"

Seine Stimme verriet kein Gefühl für das Drama, das sich gerade abgespielt hatte. Er bemerkte den toten Kaiser nicht, der gerade vom Thron entfernt wurde. Er sah nur Angicore.

Angicore nickte und fühlte, wie ein Würgen in seiner Brust hochstieg. Er wankte einen Schritt zurück, und kämpfte gegen seine Schwindelgefühle. Dann rammte er sein Schwert in die Scheide zurück und erwiderte den Blick des anderen.

"Ja, ich bin jetzt Kaiser!"

"Was wünscht ihr, das wir tun sollen?" fragte Duncan Yol ruhig.

Angicore folgte ihnen mit den Augen, denen, die den leblosen Körper seines Vaters forttrugen. "Schafft die Leute hier heraus," antwortete er. "Alle, außer Zarafir!"

Duncan Yol nickte, wandte sich um, und rief nach links und rechts Befehle. Die Maruder trieben die Menschen hinaus, und Stille senkte sich über den Saal.

Als sie allein waren, ging er zu Zarafir hinüber, der an der offenen Balkontür stand.

"Was geschieht hier, Zarafir? Wer war das, der meinen Vater getötet hat?"

Der Zauberer wandte ihm den Blick zu, und jetzt sah er, wie müde der alte Mann war. Der gequälte Ausdruck bedeckte immer noch sein Gesicht, wie eine Maske.

"Bin ich jetzt Kaiser?"

Zarafir nickte. " Das seid Ihr, Milord. Ihr seid jetzt Kaiser!"

"Milord," dachte Angicore. "Ihr..."

Von den Straßen drangen Rufe zu ihnen hinauf, durch die offene Tür.

"Der Kaiser ist tot! Der Kaiser ist ermordet worden!"

Zarafir trat auf den Balkon hinaus und lehnte sich schwer auf die Brüstung. Die müden blauen Augen sahen in die Dunkelheit, über die Dächer der Stadt und weiter hinaus über das Meer zu den Sternen. Aber es waren keine Sterne da. Weit draußen am Horizont wachte sie. Eine schwarze, undurchdringliche Dunkelheit, die über den Wellen lag und abwartete...

"Ich beging einen fürchterlichen Fehler," flüsterte Zarafir. "Einen verhängnisvollen Fehler..."

Angicore nickte, ohne ganz zu begreifen, was er meinte.

"Einen fürchterlichen Irrtum..."

"Erklär mir das," bat Angicore. Er fühlte sich jetzt vollständig allein. Er hatte nur Zarafir, auf den er sich stützen konnte. Zarafirs Schwäche schwächte auch ihn selbst. Und er brauchte jetzt Stärke, Stärke, um den Anforderungen gewachsen zu sein, die nun, wie er wußte, auf ihn zukamen.

Zarafir legte eine Hand auf seine Schulter.

"Ich ließ es drauf ankommen. Ich schätzte die Situation falsch ein. Das kann ein Mann wie ich nicht tun, in einer Situation, wie dieser, ohne daß die Folgen katastrophal sind!"

"Was war das für ein Wesen, das da gekommen ist?" fragte Angicore.

"Ein Gisal..." flüsterte Zarafir und griff um den Rand der Brüstung, um sich aufrecht zu halten.

"Ein Gisal?"

"Ein Magier, wie ich..." seufzte er. "Ein Zauberer, der den Schwur gebrochen hat, den er geschworen hat, und in die Dienste des Bösen getreten ist."

"Hättest du es nicht verhindern können?"

"Indem ich es herbeirief, habe ich selbst mich ihm verschrieben. Darum konnte ich nicht eingreifen. Keiner ist unfehlbar, nicht einmal ich." Er seufzte leise und Angicore fühlte den Zorn der Hoffnungslosigkeit zu einem bitteren Geschmack im Mund werden.

"Was jetzt?" fragte Angicore.

"Stütz mich..." Er streckte die Hand Angicore entgegen und lehnte sich schwer an ihn, als Angicore den Arm um seinen Rücken legte.

"Die Zeit ist knapp, mein Junge. Ich habe dir etwas zu geben, wir müssen uns beeilen, bevor es zu spät ist."

Er warf einen letzten Blick in die Dunkelheit. "Ich fühle, daß es kommt, mein Junge. Eine Stärke, so groß, ein Zorn, so gewaltig, eine Kraft, die über Dynadan hinwegspülen wird und es einebnen, so wie das Meer den Sand am Strand wegfegt..."

"Wir können kämpfen, Zarafir. Ich verfüge über das größte Heer der Welt, ich gebiete über die Maruder, die tapfersten Fechter, die es gibt!"

Zarafir sah auf ihn hinunter. Es war Liebe in diesem Blick, Liebe und Mitleid.

"Ihr werdet es sein, Milord..." Er schwieg und schüttelte irritiert den Kopf. "Du wirst es sein, mein Angicore - der zum Land auf der anderen Seite hinter dem Meer ziehen wird. Du besitzt große Kräfte in Winkeln deines Bewußtseins, die du noch nie bemerkt hast. Aber du wirst es sehen, wenn die Zeit gekommen ist. Du mußt die Kräfte gebrauchen und den Gisal aufsuchen. Und du mußt nach Illemed ausziehen, denn dort ist es, wo er zu finden ist..."

Er schwieg einen Augenblick und suchte nach den richtigen Worten.

"Nichts ändert sich, wenn du bleibst, nichts anderes, als daß es dich das Leben kosten wird. Für die Kämpfe in Dynadan werde ich dir eine Waffe geben, eine Zauberwaffe. Aber du mußt fort von hier, noch heute Nacht."

"Wenn du es so sagst, werde ich deinem Vorschlag gehorchen," flüsterte Angicore.

"Hilf mir weg von hier," bat Zarafir müde.

"Wohin?" fragte Angicore heiser.

"Zum Turm..."

Er stolperte davon, gestützt von dem jungen Kaiser, fort durch die Säle. Duncan Yol blieb zurück und starrte ihnen mit düsterem Blick nach.

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