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3: Die 'Stella'

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Stefan lief die Straße zum Hafen hinab. Der Wind vom Meer machte die Sonne erträglich. Das Treffen mit Jung war gestern Abend erst spät ausgeklungen. Dieser hatte vom Handy noch eine gewisse Cindy angerufen, um das Frühstück organisieren zu lassen. Zu spät, um sich noch ein wenig in der Stadt zu vergnügen. Dafür war er froh, sich heute endlich ausgeschlafen und frisch zu fühlen. Schon beim Anblick der verschiedenen Piers ließ Stefan seine Blicke schweifen, ob er irgendwo die 'Stella' liegen sehen könnte. Es waren aber zu viele Boote, um sich einen schnellen Überblick zu verschaffen, und manche sahen wirklich beeindruckend aus, waren aber sicher fernab seines Budgets. Aber wer weiß, vielleicht läuft es ja gut, und er würde eines Tages auch den Sprung in die nächsthöhere Liga schaffen?

In dem Meer aus weißem Holz, Karbon und Kunststoff verlor sich sein Blick und er orientierte sich an den Piernummern und denen der Landestege. Er musste noch bis zum Seitenausläufer des Hafens laufen, um den benannten Anlandeplatz zu finden. Zuerst sah er einen Bug inmitten der anderen hervorblitzen, der ihm von den Fotos bekannt vorkam. Er könnte auch an der genannten Position liegen. Beim Näherkommen entdeckte er sie dann zwischen den anderen Schiffen: die 'Stella'. Baujahr 1990, und für 150000 Euro nahezu ein Schnäppchen für die gebotene Ausstattung. Vor allem sah man dem Modell das Alter nicht an – und das war ihm besonders wichtig. Kunden fragen nicht nach dem Baujahr, sie wollen auf und mit dem Boot cool aussehen und eine schöne Zeit haben.

Sein Herz schlug schneller, als er die letzten Meter zum Anleger zurücklegte. Oben auf der kleinen Yacht bemerkte er eine Bewegung. Eine blonde Frau mit beeindruckenden Beinen stieg aus der Kabinenluke und lief geschäftig über Deck in Richtung Heck. Sie schaute immer wieder aufmerksam über das Pier, wirkte fast ein wenig nervös. Der Minirock, den sie trug, war zwar für die Temperaturen angemessen, aber gerade so an der Grenze, um noch als seriös und außerhalb des Schlafzimmers vorzeigbar zu gelten. Ihre gewellten Haare reichten beinahe bis zur unteren Naht ihrer Bluse und liefen schmal zu. Trotz der Temperaturen trug sie feine helle und beinahe durchsichtige Seidenstrümpfe, wie er an der leicht glitzernden Naht feststellen konnte, die den Blick von den Füßen bis in das verbotene Reich führten. Vom Anleger aus hatte Stefan aber eine vorteilhafte Position und konnte die Blicke höher fahren lassen als von der Trägerin geplant – solange diese nicht freimütig provokant auf eine Leiter steigen würde. Er konnte im Schatten des Minirocks noch erahnen, dass sie einen Slip im knappen Hotpants-Schnitt trug, der aus feinem schwarzen Netzstoff war. Stefan befand, dass diese Frau trotz der grenzwertigen Aufmachung eine gewisse Klasse besitzen müsse, denn vom inflationären String in der Arschritze hatte er längst genug und ein luftiges Höschen wie dieses erschien ihm in diesem Klima praktisch und ästhetisch gleichermaßen.

Vor den zwei Stufen der Bootsleiter verharrte er kurz und schaute sich um. Die Blonde stand bereits am Heck des Schiffes, da entdeckte er Bernhard Jung oben auf dem Führersitz.

»Hallo! Keine falsche Scheu, treten Sie ruhig näher! Bald bestimmen nur Sie, wer an Bord darf!«

Stefan winkte kurz, sprang die zwei Stufen an Deck und erklomm sofort den Führersitz.

»Prächtiges Gefühl, was?«, dröhnte Jung und klopfte Stefan beim Händeschütteln kräftig auf die Schulterseite. »Wir können auch direkt hier oben anfangen, und ich zeige Ihnen die wesentlichen Dinge. Herr Marques ist auch schon da und wartet unten in der Kabine auf uns. Dann können wir auch direkt zum Frühstück schreiten!«

Bernhard Jung erklärte Stefan ein paar Einzelheiten der Steuerung, die er mit technischen Kennzahlen wie eine Werbebroschüre ergänzte. Sein protziges Goldarmband flog am Handgelenk auf und nieder, als er hier und dort auf die Instrumente zeigte. Immer wieder lenkte Stefan seinen Blick in Richtung Bootsheck, wo die Blondine lässig an der Fahnenstange lehnte. Durch ihre Sonnenbrille konnte man nicht sehen, wohin sie blickte, und sie tat so, als würde sie die Sonnenstrahlen genießen, solange es nicht zu heiß wird. Dabei merkte Stefan, dass ihre Aufmerksamkeit nicht den Menschen an Bord, sondern dem Hafen galt. Von vorne konnte er feststellen, dass dies keine der dämlich-nuttigen Assistentinnen war, denn ihr Auftreten war so stilsicher wie es ihr Slip versprach. Die Balance aus Attraktivität und Verruchtheit konnte diese junge Dame verdammt gut halten, und das äußerst selbstbewusste Auftreten war vielleicht eine Spur frivol, aber keineswegs ordinär. Mit 6cm waren die Absätze ihrer Highheels noch im Rahmen, dafür waren sie knallrot und mit schmalen Riemchen, die den Blick auf die gebräunte Haut freigaben. Und selbstverständlich trug sie BH – soviel Anstand musste auf einem Geschäftstreffen schon sein.

Als die beiden Männer die Treppe zu Deck herabstiegen, sprang sie auf und schritt auf die beiden zu.

»Cindy Marnow, meine Assistentin!«, stellte sie Jung vor. »Das ist Herr Schneider, der Käufer des Boots.«

»Sehr angenehm. Ich beneide Sie jetzt schon um die schöne Zeit, die Sie auf diesem Schiff verbringen werden!«, antwortete sie in charmantem Ton. Sie war schätzungsweise Anfang 30 und von beeindruckender Gesamterscheinung. Selbst von Angesicht zu Angesicht konnte Stefan keinen Makel an ihrem Körper erkennen, der Händedruck war sicher und fest, aber immer noch weiblich. Außer ihrem perfekt aufgetragenen Lippenstift trug sie kein sichtbares Makeup, wobei Stefan ihre Augen nicht erkennen konnte, die sich immer noch hinter der großen Sonnenbrille verbargen.

Herr Jung führte Stefan noch um das Boot herum und erklärte den Stand der verschiedenen Erneuerungen. Cindy verschwand hingegen unter Deck. Zum Schluss gingen sie in den Kabinenbereich. Cindy war über einen heruntergeklappten Seitentisch aus Echtholz gebeugt und richtete das kleine Buffet aus ausgewählten leichten Speisen. Ihr Hintern zeichnete sich dabei deutlich im Minirock ab und schien genauso perfekt zu sein wie der Rest. ›Verdammt, jetzt hätte ich aber Hunger auf was Anderes!‹, dachte er bei dem einladenden Anblick. Am gegenüberliegenden Tisch der Sitzgruppe saß ein hochnäsiger Herr im Anzug – wie reingeschossen und verplombt. Das augenscheinlich maßgeschneiderte Modell saß vom Saum bis zum Kehlkopf präzise wie ein Katalogfoto. Das musste der Notar sein, der augenscheinlich alle Konzentration damit aufbrachte, in seinen Blätterwald auf dem Tisch zu starren und die scharfe Frau ihm gegenüber keines Blickes zu würdigen.

»Fabien, darf ich Ihnen Herr Schneider vorstellen? Herr Schneider, das ist der Notar aus Luxemburg, der im Auftrag unseres Mandanten den Kaufvertrag abschließen möchte.«

Der Herr mit der beherrschten Körperspannung nickte ihm distanziert und langsam zu und schritt mit hörbarem Dialekt, aber perfektem Hochdeutsch zum förmlichen Teil.

»Herr Schneider, mein Mandant ... ich meine: UNSER Mandant, von Herrn Jung und mir, hat mich bevollmächtigt, den Kauf in seinem Namen abzuschließen. Auf diesen Dokumenten befindet sich jeweils bereits eine Blankounterschrift für die Freigabe des Bootes. Eine Originalunterschrift befindet sich zudem auf Ihren Durchschlägen. Hier sehen Sie die Bescheinigung des Eigentumsübergangs für die Behörden, die mit meiner und Ihrer Unterschrift Rechtsgültigkeit erlangen. Und in dieser Mappe finden Sie den Kaufvertrag, den wir Ihnen bereits zur Ansicht zugeschickt haben. Ich hoffe, mit dem Vertrag und mit dem Boot ist aus Ihrer Sicht soweit alles in Ordnung und die Leistungen meines Mandanten somit erfüllt? Ich bitte Sie dann nun, ebenfalls zu unterzeichnen und den Restbetrag innerhalb 10 Tagen auf Jersey anzuweisen.«

Wie ein Oberlehrer musterte Herr Marques Stefan, der gerade versuchte, sich geistig durch den Papierwald zu arbeiten, ob alles vollständig war. Aber dazu hat man ja Notare und somit würde wohl alles in Ordnung sein, befand er, während er davor kapitulierte, jedes mögliche Detail nochmal prüfen zu können. Außerdem gab es immer noch Cindy, die in seinem Augenwinkel am Buffet-Tisch dafür sorgte, dass 70% seines Verstands mit anderen Themen als nüchternem Papierkram beschäftigt waren. Kurzerhand überflog er jeweils die Fußenden der Dokumente, ob alle Unterschriften vorlägen, dann griff er beherzt zum Stift und unterzeichnete. In zwei Wochen würde ein neues Leben beginnen.

»Ich gratuliere!«, rief Bernhard Jung aus und griff nach Stefans Hand, während der Notar alle Unterlagen konzentriert sortierte und seine Mappen damit füllte. Ein Knall von der Seite zeugte vom Öffnen einer Champagnerflasche. Cindy schenkte eifrig vier Gläser ein und noch bevor das Buffet geplündert wurde, stießen alle miteinander an. Die Köstlichkeiten vom Tisch mundeten anschließend hervorragend, und die Männer begaben sich für ein paar weitere Gläser Champagner an Deck, wo sie im Schatten des Führerstandes die Aussicht genossen. Stefan konnte es gar nicht fassen, dass er auf seiner eigenen Yacht stand. Er war so verwirrt in seinem Glück, dass er selbst für Cindy im Moment keine Augen hatte. Bis zum vierten Glas, welches Jung im Anflug seiner immer überschwänglicheren Kumpeleien dazu veranlasste, Cindy plötzlich an der Hüfte zu greifen und an sich zu ziehen, wobei seine Hand zwangsläufig ihren Arsch berühren musste. Cindy ließ sich nichts anmerken und setzte ihren Smalltalk charmant lächelnd fort. ›Verdammt, sie ist entweder sehr abgebrüht, oder deutlich mehr als seine Assistentin. Oder beides...‹, dachte Stefan bei sich.

Das Versprechen

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