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4: 2013, Cindy

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Drei Jahre seit dem Treffen in Tarragona waren vergangen. Stefan Schneider lehnte, auf dem Fahrrad sitzend, an der Straßenlaterne und hatte die Lederjacke bis obenhin geschlossen. Das Haus von Jung war ein beeindruckend großer, aber nicht unbedingt schöner Bau aus den frühen 80er Jahren. Lediglich die Bruchsteinmauer, das automatische Gittertor und die lange Kieseinfahrt zeugten davon, dass hier Kapital zuhause ist. Für einen Morgen im Juni war es noch relativ frisch. Es war gegen 09:15 Uhr, als das Taxi die Straße hinaufgefahren kam. Dieses Ritual wiederholte sich zweimal im Monat, jeden ersten Dienstag und Freitag. Darauf war Verlass, seit Stefan das Haus beobachtete. Das Taxi hielt vor dem Haus. Neben der Einfahrt öffnete sich die Haustür, und heraus kam sie. Wie immer Dienstags und Freitags. Das waren die Tage, an denen Jung über Nacht weg war. Auch soviel hatte Stefan schon herausgefunden. Der 7er BMW verließ immer am Tag davor das Haus und kehrte erst am nächsten Abend wieder zurück.

Cindy Marnow trug eine knappe Jacke und darunter eine figurbetonende Hose aus schwarzem Kunstleder. Sie hatte außer einer Umhängetasche nichts dabei. Sie trug Pumps mit praktischen breiteren Absätzen und schwebte in einer Art Model-Schritt in Richtung Straße. Auch wenn sie nicht so aufreizend gekleidet war wie seinerzeit in Tarragona sah sie dennoch fantastisch aus. Sie stieg hinten ins Taxi ein, wobei ihre langen Haare über das Leder der Kopfstützen streiften. Seit er und Jung sich zuletzt gesehen hatten – das war vor Gericht, als Stefans Klage gegen Jung abgewiesen wurde – verging kein Tag, an dem Stefan nicht an seinen Schwur dachte: ›Ich nehme dir etwas, was dir weh tun wird.‹ Rache kann das Geld nicht ersetzen, aber es lag ihm viel daran, Bernhard Jung zu zeigen, was es heißt, wenn ein Traum zerstört wird. Und irgendwie war sich Stefan Schneider sicher, dass sein Weg über diese Frau führen könnte. Doch zuerst musste er eine Prüfung bestehen, ob er offen handeln könnte oder nicht. Er stieß sich mit dem Fahrrad ab, wendete und folgte dem Taxi. Hier in der Tempo 30-Zone war es nicht schwer, Schritt zu halten. Dazu war er gut genug in Form. Er hatte auch viel Zeit dafür gehabt. Nachdem das Erbe seines Onkels in dubiosen Kanälen auf Jersey verschwunden war, hatte er sich weiter drei Jahre mit Malerei über Wasser gehalten. Immerhin reichten ein paar regelmäßige Galerieverkäufe dafür aus, seinen Wohnsitz hierhin zu verlegen. Und er hatte Zeit. Viel Zeit.

Am Ende der Straße wartete das Taxi mit Cindy Marnow an der Kreuzung. Jetzt kam der anstrengende Teil, denn Stefan musste ca. 100 Meter Schritt halten und hoffen, dass die Ampelanlage weiter hinten auf Rot steht und sich der übliche Stau entwickelt. Er trat in die Pedale und registrierte nervös, wie ihn vier, fünf Autos überholten und sich zwischen ihn und das Taxi schoben. Doch er hatte Glück, es war wieder Stop-and-Go. Am Rand der Straße arbeitete er sich vorsichtig wieder nach vorn, indem er langsam zwischen den geparkten und rollenden Autos durchradelte. Er schlängelte sich bis zum Taxi durch und blieb dann direkt am Fenster von Cindy stehen. Erst wartete er eine Weile, dann schaute er beiläufig nach links in den Wagen rein. Seine und Cindys Blicke trafen sich. Bei ihr war keine Überraschung zu sehen – kein Zeichen eines Wiedererkennens. Das hatte er gehofft. Schließlich hatte sie ihn damals in Tarragona gerade mal drei Stunden gesehen. Es war drei Jahre her, und mittlerweile trug er seine Haare auch lang. Etwas, was ihm zu seiner Verwunderung klare Vorteile bei den Frauen brachte, die offenbar auf seine früh graumelierten, aber wenigstens vollen Haare standen. Er riskierte es, einen Gang höher zu schalten. Während sich die Blicke noch trafen, versuchte er ein kurzes, diskretes Lächeln. Zu seiner Verwunderung behielt Cindy den Blick bei und hob auch etwas die Mundwinkel. Diese Prüfung hatte er klar bestanden – sie erkannte ihn nicht wieder. Der Verkehr setzte sich wieder in Bewegung, er verlor Cindy aus den Augen, aber er wusste, welches Taxiunternehmen sie immer wählte.

Er war Künstler, er hatte Zeit. Und Taxifahrer werden meistens gesucht. Es wurde Zeit für den nächsten Schritt, entschied er, und bog mit dem Rad in Richtung Stadtmitte ein, in welchem das Taxiunternehmen seinen Sitz hatte. Dort angekommen war es eine Sache von 10 Minuten. Ein Knebelvertrag mit Bezahlung nach Bedarfszeiten, aber er dürfe anfangen. Nur darum ging es ihm. Und bis zum Juli würde er den Fahrgastschein noch erworben haben und sich auf der Straße als Taxifahrer verdingen dürfen.

Das Versprechen

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