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6: Ein Stammgast

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Stefan hatte gegen 12:30 den letzten Fahrgast abgeliefert und nahm keine neuen Fahrten mehr auf. Er gab den Wagen zurück und hatte schon überpünktlich 10 Minuten an der Trattoria gewartet, als Cindy endlich eintraf. Sie war offenbar shoppen gewesen, denn sie trug drei verschiedene Tüten. Eine war unschwer als eine Schuhtüte zu erkennen, die anderen beiden schienen Bekleidungsgeschäfte zu sein. Je sparsamer der Aufdruck, umso teurer der Laden. Stefan hatte von keinem der Läden je etwas gehört. Cindy ging wortlos an ihm vorbei, zwinkerte auffordernd anstelle einer Begrüßung, und Stefan folgte in ihrem Windschatten, als sie sich einen Tisch aussuchte.

»Macht Ihr Mann in Immobilien?«, eröffnete Stefan nach einigen Minuten Plauderei scheinheilig ein neues Thema.

»Nein, Boote. Er vermittelt Boote in der Mittelmeer-Region und in den südlichen Atlantik-Anreinern.«

»Oh, sicher interessant!?«

Cindy beugte sich über die Tischmitte und legte ihr Kinn auf ihren Handrücken und mimte einen gelangweilten Gesichtsausdruck.

»Oh, kommen Sie. Sie spucken in Nebensätzen Insider-Tipps zu Bankenverbindungen raus. Was soll daran interessant für Sie sein? Ich möchte wetten, zu handfesten Anlageformen haben Sie auch schon alles gelesen. Außerdem wollte ich mich nicht für den Tipp bedanken, indem wir jetzt über ein ebenso trockenes Thema reden. Lassen Sie uns das Essen genießen und über das Leben plaudern.« – das Wort Leben betonte sie extra stark, als würde sie keine Widerrede dulden.

»Hmmm, gut, ich fühle mich jetzt ein wenig überrannt. Ich probier's. Haben Sie was Schönes gefunden?«, fragte Stefan und zeigte auf die Einkaufstüten. Cindy entgegnete ein breites Grinsen und legte den Kopf schief.

»OK ... «, antwortete sie und grinste noch mehr, als sie zur Schuhtüte griff. »Das hier ist ein traumhaftes Modell, welches nicht nur eine Frau glücklich machen kann.« Als sie es sagte, öffnete sie den Karton und hob sündhafte und leuchtend gelbe Stilettos mit Leopardenmuster am Schaft heraus. Stefan hätte sich ohrfeigen können, das Thema ausgerechnet auf die Einkäufe zu bringen, denn die unvermittelte Direktheit brachte ihn in Verlegenheit und damit aus dem Konzept. Er spürte, wie seine Backen leicht heiß wurden.

»Uff ... darin kann man laufen?«

»Wer spricht denn von Laufen, Dummerchen ...«, entgegnete Cindy mit frivolem Blick. »Apropos Dummerchen, ich weiß Deinen Namen gar nicht.«

»Stefan. Stefan Schneider.« – Stefan biss sich auf die Zunge, weil ihm – so überrumpelt – in Gedankenlosigkeit sein echter Name herausgerutscht war. Ob sie vielleicht mit dem Namen noch was anfangen konnte? Ob ihr Mann Bernhard mehrmals zuhause über ihn gesprochen haben könnte? Aber es war zu spät, es war raus. Cindy zeigte zum Glück keine Reaktion.

»Also, Dummerchen Stefan. Solche Modelle werden den Asphalt nie berühren. Die werden überhaupt den Boden äußerst selten berühren, da kannst du dir sicher sein. Ach, ich bin übrigens Cindy. Cindy Marnow.« Sie reichte ihm die Hand. »Aber wir sind ja noch nicht fertig! Was verbirgt sich wohl in Tüte zwei? Es harmoniert sehr gut mit Tüte eins.«

Stefan wurde es bei der Andeutung etwas mulmig und er vermutete zu Recht eine zweite Peinlichkeit. Er schaute sich um, aber zum Glück war die Trattoria um diese Zeit nicht mehr voll besetzt. Das mit den Schuhen hatte offenbar auch niemand mitbekommen. Cindy griff in die Tasche und zog einen verboten gutaussehenden Netzbody heraus. Er war bronzefarben, hatte Spitze im Schritt und einen weiten V-Ausschnitt vorne, der bis zum Bauchnabel gehen musste. Die Außennähte waren in erotischem Knallrot gefasst, die die Grenzen dieses textilen Nichts markierten. Es müsste ein Hammer sein, mit den Händen über diesem Stoff die Brüste zu ertasten, bevor man sie mit einer leichten Bewegung freilegt. Cindy legte den Body provokant über ihre Figur, die sich unter dem engen Top abzeichnete. Sie drehte ihren Oberkörper leicht von rechts nach links und stellte ihre Titten regelrecht zur Schau.

»Na, passt gut zu den Stiefeln, oder? Ja, ich denke schon, dass ich was Schönes gefunden habe. Jetzt zu Tüte drei!«

»Nein, Stop, das war überhaupt nicht meine Absicht ...«, versuchte Stefan sie zu bremsen und hob die Hände. Wer weiß, wie peinlich es jetzt noch werden könnte?

»Keine Sorge, Dummerchen. Das ist eine ganz stinknormale Bluse.«, sagte sie verschmitzt und zog des Rätsels Lösung kurz mit der Hand heraus.

Er atmete innerlich auf. Dieses Karussell der Peinlichkeiten war schon mal überstanden. Doch als er noch am Überlegen war, was nun seine nächsten Schritte sein könnten, hatte Cindy das Steuer der Unterhaltung fest in die Hand genommen.

»Pass auf, Stefan: du bist ein prima Kerl. Ich weiß nicht, wie das bei euch in der Zentrale üblich ist und wie deine Arbeitszeiten aussehen. Wie ist das? Kann ich auch einen Fahrer verlangen oder gibt es so was wie eine Stammgast-Regelung? Ich muss zweimal im Monat mit dem Taxi in die Stadt und später auch wieder nach Hause. Man könnte es also früh mit deinen Dienstplänen vergleichen und vielleicht so arrangieren, dass ich wenn möglich mit dir fahren kann. Ich habe keinen Bock auf den ganzen Scheiß-Smalltalk deiner Kollegen, die mir die neusten Scheiß aus ihrer BILD erzählen wollen oder ob ihre Alte Hornhaut hat. Oder die mir mehr auf die Möpse starren als auf die Straße. Du bist keiner von diesen gescheiterten Typen ...«

›Oh Cindy, wenn du wüsstest, WIE gescheitert.‹, dachte Stefan bei sich.

»... die aus dem Maul und allen Klamotten nach Qualm stinken oder morgens noch die Fahne vom Vorabend haben. Mit dir kann man reden, und das schätze ich sehr. Was sagst du?«

Stefan war baff. Ein regelmäßiges Fahren würde ihn näher an das Lebensumfeld von Bernhard Jung bringen und vielleicht würde er mehr über Gepflogenheiten, Kontakte und Geschäfte erfahren. Vielleicht würde er auch nochmal auf den Drecksack von falschem Notar stoßen. Ein Fabien Marques existierte in Luxemburg jedenfalls nicht. Zumindest nicht als Notar, wie ihm glauben gemacht wurde. Er war nur Teil einer Riesen-Show mit gefälschten Papieren. Nicht einmal der Verkäufer war echt, und der echte Besitzer war seinerzeit im Zuge der Ermittlungen nicht schlecht erstaunt, dass die Liegezeit seines Bootes für einen Scheinverkauf genutzt wurde. Und bevor Stefan den Braten komplett durchschaut hatte, war das Konto auf Jersey geräumt und vom Inhaber keine Spur. Eine Briefkastenfirma mit Schein-Prokura, ausgezahlt wurde in bar. Und sein einziger Anhaltspunkt war Bernhard Jung. Stefan war fest entschlossen, den Betrug nachzuweisen und seinem Gegenspieler dann zu nehmen, was er nur kriegen könnte.

»Ja, ich denke, das geht in Ordnung! Dazu müssten Sie ...«

»Cindy...«

»... – DU – aber noch in der Zentrale anrufen und am besten das Taxi schon ein bis zwei Tage vorher bestellen. Dann dürfte das funktionieren.«

Cindy lächelte ihn an. »Toll!« Dann lehnte sie sich zurück und fixierte ihn wieder mit den Augen, während sie das Glas Rotwein zu den Lippen hob. Als sie diese zum Trinken spitzte, hatte sie wieder diesen Angelina-Mund.

Das Versprechen

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