Читать книгу Leana - Conny Lüscher - Страница 10

Eden

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Leana erwachte aus einem unruhigen, oberflächlichen Schlaf. Die ganze Nacht hatten sich ihre Gedanken im Kreis gedreht, ihr Unterbewusstsein suchte noch im Traum nach einer Erklärung für das, was geschehen war. In wirren Träumen irrte sie umher, von einer Frau mit weißblonden Haaren verfolgt und immer wieder rief ihre Mutter nach ihr. Isabell, die doch schon lange tot war. Jedes Mal, wenn sie aufschreckte, konnte sie neben sich die zitternden Körper von Nina und Felix spüren. Sie murmelten und zuckten im Schlaf und schienen genau wie sie von Albträumen gequält zu werden.

Leana blinzelte und sah auf ihre Armbanduhr. Sieben Uhr. Sie fror. Kein Wunder, es war schließlich Ende Oktober. Sie trug zwar Jeans und einen roten Wollpullover, aber ihre schwarze, kurze Jacke war ein Lederimitat und nicht besonders wärmend.

Ich wusste ja auch nicht, dass ich die Nacht in einem Wald verbringen muss, dachte sie mit einem Anflug von schwarzem Humor, sonst hätte ich mir selbstverständlich ein Zelt umgebunden.

Sie blickte sich um. Sie befand sich tatsächlich in einem Wald. Dicke grüngraue Flechten hingen wie Haarsträhnen von den dunklen Bäumen. Über dem Moos, der den ganzen Boden wie ein Teppich überzog, lag ein leichter Nebel. Irgendwie schien alles mit einem grauen Schleier bedeckt zu sein.

Sie richtete sich auf. Ihr Rücken schmerzte von der unbequemen Lage, in der sie die Nacht verbracht hatte. Nina, die an sie angelehnt gesessen hatte, kippte zur Seite. Stöhnend schlug sie die Augen auf. In dieser diffusen Halbdämmerung sah sie mit ihrer Schminke und den farbigen Haaren aus wie ein kleiner Clown.

„AUA!“, knurrte sie wütend.

Dann blickte sie sich misstrauisch um. „Kann man jetzt endlich sehen, wo wir gelandet sind? Und wo ist eigentlich der kleine Blödi abgeblieben?“

Erst jetzt wurde Leana bewusst, dass Felix verschwunden war. Sie sprang auf.

„Felix!“, rief sie und sah sich nervös um. „Felix!“

Nina stand ebenfalls auf und strich energisch über ihre Kleider. Sie trug schwarze Leggins, darüber einen schwarzen Mini aus Leder, ein knallgelbes Shirt mit einem Totenkopf und einen schwarzen Lederblouson. Ihre Füße steckten in schwarzen Stiefeletten, in denen Leana keinen Meter hätte gehen können, so hoch waren die Absätze.

Nina fuhr sich mit beiden Händen durch ihre bunten Haare.

„Nicht dass da noch irgendein Vieh herumkrabbelt“, sagte sie, als sie Leanas Blick bemerkte.

„Wir müssen Felix suchen!“, Leana hatte Angst um den kleinen Jungen, der hier irgendwo ganz allein herumirrte.

„Ach, der Zwerg wird schon wieder auftauchen. Hast du vielleicht etwas zu essen dabei? Ich sterbe vor Hunger!“

Leana war fassungslos. „Wie kannst du jetzt ans Essen denken? Wir haben keine Ahnung, wo wir sind und was los ist und Felix ist doch nur ein kleiner Junge, dem weiß Gott was passieren könnte!“

„Nun reg dich bloß nicht so auf“, brummte Nina und kramte verlegen in ihrer riesigen grünen Handtasche. „Wenn ich Stress hab, kann ich nur noch ans Essen denken.“

„Schon gut“, sie konnte Nina nicht böse sein, denn schließlich knurrte auch ihr Magen. Plötzlich wurde ihr bewusst: Sie hatte seit gestern Morgen nichts mehr gegessen. Erstens hatte ihr die Zeit dazu gefehlt und zweitens hatte sie damit gerechnet, dass Tim ihren Gemüseauflauf nicht einmal anrühren würde.

„Mein Nachtessen ist ja auch ausgefallen“, sagte sie versöhnlich. „Aber wir müssen jetzt Felix suchen!“

Sie blickten sich um.

„Da!“, rief Nina. Sie deutete auf etwas, das zwar kein Weg war, aber über das Moos schlängelte sich eine Linie, die aussah wie ein kleiner Trampelpfad.

„Bestimmt ist er da lang“, sagte Leana. „Komm mit!“

Sie war verblüfft, wie schnell Nina auf ihren hohen Absätzen vorwärtskam. Sie waren noch keine hundert Meter durch diesen bizarren Wald gelaufen, als sie in der Ferne einen seltsamen Lärm hörten. Wie angewurzelt blieben sie stehen und lauschten.

„Scheiße, was ist das denn?“, flüsterte Nina.

Es klang wie eine schreckliche Sinfonie aus Schreien, Fauchen und Krächzen. Verzweifeltes Gebrüll hallte durch die Nebelschwaden.

„HAUT AB! VERSCHWINDET IHR MISTVIECHER!“ Die kreischende Stimme gehörte eindeutig Felix.

„Wow!“, flüsterte Nina, „das ist der kleine Blödi und er stottert nicht! Da muss wirklich eine große Scheiße im Gange sein!“

Wie gehetzt rannten sie los. Schweißgebadet vor Angst und Anstrengung gelangten sie zu einer kleinen Lichtung. Das surreale Bild, das sich ihnen bot, verschlug ihnen die Sprache.

Auf der Lichtung türmten sich moosbewachsene Felsbrocken wie von einem Riesen umgeworfene Bauklötze. Um sie flogen riesige graue Vögel. Die Spannweite ihrer Flügel betrug etwa eineinhalb Meter, sie sahen aus wie monströse Krähen. Ihr wütendes Krächzen erfüllte die Luft. Ihre scharfen Schnäbel waren gebogen und ihre Klauen waren mit langen, glänzenden Krallen bewehrt. Immer wieder stürzten sie sich auf ein Tier, das anscheinend zwischen den Steinbrocken eingeklemmt war. Es schlug fauchend und jaulend mit einer krallenbewehrten Pfote nach ihnen.

War es ein Hund? Eine Katze? Leana konnte das Bild nicht einordnen. Sie wurde von heller Panik erfasst, als sie Felix entdeckte, der neben dem seltsamen Tier stand und schreiend und am Kopf blutend nach den Vögeln schlug. Er benutzte seinen blauen Schulranzen, den er mit weit aufgerissenen Augen an den Riemen haltend um sich schwang. Jedes Mal, wenn er einen der Vögel damit traf, gab es einen kleinen hellen Funken und der schien schmerzhaft zu sein. Denn trotz ihrer wütenden Angriffe hatten sie es bis jetzt nicht geschafft, ihn zu Fall zu bringen. Lange würde er jedoch nicht mehr standhalten. Sein kleines Gesicht war vor Wut und Angst krebsrot, er keuchte und begann zu schwanken.

Nina rannte wie eine Irre kreischend auf die Lichtung. „VERPISST EUCH IHR BIESTER! ZUR HÖLLE MIT EUCH!“ Sie fuchtelte wild mit den Armen und benutzte, wie Felix seinen Ranzen, ihre große Handtasche als Waffe.

Leana wurde endlich aus ihrer Schockstarre gerissen. Im Laufen packte sie jeden Stein vom Boden und warf ihn mit großer Wucht nach diesen scheußlichen Vögeln. Sie konnte nur beten, dass sie nicht Felix oder Nina traf.

Alexander war die ganze Nacht gelaufen. Nun stand er oben an einem Abhang, wo er zwei Dinge sehen konnte. Sie waren beide gleichermaßen erschreckend. In der Ferne bemerkte er eine Staubwolke, die sich schnell vorwärts bewegte. Ein Wagen raste über die alte ausgefahrene Straße, die zum Waldgebiet führte. Sie kamen. Ihm war klar gewesen, dass ihnen dieses ungewöhnliche Leuchten in der Nacht nicht verborgen geblieben war. Viel Zeit blieb nicht mehr.

Und unten auf der Waldlichtung tobte ein ungleicher Kampf. Er sah einen kleinen Jungen, der in seinen blauen Turnschuhen fast die Balance auf dem rutschigen Felsen verlor. Blut floss in seine Augen und er schlug halb blind um sich. Zwei Mädchen schrien und warfen mit Steinen nach den Vögeln. Eigentlich hätten sie gegen diese Übermacht nicht die geringste Chance gehabt.

Aber irgendetwas verlieh ihnen eine unglaubliche Kraft. In dieser Umgebung, die aussah wie eine alte vergilbte Fotografie, schienen sie zu leuchten. Sie waren so lebendig! Und jede Berührung mit ihnen schien die Vögel wirklich zu verletzen! Aber es konnte nicht mehr lange dauern.

Alexander griff nach der Pistole seines Vaters und zielte. Er wusste, er würde treffen. Hätte er das in den letzten vier Jahren nicht gelernt, würde er heute nicht hier stehen. Der Schuss hallte laut über die Lichtung.

Leana legte schützend die Arme vor ihr Gesicht, als die Vögel wie eine donnernde graue Wolke aufflogen. Mit schrillem Kreischen zogen sie sich in die Bäume zurück. Vorsichtig ließ sie die Arme sinken. Neben ihr auf dem Boden lag eines dieser hässlichen Tiere auf der Seite. Aus einem kleinen Loch in seiner Brust sickerte Blut durch das aschgraue Gefieder. Gleich daneben kniete Nina, völlig außer Atem und leise vor sich hinfluchend.

Leana rannte zum Felsen. Felix hatte sich auf seinen Hintern fallen lassen und hustete. Sein blutiges Gesicht sah schlimm aus. Sie wollte ihn vom Felsen herunterheben, doch sie zögerte. Felix saß direkt neben dem seltsamen Tier. Es war etwa so groß wie ein Cocker Spaniel, doch es war kein Hund. Aus seinen Pfoten ragten Krallen wie bei einer Katze, und als Leana sich näherte, zog es sie ein. Doch seine Schnauze war zu spitz geformt für eine Wildkatze. Sein rotbraunes Fell war völlig verdreckt. Es zuckte nervös mit seinen kleinen runden Ohren. Doch am meisten überraschten sie die Augen des Tieres, sie waren sehr groß und tiefblau.

Ich werde den Doktor fragen, dachte sie und ihre Arbeit in der Tierarztpraxis und ihr normales Leben schienen auf einmal Lichtjahre entfernt.

„Mu…muumusst k k keiiine Angst haben“, sagte Felix und tätschelte dem Tier wie zur Bestätigung den breiten Kopf. Es schloss erschöpft die Augen. Leana packte den Jungen und zog ihn herunter.

„Oh Gott Felix!“, stöhnte sie. Mit einem Taschentuch versuchte sie das Blut aus seinem Gesicht zu wischen.

„Niiiicht schliiiimm!“, beschwichtigte Felix, aber er hielt still.

Nina rappelte sich mit einem angewiderten Blick auf den toten Vogel auf. Sie selbst sah nach diesem Kampf aus wie ein zerzauster schwarzer Federball. Sie blickte auf ihre Hände.

„Scheiße“, brüllte sie, „fast alle meine Nägel sind abgebrochen!“ Anklagend streckte sie ihnen die Hände hin.

Sie starrten sie fassungslos an.

„Diese Kunstnägel haben ein Vermögen gekostet, wisst ihr das nicht? Mistvieh, elendes!“ Sie verpasste dem toten Vogel einen kräftigen Tritt.

Felix und Leana brachen beide in Gelächter aus. Sie lachten, bis ihnen die Tränen kamen. Nina blickte sie irritiert an, doch dann grinste sie.

„Du hättest dich sehen sollen, wie du von hinten ausgesehen hast, als du auf deinen Stöckeln losgerast bist!“, kicherte Leana.

„Wie eine Fu fu fufuuurie“, Felix hatte vor lauter lachen jetzt auch noch den Schluckauf.

„Ha! Und du erst, du Zwerg! Hast dich wohl für unbesiegbar gehalten mit deinem lächerlichen Schulranzen!“, schrie Nina und wischte sich die Lachtränen aus dem Gesicht.

Hinter ihnen erklang ein seltsamer Ton. Es war ein leises, knurrendes Jammern. Sie verstummten und drehten sich um. Das Tier lag immer noch eingeklemmt zwischen den Felsen und blickte sie auffordernd an.

„E eees ist eingeklemmt“, rief Felix und rannte los.

„Warte doch du Idiot!“, schrie Nina. Sie lief hinterher. „Willst du gefressen werden?“

Felix war schon bei dem Tier. Er lehnte sich mit dem Rücken an den großen Felsen und versuchte mit beiden Füßen den Brocken, der es gefangen hielt, zur Seite zu drücken. Er war zu schwer. Das Tier jaulte auf.

„Geh mal zur Seite Junge.“ Alexander war wie ein Schatten zwischen ihnen aufgetaucht. Verblüfft starrten sie ihn an. Er war groß und kräftig. Er trug abgewetzte Kleider, seinen speckigen Rucksack hatte er achtlos neben den toten Vogel geworfen. Mit aller Kraft drückte er den großen Stein zur Seite und das Tier sprang mit einem Fauchen hervor. Es klang nicht sonderlich gefährlich, eher nach Erleichterung und ein wenig schmerzvoll. Alexander sprang vom Felsen und beobachtete hingerissen, wie es auf der Seite liegend seine zitternde Flanke leckte.

„Ein Seidenwer“, murmelte er. „Die sind äußerst selten. Fast ausgestorben. Sie jagen sie wegen ihres wunderbaren Fells.“

„Was?“, kiekste Nina.

Sie war wie die anderen völlig perplex. Wo war dieser Kerl plötzlich hergekommen und was zum Teufel faselte er da?

„Seidenwer, was soll das denn sein?!“

Alexander sah sie lächelnd an. „Sie sind normalerweise sehr scheu und äußerst aggressiv, wenn man ihnen zu nahe kommt. Aber für euch scheint nichts unmöglich zu sein.“ Er betrachtete sie alle mit demselben faszinierten Blick wie das Tier zu seinen Füßen.

„Hast du den Vogel getötet?“, fragte Leana.

„Und wer bist du und was mich eigentlich noch mehr interessiert: Wo zum Kuckuck sind wir hier eigentlich?“ Nina fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare und zerzauste sie noch mehr.

Alexander sah sie an, als ob er eben aus einem Traum erwacht wäre. Sein Gesicht verdüsterte sich. Keine Zeit! Es blieb einfach keine Zeit! Er hörte in der Ferne schon das Geräusch des heranrasenden Wagens.

„Ich kann euch jetzt nicht alles erklären, ihr müsst hier schnellstens weg. Ihr seid in Eden und …“

„EDEN!“, schrie Nina. „Willst du mich verarschen? Wenn das der Garten Eden ist, dann will ich lieber in die Hölle!“

„Nun lass ihn doch ausreden!“, beschwichtigte Leana.

Alexander blickte sie an. Er versuchte seine Gedanken zu verbergen. Sie war so schön, so lebendig! Ihre rotblonden Locken glänzten sogar in diesem trüben Licht und ihre Augen waren grün! Er hatte noch niemals solch grüne Augen gesehen. Er räusperte sich.

„Du wolltest es doch wissen? Unsere Welt heißt Eden. Ich weiß nicht, welche Bedeutung dieses Wort bei euch hat. Ich weiß nur, dass ihr irgendwie aus einer anderen Welt hierhergekommen seid und sie alle hinter euch her sind. Ihr müsst schnellstens verschwinden!“

Felix sah ihn mit großen Augen an. „W w weeer sssuucht uns denn? Wir ha haaaben doch niiichts gemacht?“

Man konnte sehen, dass er das für eine völlig abwegige Idee hielt.

„Nein“, erwiderte Alexander, „ihr habt nichts getan. Aber ihr seid so voller Leben und und …“, er rang nach Worten. Wie sollte er ihnen in so kurzer Zeit begreiflich machen, was das hier bedeutete, „… und ich glaube, dass ihr besondere Kräfte besitzt. Für den Orden seid ihr wertvoller als alles, was es hier gibt.“

„Wenn das nicht so idiotisch klingen würde, wäre ich jetzt äußerst geschmeichelt“, sagte Nina sarkastisch.

„Ich weiß, ihr versteht das alles nicht, aber glaubt mir, ich will nur euer Leben retten. Hört zu. Auch die Ordensbrüder haben heute Nacht eure Ankunft gesehen. Sie sind schon ganz nah. Es gibt nur einen Ort, wo ihr euch in Sicherheit bringen könnt. Hier.“ Er zog eine zerfledderte Landkarte aus seinem Rucksack und breitete sie auf dem Boden aus.

„Ihr lauft jetzt dort hinunter bis zum Fluss. Dem folgt ihr flussaufwärts bis zu dieser Stadt.“ Er tippte mit dem Finger auf die Karte. „Im Zentrum findet ihr das Haus der Alten und dort fragt nach Sina. Sie kommt, wie ihr, aus einer anderen Welt und ich glaube, sie kann sehen. Sie wird euch helfen. Aber ihr müsst sehr vorsichtig sein!“

Panik schlich sich in seine Stimme.

„Versteckt euch vor allen Menschen die ein graues Band um den Hals tragen, sie sind sehr gefährlich. Aber auch denen, die kein Band tragen, dürft ihr nicht trauen. Die meisten Menschen hier würden für sehr wenig sehr viel Grauenhaftes tun, um ihre eigene Haut zu retten.“

Er sah sich unruhig um.

„Ich kann sie hören, ihr müsst weg, schnell!“

„Wie lange brauchen wir denn, bis wir diese Stadt erreicht haben?“ Leana hatte die Karte studiert. Es war unmöglich, die Entfernung abzuschätzen.

„Vielleicht zwei bis drei Tage“, sagte Alexander.

„DREI Tage!“, schrie Nina. „Das soll wohl ein Witz sein?!“

Felix, der sich seit ihrer Ankunft tapfer gehalten hatte, schluchzte leise. Tränen schimmerten in seinen Augen.

„I i ich muuuss do d doch zu Mama!“, wimmerte er, „s s siiiiie ma macht ssssiiich immer Soooorgen!“

Alexander legte ihm tröstend eine Hand auf die schmale Schulter. Ein wunderbares warmes Gefühl durchströmte ihn und erfüllte ihn mit Kraft. Oh ja, sie hatten wirklich Macht. Der Vater würde alles tun, um diese jungen Menschen in seine Gewalt zu bekommen.

„Und wenn wir zu der Stelle zurückgehen, wo wir aufgewacht sind? Vielleicht … ach ich weiß doch auch nicht?“ Leana sah Alexander bekümmert an.

„Nein, das wird euch nichts nützen. Ihr müsst Sina finden, sie ist die Einzige, die die Wege zwischen den Welten kennt!“ Er griff in seinen Rucksack und drückte ihr energisch eine zerbeulte Schachtel in die Hand. Kekse!

„Das Letzte, was ich an Essbarem noch habe. Geht jetzt endlich!“

„Du kommst nicht mit uns?“ Leana fühlte sich vollkommen mutlos und verwirrt. Das konnte doch einfach alles nicht wahr sein!

„Nein, ich muss sie ablenken. Ich werde sie in einem weiten Bogen von euch fortlocken, aber dann komme ich wieder zu euch. Ich finde euch ganz bestimmt und wenn nicht, treffen wir uns bei Sina.“

„In Ordnung, was bleibt uns schon übrig, wenn das alles stimmt, was du uns erzählt hast“, seufzte Leana.

Nina schnaubte wütend.

„Ka kaaan ich den Ka kaaatzenhund mitnehmen?“, fragte Felix erwartungsvoll. Dieser Gedanke schien ihn wieder aufzumuntern.

„Bist du bescheuert? Kommt nicht in Frage, dass wir uns auch noch mit so einem stinkigen Bettvorleger abplagen!“, rief Nina.

Felix funkelte sie böse an, aber bevor er loslegen konnte, sagte Alexander: „Noch niemand hat einen Seidenwer gezähmt. Er entscheidet ganz alleine, in welche Richtung er geht.“

„Na hoffentlich in die entgegengesetzte“, grummelte Nina.

Nun konnte auch Leana ein leises Motorengeräusch hören. „Gehen wir“, sagte sie resigniert und stopfte die Schachtel mit den Keksen in ihre Umhängetasche.

„Sag mal, wie heißt du eigentlich?“

„Alexander.“

Sie lächelte gequält. „Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass mich deine Bekanntschaft wirklich freut. Also ich meine ... du verstehst schon?“ Sie wurde rot. „Also ich bin Leana und das sind Nina und Felix.“

„Also, ICH freue mich außerordentlich.“ Er schenkte ihr ein Lächeln und sie spürte, dass sich ihre Wangen noch mehr verfärbten.

Für weitere Peinlichkeiten blieb keine Zeit mehr, denn mit lautem Kreischen flogen die grauen Vögel aus den Bäumen und stiegen zum Himmel auf. Dort kreisten sie über ihren Köpfen, als wollten sie den Verfolgern den Weg weisen.

„Lauft!“, schrie Alexander und rannte den Abhang hinauf. Voller Angst liefen sie hinunter zum Fluss, der sich wie ein schwarzes Reptil durch den Wald schlängelte.

Leana

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