Читать книгу Der Traumapfel - Cordula Hamann - Страница 5

Kapitel 2

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Als Ellen den Parkplatz vom Wal-Mart erreicht, ist sie bereits genervt, denn wie jeden Freitag ist er proppenvoll. Sie ranchiert ihren Buick ein zweites Mal langsam durch die engen Reihen.

“Mum, da guck, der braune Chevi, der Typ fährt weg.” Ellen beeilt sich, vor irgendeinem anderen Fahrzeug in die Lücke einzuparken und lächelt ihren Sohn dankbar an. “Los, ihr beiden. Wir müssen wegen Omas Geburtstag heute besonders viel einkaufen.”

Simon springt aus dem Auto. “Ich hol schon einen Wagen, Mum.” Sandra braucht wie immer etwas länger, um mit der einen Hand den Teddy und den neuen Minirucksack zu greifen, den Oma ihr geschenkt hat, und mit der anderen den Sicherheitsgurt ihres Kindersitzes zu lösen. Ellen darf das seit einigen Wochen nicht mehr tun. Sie liebt ihre beiden Kinder heiß und innig, aber bei Sandras Anblick wird ihr jedes Mal warm ums Herz. Mit ihren hellblonden Locken und ihrem runden Gesicht sieht sie aus, als wäre das ganze Jahr Weihnachten und sie das Christkind. “Allein die beiden sind schon Grund genug, alles mit Steven zu versuchen“, denkt Ellen und schlägt ihrer Tochter vor: “Lass doch den Rucksack im Auto, Spatz.”

“Nein, den brauche ich”, entgegnet Sandra bestimmt. “Ich muss Omas Geschenk da reinpacken.”

“Aber hier im Supermarkt kaufen wir jetzt nur Lebensmittel für Omas Geburtstagsparty. Ein Geschenk können wir uns nachher zu Hause überlegen.” Doch Sandra ist bereits draußen, mit samt ihrem Teddy und dem Rucksack. Nie würde Ellen ihrer Tochter vorschlagen, das Kuscheltier im Auto zu lassen. Auch dieses hat ihr Oma geschenkt, letztes Jahr zu Weihnachten.

Ellen und Sandra beeilen sich, Simon einzuholen, der ungeduldig mit dem großen Einkaufswagen vorm Eingang auf sie wartet. Ellen holt ihren Einkaufzettel aus der Jackentasche, während Simon Sandra in den Kindersitz des Einkaufswagens hebt. Normalerweise braucht Ellen keine schriftliche Gedankenstütze. Aber am Freitag sollen fünfzehn Gäste kommen und sie will für Stevens Mutter den runden Geburtstag auch kulinarisch angemessen gestalten. 70 ist schließlich schon etwas und außerdem liebt sie ihre Schwiegermutter Beatrice. Von Anfang an nennt sie sie mit dem Vornamen. Zum einen hat es Beatrice selbst vorgeschlagen und zum anderen passt die Anrede viel besser als Mum oder etwas Ähnliches. Nicht, dass man sie nicht für eine Schwiegermutter und Großmutter halten könnte, aber sie hat eine Art natürlicher Jugendlichkeit. Nicht so mondän oder krampfhaft jünger aussehend wie viele Frauen gleichen Alters. So kann sich Ellen nicht daran erinnern, dass Beatrice jemals einen Schönheitssalon besucht hat. Zum Frisör geht sie nur, wenn ihre dunkelbraunen, noch immer dichten Locken eine Zähmung benötigen. Ihre Kleidung ist zeitlos modern und gibt ihrer schlanken Gestalt eine gewisse Eleganz, und ihre persönliche Ausstrahlung wirkt stets warmherzig. Seit sie vor vier Jahren zu ihnen gezogen ist, empfindet Ellen die Anwesenheit ihrer Schwiegermutter immer wieder als Bereicherung und hofft, dass Beatrice trotz ihres Herzleidens noch lange bleiben wird.

Ellen konzentriert sich wieder auf ihre Einkäufe. An der Salat- und Gemüseabteilung fordert Sandra: ”Mama, heb mich raus aus dem Wagen.” Alles geht langsamer, wenn Sandra beschließt, allein durch den Supermarkt zu marschieren. Und das ausgerechnet heute. Aber Ellen kennt inzwischen den Gesichtsausdruck ihrer Tochter, wenn diese etwas auf jeden Fall will. Und zu einer Auseinandersetzung mit ihr hat Ellen jetzt noch weniger Lust. Also hebt sie Sandra aus dem Wagen und sieht zu, wie sie zielstrebig, mit Teddy und Rucksack beladen, zur Obstabteilung geht. Dort bleibt sie vor den Äpfeln stehen, stellt sich auf die Zehenspitzen und schafft es gerade so, an einen großen roten Apfel heranzureichen. Sie dreht ihn prüfend nach allen Seiten und ist gerade dabei, ihn in den Rucksack zu stecken, als Ellen ihr den Apfel aus der Hand nimmt. “Sandra, das darfst du nicht! Die Leute, die hier arbeiten, denken doch, du willst den Apfel stehlen. Pack ihn wieder weg. Wir haben noch Äpfel zu Hause.”

“Ich will aber den hier - für Oma!” Ellen denkt an die vielen Dinge, die sich auf ihrem Einkaufszettel aber noch nicht im Wagen befinden. ”Okay. Wir nehmen diesen für Oma mit, aber erst muss er in den Wagen. Nach der Kasse darfst du ihn dann einpacken.” Damit gibt sich ihre Tochter zufrieden.

Ellen arbeitet hintereinander die Gänge des Supermarktes ab. Sandra lässt den roten Apfel nicht aus den Augen. Jedes Mal, wenn Ellen oder Simon etwas Neues in den Wagen legen, nimmt sie den Apfel hoch und legt ihn anschließend sorgsam wieder als Oberstes hinein. Nach einer drei viertel Stunde stehen sie an der Kasse. Simon begeistert das Einkaufen immer schon und er freut sich, besser als seine Mutter zu wissen, wo die einzelnen Produkte stehen. Fachmännisch sortiert er jetzt die Waren auf dem Band, schiebt die Eier ans Ende, die schweren Flaschen nach vorn. Als Ellen noch beim Bezahlen ist und Simon fleißig beim Einpacken, ist der rote Apfel schon in Sandras Rucksack verschwunden. Still und stolz steht sie da und wartete, bis ihre Mutter und ihr Bruder fertig sind.

Der Traumapfel

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