Читать книгу Mia und die Schattenwölfe - Corina Sawatzky - Страница 4

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Endlich Ferien!

Mia war in Hochstimmung. Vor zehn Minuten hatten die Schulglocken die Ferien eingeläutet und übermorgen würde sie mit ihren Eltern in den Urlaub fahren. Nach Spanien, direkt an den Strand! Das Beste daran aber war, dass ihre Cousine Sophie und Tante Anna sie begleiten würden. Mias Onkel dagegen musste auf eine lange Geschäftsreise nach Singapur fliegen und konnte daher leider nicht mitkommen.

Sophie war nicht nur Mias Cousine, sondern gleichzeitig auch ihre beste Freundin. Nicht zuletzt deshalb freute Mia sich unbändig auf den gemeinsamen Urlaub und konnte es kaum erwarten, dass es endlich losging.

Zu Hause angekommen, klingelte sie stürmisch. Dreimal kurz, einmal lang. Wenige Augenblicke später öffnete ihre Mutter die Tür. Etwas an ihrem Gesichtsausdruck kam Mia seltsam vor. Er war nicht so neugierig wie sonst, wenn es Zeugnisse gab, sondern zeigte eine Spur Angespanntheit. Aber vielleicht täuschte Mia sich ja auch.

Ausgelassen wedelte sie mit ihrem Zeugnis vor dem Gesicht ihrer Mutter herum und hüpfte energiegeladen in Richtung Wohnzimmer, wo sie ihren Vater vermutete. Ihre Mutter würde ihr wie üblich folgen, um schnellstmöglich einen Blick auf die Noten werfen zu können, dessen war sich Mia sicher.

Tatsächlich saß Mias Vater, wie erwartet, am Wohnzimmertisch. Er hatte die Stirn in tiefe Falten gelegt und knetete nervös die Hände. Sein Anblick machte Mia stutzig. Was war heute bloß mit ihren Eltern los?

Inzwischen war auch Mias Mutter im Wohnzimmer angekommen. „Setz dich, mein Schatz“, sagte sie. „Wir müssen etwas mit dir besprechen.“

Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch ließ Mia sich am Tisch nieder.

Die Eltern schauten sie mit ernsten Mienen an. Schließlich eröffnete Mias Vater das Gespräch: „Mia, mein Kind. Wir können nicht nach Spanien fahren“, sagte er. „Dein Opa Erwin ist heute Morgen gestürzt und hat sich ein Bein gebrochen. Es ist nicht schlimm, er wird wieder ganz gesund werden, aber deine Mutter und ich können ihn in dieser Situation nicht alleine lassen. Er braucht jemanden, der ihm im Haus zur Hand geht – für ihn einkauft, wäscht, bügelt und so weiter. Deshalb müssen wir schon morgen zu ihm fahren und können nicht nach Spanien. Bei Tante Anna haben sich ebenfalls Umstände ergeben, die es ihr nicht erlauben, von zu Hause abzureisen. Deshalb muss der Urlaub dieses Jahr leider ausfallen. Ich hoffe, du verstehst das.“

Mia war schockiert. Ihr Opa tat ihr leid und natürlich konnte sie verstehen, dass er nun Hilfe brauchte. Aber sie hatte sich doch so auf den Urlaub gefreut! Nicht ans Meer zu fahren, war schon schlimm genug. Dass allerdings die gemeinsame Zeit mit Sophie ins Wasser fallen sollte, brachte Mia schier zur Verzweiflung. Obwohl sie mit aller Macht versuchte, dagegen anzukämpfen, stiegen ihr Tränen in die Augen.

„Nicht weinen, mein Schatz!“, sagte ihre Mutter mitfühlend und tätschelte ihr den Rücken. „Wir holen das auf jeden Fall nach, ja? Und die Ferien werden bestimmt trotzdem toll! Du kannst dir aussuchen, ob du mit uns zu Opa Erwin kommen möchtest und wir uns dort eine schöne Zeit machen, oder ob du zu Sophie und Tante Anna fahren willst.“

Augenblicklich hob sich Mias Laune wieder. „Ich darf zu Sophie fahren??? Die ganzen Ferien???“, rief sie euphorisch.

„Wenn du möchtest und es dir nichts ausmacht, so lange ohne uns zu sein, ja“, antwortete ihre Mutter. Sie war sichtlich erleichtert, dass Mia diese Idee so begeisterte.

„Na, und ob ich will!“, jubelte Mia und fiel nacheinander ihrer Mutter und ihrem Vater um den Hals.

„Ich fahre zu Sophie! Ich fahre zu Sophie!“, trällerte sie aus voller Kehle und hüpfte dabei um den Tisch herum.

Der verpatzte Spanienurlaub war vergessen. Was waren schon zwei Wochen Spanien im Vergleich zu ganzen sechs Wochen bei ihrer geliebten Cousine?

Erst jetzt wurde Mia so richtig bewusst, dass sie Sophie noch nie in deren Zuhause besucht hatte. Sie waren zwar bereits etliche Male gemeinsam in Urlaub gefahren, und Tante Anna und Onkel Otto waren auch schon oft mit Sophie bei Mias Familie zu Hause gewesen. Aber Mia hatte Sophie und ihre Eltern noch nie besucht.

Wenn sie so darüber nachdachte, wusste sie seltsamerweise noch nicht einmal, wo genau Sophie mit ihren Eltern eigentlich wohnte. Aber das würde sich ja jetzt bald ändern!

Mia wollte schon nach oben rennen und ihren Koffer packen, aber ihre Mutter hielt sie zurück. „Bitte setz dich noch mal. Es gibt da etwas, das wir dir erklären müssen, bevor du zu deiner Cousine fährst.“

Schon wieder huschte so ein leicht besorgter Ausdruck über ihr Gesicht. Verunsichert setzte sich Mia zurück auf ihren Platz. Sie fragte sich, was jetzt wohl noch kommen würde.

Mit etwas stockender Stimme sagte ihre Mutter: „Weißt du, Tante Anna ist nicht ganz, hm, wie soll ich sagen? Nun ja – normal.“

Mia zog die Stirn in Falten. Was sollte das nun wieder heißen? Tante Anna war die beste Tante, die man sich vorstellen konnte! Mia verstand nicht, warum ihre Mutter so etwas über sie sagte.

„Ich meine das nicht böse!“, erklärte Mias Mutter schnell. „Ich möchte dich nur darauf vorbereiten, bevor du sie besuchst. Mit nicht normal meine ich, dass sie nicht so ist wie wir. Sie hat ein paar besondere Fähigkeiten und lebt an einem ganz außergewöhnlichen Ort.“

Was ihre Mutter ihr im Folgenden erzählte, ließ Mias Herz schneller schlagen. Angeblich sollte Tante Anna so eine Art Hexe sein und an einem Ort wohnen, den Mias Mutter den Magischen Wald nannte.

Zuerst dachte Mia, ihre Eltern wollten sich einen Scherz mit ihr erlauben. Hexen, Zauberer und solchen Kram gab es doch schließlich nur in Märchen. Oder?

Aber allmählich wurde ihr klar, dass ihre Mutter es ernst meinte.

Das sei auch der Grund gewesen, weshalb Mia bisher noch nie bei Sophie und ihrer Familie zu Besuch gewesen sei, erklärten ihr die Eltern. Sie hätten Mia nicht verwirren wollen. Aber nun sei sie mit ihren 13 Jahren alt genug, die Dinge zu begreifen, fanden sie.

Viel mehr wollte Mias Mutter nicht über den Magischen Wald und Tante Annas Fähigkeiten sagen.

„Es ist sehr kompliziert zu erklären“, meinte sie. „Morgen fährst du ja zu ihnen und dann kannst du alles selbst herausfinden. Aber eines kann ich dir sagen: Ich beneide dich um die Zeit im Magischen Wald! Er ist wunderschön! Was habe ich schon für fantastische Abenteuer dort erlebt!“

Es klang fast ein wenig wehmütig.

„Warum bist du denn keine Hexe und wohnst in diesem Wald? Ihr seid doch schließlich Schwestern, Tante Anna und du!“, wollte Mia wissen.

„Weißt du, diese speziellen Gaben werden meistens nur an ein Kind weitergegeben, auch wenn eine Frau mehrere Kinder hat. In unserem Fall hat eben Anna sie geerbt. So ist das nun einmal. Aber jetzt gehe hoch und packe deine Sachen. Morgen früh um zehn Uhr fährt dein Zug!“

Das ließ sich Mia nicht zweimal sagen. Sie stürmte in ihr Zimmer, zerrte ihren Koffer unter dem Bett hervor und begann, ihn mit Kleidung zu füllen.

Währenddessen grübelte sie darüber nach, was ihre Mutter ihr erzählt hatte. Hexen, Magischer Wald – das klang alles sehr mysteriös. Mia war überaus gespannt, was sie erwarten würde.

In der Nacht war Mia viel zu aufgeregt, um zur Ruhe zu kommen. Als sie irgendwann doch noch in einen unruhigen Schlaf fiel, träumte sie schrecklich wirres Zeug: Sophie kam mitten in der Nacht auf einem Besen angeflogen, klopfte an ihr Fenster und forderte Mia auf, hinter ihr aufzusteigen. Gemeinsam flogen sie anschließend durch die Dunkelheit zu einem großen Lagerfeuer. Dort tanzten Tante Anna, Onkel Otto und Mias Eltern wie wild im Kreis herum und sangen dabei schaurige Lieder. In der Mitte des Kreises, direkt neben dem Feuer, saßen drei schwarze Katzen und brauten einen giftgrünen Zaubertrank. Gerade als sie Mia etwas von dem widerlich stinkenden Zeug zu trinken geben wollten, wachte sie mit klopfendem Herzen auf.

Nun war Mia noch aufgeregter als zuvor, soweit das überhaupt möglich war. Ihr Bauch fühlte sich an, als schwirre ein ganzer Schwarm von Hummeln in ihm umher, und sie fragte sich erneut, was wohl im Magischen Wald auf sie zukommen würde.

An Schlafen war nun beim besten Willen nicht mehr zu denken. Zum Glück war es inzwischen Zeit aufzustehen und Mia sprang erleichtert aus dem Bett. In drei Stunden würde sie endlich mit dem Zug losfahren können.

Mia und die Schattenwölfe

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