Читать книгу Ausgezeichneter Wohnungsbau 2020 - Cornelia Dörries - Страница 10

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Lückenschluss

ANERKENNUNG

NACHVERDICHTUNG

Bauherrschaft

privat

Standort

Berlin-Moabit


Eisberg

Über viele Jahrzehnte gähnte in der für den Berliner Bezirk Moabit typischen Blockrandbebauung an der Ecke Wilhelmshavener und Bugenhagenstraße eine Lücke. Doch nun gleißt inmitten eher schlichter Nachkriegsbauten ein kantiger Neuzugang mit geradezu arktischer Präsenz: der „Eisberg“. Sein kühler Auftritt täuscht darüber hinweg, dass für seine Errichtung vor allem Holz Verwendung fand, das wärmste und schmeichelndste Baumaterial schlechthin. Doch um es gleich vorwegzunehmen: Die behaglichen Seiten der Holz-Hybrid-Konstruktion bleiben das Privileg der Bewohner der barrierefreien Mietwohnungen. Den Passanten des bunt gemischten Innenstadtquartiers präsentiert sich der Neubau als glazialer Lückenschluss, der sich mit seiner hellen Aluminiumfassade fast abweisend gäbe – wären da nicht die sonnengelben Fensterrahmen, die sich bei aufgeklappten Läden freundlich der Straße zuwenden. Die kristalline Anmutung des Gebäudes wird von einer über fünf Geschosse laufenden plastisch-abstrakten Auskragung verstärkt, die sich als Neuinterpretation des klassischen Erkers verstehen lässt. Ganz anders hingegen zeigt sich die nach Süden ausgerichtete Hofseite: Hinter einem Mikado-zarten Stützenraster öffnen sich die Wohnungen über raumhohe Fenster und durchlaufende Balkone zu einem baumbestandenen, begrünten Garten mit Spielplatz. An der Hofseite befindet sich auch das Treppenhaus, das als außenliegende Struktur konzipiert wurde und um einen Aufzug ergänzt wird.

Das Haus ist ein Holzskelettbau mit tragenden Vollholzdecken, größtenteils vorgefertigten Fassadenelementen in Holztafelbauweise, Kalksandstein- und Stahlbetonwänden sowie Stahl- und Holzstützen. Für die Errichtung des Gebäudes kamen in erster Linie wiederverwertbare Materialien zum Einsatz. Dazu passt auch die energetische Konzeption als Niedrigenergiehaus entsprechend dem KfW-55-Standard. Dass Sparsamkeit eine Tugend ist, beweist nicht zuletzt die Grundrissökonomie im Großen wie im Kleinen. So wurden dem Grundstück nicht nur 11 Wohnungen abgetrotzt; auch die Wohnungen selbst profitieren vom intelligenten planerischen Zugriff auf die verfügbare Fläche. Die insgesamt 9 2-Zimmer-Einheiten mit jeweils gut 55 Quadratmetern Nutzfläche mit einem loftartigen Koch-, Ess- und Wohnbereich sind von Norden nach Süden ausgerichtet. Das fünfte und sechste Obergeschoss ist zwei nicht barrierefreien Maisonette-Einheiten vorbehalten, die jeweils 96 Quadratmeter umfassen und über einen Koch-, Ess- und Wohnbereich mit doppelter Raumhöhe verfügen.



Dachgeschoss


Hoffassade


Gerüststruktur der Hoffassade


Außenliegende Erschließung mit Treppen und Aufzug


Innenbereich


Blick in eine Maisonette


Fassadenansicht

Welche städtebaulichen, sozialen und wirtschaftlichen Faktoren waren für die Konzeption Ihres Vorhabens ausschlaggebend?

Da vor allem in Ballungszentren und Großstädten der Wohnraum zunehmend knapp wird, gilt es, jede noch so kleine Baulücke intelligent auszunutzen. Zur Straße hin vergrößert ein gewölbter Erker die Wohnungen, auf der Rückseite wurden das Treppenhaus und der Aufzug in den Hof hinein verschoben. Das schuf die größtmögliche Nutzfläche.

Soweit wie möglich wurden Holzfertigteile eingesetzt, um den Bauablauf zu beschleunigen und die Ausbauarbeiten gering zu halten. Großer Wert wurde auf einfache, möglichst lokal produzierte und gleichzeitig funktionale Materialien gelegt: Die Metallfassade wie auch die Gerüststruktur des Hofes nehmen Bezug auf das in Moabit historisch verankerte metallverarbeitende Gewerbe. Holzdecken, -stützen und -fassaden bestehen aus Fichtenholz, das aus Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern geliefert wurde.

Dank welcher architektonischen Mittel findet das Projekt Anschluss an seine Umgebung?

Durch seine homogene, klar gerasterte Fassade fügt sich die Straßenfassade harmonisch in ihre Umgebung ein. Die Fensterformate des Gebäudes wurden genau auf die Nachbarbebauung abgestimmt. Die Öffnungsflügel mit Fensterladen entsprechen den Formaten der Nachbargebäude. Durch die Perforation sind die tiefen Sitzfenster von innen größer als ihre Nachbarn von außen.

Warum haben Sie sich bei der Gartenfassade für eine offene Gerüststruktur entschieden?

Die offene Gerüststruktur trägt und umschließt den Treppenkern und Fahrstuhl sowie die lang gestreckten Balkone vor allen Wohnungen. Durch bodentiefe Fenster dringt die Sonne im Winter weit in die Räume ein, im Sommer schützt die durchgehende Gerüststruktur vor zu viel Sonneneinstrahlung, ohne die Blickverbindung zum hellen Innenhof mit altem Baumbestand zu beeinträchtigen. Die Stützenanordnung ist der abstrakten Interpretation von Baumverästelungen entsprungen.

„Wir legen großen Wert auf einfache, möglichst lokal produzierte, gleichzeitig funktionale und nachhaltige Materialien: Anstelle von Glas wurden die Balkonbrüstungen und Treppenläufe mit einfachen Edelstahlnetzen gesichert, der Fahrstuhl mit einer Streckmetallverkleidung versehen und leuchtend goldgelb lackiert. Statt aufwendiger Bodenbeläge haben alle Wohnungen schlichte Sichtestrichböden. Die Holzdecken aus Fichtenholz blieben ebenfalls unverkleidet und sind lediglich weiß geölt – perfekt abgestimmt auf die bodentiefen Holz-Aluminium-Fenster auf der Hofseite und die hölzernen ‚Sitzfenster‘ mit Blick auf die Straße.“

Urteil der Jury

Josef Schmid

„Der Eisberg“ füllt eine Baulücke in aktueller und ökologisch spannender Holz-Hybrid-Bauweise. Und er zeigt dabei zwei Gesichter. Zur Straße hin fügt sich der Baukörper auf den ersten Blick unauffällig, fast bescheiden ein. Interessant und besonders wirkt er dann auf den zweiten Blick durch den geschwungenen Erker und die klare Struktur der Fassade mit der flächenbündigen Außenhaut aus gewelltem Aluminiumblech. Kühl und doch freundlich: großstädtisch. Zum Hof hin bietet die außen liegende Erschließung in Form einer offenen Gerüststruktur ein ganz anderes Bild: kleinteilig, viel Licht und großzügige Balkone sowie ein Fahrstuhl. Durch bodentiefe Fenster dringt die Sonne im Winter weit in die Räume ein, im Sommer schützen die durchgehenden Balkonflächen vor zu viel Sonneneinstrahlung, ohne die Blickverbindung zum hellen Innenhof mit altem Baumbestand zu beeinträchtigen.

Elf barrierearme Miet(!)wohnungen im Niedrigenergiehaus (KfW 55) birgt der „Eisberg“. Vom Erdgeschoss bis zum 4. Obergeschoss ermöglicht die ungewöhnliche Geometrie komfortable durchgesteckte Grundrisse für neun 2-Zimmer-Mietwohnungen mit jeweils ca. 55 Quadratmetern Nutzfläche in loftartigen Koch-, Ess- und Wohnbereichen. In allen Wohnungen schließen die Bäder direkt an das Schlafzimmer an. Im fünften und sechsten Obergeschoss liegen zwei Maisonettemietwohnungen mit jeweils 96 Quadratmetern Nutzfläche. Hier öffnet sich der zum Hof hin orientierte Koch-, Ess- und Wohnbereich auf doppelte Raumhöhe. Attraktives Wohnen für Mieter!

Architekturbüro


Marc Dufour-Feronce, Andreas Reeg

Das junge Berliner Architekturbüro rundzwei, gegründet von Andreas Reeg und Marc Dufour-Feronce, steht für eine Architektur, die sich aus der Integration von Research und Design entwickelt. Die interdisziplinären Ansätze verknüpfen Raum, Materialität, Ressourcen, lokale Geschichte und natürliche Umgebung mit anspruchsvollem Design.

rundzwei Architekten Reeg & Dufour Part GmbB

Goethestraße 2–3

10623 Berlin

awards@rundzwei.de

rundzwei.de

Anzahl der Wohneinheiten

11

Anzahl der Bewohner

22

Wohnfläche in m2

768

Grundstücksgröße in m2 1.800

Brutto-Grundfläche (BGF) in m2 2.000

Zusätzliche Nutzfläche in m2 890

Fertigstellung

Juni 2019

Bauweise

Holz-Hybrid-Bauweise

Energiestandard

KfW 55

Legeplan


Architekturfotografie

Gui Rebelo, Berlin

helloguirebelo@gmail.com

Querschnitt


Grundriss 6. Obergeschoss


Wohnung


Maßstab M 1:200

Grundriss 5. Obergeschoss


Grundriss 1. Obergeschoss


Grundriss Erdgeschoss


Maßstab M 1:500

Ausgezeichneter Wohnungsbau 2020

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