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Herzstück

SONDERAUSZEICHNUNG

QUARTIERSENTWICKLUNG

Bauherrschaft

VEHBL GbR Baugemeinschaft

Quartiersentwicklungsgesellschaft Konstanz

Standort

Garmisch-Partenkirchen


Altes Garmisch neu gelebt

Dass mitten in Garmisch-Partenkirchen ein neues Wohnviertel entstehen konnte, ist beherztem Protest zu verdanken. Denn eigentlich sollte auf dem zentral gelegenen Areal in einem der bekanntesten Wintersportorte Deutschlands eine Hotelanlage errichtet werden. Doch dann kam alles anders. Anstelle einer ausschließlich touristischen Nutzung zogen in die neu errichteten Häuser ortsansässige Familien, kleine Werkstätten, ein Café – und Platz für Skitouristen gibt es außerdem. Das Unterpfand dieser gelungenen Mischung bildet ein städtebauliches Konzept, das 29 Einfamilien- und Doppelhäuser sowie Geschosswohnungsbauten, 4 Bestandsgebäude und 1 Apartment-Hotel integriert und für die verschiedenen Nutzeransprüche entsprechende räumliche Ressourcen vorhält. Die Wohnhäuser gruppieren sich um eine Allmende, der dank einer perfekt inszenierten Sichtachse mit Kirchturm und der zackig aufragenden Alpenformation der Rang einer Sehenswürdigkeit zuwächst. Der mäandernde Kiesweg und die üppige Bepflanzung mit einheimischen Gewächsen machen geschickt vergessen, dass es sich bei diesem grünen Anger um einen absichtsvoll geplanten Freiraum handelt: Wer hier unterwegs ist, wandert schon. Doch nicht nur die Außenbereiche des neuen Viertels reagieren auf die berückende Umgebung. Auch die Architektur des Ensembles erweist dem vorzüglichen Standort ihren Respekt. Die giebelständigen Häuser gruppieren sich zu einer kleinteiligen Formation und orientieren sich typologisch an der ortsbildprägenden historischen Bebauung. Ihre bewegte Firstlinie erscheint wie ein architektonisches Echo des im Hintergrund aufragenden Hochgebirgszugs.

Welche inneren Qualitäten dieser alpine Wohnhaustypus zu entfalten vermag, zeigt sich in der Vielfalt der Grundriss- und Nutzungsmöglichkeiten. Mithilfe eines eigens entwickelten Holzbausystems konnten die Häuser in Tafelbauweise errichtet werden. Trotz des relativ hohen Vorfertigungsgrads mussten die Bewohner, eine bunt gemischte Baugemeinschaft, keine Einbußen an Individualität und besonderen Nutzungsansprüchen hinnehmen. Dank flexibler Raumschotten ließen sich sowohl offene Lofts als auch separierte Einzelräume strukturieren. Die differenzierten Raumprogramme und Ausbauszenarien spiegeln die Wünsche einer bunten Einwohnerschaft wider: Mehrgenerationenhaushalte, junge Familien und ältere Paare, aber auch verschiedene Formen des Wohnens und Arbeitens unter einem Dach. Dass auch sämtliche Oberflächen und Einbauten aus heimischem Holz den höchsten zeitgemäßen Ansprüchen genügen, versteht sich fast von selbst.


Zimmer mit Aussicht


Firstlinie vor Alpenmassiv


Traditionelle Form, moderne Interpretation


Ansicht des neuen Quartiers mit Freianlagen


Helles Holz als Material der Wahl


Miniküche des Hotelapartments


Fassadenansicht entlang der Straße

Welche städtebaulichen, sozialen und wirtschaftlichen Faktoren waren für die Konzeption Ihres Vorhabens ausschlaggebend?

Wir wollten das neue Quartier gesamtheitlich denken und nicht in einzelne Gebäude für unterschiedliche Nutzergruppen aufteilen, wie in der Wettbewerbsauslobung nahegelegt. Deshalb bietet unsere Typologie im Sinne eines „Baukastens“ unterschiedlich große, anpassungsfähige Einheiten. Gleichzeitig wollten wir die Bestandsbauten über Gewerbe öffentlich zugänglich halten, um das Erleben von Baukultur und Geschichte nicht zu privatisieren. Die gewählte Dichte ist Grundlage für einen reduzierten Grundstücksanteil der Baugruppenmitglieder, was die Wirtschaftlichkeit der Investition verbessert hat.

Was hat Sie zu dieser besonderen Entwurfsidee inspiriert?

Die Typologie der historischen Bebauung entlang der nördlich angrenzenden Höllentalstraße mit giebelständigen, in Kette gesetzten Gebäuden, großen Dachüberständen und ausladenden Balkonen hat uns in ihrer konstruktiven Systematik und ihrem spezifischen Ausdruck gleichermaßen beeindruckt. Wir haben diese Typologie für das neue Wohnquartier in die aktuelle Bauaufgabe übersetzt: tiefe Grundrisse für eine wirtschaftliche Ausnützung der Grundstücke mit erhöhter Dichte, eine weitgehende Verglasung der Giebelseiten, großzügige Balkone und Dachüberstände für einen einfachen, konstruktiven Sonnen- und Wetterschutz. Wir wollten bewusst keine Zeilen mit Vorder- und Rückseiten bauen, sondern das neue Quartier als eigenständigen Stadtbaustein ergänzend einfügen.

Wie wirkt sich Ihr Projekt auf seine unmittelbare Umgebung aus?

Die Gründung einer lokalen Baugruppe war ein wichtiger Baustein der sozialen Integration vor Ort. Die grundsätzliche Akzeptanz ist in diesem Kontext gewachsen. Auf das Wohnprojekt wird lokal und regional als gelungenes Beispiel für Wohnen in Gemeinschaft und flächensparendes Bauen verwiesen, die Architektursprache als „identitätsstiftend“ angenommen. In teilweise kontroversen Diskussionen um das „richtige Wohnen auf dem Land“ – im Südwesten grenzen freistehende Einfamilienhäuser auf großen Parzellen an – zeigt sich der Paradigmenwechsel im Diskurs um nachhaltiges Bauen und Baukultur im ländlichen Raum.

„Durch die Neuordnung des Areals bot sich nicht nur die Möglichkeit, schrittweise ein neues, gemischt genutztes Quartier zu entwickeln, sondern auch die Chance, Impulse und Engagement von Bürgerseite für eine nachhaltige und zukunftsfähige Entwicklung ihrer Stadt aufzunehmen, zu unterstützen und umzusetzen.“

Urteil der Jury

Inga Stein-Barthelmes

Mit dem Projekt in Garmisch-Partenkirchen ist es einer Baugemeinschaft auf einem innerörtlichen Areal gelungen, Wohnungsbau, Kleingewerbe und Hotellerie in einer überzeugenden Nutzungsmischung zu vereinen und gleichzeitig in eine kleinteilige, historisch gewachsene Umgebung zu integrieren. Unter Einbindung von vier historischen Gebäuden entstanden Einfamilien- und Doppelhäuser sowie Geschosswohnungen um einen abgeschirmten, gemeinschaftlich genutzten grünen Anger herum. Diese wunderbar gelungene Neuordnung des Areals lässt ein Neubauquartier geradezu nahtlos mit seinem Kontext verschmelzen und zeigt nicht zuletzt, dass moderne Architektur anschlussfähig an die ästhetischen Herausforderungen einer großartigen Landschaft und an traditionelle, dörfliche Strukturen ist. Eine Bereicherung mit Modellcharakter.

Bauherrschaft

VEHBL GbR Baugemeinschaft

Quartiersentwicklungsgesellschaft Konstanz

Architekturbüro


Sebastian Dellinger, Felix Bembé, Anne Beer

Das 1999 gegründete Büro Beer Bembé Dellinger mit seinen ca. 25 Mitarbeitern steht für intelligente und vor allem schöne Entwürfe in den Bereichen Architektur, Innenarchitektur und Städtebau. Der Schwerpunkt seiner Arbeit konzentriert sich auf den süddeutschen Raum, wo das Büro auch zwei Standorte in München und Greifenberg unterhält.

Beer Bembé Dellinger Architekten und Stadtplaner GmbH

Im Schloss

86926 Greifenberg

info@bbdarch.de

bbdarch.de

Anzahl der Wohneinheiten

29

Anzahl der Bewohner

90

Wohnfläche in m2

4.000

Grundstücksgröße in m2 6.500

Brutto-Grundfläche (BGF) in m2 2.750

Zusätzliche Nutzfläche in m2 1.900

Fläche für Gewerbe/Mischnutzung in m2 1.900

Art der Gewerbe/Mischnutzung

Apart-Hotel, Tagesbar und Forum

Fertigstellung

Oktober 2016

Bauweise

Holztafelbauweise

Energiestandard

KfW 55

Lageplan


Mitwirkende

Unternehmen

Merz Kley Partner ZT GmbH

Mitarbeiter: Karl Bachhammer, Jana Klingelhöffer

Architekturfotografie

Stefan Müller-Naumann, München

foto@mueller-naumann.de

Explosionszeichnung


Grundrisse Obergeschoss


Grundrisse Erdgeschoss


Grundrisse Kellergeschoss


Maßstab M 1:400

Ansichten und Schnitte der Gesamtanlage o. M.


Grundrissvarianten Häuser


Ausgezeichneter Wohnungsbau 2020

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