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Beckmann fährt seinen Laptop hoch, lädt die Daten vom Stick herunter und ruft sie auf. Auf dem Bildschirm flattert die Liste der Webadressen auf, die er sich ansehen will. Seit er beim Polizeilichen Staatsschutz arbeitet, verbringt er viel Zeit damit, Internetseiten zu durchforsten, die im Zusammenhang mit der rechten Szene in Niedersachsen stehen. Sein besonderes Augenmerk gilt Freiherrn zu Wörstein, der vor einigen Jahren die Gruppe »Aufrechte Deutsche« gegründet hat. Für das Internet hat er eine besondere Vorliebe. Ob facebook, SchülerVZ oder youtube: Wörstein nutzt die neuen Medien.

Bevor die von der Polizeigewerkschaft geforderten Cyber-Cops tatsächlich zum Einsatz kommen und es einen Internetminister gibt, hat das Innenministerium in Hannover vor zwei Monaten eine Arbeitsgruppe gebildet, bestehend aus Frank Rischmüller und Max Beckmann.

»Das Internet ist der größte Tatort der Welt – also gucken Sie mal, was da so los ist, die Presse stichelt schon, dass wir die Zeit verschlafen«, hatte der Staatssekretär ihm mit auf den Weg gegeben.

Beckmann tippt Wir für Niedersachsen in die Suchmaschine. 18426 Einträge liegen vor.

Eine Stunde später ist er schlauer. Der Internetauftritt der Gruppe Wir für Niedersachsen hat auf den ersten Blick nichts |48|mit den ihm bekannten Seiten aus der rechten Szene zu tun. Alles wirkt sehr korrekt, fast bieder, wie auf einer Plattform für Heimatverbundene. Beckmann scrollt weiter auf der Suche nach dem Impressum. Endlich findet er es: FzW. Freiherr zu Wörstein. Also doch. Wo dieser Name auftaucht, ist man mitten in der rechten Szene. Erst letzte Woche hat Beckmann ihn im Regionalfernsehen gesehen. Wörstein stellte in dem Interview klar, dass er nicht im Geringsten daran denke, den Kaufvertrag für den alten Gebäudekomplex rückgängig zu machen, den er für einen Mandanten mit der Region Hannover abgeschlossen hat.

»Wir haben einen rechtsgültigen Vertrag und es besteht von uns aus kein Handlungsbedarf, geschweige denn ein Grund, vom Vertrag zurückzutreten.«

Wörstein, wie immer im grauen Zweireiher, groß, schlank, blond, hatte bei diesen Worten arrogant in die Kamera gegrinst. Seine spitze Nase wurde dabei noch spitzer, sein Mund öffnete sich leicht und gab ein kräftiges Gebiss frei. Beckmann juckte es beim Anblick dieser selbstherrlichen Visage in den Fingern. Als Anwalt hat Wörstein sich mit seinen knapp 45 Jahren den Ruf als »bester Prozessverschlepper Niedersachsens« erworben. Jeder Richter bekommt Magendrücken, wenn er es mit dem Freiherrn zu tun hat. Geschickt vermeidet Wörstein fremdenfeindliche Ausdrücke. Das überlässt er anderen, vornehmlich Jüngeren, um deren Rekrutierung er sich intensiv bemüht. Deshalb lässt er vor den Schulen CDs verteilen, kann man auf den Seiten seiner Partei kostenlos Musik herunterladen – und genau deshalb braucht er ein Schulungs- und Veranstaltungszentrum.

Beckmann liest noch einmal die Einträge, die ein Loblied |49|auf die Kameradschaft singen. Gewalttaten aus der linken autonomen Szene werden angeprangert, fehlende Chancen für junge Deutsche beklagt. Kein Hinweis auf die »Aufrechten Deutschen«. Geschickt gemacht.

Im Impressum entdeckt Beckmann eine Abkürzung. HB. Er gibt die Buchstaben als Suchbegriff ein und landet bei Autokennzeichen, dem HB-Männchen und dem Hofbräuhaus in München. Er erweitert die Suche mit dem Begriff Werbung. Die genannten Agenturen sagen ihm nichts. Er ergänzt das Wort Internet. Zahlreiche Internetforen von kleinen Städten und Gemeinden werden angezeigt. HB. Henry Broderich. Darauf muss er am Montag Rischmüller ansetzen. Vielleicht findet der etwas heraus.

Tödliche Offenbarung

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