Читать книгу Sehen Sie, so stirbt man also! - Cornelius Hartz - Страница 6

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Vorwort

„Auch du, Brutus!“, „Mehr Licht!“ – letzte Worte sind dazu bestimmt, Menschen unsterblich zu machen, das ganze Leben einer berühmten Person in einer einzigen Sentenz zusammenzufassen, um sie der Nachwelt in einer bestimmten Art und Weise in Erinnerung zu halten – ob nun der oder die Sterbende diese Sentenz von sich gab oder ob die Nachwelt sie ihm oder ihr in den Mund gelegt hat. Oft genug nämlich, wie bei den anfangs angeführten Beispielen von Caesar und Goethe – wohl die berühmtesten letzen Worte überhaupt –, wurden diese Worte im Nachhinein erfunden (Caesar) oder sinnentstellend verkürzt (Goethe).

Der Tod eines Prominenten war zu allen Zeiten ein Ereignis. So wie sich in dieser Generation jeder daran erinnert, wo er die Nachricht vom Tod von Lady Di gehört hat (angebliche letzte Worte: „Mein Gott, was ist passiert?“), so wusste in der Generation davor jeder, wo er gerade war, als er hörte, dass John F. Kennedy erschossen worden war (angebliche letzte Worte: „Ich bin getroffen!“). Und so blickt diese Sammlung letzter Worte auf prominente Menschen aus allen Epochen, von der griechischen Antike bis zum Jahr 2006. Darunter finden sich weise Sentenzen, kluge Sprüche und Weisheiten oder auch nur überraschte oder überraschende Kommentare der Sterbenden zu ihrer Situation oder dem Sterben überhaupt.

Dabei hängen Qualität wie auch Wahrheitsgehalt solcher überlieferter letzter Worte von verschiedenen Faktoren ab:

 Auf welche Weise ist jemand gestorben?

 Wer war dabei?

 Wann war das?

Vor allem der erste dieser Faktoren ist es, der die „Güte“ (wenn man so will) eines letzten Wortes beeinflusst. Menschen, die eines plötzlichen oder gewaltsamen Todes starben, hatten selten Gelegenheit, der Nachwelt etwas wirklich Profundes zu hinterlassen. Dennoch sind gerade einige dieser Worte interessant, als spontane Äußerungen, die mitunter zum Hinterfragen einladen, ob der- oder diejenige sich in jenem Moment der Situation bewusst war oder nicht. Manchmal wird die Ursache des Todes auch direkt mit den letzten Worten thematisiert, wie beim französischen Diplomaten Paul Claudel (letzte Worte: „Doktor, denken Sie, es war die Wurst?“).

Eines natürlichen Todes Gestorbenen oder einer Krankheit Erlegenen ist vielleicht noch mehr als anderen das Schicksal widerfahren, dass ihnen ihre letzten Worte angedichtet wurden. Hier präsentiert sich der Tod als schicksalhaftes Ereignis, oftmals einhergehend mit Entkräftung oder auch großen Schmerzen. In solchen Fällen müssen die letzten Worte meist als spontane Äußerung angesehen werden, und oft muss – vor allem, wenn sie besonders bedeutungsschwanger daherkommen – die Überlieferung angezweifelt werden. Ganz anders ist es beispielsweise bei Hingerichteten: Ihren letzten Worten ist in den meisten Fällen mehr Bedeutung beizumessen, da sie genug Zeit hatten, sich etwas zurechtzulegen. (Letzteres gilt übrigens auch und gerade für Abschiedsbriefe von Selbstmördern.)

So ist es eben auch der Faktor der Gesellschaft, in der der oder die Tote sich befand, der in punkto Wahrheitsgehalt bedeutsam ist – vor großem Publikum (Guillotine), vor kleinem Publikum (elektrischer Stuhl) oder nur im Beisein des Kammerdieners (Goethe). Oftmals gibt es nämlich durchaus verschiedene Angaben, was nun wirklich das Letzte war, das ein Mensch von sich gab, je nachdem, wer als Letzter bei ihm war und wer denjenigen dann später danach gefragt hat.

Der dritte, der zeitliche Faktor, hängt auch mit der Art und Weise der Überlieferung zusammen. Von der Antike bis zum Mittelalter diente das letzte Wort eines Menschen mehr als je der Legendenbildung. Von einer Geschichtsschreibung, wie sie die Moderne kennt, konnte zu Zeiten der alten Römer noch keine Rede sein. Die antiken Historiker vermengten stets Anekdoten mit tatsächlichen Ereignissen, die allerdings oft schon Generationen oder Jahrhunderte zurücklagen (so Jesus’ letzte Worte: „Es ist vollbracht!“, überliefert im Evangelium des Johannes, das frühestens 50 Jahre nach Jesus’ Tod entstanden ist).

Das ist heute natürlich anders. Doch ist auch heute, wo wir das Gefühl haben, alles über die VIPs zu wissen, der Tod meist noch eine (vielleicht manchmal die einzige) private Angelegenheit. Und so wird es wohl immer wieder Worte geben, die berühmten Menschen als letzte Äußerung eines außergewöhnlichen Lebens zugesprochen werden, um der Nachwelt etwas ganz Bestimmtes über die Verstorbenen mitzuteilen – was bei den spätantiken Märtyrern (angebliche letzte Worte des Hl. Laurentius: „Mir ist dies Feuer eine Kühle“) ebenso der Fall war wie bei Bob Marley (letzte Worte: „Geld kann Leben nicht kaufen“).

Wer schlau ist, besinnt sich bereits zu Lebzeiten darauf, dass er nach seinem Tod zitiert werden könnte und trifft entsprechende Vorkehrungen, wie sie Mark Twain (angebliche letzte Worte: „Auf Wiedersehen. Falls wir uns treffen“) empfahl: „Ein vornehmer Mann sollte sich mit seinen letzten Worten ebenso viel Mühe geben wie mit seinem letzten Atemzug. Er sollte sie auf einen Zettel schreiben und die Meinung seiner Freunde dazu einholen. Er sollte das nicht bis zur letzten Stunde seines Lebens aufschieben und darauf vertrauen, dass im letzten Moment sein Intellekt beflügelt wird und ihn etwas Geistreiches sagen lässt, wenn er das letzte Mal nach Luft schnappt, so dass er mit Grandezza in die Ewigkeit entschwindet.“ Hätten dies doch einige beherzigt, deren letzte Worte eher schmucklos bis profan wirken – wie Bertolt Brecht (letzte Worte: „Lasst mich in Ruhe!“) oder Luis Buñuel (letzte Worte: „Ich sterbe“).

Sehen Sie, so stirbt man also!

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