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3.1 Lauter Liebe

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Wenn in der christlichen Theologie Gott als Liebe beschrieben wird, so ist dies zum einen Ausdruck von konkreten Gottesbegegnungen zum anderen Resultat von Reflexionen über Grunderfahrungen, in denen zwischenmenschlich Erfahrenes auf Göttliches hin durchschaut worden ist. Wenn Gott jedoch als Liebe verstanden wird, so zeigt sich der Grund allen Seienden auch tief von Liebe geprägt. Das liebende Wesen Gottes, welches in dessen innertrinitarischem Beziehungsgefüge sichtbar wird, offenbart sich im Schöpfungsakt (creatio ex amore) und prägt diesen nachhaltig. Die drei Qualifizierungen der Schöpfung als creatio ex nihilo, creatio continua und creatio entis qua entis beschreiben dabei drei entscheidende Seiten der Liebe.

In der creatio ex nihilo wird der Schwerpunkt auf das grundlose, bedingungslose Tun göttlicher Liebe gelegt. So wie Gott im Schöpfungsakt nicht auf vorgegebenes Material zurückgreift, das ihn, sein Schaffen und damit seine Liebe einschränken könnte, sondern allein aus Liebe heraus die Welt entstehen lässt und formt. So ist die Liebe zunächst nicht an äußerliche, materielle Gegebenheiten gebunden. Die Liebe findet ihren Grund einzig in sich.

Die creatio continua beschreibt das beständige (Er-) Halten der Schöpfung im Sein. Gott schuf nicht am Anfang die Welt, um sie sich dann selbst zu überlassen, sondern er ist ihr bleibend verbunden; er hat sich bleibend an sie gebunden. Da die Schöpfung ihren Grund in der ewigen Liebe Gottes findet, fiele sie in nichts zurück, bräche dieser Grund weg. Die creatio continua betont demnach die Treue der Liebe. In dieser Treue beweist sich daher auch die wahre Liebe. Denn ist die Liebe tatsächlich unbedingt – ex nihilo –, können äußere Umstände diese nicht gefährden.

Mit der creatio entis qua entis wird schließlich ausgedrückt, dass Gott das Seiende als Seiendes schafft. Dies bedeutet nicht nur, dass damit Gott als wesenhaft einzige Ursache erkannt wird, sondern dass Gott personales Leben als Adressaten seiner Liebe ins Dasein ruft.1 Die Beziehung Gottes zur Schöpfung bekommt eine neue Qualität, weil der Mensch als Person frei und liebend auf die göttliche Liebe antworten kann. Dem Moment der Freiheit kommt dabei eine fundamentale Bedeutung zu. An diesem Punkt wird die Komplexität des Verhältnisses zwischen Gott und Mensch, aber auch – bei aller Unterschiedlichkeit – des Verhältnisses zwischen zwei sich liebenden Menschen deutlich. Es ist ein Freiheitsakt, den anderen zu lieben; doch ist dieser Liebesakt, um vollkommen zu werden, abhängig vom Freiheitsakt des Anderen, auch zu lieben. Liebe ist demnach eine selbstlose Tat, die dem anderen den Raum gibt, sich zu entfalten, was auch bedeuten kann, (hierfür) keine Gegenliebe zu empfangen.

Damit ist die erste Bedeutungsebene beschrieben. Die Liebe wird sowohl als einziger Grund des Seins – verstanden als dessen Anfang – als auch als dessen einziges Fundament und Inhalt betrachtet, da ohne die Liebe als Beziehung zwischen Schöpfer und Geschöpf nichts wäre. Insofern ist alles ohne Liebe nichts. »Lauter Liebe« bringt dies zudem phonetisch zum Ausdruck. Die Liebe zwischen Liebendem und Geliebtem ist eine besondere Form der Gegenwart und Liebe Gottes und stellt so gleichsam das Fenster dar, durch das das Geschöpf seinen Schöpfer erblicken kann.

1 Romano Guardini stellt fest, „die Personalität des Menschen werde im Anruf geschaffen. Gott spricht ›Du‹, und der Mensch erwidert mit der Antwort des Wirklichwerdens“, Guardini, Romano, Die Existenz des Christen, München 1976, 475.

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