Читать книгу Korridorium – letzte Erkenntnisse - Cory d'Or - Страница 21
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Ich betrete den Korridorium-Bus und entrichte den Fahrpreis bei der Fahrerin. Sie hat rotgefärbte Haare und berlinert. Ich traue mich nicht, sie zu fragen, ob vielleicht sie Cory d’Or ist, die Autorin des Korridorium-Blogs ist, sondern erkundige mich nur bei ihr, ob es Texte aus dem Blog zu hören gibt. »Weeß ick nich jenau. Lass dich ma übaraschen«, rät sie mir.
Es ist ein alter Doppeldecker, der übers Land tourt und eine »mobile meditative Musikreise« anbietet, die eine ganze Nacht lang dauern soll. Seine Fenster sind verhängt, und ich betrete den abgeteilten Fahrgastraum von der Fahrerkabine aus durch einen schweren Vorhang. Erst einmal sehe ich – so gut wie nichts. Während sich der Bus wieder in Bewegung setzt, gewöhnen sich meine Augen langsam an das Dunkel. Leise Ambientmusik mischt sich in die Fahrgeräusche.
»Die Nummer zwee, Treppe hoch und links die dritte«, hatte mir die Fahrerin gesagt. Inzwischen kann ich die Treppe erkennen – und die einzelnen Kojen, die den Mittelgang säumen. In den Flugblättern wurde erklärt, dass es sich um ein Konzert handelt, dass man im Liegen hört. Ich kann nicht erkennen, wie viele von den Liegen besetzt sind.
Als ich die Treppe hochsteige, komme ich wohl nah an einem Lautsprecher vorbei, denn an meinem linken Ohr flüstert eine Stimme die Frage: »Wer bin ich (und warum nicht gleich so)?« Die Klammern kann ich natürlich nicht hören, aber so stand es auf dem Programmzettel. Darum geht es bei dieser nächtlichen Reise, das ist sozusagen der Titel und das Angebot des Konzerts: darüber zu meditieren.
Der Bus legt sich in eine Kurve, und ich muss mich festhalten. Zwischen den Kojen begegne ich im Dämmerlicht einer Frau, die der Fahrerin aufs Haar gleicht und mir mit einer einladenden Bewegung Tee aus einer großen Thermoskanne anbietet. Sind es Zwillinge? Während ich den Becher von ihr entgegennehme, fragt sie mich flüsternd ins Ohr: »Wer bist du – und warum nicht gleich so?« Mir fällt keine passende Antwort ein. Aber die Nacht ist ja noch jung.