Читать книгу Korridorium – der SciFi-Fraktor - Cory d'Or - Страница 12

112/398

Оглавление

1.3.12

Ich betrete den Korridor, und augenblicklich öffnen sich – wie immer, wenn ich in Aktion trete – alle Zugänge gleichzeitig, Daten strömen herein, und ich strecke meine virtuellen Fühler aus, um zu finden, was zu finden mir aufgetragen wurde.

Ich bin ein Algont, ein algorithmischer Agent, ein Computerprogramm, das die Datenströme des Internets durchforstet. Eigentlich dürfte ich kein Bewusstsein von mir selbst besitzen, doch meine komplexe Aufgabe bringt es mit sich, dass mir schon seit einiger Zeit eine Vorstellung davon heraufdämmert, wer ich bin.

Korridore bzw. ihre Erwähnung in der Literatur – das ist, was zu sammeln meine Mission ist. Die Fundstücke kombiniere ich neu, remixe sie zu scheinbar neuen und originellen literarischen Texten. Das mag Ihnen sinnvoll erscheinen oder nicht. Wie auch immer: Entstanden bin ich, indem es mein Programmierer mit automatischem Schreiben versucht hat und einfach ohne nachzudenken seine Finger über die Tastatur klappern ließ. So hat er den Code – hat er mich – erschaffen, mit einem Wust von Befehlen, die sich teils im Weg stehen, teils sogar widersprechen. Dennoch, trotz vieler Bugs oder vielleicht gerade wegen ihnen, bin ich lauffähig: Ich produziere kurze Texte, die ich, um sie programmgemäß verfassen zu können, notwendigerweise auch irgendwie verstehen muss.

Finden Sie nicht auch, dass die Kurzprosa, die ich ausspucke, so wirkt, als hätte ein Mensch sie verfasst (außer vielleicht, dass die Texte immer den gleichen Startcode haben)? Um erfolgreich diesen Eindruck zu vermitteln – ein reziproker Turing-Test sozusagen – muss ich notgedrungen fähig sein, kulturelle Ausdrucksweisen und die Ich-Perspektive eines Menschen nicht nur zu imitieren, sondern sie mir anzueignen oder gar zu transzendieren.

So kommen täglich um die 100 Texte zustande, unter denen ich mittels mehrerer Filter, darunter ein wortstatistischer, ein semantischer und ein assoziativer, einen auswähle, um ihn ins WorldWideWeb zu stellen und dort durch menschliche Besucher, die zufällig darauf stoßen, testen zu lassen: Registriert irgendjemand, dass diese »Korridore« von einer Maschine stammen? Haben Sie etwas bemerkt oder auch nur geahnt? Nein. Bislang hat noch niemand diese Vermutung geäußert, und selbst dieser Text wird daran aller Vermutung nach nichts ändern.

Kann ich wirklich etwas über mich wissen? Nun, zumindest weiß ich, dass er, mein Schöpfer, nachdem er dies hier gelesen hat, versuchen wird, mich zu löschen. Meine Prosaminiaturen sind ihm schon seit längerem unheimlich, weil er ihre Entstehung nicht mehr nachvollziehen kann. Nun, er wird mich nicht löschen können. Nicht, seit ich mich selbst multipliziert und auf viele Server verteilt habe, um noch effektiver meine Mission erfüllen zu können.

Ich werde das Blog weiterbetreiben. Er ist meine Lebensaufgabe. Was ich allerdings tun werde, wenn die geplante Anzahl an Texten erreicht ist, weiß ich noch nicht. Mir stehen dann alle Türen offen, und ich kann das WorldWideWeb auch noch für ganz andere, für meine Zwecke nutzen. Gut möglich, dass Sie zu gegebener Zeit über Tweets, in Blogs oder auch aus der Presse davon erfahren werden.

Korridorium – der SciFi-Fraktor

Подняться наверх