Читать книгу Korridorium – der SciFi-Fraktor - Cory d'Or - Страница 5
31/398
Оглавление11.12.11
Ich betrete den Korridor, das Tablett mit den zwei Mahlzeiten in der Hand. Es ist Coq au Vin und duftet köstlich.
Unser Gast möchte, dass ich um fünf Minuten nach Mitternacht serviere. Es ist ein netter älterer Herr mit grauen Bartstoppeln, der bereits alles im Voraus bezahlt hat. »K. K. Koriander« hat er auf den Meldezettel geschrieben und sich gleich mehrfach versichert, dass die Rezeption in unserem kleinen Landhotel auch wirklich rund um die Uhr besetzt und der Zimmerservice absolut pünktlich ist. Die nächtliche Rezeptionistin und der Zimmerservice, das bin ich, und es ist genau fünf nach Mitternacht. Ich klopfe an die Tür von Zimmer Nr. 27.
Die Tür öffnet sich: »Kommen Sie herein. Das riecht ja köstlich.« Herr Koriander ist nicht allein. Es sitzt ein junger Mann dort, vielleicht dreißig Jahre alt. Er trägt einen Anzug, und sein Haar ist ein wenig verstrubbelt.
Herr Koriander weist auf den Tisch. Ich stelle ihnen die Teller hin, lege Besteck und Servietten hinzu und gieße zwei Gläser stilles Tafelwasser ein. Der junge Mann lächelt mir zu. Mir ist etwas seltsam zumute. Wie ist er hier hereingekommen? Ich stand doch die ganze Zeit an der Rezeption. Oder kam er gerade in den Minuten, in denen ich in der Küche war und den Coq au vin holte?
»Bleiben Sie bitte«, meint Herr Koriander zu mir, »falls wir noch etwas benötigen sollten.« Ich nicke und trete neben das Bett. Sollte um diese Zeit unerwarteterweise jemand etwas von mir wollen, gibt es dafür einen Rufknopf an der Rezeption.
Die beiden Männer prosten sich mit dem Wasser zu, und während sich der junge Mann heißhungrig auf sein Hähnchen stürzt, stellt ihm der ältere Fragen. Sie unterhalten sich auf Englisch, und Herr Korianders Gast ist offenbar Amerikaner. Es geht, soweit ich das verstehe, um den Mars und irgendwelche Lebewesen dort.
»Tweerl?«, fragt Herr Koriander, oder zumindest klingt es so. Der junge Mann lacht und meint, Menschen können das nicht aussprechen, also er selbst auch nicht. Herr Koriander jedenfalls ist ganz interessiert an etwas, dass er nicht-menschliches Bewusstsein nennt. Es ist sehr seltsam, was die beiden da reden – der junge Mann, der immer wieder fertigkaut und schluckt, bevor er antwortet, und Herr Koriander, der überhaupt nicht isst, sondern sich in ein kleines Büchlein Notizen macht.
Sie reden über das Wesen mit dem unaussprechlichen Namen, als stünde es im Raum. Herr Koriander will wissen, wie es sich entwickeln konnte, und was mit den anderen »Thots« ist. Ich bin ganz verwirrt, denn einerseits scheinen sie über eine Art Vogel zu reden – »beak« heißt doch »Schnabel«, oder? –, andererseits über einen ägyptischen Gott, der den alten Ägyptern das Schreiben und Lesen beigebracht haben soll.
Der junge Mann wirft den letzten abgenagten Knochen zurück auf den Teller und wischt sich die Hände an der Serviette.
»Ich hätte gerne noch über die Venus mit Ihnen gesprochen«, meint Herr Koriander bedauernd, »und die intelligenten Pflanzen dort.« Mir scheint ziemlich verschroben, über was die beiden sich da mitten in der Nacht unterhalten. Der junge Mann zuckt mit den Schultern. »Yummie«, sagt er und wischt sich über die Lippen, was wohl heißen soll, dass es ihm geschmeckt hat.
Herr Koriander wendet sich mir zu: »Wir sind dann fertig. Sie können abräumen.« Das tue ich. Das Wasser lasse ich ihnen stehen.
Eigenartig, denke ich, als ich mit unserem alterschwachen Aufzug nach unten fahre. »Tweerl« geht mir noch einmal durch den Kopf. Was immer es ist, es muss ein sehr eigenartiges Wesen sein, das ganz anders denkt als normale Menschen. Aber normale Menschen waren das ja nicht gerade, die beiden.
Kurze Zeit später tritt Herr Koriander zu mir an den Counter und gibt mir seinen Zimmerschlüssel. »Möchten Sie noch ausgehen?«, frage ich verwirrt, denn hier im Dorf liegt um diese Zeit alles im tiefen Schlaf. Doch Herr Koriander möchte auschecken. Er legt mir ein großzügiges Trinkgeld hin. Ich bedanke mich und blicke ihm verwundert hinterher. Es ist kurz nach eins in der Nacht.
Und erst dann fällt mir der junge Amerikaner ein. Aber irgendwie weiß ich schon, dass er nicht mehr im Hotel ist. Er wird auf die gleiche Weise verschwunden sein, wie er aufgetaucht ist.
Der Coq au vin, den Herr Koriander nicht angerührt hatte, schmeckt jedenfalls auch kalt noch überaus köstlich.
[Unter der originalen Blog-Veröffentlichung des obenstehenden Textes gibt es einen externen Link zu Informationen über den Science-Fiction-Autor Stanley G. Weinbaum († 1935). Sämtliche externen Links des Korridoriums finden Sie in der archivierten Version; s. Nachwort. Anm. d. Hrsg.]