Читать книгу DIE 5 SCHRITTE METHODE ZUM ÄNGSTE ÜBERWINDEN: Wie Du Ängste aller Art in der Tiefe verstehen und auflösen kannst - Cosima Sieger - Страница 5
TEIL I – ÄNGSTE IN DER TIEFE VERSTEHEN Die 2 wahren Ursachen Deiner Angst
ОглавлениеAngst empfinden wir in dem Moment, in dem wir mit einem Angstreiz konfrontiert werden. Bei diesem Angstreiz kann es sich um ein Objekt oder um eine Situation handeln. Es können aber auch unsere eigenen Gedanken sein, die Ängste in uns auslösen, zum Beispiel wenn wir an etwas denken, das uns bedrohlich oder gefährlich erscheint, oder wenn wir Angst vor unserer eigenen Angst (oder einer Panikattacke) haben.
Unser Körper reagiert auf unsere Angst mit (Stress-) Reaktionen wie Herzrasen, Schwindel, Atemnot oder stockendem Atem, muskulärer Anspannung oder dauerhaften Verspannungen, Muskelzuckungen oder Zittern, Schwitzen, Stottern, Erröten und vielem mehr.
Doch wann erscheint uns ein Objekt, eine Situation oder ein Gedanke eigentlich als bedrohlich und löst Angst in uns aus?
Und wenn Angst ein natürlicher Selbstschutzmechanismus des Menschen ist: warum machen dann bestimmte Dinge, Situationen, Objekte und Gedanken manchen Menschen Angst und anderen nicht?
Um unsere eigene Angst zu verstehen und sie auflösen zu können, müssen wir die beiden wahren Ursachen von Angst kennen. Es gibt nämlich im Wesentlichen nur zwei Gründe, warum eine Situation oder ein Objekt uns ängstigt. Und das sind sie:
Grund 1, warum eine Situation oder ein Objekt uns Angst macht
Wir bewerten den Angstauslöser als gefährlicher oder bedrohlicher, als er wirklich ist. Wichtig ist hier zu verstehen, dass unsere eigene BEWERTUNG der Sache unsere Angst auslöst (unsere Angst wird also durch einen bestimmten Gedanken verursacht).
Grund 2, warum eine Situation oder ein Objekt uns Angst macht
Wir bewerten den Angstauslöser in seinem Gefahrenpotenzial realistisch, aber wir fühlen uns ihm nicht gewachsen und fürchten, nicht mit ihm umgehen zu können. Die Betonung liegt hier auf dem SELBSTBILD, das wir VON UNS haben – nämlich, dass wir uns in Anbetracht des Angstauslösers klein, ohnmächtig, hilflos und unterlegen und uns in gewisser Weise der Welt nicht gewachsen fühlen.
Nun hast Du vielleicht auch schon eine erste Vorahnung, an welchen Punkten wir ansetzen werden, um Deine Angst aufzulösen:
Je nachdem, welcher der beiden Gründe Deine Angst besonders stark auslöst, kannst Du Deine persönliche Bewertung des Angstauslösers verändern (wie, erfährst Du später ganz genau), oder aber Du kannst Dein eigenes Selbstbild verändern und praktische Kompetenzen aufbauen, die Dich in die Lage versetzen, problemlos, selbstverständlich, entspannt und erfolgreich mit Deinem Angstauslöser umzugehen (wie das geht, erfährst Du ebenfalls später ganz genau).
Manchmal liegen auch beide Gründe zusammen vor und lassen unseren Angstauslöser gleich doppelt so bedrohlich erscheinen. Aber keine Sorge, mit den 5 Schritten, die Du in Teil 2 des Buches kennen lernst, kannst Du beide Ursachen systematisch auflösen und Dich in beiden Fällen dauerhaft von Deiner Angst befreien.
Nun stellt sich aber natürlich zunächst die Frage, woher diese beiden Ursachen eigentlich kommen.
Und hier habe ich eine sehr gute Nachricht für Dich:
Die allermeisten Ängste sind erlernte Ängste. Genetische Faktoren können eine Rolle dabei spielen, ob und wie stark wir erlernte Ängste entwickeln. Neben unseren Genen spielen jedoch immer unsere Umwelt- und Entwicklungsfaktoren, also unsere persönlichen Erfahrungen in Kombination mit unserem Selbstbild, eine wichtige Rolle beim Entstehen von Ängsten – und die Folgen dieser Erfahrungen, sowie auch unser Selbstbild, können wir verändern.
Lass uns also genauer hinsehen bei der Frage nach dem „Warum?“ und mit Grund 1 beginnen:
Warum bewerten wir einen Reiz als bedrohlicher, als er tatsächlich ist? Stimmt mit unserem Urteilsvermögen etwas nicht? Oder sind wir womöglich verrückt?
Ganz im Gegenteil! Mit uns ist alles in Ordnung. Und wir haben sogar einen sehr guten Grund für unsere Einschätzung!
Wir bewerten einen Reiz in der Regel dann als gefährlich, wenn wir entweder selbst einmal erlebt haben, dass von ihm eine Gefahr oder Bedrohung für uns ausging, (auch wenn wir uns daran nicht mehr bewusst erinnern können), oder wenn wir beobachtet oder gehört haben, dass er für andere eine Gefahr dargestellt oder Leid verursacht hat.
In diesem Zusammenhang sind zwei Dinge spannend zu wissen, und können Dir vor allem dann helfen Dich selbst besser zu verstehen, wenn sich bestimmte Ängste in Dir ausgebildet haben, die Du Dir bis heute nicht erklären kannst, denn die meisten Menschen vermuten keinen Zusammenhang zwischen diesen beiden Faktoren und ihrer eigenen Angst – und doch sind sie ungeheuer mächtig und prägen uns stark.
Der erste spannende Faktor ist, dass wir als Kinder alle leidvollen Erfahrungen, die unsere Geschwister erleben, als ebenso leidvoll erfahren, wie diese selbst. Wir empfinden also das Leid unserer Geschwister genauso intensiv, beängstigend, bedrohlich oder schmerzhaft als wäre es uns selbst passiert. Mit anderen Worten: Die Traumata unserer Geschwister sind auch unsere Traumata.
Das erklärt auch, warum sich manchmal starke Ängste in uns ausprägen, von denen wir uns einfach nicht erklären können, wo sie her kommen und warum sie unser Leben so stark beeinflussen, obgleich wir selbst nie negative Erfahrungen mit dem Angstauslöser gemacht haben. Dieses Wissen kann vielleicht auch Dir helfen, den Ursprung Deiner Angst zu verstehen, falls Du anderweitig keine Erklärung für ihre Entstehung finden kannst.
Ein Beispiel für einen solchen Fall ist ein Perfektionist, mit dem ich mich vor kurzem unterhalten habe. Er kann sich einfach nicht erklären, warum er es nicht aushält, eine noch nicht perfekte oder vollkommende Arbeit abzuliefern und große Ängste davor hat, für Fehler und Schwächen verurteilt oder abgelehnt zu werden, obwohl er immer gute Leistungen erbracht und in seiner Familie stets bestätigt worden war. Er hatte in seiner Familie sogar die Rolle des vorbildlichen Sohnes inne.
Sein Bruder jedoch, mit dem er heute kaum noch Kontakt hat, war das „schwarze Schaf“ in der Familie und von seiner Mutter immerzu kritisiert und abgewertet worden, was diesen so stark beeinträchtigt hatte, dass er die Schule vorzeitig abbrach, sich in den Alkoholismus flüchtete und bis in sein fünftes Lebensjahrzehnt hinein keinen Job lange ausführen konnte.
Unser Perfektionist hat bereits seit Jahren keinen Kontakt zu seinem Bruder, da dieser sich in Groll von der ganzen Familie distanziert hat. Dennoch haben der Schmerz, das Leid und die Kränkungen, die sein Bruder als Kind erfahren hat, in ihm ebenso starke Spuren hinterlassen und Ängste ausgelöst, es könnte ihm einmal ebenso ergehen wie seinem Bruder, wenn er nicht weiterhin immerzu perfekt und fehlerlos auftritt. Er hatte das „Nicht Perfekt sein“ ohne es zu wissen in seinem inneren Bewertungssystem als große Gefahr eingestuft, und seine Angst davor bestimmt seitdem sein Leben. Ja, Perfektionismus ist Angst. Es ist die Angst vor Fehlern…
Aber nicht nur die negativen Erfahrungen, die wir selbst oder andere Menschen (zum Beispiel unsere Geschwister, aber auch andere Familienmitglieder, Freunde, Kollegen, Nachbarn oder andere Menschen in unserem Umfeld) machen, können Ängste in uns auslösen. Sondern wir übernehmen auch meist ganz automatisch die Ängste, die in unserer Familie und unserer Gesellschaft vorherrschen, sofern wir diese nicht bewusst erkennen, neu bewerten und als „nicht länger gefährlich“ einstufen. Und das ist auch schon der zweite Faktor, den ich Dir über die Entstehung von Ängsten mitgeben möchte, deren Ursache Du Dir womöglich nicht erklären kannst:
Wenn in unserer Familie oder in unserer Gesellschaft etwas im Allgemeinen als gefährlich oder bedrohlich eingestuft wird, dann übernehmen wir diesen Glaubenssatz in der Regel und bewerten diesen Reiz im Laufe unseres Lebens ebenfalls ganz automatisch als gefährlich, ohne selbst je eine konkrete negative Erfahrung damit gemacht oder beobachtet zu haben. Wir haben dann automatisch vor den gleichen Dingen Angst wie die soziale Gruppe, der wir angehören, also zum Beispiel unsere Familie oder unsere Kultur.
Das Übernehmen von Ängsten in einer sozialen Gruppe ist natürlich sehr hilfreich, wenn es sich um gefährliche Tatsachen (Naturgesetze) handelt, zum Beispiel um die Tatsache, dass wir uns Verbrennungen zuziehen, wenn unsere Haut mit kochendem Wasser in Berührung kommt, oder dass es lebensgefährlich für uns sein kann, wenn wir vor ein schnell fahrendes Auto laufen. Auf diese Weise können wir gefährliche Situationen vorbeugend meiden, ohne selbst damit schlechte Erfahrungen gemacht zu haben.
Oftmals beruhen die allgemeinen, in einer sozialen Gruppe vorherrschenden Ängste allerdings nicht auf solchen unbestreitbaren Naturgesetzen, sondern auf flexiblen Glaubenssätzen, die durch die Erfahrungen und Bewertungen fremder Menschen oder früherer Generationen entstanden sind, und die womöglich heute nicht mehr hilfreich und auch nicht mehr richtig sind. Es ließen sich dann für die gegenteilige Überzeugung und Bewertung ebenso viele Beweise finden, wie für den angstauslösenden Glaubenssatz, wenn man es denn versuchte.
Das Problem an solchen angstauslösenden allgemeinen Glaubenssätzen ist, dass sie sich oftmals hinter der Maske der Vernunft verstecken und so auch gerechtfertigt werden. Das führt dazu, dass wir sie fälschlicherweise für Tatsachen halten, und nicht merken, dass es sich in Wahrheit um flexible Bewertungen handelt, die auch ganz anders vorgenommen werden könnten.
Ein Beispiel dafür ist die im deutschsprachigen Raum verbreitete Angst, einen festangestellten Job aufzugeben und sich selbstständig zu machen, also die Angst vor der Selbständigkeit. Wir bewerten ein Angestelltenverhältnis oft als sicher und eine selbständige Tätigkeit als unsicher. In den USA würde diese Bewertung jedoch zum Beispiel völlig anders ausfallen, und das liegt bei weitem nicht nur an den dort geltenden abweichenden Arbeitnehmerschutzgesetzen. Für beide Überzeugungen lassen sich gute Argumente und Beweise finden.
Auch ein Jobverlust ist bei uns in der Regel mit stark angstauslösenden Bewertungen verbunden, obwohl wir im Vergleich zu anderen Ländern deutlich stärker in unserer Existenz abgesichert sind, und eigentlich weniger Angst haben müssten.
Solange uns bewusst ist, dass es sich bei allgemeinen, verbreiteten angstauslösenden Glaubenssätzen nicht immer um Tatsachen handelt, sondern oft auch um flexible Überzeugungen, die wir übernehmen oder auch hinterfragen und selbst zu einer anderen Einschätzung kommen können, ist alles in Ordnung und wir bleiben frei.
Wenn wir all diese Glaubenssätze jedoch unreflektiert als Tatsachen einordnen, werden wir den gleichen Ängsten unterworfen wie alle anderen Menschen in unserem Umfeld und machen uns so auch stärker manipulierbar.
Denn ein Mensch der Angst hat, ist bereit, vieles zu tun, um sich vor der vermeintlichen Gefahr zu schützen und sein tiefes Grundbedürfnis nach Sicherheit zu befriedigen. Deshalb sind Menschen, die Angst haben, besonders manipulierbar. Die Medien und auch die Werbebranche wissen das seit langem…
Lass uns nun noch einmal kurz wiederholen, warum wir Ängste entwickeln, denen die Ursache Nr. 1 zugrunde liegt – warum wir also Situationen oder Objekte als gefährlicher einstufen, als sie tatsächlich sind:
Wir tun das, wenn wir selbst die Erfahrung gemacht oder beobachtet haben, dass diese Objekte oder Situationen gefährlich sind, oder wenn wir solche Geschichten von Dritten gehört haben. Besonders stark beeinflussen uns dabei neben unseren eigenen Erfahrungen die Erfahrungen unserer Geschwister und unserer Eltern. Wir tun das aber auch, wenn in unserer Familie und in unserer Gesellschaft die allgemeine Überzeugung herrscht, dass bestimmte Objekte oder Situationen als gefährlich oder bedrohlich einzustufen sind.
Wie aber sieht es nun mit Ängsten aus, denen Ursache Nr. 2 zugrunde liegt?
Warum fühlen wir uns bestimmten Objekten oder Situationen nicht gewachsen und fürchten, ihnen ausgeliefert zu sein und nicht mit ihnen umgehen zu können?
Auch hier beeinflussen uns die gleichen Faktoren wie bei Grund 1:
Wir entwickeln dann Angst, einer Situation nicht gewachsen zu sein, wenn wir selbst irgendwann in unserem Leben diese Erfahrung gemacht haben, wenn wir also in einer ähnlichen Situation erlebt haben, dass wir ihr nicht gewachsen waren, oder uns womöglich dabei blamiert, negatives Feedback erhalten, vermeintlich versagt, oder uns in eine Situation gebracht haben, die uns geschadet hat.
Ebenso können entsprechende Erfahrungen anderer Menschen, wie unserer Eltern, Freunde, Geschwister, Kollegen etc. die wir beobachtet oder von denen wir gehört haben, diese Ängste in uns auslösen. Wir alle kennen zum Beispiel das Phänomen des Fremdschämens, welches nur durch das Beobachten einer Situation die Angst in uns auslösen kann, in einer vergleichbaren Situation selbst einmal bloßgestellt zu werden.
Und auch hier beeinflussen uns zusätzlich allgemeine, angstfördernde Überzeugungen unserer Familie, der Medien und unserer Gesellschaft. Wir halten es schlichtweg für ganz normal, bestimmten Situationen nicht gewachsen zu sein, weil das in unserer Gesellschaft (oder in unserer Familie) alle tun.
Es kann aber auch sein, dass wir Angst haben, wenn wir uns in eine vollkommen neue Situation begeben, zu der wir noch keinerlei Referenzerfahrungen sammeln oder bei Anderen beobachten konnten. Wir wissen dann ganz einfach noch nicht, was uns erwartet.
Ob uns diese neue Situation nun Angst macht, oder ob sie Neugierde und Vorfreude in uns weckt, hängt größtenteils davon ab, wie stark unser Selbstvertrauen ausgeprägt ist, also unser Vertrauen in unsere Fähigkeit, neue Herausforderungen meistern und uns außerhalb unserer Komfortzone zurecht finden zu können.
Du siehst also:
Wenn wir vor Dingen Angst haben, die anderen Menschen scheinbar keine Angst machen, dann müssen wir nicht an unserem Urteilsvermögen zweifeln.
Wir haben in aller Regel negativere Erfahrungen machen oder beobachten müssen als andere Menschen, oder sind von bestimmten Überzeugungen in unserer Familie und unserem Umfeld negativer geprägt worden. Manchmal kommt noch hinzu, dass genetische Faktoren bei uns die Entwicklung einer Angststörung zusätzlich begünstigen.
Für beides können wir nichts. Ich möchte Dich deshalb von Herzen ermutigen, Dich NICHT für Deine Ängste zu verurteilen, sondern Dich selbst liebevoll in den Arm zu nehmen und zu trösten. Selbstmitgefühl und Selbstfürsorge sind jetzt besonders wichtig für Dich!
Stell Dir vor, was Du tun würdest, wenn ein Kind voller Angst zu Dir kommen und bei Dir Schutz suchen würde. Würdest Du es verurteilen und niedermachen? Natürlich nicht. Du würdest es ganz sicher trösten, in den Arm nehmen und versuchen, ihm Wärme, Liebe und ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit zu schenken, damit es keine Angst mehr haben muss.
Schenke Dir selbst die gleiche Liebe und Fürsorge dafür, dass Du es im Moment nicht ganz leicht hast und unter Ängsten leiden musst. Du verdienst es!
Denn auch in Dir wohnt bis heute das kleine Kind, das sich früher einmal sehr erschreckt hat über die Dinge, die es erleben und mit ansehen musste…. Es hat manchmal immer noch Angst und möchte in den Arm genommen werden.