Читать книгу Wilderwald (1). Die Rückkehr der dunklen Magie - Cressida Cowell - Страница 13

Оглавление

4. XAR FÄNGT ETWAS

Aus Xars Blickwinkel spielte sich die Sache so ab.

Xar lag hinter seinem Baumstamm auf der Lauer und zitterte vor Aufregung.

Die Elfen und Haar-Feen summten und surrten immer lauter, wirbelten um seinen Kopf und kreischten: »HexenHexenHexen!!!«

Xar hörte Huftrampeln, dann galoppierte etwas auf die Lichtung, zu schnell, um aufgehalten werden zu können, und hätte Xar es richtig sehen können, hätte er bemerkt, dass die seltsame Erscheinung unten die Beine eines Ponys hatte, in der Mitte menschliche Formen und darüber eine große schwarze Wolke.

Was für ein seltsames Ungeheuer war das denn?

Hetzel war starr vor Angst, konnte sich nicht bewegen. Gleich würde er von dem Ungeheuer zu Tode getrampelt …

KREIIIIIIIIIIISCH!!!

Ein ohrenzerfetzendes Geräusch, als würde die ganze Atmosphäre wie ein riesiger Vorhang in Fetzen gerissen.

Und dann wurden Xars Sinne von einem Gestank überwältigt, der so unerträglich war, so widerlich und speiübelschlecht: der schlimmste Gestank, den du dir nur vorstellen kannst, eine Wolke aus reinstem Gift oder ein Konzentrat aus dem Gestank von abertausend Stinktieren. Dann durchdrang das Kreischen, schriller als der Todesschrei von fünfhundert Hyänen, Xars Hirn und hallte in seinem Kopf wider, bis er das Gefühl hatte, dass er gleich verrückt werden würde.

Was ist los?, dachte Xar mit dem winzigen Teil seines Gehirns, der noch denkfähig geblieben war.

Hetzel krümmte sich zusammen wie ein Igel, schützte verzweifelt den Kopf mit den Armen, als könne er sich damit vor diesem entsetzlichen Wesen schützen, das ein SO ENTSETZLICHES Geschrei ausstieß und einen SO EKELHAFTEN Gestank verströmte.

Xar brüllte einen Befehl zu Quetscher hinauf.

Und dann passierte alles gleichzeitig.

Die Wolke oder der Wind heulte noch lauter. Wer wusste schon, was dieses Ding sein mochte? Vielleicht hatte Xar doch recht und es war tatsächlich eine Hexe …? Aber dieses Was-es-auch-war kreischte äußerst aggressiv auf Xars zu Tode verängstigte kleine Gruppe herab und in genau diesem Moment richteten alle acht Elfen ihre Zauberstäbe auf das Ding und schleuderten ihre Zaubersprüche in die Mitte der Lichtung, die wie weiß glühende Blitze, wie rasende Glühwürmchen auf das Wolke-Wind-Ding zuflogen, während Quetscher wie verrückt am Seil zog und das Netz hochriss, und dann folgte eine gigantische Explosion …

WUMMMMMSSSSS!!!

Xar warf sich hinter dem Baumstamm flach auf den Boden, um nicht getroffen zu werden.

Noch einmal zerriss das Kreischen die Nacht.

Etwas raste wie wild in der Lichtung herum, prallte von Baumstämmen ab, etwas, das ungewöhnlich groß und dunkel und federartig war, und raste schließlich mit entsetzlich schrillem, trommelfellzerreißendem, durchdringendem Heulen davon.

Schwarze und grüne Stinkrauchwolken waberten über die Lichtung. Xar kam hustend auf die Füße.

Mitten auf der Lichtung hing seine Hexenfalle; Quetscher musste sich tatsächlich ein bisschen anstrengen, um das Seil festzuhalten.

Etwas strampelte wild im Netz und rings um das Netz leuchtete eine Art Kraftfeld, so rot wie Blut.

Was um alles in der Welt ist passiert?, dachte Hetzel, der hustend und keuchend auf dem Boden lag und kaum glauben konnte, dass er noch lebte, während der entsetzliche Gestank immer noch wie eine Glocke über der Lichtung hing.

»Es hat funktioniert!«, keuchte Xar, der sein Glück kaum fassen konnte, als er sich hochrappelte und hinter dem Baum hervortaumelte. »Du meine Güte … es hat FUNKTIONIERT! Wir haben es geschafft, Leute! Wir haben wirklich eine Hexe gefangen! Das ist ihr magisches Kraftfeld … hört auf, es anzugreifen, Elfen, das ist völlig sinnlos!«

Denn die Elfen schleuderten noch immer ihre Zauber auf das Ding und versuchten, die hellrote Luftblase zum Platzen zu bringen. Aber diese leuchtete nur noch greller und röter und wurde sogar stachelig wie ein Feuer spuckender Dornenball.

Hetzel starrte mit offenem Mund das wild hin und her schwingende Netz an und schluckte. »Ach du heulende Mistel und blutender Efeu! Vielleicht stimmt es wirklich … Vielleicht hat es Xar tatsächlich geschafft, eine Hexe zu fangen! Nichts wie weg von hier!«

Mit einem Satz sprang Hetzel auf den Rücken seiner Schneekatze und raste davon, dicht gefolgt von Heliotrope und Obskuro.

Sie nahmen einfach an, dass auch Xar mit ihnen fliehen würde.

Aber Xar war vermutlich der einzige Junge auf der ganzen Welt, der verrückt genug war, um auf einer Waldlichtung zu bleiben, auf der sich eine Hexe befand.

»Du bist SAGENHAFT! Du bist UNGLAUBLICH! Du bist der beste Meister der WELT! Äh … und was macht du jetzt damit, Boss?«, fragte Flatterkopf nervös.

Selbst Xar war fast außer sich vor Angst, aber er wäre lieber gestorben, als das vor seinen Elfen und Tieren zuzugeben.

»Umzingelt die Hexe!«, befahl Xar.

Die Elfen protestierten zwar lautstark, bildeten aber doch zögernd einen Funken sprühenden Kreis um das Netz. Xar zwang sich, einen Fuß vor den anderen zu setzen und sich dem Netz zu nähern. Seine Hände waren schweißnass vor Angst und beinahe wäre ihm die kleine Bratpfanne aus der Hand geglitten.

Der Gestank fauler Eier hing immer noch über der Lichtung und er war so entsetzlich, dass es Xar buchstäblich den Atem verschlug – es war, als müsse er durch eine grauenhaft stinkende Schwefelsuppe schwimmen.

Und dann stand er unter dem Netz, starrte hinauf, sah, wie es am Seil langsam hin und her schwang, hin und her, hin und her …

Er hatte wirklich nicht erwartet, vier Beine unten aus dem Netz hängen zu sehen, die eindeutig einem PFERD gehörten.

»Wow«, keuchte Xar verblüfft. »Wer hätte das gedacht? Offenbar sind Hexen gar nicht wie Vögel, sondern eher so etwas wie Zentauren!«

Er legte die Hände trichterförmig an den Mund. »He, du! Hexe!«, brüllte er hinauf und gab sich Mühe, seine Stimme so Furcht einflößend wie möglich klingen zu lassen, wobei er drohend die Bratpfanne schwang. »Mach keine Dummheiten! Du bist umzingelt und ich halte eine Waffe aus EISEN in der Hand!«

Kurze Zeit herrschte Schweigen, dann tönte ein dünnes, zaghaftes Zitterstimmchen aus dem Netz.

»Ich … ich bin keine Hexe! Hexen sind ausgestorben! Das weiß doch jeder! Warum … warum greifst du uns an? Was willst du von uns?«

»Na klar, eine Hexe würde ja wohl nicht ZUGEBEN, dass sie eine Hexe ist, oder?«, rief Xar. »Versuch nicht, mich hereinzulegen, Hexe!«

»Versuche ich doch gar nicht«, antwortete die Stimme, die jetzt nicht mehr so verängstigt klang, sondern eher verärgert. »Mein Name ist Willa, nicht Hexe. Und selbst wenn es noch Hexen gäbe, würden sie doch wohl grün sein, oder nicht? Mit Säure als Blut und Federn und allem …«

Wieder trat eine kleine Pause ein. »Na gut … Aber was für ein Monster BIST DU dann?«, wollte Xar wissen. »Bist du so etwas wie ein Zentaur?«

»Nein, nein«, antwortete die Stimme, »das sind nur die Beine von meinem Pony. Ich glaube, es ist ohnmächtig. Ich und mein, äh, Freund Griffel, wir wollten nur ein bisschen durch den Wald reiten, aber dann wurden wir plötzlich von irgendeinem Etwas gejagt. LASS UNS JETZT ENDLICH RUNTER!«

Verflixt! Das Ungeheuer war keine Hexe. Alles war umsonst gewesen. Sein ekliger eingebildeter Bruder hatte wieder mal recht behalten. Der ganze Abend war reine Zeitverschwendung gewesen.

Xar wurde von abgrundtiefer Enttäuschung überwältigt. Er spürte, wie seine Aufregung, seine Energie und seine Begeisterung förmlich verpufften.

»Lass das Ding runter, Quetscher«, seufzte er.

Langsam ließ Quetscher das Netz herab. Das Pony war nicht ohnmächtig, sondern das arme Ding war von Zippelsturm mit einem Schlafzauber getroffen worden und lag nun laut schnarchend auf dem Waldboden.

Aber Xar sah, dass sich auch Menschen im Netz befanden. Ein kleines Menschenwesen, von Kopf bis Fuß mit einer Eisenrüstung bekleidet, rappelte sich von dem schnarchenden Pony hoch und stieg aus dem Netz. Es hielt ein großes, reich verziertes Schwert kampfbereit erhoben. Hinter dem mickrigen Menschlein stolperte ein weiterer Mensch aus dem Netz, aber halb verschlafen, als sei er gerade erst aufgewacht. Dieser Mensch war ein klein wenig größer als der erste, dünn und mager wie eine Bohnenstange und ebenfalls vollständig mit einer Eisenrüstung bekleidet.

Wir wissen natürlich, dass diese beiden Menschen Willa und Griffel waren (Griffel war der etwas größere Mensch und Willa das Menschlein mit dem Schwert).

Aber Xar konnte das natürlich nicht wissen. Er war noch nie einem Krieger begegnet.

Und niemals hätte er sich träumen lassen, dass Willa und Griffel die Helden dieser Geschichte sein könnten, genau wie er selbst.

Alles, was Xar sah, waren zwei Menschen, die eiserne Körperpanzer trugen und eiserne Schwerter schwangen, was wiederum bedeutete, dass sie Krieger sein mussten, und Xar war nun mal dazu erzogen worden, alle Krieger zu hassen wie die Pest. Weil sie Feinde waren.

Großartig.

Xar hatte in den letzten Minuten ein Wechselbad der Gefühle durchleben müssen – von größter Angst zu höchster Begeisterung und schließlich zu abgrundtiefer Enttäuschung. Und deshalb sehnte er sich geradezu nach einem netten, direkten, unverblümten KAMPF.

Wenn er schon keine Hexe fangen konnte, wollte er wenigstens einen Feind töten oder noch besser: zwei.

»KRIEGER!«, brüllte Xar wild vor Wut, starrte die Menschen mit schmalen Augen an, packte die Bratpfanne fester und zog auch noch einen schweren Eichenstab aus dem Rucksack.

»Krieger … Krieger … Krieger …«, zischten die vor Zorn grellrot glühenden Elfen. »Tötet sie … tötet sie … tötet sie …«

»Das … das ist ein ZAUBERER mit seinem Gesindel!«, schrie Griffel voller Entsetzen und sprang mit einem Satz vor Willa, um sie zu schützen. »Und sie sehen ziemlich aggressiv aus!«

Und so sahen sie auch tatsächlich aus. Willa starrte die Feinde nacheinander an, wie versteinert vor Schreck – die Elfen, die vor Wut glühten und aus deren langen Gliedern Flammen leckten und Funken überallhin sprühten, die knurrenden Werwölfe, den brummenden Bären, den fauchenden Luchs und die zähnefletschenden Schneekatzen … und hoch, hoch über allen ragte die gigantische Gestalt eines Riesen empor.

Willa brauchte nicht lange, um festzustellen: Sie waren hoffnungslos unterlegen. Riesen fraßen bekanntlich Menschen, Elfen konnten einen Menschen mit einem grausamen, langsamen Todeszauber belegen, und was die Schneekatzen anging, musste man nur in ihre zähnefletschenden Raubtiermäuler blicken, um zu erkennen, dass sie einen Menschen in Sekunden zerreißen konnten. Willa hielt zwar ein Zauberschwert in der Hand, wusste aber, dass sie keine sonderlich gute Schwertkämpferin war. Und seien wir doch mal ehrlich: Griffel hatte sich bislang auch nicht gerade als besonders kampfstarker Leibwächter erwiesen.

Nein – sie hatten keine Chance.

»Keine Angst, Prinzessin«, verkündete Griffel tapfer, »ich mache sie fertig.«

Und Griffel reckte den Speer, schwang das Schwert und rückte drohend auf Xar zu. Bis er in die Höhe schaute und den Riesen sah.

Griffel blieb in seiner wilden Kriegerhaltung wie angewurzelt stehen.

Blinzelte zweimal.

Und dann schlossen sich seine Augen, sein Kopf kippte nach vorn und er fiel laaangsaaam um wie ein gefällter Baum, wobei das gezückte Schwert unglücklicherweise seinen Speer in zwei Stücke hackte.

Griffel blieb mit offenem Mund liegen.

Xar starrte entgeistert auf den schlafenden Griffel hinab. War das jetzt irgendein fauler Trick?

»Schneekatzen! Wölfe! Zu mir!«, befahl Xar. Die Tiere bildeten sofort einen Schutzring um ihren Anführer; sprungbereit und mit gesträubtem Fell, warteten sie auf den Angriffsbefehl. »Bär! Bewache den Burschen, der da liegt! Vielleicht will er uns nur täuschen!«

Der Bär setzte sich neben Griffel und legte ihm eine große Pranke auf die Brust.

»Elfen! Überlasst das mir! Ich werde es diesen bösartigen Kriegern schon zeigen, dass auch wir Zauberer kämpfen können!«, rief Xar, schwang Bratpfanne und Stab und stürzte auf Willa zu.

Willa parierte den Angriff mit dem verzauberten Schwert und der Kampf begann.

Willa war zwar Kriegerin, aber im Schwertkampf nicht sehr geübt. Jetzt jedoch stellte sie zu ihrer unendlichen Erleichterung fest, dass das Kämpfen mit einem magischen Schwert sehr viel einfacher war als mit einem normalen Schwert. Und obwohl sie sich ein wenig ungeschickt und schwerfällig bewegte und immer wieder über die eigenen Füße stolperte, schien das Zauberschwert jeden Angriff, jede Finte und jeden Ausfall, den Xar mit seiner Bratpfanne und seinem Eichenstab ausführte, vorauszuahnen und parierte die Hiebe ganz von selbst, indem es einfach Willas Arm mit sich riss.

Das Schwert zerrte sie mal hierhin, mal dorthin und Willa hatte alle Mühe, es mit beiden Händen festzuhalten, als ob sie am Schwanz eines wilden Bullen hinge.

Kaliburn flatterte, fast außer sich vor Sorge, um die Köpfe der beiden Kämpfer herum und krächzte: »Das magische Schwert! Sei ganz, ganz vorsichtig mit dem magischen Schwert! Es darf dich auf keinen Fall berühren! Mit dem Schwert stimmt etwas nicht!«

»Ein magisches Schwert?«, keuchte Xar. »Unmöglich!«

Wie konnte es sein, dass ein Krieger mit einem verzauberten Schwert kämpfte? Krieger hatten keine magischen Gegenstände.

Das Schwert führte einen blitzschnellen Angriff aus und dieser Vorstoß entwaffnete Xar. Sein Stab wurde ins Unterholz geschleudert, gefolgt von der Bratpfanne.


»Ergibst du dich?«, fragte Willa und hielt das magische Schwert über Xars Kopf.

»Ich ergebe mich«, stieß Xar durch zusammengebissene Zähne hervor.

»Glaub ihm nicht!«, brüllte Griffel, der inzwischen wieder aus seiner Ohnmacht erwacht war, aber von der Bärenpranke auf dem Boden festgehalten wurde.

Willa überhörte den Ratschlag; stattdessen entspannte sie sich, trat ein paar Schritte zurück und senkte das Schwert.

Was ein schwerer Fehler war. Griffel hatte recht: Xar durfte man nicht trauen.

»Lynx! Nachtauge! Angriff!«, brüllte Xar, kaum dass Willa das Schwert gesenkt hatte.

Mit einem Satz schnellte Lynx durch die Luft und warf Willa brutal um. So stark war der Aufprall, dass ihr das Schwert aus der Hand geschleudert wurde, und kaum war es nicht mehr in ihrer Hand, als es auch schon seine Zauberkraft verlor und völlig leblos im Waldboden stecken blieb, nichts weiter als ein ganz normales eisernes Schwert.

Xar zog das Schwert heraus, während sich der schwere silbergraue Riesenluchs mit den Vorderpfoten auf Willas Brustpanzer stützte und ihren Helm mit dem gewaltigen Gebiss einfach aufknackte, ungefähr so, wie ein Nussknacker eine Walnuss knackt.

Der Helm brach in zwei Stücke und fiel herab. Und Xar starrte in das Gesicht eines höchst seltsam aussehenden kleinen Mädchens mit einer schwarzen Klappe über einem Auge.

Das Mädchen war natürlich Willa.

»Er … es ist ein Mädchen!«, rief Xar überrascht aus.

Die Elfen und Haar-Feen kugelten sich in der Luft vor Lachen. »Xar ist von einem Mädchen besiegt worden …«

Willa wiederum starrte direkt in das riesige Luchsmaul und das Gesicht eines jungen Zauberers, der das verzauberte Schwert über ihren Kopf hielt, als hätte er bereits entschieden, wie er es einsetzen würde.

»Und?«, fragte der Magierjunge. »Wie wär’s, wenn du dich jetzt ergibst?«

Wilderwald (1). Die Rückkehr der dunklen Magie

Подняться наверх