Читать книгу Ich hab' den Ausbau nicht gewollt - Cristina Fabry - Страница 13
Häger, Gasthof Bierhoff – Mittwoch, 14. September 2016
Оглавление„Los, Akki, zapf schon mal vier Pils vor, die nächste Runde geht auf mich!“, lallte Frührentner Günther an den Wirt Axel Rademacher gewandt.
„Wieso vier, Günni?“, fragte Axel. „Ich sehe nur drei Gestalten vor der Theke oder erwartest du noch jemanden?“
„Nee, Akki, du solls' ein' mittrink'n. Is' schöner, als wennde bloß zugucks'.“
„Wenn ich jedes Mal einen mittrinke, wenn einer 'ne Runde schmeißt, tragen sie mich bald mit den Füßen zuerst raus. Schönen Dank, Günni, aber lass mal stecken. Schont auch dein schmales Konto.“
„Och, das reicht schon noch.“, bemerkte Günther.
„Aber wenn sie dir jetzt jeden Monat ein paar Euro abziehen, weil du für'n Studenten zu viel und für'n Besserverdienenden zu wenig hast, musste das Pilsken für Akki einsparen.“, entgegnete Horst, der Maurer gelernt hatte, bereits seit zwei Jahren arbeitslos war und nicht damit rechnete, vor dem Eintritt ins Rentenalter noch einmal ein seiner Qualifikation entsprechendes Beschäftigungsverhältnis einzugehen. „Die nehmen immer alles von den kleinen Leuten. Die Steuern, die Kontogebühren, Krankenkasse, Arbeitslosenversicherung, Rentenversicherung und hasse nich' gesehen, nur, um es am Ende den Asozialen in den Arsch zu schieben. Und was bleibt für uns? Nur noch Weib, Wein und Gesang.“
„Ja, ja.“, fiel Klaus ein, der zwar eindeutig alkoholkrank war, aber nach wie vor sein Arbeitsverhältnis als Elektriker in einem mittelständischen Unternehmen aufrechterhalten konnte. „Des kleinen Mannes Sonnenschein ist Bumsen und Besoffensein. Los Akki, mach mal drei Wacholder fertig!“
„Sicher?“
„So sicher wie das Amen inne Kirche.“
„Wennse inne Kirche nich' demnähx Alla-Akba schreien statt Amen.“, gab Günther zu bedenken.
„Das heißt Alla Allu Adebar.“, korrigierte ihn Horst, angestrengt um einen gebildeten, intelligenten Gesichtsausdruck ringend, der aber bestenfalls zur Karikatur geriet.
„Ja, so genau will ich das gar nich' wissen.“, lallte Günther. „Nur, wenn das mit diese Moslems so weitergeht, dann machen die aus unsere Kirche 'nen Islam-Tempel. Ist noch kein Jahr her, da haben sie den Schrei von diesem Islam ganz laut inne Kirche abgespielt.“
„Wann gehst du denn inne Kirche, Günni?“, fragte Klaus.
„Gar nicht mehr.“, gab Günther Auskunft. „Aber Röwekamps Gisela ist wohl da gewesen und hat den Pastören die Leviten gelesen. Hat sie unserer Edith erzählt.“
„Meinse, Günni“, fragte Klaus, „wenn die, die se da jetz' bei Brünings einquartiert haben, sich vermehren, dann machen die aus unserem Kirchturm 'n Barett?“
„Minarett heißt das.“, verbesserte Axel Rademacher seinen schwer betrunkenen Gast. „Außerdem wohnen da nur ein paar Moslems bei Brünings. Die meisten sind Yeziden.“
„Watt is' datt denn?“, fragte Günther verblüfft.
„So was Ähnliches wie Christen“, gab Axel Auskunft. „nur anders.“
Es herrschte kurz betretenes Schweigen, dann wagte Horst einen neuen Anlauf: „Aber guck dir das Volk doch mal an. Hängen den ganz Tach zu Hause rum oder spalkern mipm Fahrrad durche Gegend. Und diese Gutmenschen vonne Fluchthelfer kochen denen Kaffe, kutschier'n die durche Gegend und schieben denen alles in'n Arsch.“
„Das ist doch Blödsinn, was du da erzählst.“, erwiderte Axel ärgerlich. „Die sind gerade mal mit dem Leben davon gekommen und kriegen hier die Unterstützung, die sie brauchen, um wieder auf eigenen Füßen stehen zu können.“
„Doch, das stimmt.“, krähte Horst empört. „Frag Erich Mensendiek, wenn du mir nicht glaubst. Der wohnt da fast nebenan und kriegt das alles direkt mit.“
„Auf das, was der alte Nazi erzählt, musst du nichts geben.“, entgegnete Axel.
„Wieso alter Nazi?“, fragte Günther.
„Dass die den nicht direkt eingesperrt haben, als der in den Achtzigern die Wiking-Jugend auf dem Gelände mit den alten Kotten kampieren lassen hat.“
„Inne Achtziger wars' du doch noch gar nich' in Häger, Akki.“, wies Horst ihn zurecht. „Du bist doch auch bloß so'n Zugezogener und plappers' nach, was andere dir erzähl'n.“
„An diesen Nazi-Zeltlagern gibt es ja wohl nicht viel zu deuteln.“
„Meins'e denn, Akki, dass diese fusseligen Kiffer, die da inne Kommune wohnen, besser sind? Wenn Erich geahnt hätte, an wen er da sein Erbe verschleudert, dann hätte er lieber alles abgebrannt und die Versicherung kassiert. Solche nichtsnutzigen Hungerleider will doch keiner in seinem Kotten wohnen haben.“
„Klar, Horst, und weil das solche Hungerleider sind, konnten die Erich auch beide Kotten abkaufen. Das sind nämlich gar nicht mehr Mensendieks Kotten, falls du dich erinnerst.“
„Ja, ja“, mischte Klaus sich wieder ein. „Demnächst kriegen die noch'n Denkmal in Häger oder 'n eigenes Museum, so wie der Böckstiegel und dann müssen wir noch stolz sein, dass die sich hier niedergelassen haben. So wie die von diese Zukunfts-Initiative die immer überall dabei haben wollen.“
„Welche Zukunfts-Initiative?“, fragte Günther.
„Na, wo diese Zugezogenen alle rumölen, aber auch Grankemeiers. Irgendwas mit Zukunft und unser Dorf.“
„Unser Dorf hat Zukunft.“, erklärte Axel.
„Ja, genau.“, lallte Klaus. „Diese Spinner eben. Dauernd sollen alle was malen oder töpfern. Das will doch keiner. Wenn'n Fest im Dorf is', dann brauchse'n Bierwagen und 'ne Bratwurstbude. Rest is' egal.“
„Zelt is' auch gut.“, meinte Günther.
Die Tür der Gaststube öffnete sich und Malermeister Volker Bracksiek trat ein. Axels Gesicht erhellte sich deutlich.
„Na, Herr Anstreicher“, begrüßte Horst ihn, „auch'n Herrengedeck?“
„Nee, lieber 'n Weizen.“, antwortete Volker.
Wir sind doch hier nich' in Bayern!“, fuhr Horst ihn an.
„Jeder kann hier trinken, was er will.“, wies Axel den arbeitslosen Maurer zurecht Dann wandte er sich an Volker: „Hast du Feierabend?“
„Ja.“, antwortete Volker. „Und Schwiegermutterbesuch. Da muss ich ich nach der Arbeit außerhäusig entspannen.“
Axel grinste, goss ein Hefe-Weizenbier ein und stellte es auf die Theke. Volker nahm einen kräftigen Zug, da öffnete die Tür sich erneut. Diesmal war es der Landwirt Hans-Werner Lohoff. „Oh.“, sagte er. „Volle Hütte. Ich wollte nur eben ein Feierabendpils trinken, bevor ich nach Hause gehe.“
„Kommse vom Pflügen?“, fragte Horst.
„Vom Grubbern.“, erklärte Hans-Werner und wartete auf sein Pils.
Sigrid Husemann-Rademacher tauchte hinter der Theke auf: „Komm essen, Axel. Ich löse dich ab.“
„Ja“, klagte Axel, „immer muss man gehen, wenns gerade am schönsten ist. Was gibt’s denn?“
„Oma backt Kartoffelpuffer.“
Voller Vorfreude verschwand Axel durch die Hintertür, denn die Reibeplätzchen wurden aus neuen Kartoffeln hergestellt und dazu gab es frisches Apfelmus.
Hans-Werner rückte dichter an Volker heran und sprach mit gedämpfter Stimme: „Sag mal, ich habe da heute Nachmittag so Vermessungstechniker auf Sickendieks Acker gesehen. Hast du 'ne Ahnung, was das zu bedeuten hat?“
„Vielleicht gucken die, ob sie da 'ne Windkraftanlage bauen können.“, mutmaßte Volker. „Normalerweise ist da ja kein Bauland, weder Industrie- noch Siedlungsgebiet.“
„Aber 'ne Windkraftanlage im Siek? Wie bekloppt ist das denn? Da kommt doch gar kein Wind hin.“
„Muss man nur hoch genug bauen.“
„Mann, Mann, Mann“, stieß Hans-Werner hervor, bedankte sich für das Pils, das ihm Sigrid auf den Tresen stellte und erklärte dann: „Allmählich fange ich an, diese Windkraftgegner zu verstehen. Das wird immer bekloppter.“
„Ich weiß ja gar nicht, ob das stimt.“, sagte Volker. „Es ist nur das Einzige, was ich mir vorstellen kann.“
„In der Zeitung stand aber noch nichts.“, meinte Hans-Werner.
„Nein, natürlich nicht.“, antwortete Volker. „Die hätten ja die Windkraftanlagen an der Backe, bevor sie anfangen könnten, über Details nachzudenken. Vielleicht gucken die auch nur, prüfen das und wollen dann doch nicht da bauen. So lange Luise lebt, kommt da sowieso nichts hin. Und da wäre der ganze Aufstand wegen nichts und wieder nichts. Ich sehe schon den Mursch, wie er mit 'nem Transparent durch Häger rennt und Sprechchöre anfeuert.“
„Der Mursch?“, fragte Hans-Werner. „Ist der in der Truppe etwa auch dabei?“
„Der mischt doch überall mit. Sitzt in der Verwaltung, wo er die Strippen ziehen kann, wie es ihm passt. In der Dorf-Ini hat er die größte Klappe, genauso bei den Flüchtlingen. Und denen im Heimatverein geht er auf die Nerven, seit er in Häger wohnt.“
„Will der wohl in die große Politik?“
„Schon möglich. Der hat, glaube ich, noch acht Jahre bis zur Rente. Hat bestimmt Schiss, dass er sich dann langweilt und bereitet jetzt seine zweite Karriere als Retter der Welt vor.“
„Hat der denn keine Familie?“, fragte Hans-Werner.
„Der ist verheiratet.“, erklärte Volker. „Aber von Kindern weiß ich nichts. Und seine Frau ist, glaube ich, auch echt zum Weglaufen. Die grinst noch dämlicher als er. Er hat ja offensichtlich was im Kopf, aber bei ihr ist da, glaube ich, nur Vakuum.“
„Zugezogene.“, mischte Klaus sich lallend ein.
„Ach Klaus, halt die Klappe und geh deinen Rausch ausschlafen.“, fuhr Volker den Betrunkenen an. Klaus grunzte und nahm einen tiefen Zug aus seinem Bierglas.
„Sigrid, gib mir die Rechnung.“, lallte er. „Wenn ich mich hier dumm anmachen lassen muss, trinke ich lieber zu Hause weiter.“
Kommentarlos reichte Sigrid ihm den Kassenzettel und aus Solidarität zahlten nun ach Günther und Horst. Als die drei Trinker gegangen waren, entschuldigte Voker sich: „Mensch, Sigrid, ich hatte nicht vor, Euch die Kundschaft zu vergraulen. Du hättest mich wohl besser an die Luft gesetzt.“
„Ach Quatsch!“, erwiderte Sigrid. „Die kommen morgen wieder. Die sind für heute abgefüllt und so sternhagelvoll, dass sie sich morgen an nichts erinnern können. Der einzige Grund, warum die nicht mehr kommen, ist Krankenhaus oder Friedhof.“
„Aber an denen verdient ihr das meiste Geld.“, merkte Hans-Werner an.
„Wenn sie bezahlen, vielleicht.“, erwiderte Sigrid. „Wir haben hier noch so einige Deckel in der Schublade und ich traue mich gar nicht, das Geld einzutreiben. Bei Horst ist sowieso nichts zu holen, bei Günther sehe ich jetzt schon die traurigen Augen seiner Edith vor mir und Klaus' Mutter ist auch schon verzweifelt genug. Kann ich euch denn noch was Gutes tun?“
„Nein, ich muss gleich los.“, antwortete Hans-Werner.
„Ich auch.“, schloss Volker sich an. „Aber sag mal, Sigrid, gibt’s die Windkraftgegner überhaupt noch? Die alten Pläne sind doch längst vom Tisch und das in Jöllenbeck müssten sie schon umlegen, wenn sie dagegen noch was machen wollen.“
„Hau weg, die Scheiße.“, sagte Hans-Werner grinsend und leerte sein Bierglas. Von seinem Äußeren hätte man gut darauf schließen können, dass er in seiner Jugend Strommasten umgesägt hatte.
„Also die Windkraftgegner gibt’s noch.“, wusste Sigrid zu berichten. „Die tagen hier einmal im Monat. Sind noch fünf Leute und die sind richtig aktiv. Die beobachten Vögel und haben auch schon mal'n Foto von einem gemacht, der geschreddert wurde. Dann schreiben sie dauernd Eingaben an Politik und Verwaltung, holen sich immer neue Argumente aus'm Internet und der Mursch hat die ganze Zeit 'n dicken, roten Hals. Wie kann man sich nur dermaßen über was aufregen, was sowieso nicht kommt?“
„Wer weiß, wer weiß.“, meinte Volker. „Ruckzuck steht so'n Rotor-Stengel auf der Wiese und macht Sonnenstroboskop in deinem Garten, Sigrid und dann läufst du auch mit 'nem Transparent durch Häger.“
„Nee“, sagte Sigrid. „Dann schnappe ich mir Axel und ziehe nach Mallorca.“