Читать книгу Ziggerau - Cristina Zehrfeld - Страница 3
Liebe Leser
ОглавлениеSie dürfen es getrost als Wunder betrachten, dass Ihnen hier nun doch entgegen aller Wahrscheinlichkeit der sechste Band der Maestro-Carl-Reihe in voller Größe und Schönheit vorliegt. Ich habe immer vorgehabt, diesen Lebensabschnitt von Maestro Carl komplett unter den Tisch fallen zu lassen. Und auch wenn es aus dramaturgischen Gründen höchst unklug erscheint, sage ich Ihnen gleich zu Beginn, warum das Schreiben dieses Bandes für mich die reinste Qual war. Eine Qual, die Sie verehrter, armer Leser, in jeder Zeile und jedem Wort spüren werden. Eine Qual, die Ihnen die Zeit des Lesens versauern wird, die Ihnen Missbehagen, schwere Beklemmungen und wahrscheinlich auch etliche schlaflose Nächte bescheren wird. So ungern ich Sie auch mit dieser traurigen Wahrheit konfrontiere, so unerlässlich ist dieses Bekenntnis. In Ziggerau hat Maestro Carl nach eigener Aussage die mit Abstand schlimmste Zeit seines Leben verbracht. Nach seinen Worten war diese Zeit geprägt von Bürokratie und Borniertheit, von Entbehrungen und Elend, von Schikane und Schmerz. Im Grunde ist bereits die Erwähnung der Misere dieser Jahre eine reine Zumutung. Allerdings (und das muntert zumindest mich ein wenig auf) kann man gerade an diesem Jammertal wunderbar erkennen, wie richtig jener bekannte Ausspruch ist, der da lapidar behauptet, dass Glück und Unglück immer nahe beieinander liegen. Was Maestro Carl nämlich geflissentlich verschweigt, ist die Tatsache, dass in diese Zeit seines größten Unglücks eben auch ein Ereignis fällt, welches meinem Protagonisten ohne Frage ein Hoffnungsschimmer, ein Licht am Ende des Tunnels, ein wahrhaftiger Trost gewesen sein muss. Just in seiner Ziggerauer Ära hatte der große Meister nämlich das unendliche Glück, einen ganz wunderbaren Menschen kennenzulernen. - Mich!
Ihnen nützt das allerdings gar nichts, denn von mir wird in diesem Buch nicht die Rede sein. Stattdessen werde ich Ihnen das ganze Ausmaß der Ziggerauer Zerrüttung vor Augen führen, indem ich zur Verdeutlichung des Dramas auch noch Zitate einflechte, die ohne Weiteres und mit voller Berechtigung auf Maestro Carl gemünzt werden könnten – welche ihm die undankbare Journalistenmeute aber Zeit seines Lebens aus purer Boshaftigkeit vorenthalten hat.
„So lernte ich ihn kennen: einen in sich gekehrten Künstler, nicht gerade von der Sorte Charmebolzen, eher der Typ Mamas scheuer Liebling.“
(Andreas Odenwald, 6. August 1994, Geistige Welt)