Читать книгу Ziggerau - Cristina Zehrfeld - Страница 8
Der Kinderchor
ОглавлениеDie Betreuung des musikalischen Nachwuchses gehört zu den vornehmsten Aufgaben eines jeden bodenständigen Kantors. Nachdem dieses Ressort in Ziggerau wegen Ermangelung eines Kirchenmusikers lange Jahre vernachlässigt worden war, hatte Maestro Carl naturgemäß nichts Eiligeres zu tun, als in seinen Gemeinden einen Kinderchor ins Leben zu rufen. Mit großem Eifer wurde um kleine Sänger geworben, und tatsächlich kamen schon bald rund zwei Dutzend vielversprechende Kinder im Grundschulalter zu den Proben. Sehr gern hätte der Maestro nun die Lieder seiner eigenen Kinderchorzeit einstudiert. Doch mit Vokalstücken wie "Fangt euer Tagwerk fröhlich an" oder "Unsterblich duften die Linden" waren die Jungkünstler noch überfordert. Besonders wurmte den Maestro, dass Zahl und Qualität seiner Sängerschar nicht geeignet waren, um das Werk "Wie liegt die Stadt so wüst" zu erarbeiten. Dabei hätte Maestro Carl es gleichermaßen passend wie wünschenswert gefunden, diese aufrüttelnde Musik in Ziggerau aufzuführen. Nun, es sollte nicht sein. Und so begnügte er sich zunächst mit einfachen Melodien wie "Bruder Jakob", "C-A-F-F-E-E" und "Es tönen die Lieder". Der Kinderchor war dennoch schon bald auf dem besten Weg, zu einem über die Stadtgrenzen hinaus anerkannten Ensemble zu reifen. Da sah sich der Maestro unerwartet und jäh in seinen Bemühungen zurückgeworfen: Wegen der Ferien hatte der Chor einige Wochen pausiert. Das war an sich schon schlimm genug. Aber zur ersten Probe des neuen Schulhalbjahres ist ohne ersichtlichen Grund kein einziger der Nachwuchschoristen erschienen. Während Maestro Carl vergebens wartete, summte er leise die Melodie von "Heut ist ein wunderschöner Tag" vor sich hin. Vermutlich hatte er dieses schöne Lied neu ins Repertoire des Chores aufnehmen wollen. Dazu allerdings ist es wegen des gemeinschaftlichen Schwänzens der Choristen nicht gekommen. Pfarrer Schmidt wollte noch retten, was zu retten ist. Er hat sich deshalb erboten, bei den Familien sämtlicher Choristen persönlich anzurufen und nachzufragen. Diese hervorragende Idee musste man am Ende aber wegen ihrer Undurchführbarkeit aufgeben: Maestro Carl hatte vergessen, sich die Telefonnummern seiner Eleven geben zu lassen.
"Eisenberg ist so eine Art Gegenmodell zu seinen Kantoren-Kollegen in der Provinz. Ihm geht es um die Professionalität, um die innere und ästhetische Bedeutung der Musik."
(Axel Brüggemann, Hörzu, 12/2006)