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Das letzte Hemd

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Als Kantor von Ma-Mau-Sel hatte Maestro Carl das unschätzbare Glück, dass ihm gleich drei wunderbare Kirchen zur Verfügung standen. Damit lag jedoch auch die Last auf seinen Schultern, für das Wohl und Wehe von drei Orgeln verantwortlich zu sein. Naturgemäß war das eine sehr schwere Last, denn wie allgemein üblich waren die Orgeln vom wünschenswerten Zustand der Perfektion denkbar weit entfernt. Besonders bedenklich war der Zustand in der Mauritiuskirche. Deshalb hat sich Maestro Carl sofort nach seinem Amtsantritt ins Benehmen gesetzt, um deren einzigartiger Jehmlich-Orgel unverzüglich zu altem Glanz zu verhelfen. Es galt, wenigstens drei nicht funktionierende Zungenstimmen wieder spielbar und zwei völlig darniederliegende Register wieder gangbar zu machen. Obwohl der Maestro sich für diese Arbeiten in weiser Voraussicht bereits einen schmächtigen Orgelbauer ausgesucht hatte, musste er bald erkennen, dass die erforderlichen Arbeiten das Ausmaß der Geringfügigkeit gewaltig überschreiten würden. Der Orgelbauer stellte erbarmungslos fest, dass es erforderlich sei, für einen besseren Zugang zur Orgel zunächst zwei zusätzliche Türen einzubauen und eine Aluminiumleiter anzuschaffen. Der Orgelbauer begründete die Notwendigkeit damit, dass er die C-Pedallade augenblicklich ausschließlich nach einer einwöchigen Fastenkur und unter der Gefahr, Orgelteile zu beschädigen, erreichen könne. Für einen ausgewiesenen Barock-Organisten wie Maestro Carl war es mithin von vornherein völlig ausgeschlossen, die Innereien der Orgel zu Sankt Mauritius jemals zu Gesicht zu bekommen. Der Maestro konnte gar nicht anders, als dem Fachmann zuzustimmen, denn selbstverständlich wollte auch er selbst seine Orgeln regelmäßig und gründlich inspizieren. Trotzdem, und das muss man Maestro Carl unbedingt zugute halten, forderte er keineswegs den Bau einer komplett neuen Orgel. Doch die Genügsamkeit hat sich nicht bezahlt gemacht. Maestro Carl hat vergebens darauf gewartet und darum gekämpft, dass die Orgel in einen gottgefälligen Zustand versetzt wird. Schließlich hat er den generösen Vorschlag unterbreitet, dass er seine eigene Orgel von zu Hause mitbringt und dauerhaft für Mauritius zur Verfügung stellt. Er wollte also der Kirche sein höchstprivates Heiligtum, ja sprichwörtlich sein letztes Hemd als Dauerleihgabe überlassen. Allerdings verbietet ein jahrhundertealter Ehrenkodex in Mauritius die Annahme letzter Hemden, insbesondere wenn es sich dabei um elektronische, also de facto gotteslästerliche Hemden handelt. Deshalb wurde das großherzige Angebot des Maestros rigoros ausgeschlagen.

„Die Digitalorgel stellt, so bemerkte auch Eisenberg, ein hervorragendes Übungsinstrument vor allem für die romantische Orgelliteratur dar, die daher, im Gegensatz zu gewöhnlichen Übungsorgeln, adäquat spielbar ist.“

(Stefan Hanheide, Musik und Bildung, Heft 2/87 – zur neuen digitalen Konzertorgel der Universität Osnabrück)

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