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4. Im Kruger National Park

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Um 5 Uhr 10 donnerte es an Lenas Tür. »Good morning! Beeilung, in dreißig Minuten ist Abfahrt!«

Lena schreckte auf. Stimmt, heute sollte es für drei Tage in den Kruger National Park gehen, und zwar ohne ihre Eltern, die wollten sich stattdessen in der Lodge entspannen. ›Wieso brüllt Innocent schon so frühzeitig herum? Da ist noch massig viel Zeit.‹ Gehorsam öffnete sie das glockenförmige Moskito-Netz, unter dem sie geschlafen hatte, stieg aus dem Bett und schleppte sich schlaftrunken zur Dusche.

Draußen war es dämmrig, die Vögel machten einen Höllenlärm. Der Gecko, der gestern Abend in Lenas Schlafzimmer an der Decke gehangen hatte, klebte jetzt mit seinen dicken Zehen kopfüber direkt vor ihren Augen an einer Fliese der Duschwand. Vorwitzig beäugte er die nackte Lena. »Hier gibt's nichts zu glotzen, schieb ab«, fuhr sie ihn an. «Fang gescheiter die Mücken im Schlafzimmer!«

Nach einem kurzen Frühstück im Stehen saßen sie im Auto und brausten vierzig Kilometer nordwärts zum Paul Kruger Gate.

»Wie vertreiben wir uns geschlagene drei Tage lang die Zeit?«, fragte Lena fröstelnd. Sie kuschelte sich in ihre warme Jacke und gähnte. »So ausgedehnt ist der Park doch nicht, oder?«

Innocent schmunzelte. »Na, 12 000 Quadratkilometer sind eine Menge Holz. Lass dich überraschen, langweilig wird es dir nicht werden. Ich habe für dich eine Reihe von Besonderheiten arrangiert.« Mehr wollte er nicht verraten, obwohl Lena ihn mit Fragen löcherte.

Sie fuhren auf einer einsamen Straße durch eine karge Landschaft.

»Gleich sind wir da«, tröstete Innocent. »Da vorne ist schon die Brücke über den Sabie River, dann kannst du das Tor und die Statue von Paul Kruger sehen.« Unvermittelt trat er auf die Bremse und blieb mitten auf der Straße stehen.

»Du lieber Himmel! Da vorne!« Aufgeregt deutete er auf die Fahrbahn der vor ihnen liegende Brücke. »Sagenhaft.«

Lena stieß einen erschreckten Laut aus. Mitten auf der Brücke liefen zwei Löwinnen, gefolgt von drei Jungen. Als die Tiere die Brücke überquert hatten, wandten sie sich nach rechts, stiegen die Flussböschung hinunter und verschwanden in den Büschen.

»Normalerweise lasse ich meine Passagiere zu Fuß über die Brücke gehen«, sagte Innocent leicht beklommen. »Wäre heute keine glückliche Idee gewesen, was?«

»Prima Einstieg«, beruhigte ihn Lena. »Bereits vor dem Park laufen Löwen herum! Ist da kein Zaun drum?«

Sie fuhren an einem Monument vorbei, das aus wuchtigen Steinquadern geformt war, passierten das Gate und fuhren auf einen Parkplatz.

Neben einem dunkelgrünen Jeep lehnte ein Heranwachsender. Die Khaki-Uniform wirkte an ihm wie eine Verkleidung. Die Schuhe sahen aus, als wären sie noch nie mit Schmutz in Berührung gekommen. Die kurzen Hosen zeigten perfekte Bügelfalten, sein Hemd war frisch gestärkt, aus der Brusttasche lugte ein Smartphone, auf der Nase saß eine randlose Brille. Er schien eine Akte zu bearbeiteten, temperamentvoll fuhr er mit einem Stift darin herum.

›Unzweideutig der angehende Manager des Kruger National Parks oder ein Assistent‹, fuhr es Lena durch den Kopf. ›Der perfekte Beamte.‹ Von der Morgenkälte steif geworden, kletterte sie aus dem Wagen.

Der Junge klappte den Ordner zu, schob die Mine des Kulis zurück und verwahrte ihn in der Brusttasche. Strahlend ging er auf Innocent zu und Lena sah fasziniert der gegenseitigen Begrüßung der beiden Zulus zu. »Sawubona«, sagte der höhergestellte Innocent und bekam als Antwort »jeebo, saubon« zurück. Beide drückten sich die Hand, dann umgriffen sie den jeweils anderen Daumen, traten wieder zurück und wiederholten den Handschlag dreimal.

»Lena komm her, ich möchte dir Ossy Osborn vorstellen«, rief Innocent. »Ein ehemaliger Schutzbefohlener von mir, aus dem Waisenhaus in Hazyview. Zurzeit macht er eine Ausbildung zum Trail Ranger.« Unverhohlener Stolz schwang in seiner Stimme.

Lena schüttelte die dargebotene Hand und versuchte das Begrüßungsritual nachzumachen. »Trail Ranger?«, fragte sie ratlos. »Was macht ein Ranger?«

»Das erfährst du noch bald genug«, unterbrach Innocent. »Lena, du wirst in den nächsten Tagen den Park auf eine Art erleben, wie es Touristen normalerweise nicht erlaubt ist«, schmunzelte er. »Ich wünsche dir viel Spaß bei den Wildtieren und dir Ossy, viel Erfolg für die Prüfung!» Er wandte sich seinem Auto zu. »Good bye, ihr Beiden!«

»Moment mal, was soll das heißen?«, fragte Lena leicht verstört, »Ich bin keine Ware, die man mir nichts dir nichts weiterreicht!«

Amüsiert nahm Innocent ihre empörten Blicke zur Kenntnis. »Versteh doch, ich muss mich um mein Waisenhaus in Hazyview kümmern«, erklärte er. »In drei Tagen hole ich dich im Camp Letaba ab.«

Perplex schaute Lena zu, wie Innocent sich hinter sein Steuer klemmte und davonfuhr. ›Wie kann er es wagen, mich mit dem Burschen mutterseelenallein zu lassen? In einem Land, in dem täglich Frauen geschlagen, vergewaltigt und ermordet werden!‹ Bisher hatte sie Innocent für einen netten Kerl gehalten, aber das ging ihr doch über die Hutschnur. Sollte sie ihren Vater anrufen und ihm sagen, was sich sein Freund da erlaubt hatte?

In gemächlichem Tempo schob Lena ihre Sonnenbrille auf ihre Haare und blickte Ossy direkt in die Augen. Sein schwarzes Gesicht lächelte sie aus einer grünflammenden Aura heraus an. Die Farbe stand für das Leben, aber auch für Ehrgeiz. Die Bilder, die in sie einströmten, zeigten nichts Beunruhigendes und hastig schob sie ihre Brille auf die Nase zurück. Sie wollte nicht zu massiv in die Gefühlswelt des Jungen einzudringen. Nein, von dem drohte ihr keine Gefahr und als Ossy sie gutgelaunt anlächelte, war die Vorstellung, die nächsten drei Tage mit ihm zu verbringen, rundherum nicht erschreckend.

»So, du willst Trail Ranger werden«, sagte Lena, um die Konversation zu beginnen.

»Ich versuche es zumindest«, erwiderte Ossy, »aber Touristen auf Trampelpfaden durch den Park zu führen, nein, das ist nicht mein Ding. Ich bin eher ein Büromensch und will in der Verwaltung als Park Manager arbeiten. Trotz alledem möchte ich mitbekommen, was in der Praxis abläuft.«

»Wow, Park Manager. Was treibt der?«

»Kennst du den Namen Great Limpopo Transfrontier Nationalpark?«, fragte Ossy.

Lena schüttelte den Kopf.

»Wir sind hier in einem Dreiländereck. Zimbabwe und Mozambique grenzen hier an Südafrika«, erklärte Ossy. »Kannst du dir das auf der Landkarte vorstellen?«

»Klar, ich es deutlich vor meinen Augen«, schwindelte Lena.

»Im Grenzgebiet lebt eine Tierwelt, die auf der Erde ihresgleichen sucht«, dozierte Ossy. »Zwischen den Ländern wurde beschlossen, den nördlichen Teil des Kruger National Park in Südafrika, den Gonarezhou Nationalpark in Zimbabwe und den Limpopo Nationalpark in Mozambique zum größten Naturschutzgebiet Afrikas zu vereinen.«

»Ah, ich verstehe. Für diesen riesenhaften Park braucht man viele Bürohengste und du willst einer von ihnen werden?«

»Bürohengste? Was meinst du damit?«, fragte er verständnislos.

»Na, Verwaltungsangestellte«, verbesserte sich Lena.

»Bingo!«, rief Ossy. »Freilich nicht irgendeiner, sondern einer der höheren!«

»Klar«, sagte Lena und wandte sich ab, um ihr Grinsen zu verbergen. Ihr Blick fiel auf den hinteren Teil des Jeeps. Dort gab es keinerlei Türen. War das nicht gefährlich?

Ossy bemerkte ihren kritischen Blick. »Keine bange, das haben wir gleich«, sagte er und hängte links und rechts stabil aussehende Stahltüren ein. »Perfekt, der Rammschutz ist installiert, die Büffel und Nashörner können kommen!«

Lena setzte sich auf den Beifahrersitz und warf die Tür zu. Beim Zuschlagen schepperte es blechern. Sie machte sich einen Kopf, ob es auf der Rückbank nicht unbedenklicher sei, wollte sich Ossy gegenüber aber keine Blöße geben. Der Wind zog unangenehm durch den Wagen. Sie band ihre Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen und zog den Reißverschluss ihrer Jacke bis zum Kinn empor.

»Wir fahren jetzt mit Umwegen über die Crocodile Bridge zum Lower Sabie Camp«, erklärte Ossy. »Dort machen wir eine Pause. Bis dahin werden wir schon viele Tiere sehen. Wenn es perfekt läuft, unsere Big Five«, setzte er zuversichtlich hinzu.

»Big Five? Was meinst du damit?«

»Löwe, Leopard, Elefant, Büffel und Nashorn«, erklärte er. »Erwartungsgemäß gibt es hier viel mehr Tierarten. Wirf mal ein Blick da hinein.« Aus dem Handschuhfach zog er ein Buch heraus und gab es ihr.

Lena nahm es in die Hand und blätterte darin herum. Verhaltungsmaßregeln, Landkarten, Tabellen, Tier- und Landschaftsbeschreibungen fanden sich. Die Mehrzahl der Seiten war mit farbigen Bildern von den Tieren übersät, die hier lebten. ›Schön, muss ich mir kaufen‹, dachte sie und wollte es zurückgeben.

Ossy, der ihre Gedanken erraten hatte, lächelte zu ihr hin. »Du kannst es behalten«, sagte er. »Ein Geschenk von Innocent!«

»Danke.« ›Hat wohl ein schlechtes Gewissen gehabt, weil er mich so schmählich abgeschoben hat‹, registrierte Lena befriedigt. »Wie lange dauert deine Ausbildung noch?«, fragte sie. »Du siehst so jugendlich aus.« Auf irgendeine Art hatte sie leichte Bedenken von einem Grünschnabel, der sich persönlich als Büromensch eingestufte, durch einen Park mit gefährlichen Tieren kutschiert zu werden.

»Danke für das Kompliment.« Er grinste geschmeichelt, von ihren Bedenken ahnte er nichts. »Morgen und übermorgen sind die praktischen Abschlussprüfungen!«

›Ein Glück‹, dachte Lena erleichtert, ›da muss er schon Erfahrungen gesammelt haben. »Was mache ich in der Zwischenzeit, wenn du deine Prüfung hast?«

Ossy blickte sie erstaunt an. »Hat Innocent dir das nicht erklärt? Er hat den Game Ranger gefragt, ob ich jemanden mitbringen darf. Der Chef war sofort einverstanden, er braucht einen Helfer für die Prüfung. Der muss den unbedarften Touristen spielen, verstehst du? Im Wildpark verloren gehen, von einer Hyäne gebissen werden, über einen Löwen stolpern. So Sachen halt. Wir Prüflinge müssen zeigen, wie man mit solchen Katastrophen umgeht.«

›Du Scherzkeks‹, dachte Lena, ›Du denkst, du kannst mich mit deinen blöden Sprüchen ins Bockshorn jagen.‹ »Okey-dokey, ausgezeichneter Witz, Ossy«, lachte sie und blickte ihn von der Seite an. Er starrte stur auf die Straße. ›Der hat sich perfekt im Griff, verzieht bei seinen Späßen keine Miene‹, befand sie.

Lena war vom Kruger National Park enttäuscht. In den Bildbänden zuhause hatte das alles viel faszinierender ausgesehen. Sie fuhren auf asphaltierten Straßen durch einen langweiligen Wald. Die Bäume waren kahl oder zumindest nur kümmerlich begrünt. »Gibt es keine Savannen mit Schirm-Akazien? Wo zum Kuckuck wachsen hier Affenbrotbäume?« Auf die war sie ausgesprochen gespannt gewesen.

»In der Gegend wachsen keine Affenbrotbäume«, erklärte ihr Ossy. »Heute Nachmittag fahren wir nordwärts. Den ersten werden wir in der Nähe des Kumana Damms sehen. Offene Buschsavannen gibt es erst in der Gegend von Letaba

Er stoppte den Wagen an einer Waldlichtung. »Schau, da drüben, eine Herde Impalas!«

Es schien ein friedliches Bild, die überwiegende Anzahl der Tiere hatten die Köpfe am Boden und fraßen das üppige Grün, aber einige Tiere schienen Wache zu stehen. Ihre fast durchsichtigen Ohren drehten sie gegen den Wind, aufmerksam beäugten sie die Umgebung. Unvermittelt, wie auf Zuruf, sprangen die Tiere mit weitläufigen Sprüngen davon, ein gelber Schatten fegte über die Lichtung den Antilopen hinterher.

»Na bitte, ein Leopard auf Jagd! Nummer eins der Big Five«, sagte Ossy befriedigt.

Das blaue Wasser des Sabie floss durch eine üppige grüne Vegetation. Mit aufgesperrten Mäulern dösten auf den Sandbänken Krokodile. Auf blaugrauen Steinen ruhten Schildkröten mit gefleckten Panzern. Im Fluss und am gegenüberliegenden Ufer lagen ruhende Hippos und präsentierten rosa Bäuche. Züngelnd lief ein zwei Meter langes Reptil in aller Seelenruhe über die Piste.

›Na bitte, geht doch‹, dachte Lena versöhnt. ›Genau so habe ich mir Afrika vorgestellt.‹


Die Sonne war aus den Wolken hervorgebrochen, die regennasse Erde begann zu dampfen, sofort wurde es schwül. Lena musste sich zusammenreißen, damit sie nicht eindöste.

»Wenn du schlafen willst, tu dir keinen Zwang an«, ermunterte sie Ossy. »Ich muss mich jetzt eh beeilen, die 250 Kilometer zu unserem Tagesziel werden sich kolossal strecken.«

»Okay. Weck mich, wenn du was Besonderes siehst«, murmelte sie und ihr Kopf sank nach vorne. Nur Sekunden später, so kam es ihr jedenfalls vor, schreckte sie auf. Ossy hatte mitten auf der Straße eine Vollbremsung hingelegt. »Wo sind wir? Was ist?«, stammelte sie.

»Wir haben Camp Tshokwane passiert«, sagte Ossy. »Da, schau nach links!«

Lena wurde fast schlecht, als sie erfasste, was sie da sah.

Fünf Löwinnen hatten ein Gnu getötet. Direkt am Straßenrand. Die Herde, zu der es gehörte, stand auf der anderen Straßenseite, unbeteiligt und im scheinbar unumstrittenen Bewusstsein, dass durch das Opfer ihre Sicherheit gewährleistet war. Die Löwinnen rissen rote Fleischklumpen aus dem Tier, man hörte das Krachen der zersplitternden Knochen.

Hinter dem Gnu erhob sich ein blutverschmiertes Löwenhaupt, der Chef des Clans. Interessiert blickte er zu den Gnus hinüber. Ein Baby auf wackligen Beinen hatte sich aus der Herde gelöst und machte zaghafte Schritte auf die Löwen zu, die soeben seine Mutter zerrissen hatten. Es klagte jämmerlich. Lena hielt sich die Ohren zu. »Gib Gas, Ossy, bitte!«

Durch eine dichte Busch- und Waldsavanne ging es nordwärts. Ein verbeultes Schild, es zeigte einen Affenbrotbaum. Ossy bog ab, rumpelte durch Schlaglöcher und hielt er an. »Du kannst aussteigen. Da steht einer.«

Entsetzt blickte Lena ihn an, die schrecklichen Bilder der blutverschmierten Löwen vor Augen. »Aussteigen, hier? Wo hast du dein Gewehr?«

Ossy zuckte mit den Schultern. »Hab keines! Sei unbesorgt, gefährliche Tiere sind nicht in der Nähe!« Er stieg aus, öffnete ihr die Tür. Zögerlich kletterte sie aus dem Auto heraus und vergewisserte sich mit einem Rundblick, dass nichts Gefährliches ihr auflauerte.

Genauso hatte sich einen Affenbrotbaum vorgestellt! Kurzer, extrem dicker Stamm mit einem Durchmesser von sicher zehn und einer Höhe von zumindest zwanzig Meter. Die ausladende Krone trug nur vereinzelte Blätter.

»In unbelaubtem Zustand erinnert die Astkrone an verzweigte Wurzeln«, schulmeisterte Ossy. »Bei uns sagt man, ein Affenbrotbaum sei ein vom Teufel verkehrt herum gepflanzter Baum.«

›Ihr verrückten Zulus‹, dachte Lena, ›überall wittert ihr Dämonen, Hexen und Teufel. Mit einem Mal tappte ein grünes Wesen schwerfällig an ihnen vorbei. ›Huch, was ist das? Ein Chamäleon?‹ Sie fragte nicht nach, wollte von dem Bücherwurm Ossy keine langwierigen Erklärungen heraufbeschwört haben.

Immer intensiver brannte die Sonne vom Himmel, die Luft über dem heißen Asphalt begann zu flimmern und zu wogen. ›Wir fahren auf einen See zu‹, empfand Lena. ›wunderbar, eine Fata Morgana, sogar Büsche und Bäume glaubt man an dem Ufer des blauen Wassers erkennen zu können.‹

Wenn eine Großfamilie von Pavianen auf der Straße ein Picknick veranstaltete oder wenn Gnus, stur wie die Panzer, das Auto blockierten, mussten sie anzuhalten. Einzigartig war, als zwei Geparden die Piste passierten. Elegant und scheinbar schwerelos, als kämen sie ohne Erdberührung aus, schritten sie dahin.

Lena wollten die Augen zufallen, aber sie zwang sich, munter zu bleiben. ›Wer weiß, wie oft du solch wunderbare Geschöpfe in deinem Leben sehen wirst‹, ermahnte sie sich.


Es war schon Nachmittag, als sie in Camp Letaba einfuhren. Vor einem langgestreckten Gebäude stand eine lebensgroße Bronzestatue eines Elefanten, davor hatte sich eine Gruppe von Leuten posiert. Alle trugen die gleiche Khaki-Uniform wie Ossy, offensichtlich seine Lehrgangskollegen. Ein Mann hinter einem Stativ gab Anweisungen, wie man sich für das Erinnerungsfoto aufzustellen habe.

»Sawubona Sanibona, Ossy!«, riefen sie ihm auf isiZulu zu. »Warum verspätet?«

Die widerstrebende Lena mit sich ziehend, lief Ossy auf die Gruppe zu. »Komm, das sind meine Kollegen!«

»Los, ihr zwei!«, herrschte ein blonder Hüne die Neuankömmlinge an. »Stellt euch in die Gruppe, wir wollen das endlich hinter uns bringen!«

»Ich gehöre nicht dazu«, versuchte Lena einzuwenden.

»Mach schon, das ist unser Ausbilder«, raunte Ossy. »Dem widerspricht man besser nicht!«

Lena grinste verlegen in die Runde und war erleichtert, als alle zurücklächelten. Sie stellte sich in die zweite Reihe, da sie die meisten an Körpergröße überragte. Es waren ausschließlich Schwarze, vierzehn Jungen und vier Mädchen. »Für den Lehrgang waren nur Teilnehmer der Stämme Zulu, Tsonga und Makuleke zugelassen«, flüsterte Ossy ihr zu.

Der Chef baute sich an der rechten Seite der Gruppe auf. »Cheetah!«, brüllte er und Lena sah verblüfft, wie sich ein Gepard aus dem Schatten eines Kigelia-Baums löste und sich malerisch zu Füßen des Mannes drapierte.

Als die Fotos geschossen waren, kam der Ranger auf Lena zu. Er sah blendend aus, in jedem Tarzan-Musical hätte er eine prima Figur gemacht. ›Mit dem würde ich mich in den Busch wagen‹, dachte sie, ›Den wirft so leicht nichts um.

Der Händedruck des Ausbilders war kräftig. Als er ihren Gegendruck spürte, musterte er sie überrascht von Kopf bis Fuß. Ihr sportgestählter Körper beeindruckte ihn. »Ich bin Jan, Game Ranger«, stellte er sich vor. »Afrikaaner und Chef der Chaostruppe. Das hier ist Cheetah, mein Findel- und mein Sorgenkind.«

Lena fühlte, dass sie rot wurde. ›Was soll das?‹, ärgerte sie sich. Rotzfrech stieß sie »Ich bin Lena, Griechin« heraus, schob die Sonnenbrille auf die Haare und blickte dem Modellathleten prüfend ins Gesicht. ›Erst mal schauen, was mit dem los ist‹, dachte sie. ›Aussehen kann täuschen. So wie der Kerl meinen Körper taxiert hat, werde ich einmal mehr die üblichen Ferkeleien sehen.‹ Aber nein, seine hellgrüne Aura war klar, stand für das Leben, die Natur und für Harmonie. Die Bilder, die in sie einströmten, zeigten Angst um den Geparden und sehnsüchtiges Verlangen nach Partnerschaft und erfüllter Liebe. Hastig schob sie die Brille auf die Nase herunter. »Game Ranger«, sagte sie mit einer samtigen Stimme, »Das klingt nach viel Arbeit, Jan.« ›Warum zum Kuckuck muss der Mann Jan heiße?‹ In zärtlichen Momenten verkürzte sie Yannis' Namen zu Yan. Das klang ja absolut gleich!

»Das kannst du laut sagen«, erwiderte er mit geschwellter Brust. »Der Park ist in zweiundzwanzig Ranger-Sektionen eingeteilt. Jede Sektion wird von einem Game Ranger und von einem Team von zehn Game Guards betreut. Wir in Letaba sind die größte.« Er rief zwei Namen. Aus der Gruppe lösten sich zwei Männer. »Das ist Game Guard Makasani und das Game Guard Samuel, zwei Tsongas«, stellte er vor. »Meine Assistenten für die morgige Prüfung.«

Lena gab den kleinwüchsigen Männern die Hand. Die beiden tuschelten hierauf eifrig miteinander und warfen im Weggehen entgeisterte Blicke über die Schulter. »Sie wundern sich, dass eine Frau eine derartige Körpergröße haben kann«, entschuldigte Jan ihr seltsames Verhalten.

Lena war nicht beleidigt. »Wieso ist der Gepard dein Sorgenkind?« Sie warf dem Tier einen flüchtigen Blick zu. »Er sieht munter aus.«

»Das täuscht blöderweise. Seit Tagen verhält er sich seltsam, legt den Kopf windschief, schüttelt ihn, frisst nicht«, sagte er und kraulte Cheetah unter dem Kinn. »Hoffentlich hat er keinen Tumor im Kopf.«

Zum Erstaunen des Besitzers ließ sich Lena vor dem Tier auf die Knie sinken.

Der Gepard ließ die intime Nähe des für ihn fremden Menschen zu und saß wie eine Statue. Lena sah in ein getupftes Gesicht mit zwei schwarzen Tränenstreifen, die sich von den Augen ausgehend wie eine Kriegsbemalung um die Nase herum zu den Mundwinkeln zogen. Seine weiße Aura war schemenhaft, um ein Haar unfassbar, wie ein Flimmern der Luft über Felsen in der Sonnenglut. Eingehend fixierte Lena die Katzenaugen, sie verlor sich in den vertikalen Schlitzen der geöffneten Pupillen.

Jan spannte die Muskeln an, bereit sich zwischen die Beiden zu stürzen, sollte die Raubkatze sich von Lena bedroht fühlen und auf sie zufahren.

Ein Bild baute sich in Lena auf, anfangs schemenhaft, aber als sie ihre Konzentration verstärkte, erfühlte sie eine bohrende Qual. Behutsam und unendlich gelassen löste sie ihren Blick von den bernsteinfarbenen Augen und erhob sich. Auch Cheetah stand auf, ging einen Schritt auf Lena zu und leckte ihr über die Hand. Die Katzenzunge prickelte auf ihrer Haut.

Fassungslos hatte Jan die Szene beobachtet. »Cheetahs weitgeöffnete Pupillen und sein Lecken, das sind untrügliche Zeichen, dass er dich als seinesgleichen akzeptiert«, stammelte er. »Einen Menschen, einen fremden noch dazu! Das ist unfasslich!« Er geriet aus dem Häuschen. »Du musst eine enorme Ausstrahlung auf Tiere ausüben«, sagte er. »Und nicht nur auf Tiere«, fügte er an. »Willst du nicht bei uns im Park anheuern? Eine Frau wie dich, könnte ich gebrauchen ... Äh, eine Assistentin natürlicherweise«, schob er nach.

Lena tat, als würde sie an einen Versprecher glauben und verzog den Mund zu einem gequälten Grinsen. »Assistentin? Keine schlechte Idee«, erwiderte sie, »zumindest, wenn ich die nächsten beiden Tage überlebe.«

»Was meinst du mit ’Wenn ich überlebe’? Bei uns bist du behütet wie in Abrahams Schoss!«

»Ossy hat angedeutet, ich soll bei den Prüfungen den Trottel abgeben, der sich im Busch verläuft, über Löwen stolpert, von Hyänen angefallen wird ...«. Sie blickte ihn fragend an. »Das war nur ein Witz, oder?«

»Pustekuchen!«, lachte der Game Ranger, »Morgen beginnt die praktische Abschlussprüfung. Wir gehen zu Fuß in den Park hinaus, wie das die ausgebildeten Trail Ranger mit ihren Gästen auf Touren machen. Die Prüflinge werden von mir mit Problemen konfrontiert und ich schau mir an, ob sie das Gelernte umsetzen können. Dir kommt die Rolle des Touristen zu. Das wird dir einen grandiosen Einblick in das Leben im Park vermitteln!«

›Ihr habt sie wohl nicht mehr alle‹, durchfuhr es Lena. Urplötzlich kam ihr Jan nicht im Geringsten mehr attraktiv und sympathisch vor. Sie konnte nicht verstehen, wie sie den unverschämten Kerl auf einer Stufe mit Yannis hatte stellen können.

»Das ist total harmlos, Lena«, versicherte Jan, der ihre Verärgerung spürte. »Ich stehe neben dir, auf mich kannst du dich verlassen!«

Lena sah in seine graublauen Augen und zerschmolz, sie beschloss, ihr Unbehagen vorerst zurückzustellen. »Cheetahs Problem, Jan, ich habe da eine Vermutung ...«

»Ja?« Gespannt hing er an ihren Lippen.

»Gibt es einen Tierarzt hier im Camp?«

»Natürlicherweise, im Erste-Hilfe-Zentrum. Unser Tierarzt hat sich Cheetah schon angesehen, doch nichts gefunden.«

»Geh noch einmal zu ihm hin und lass den Gehörgang des rechten Ohrs genau untersuchen! Ich glaube, dort hat sich ein Fremdkörper hineingebohrt. Hoffentlich ist das Trommelfell nicht schon geschädigt.«

Jan blickte skeptisch. »Wie kommst du darauf? Studierst du auf Tierärztin?«

»Nein, aber nicht ausgeschlossen, dass ich das tue«, erwiderte Lena unbestimmt. »Du hast ja gesehen, dass ich eine innige Verbindung zu Tieren aufbauen kann.« Ihre Stimme wurde dringlich. »Geh gleich, bitte!«

»Cheetah, komm!«, befahl Jan ohne rechte Überzeugung, »Zum Onkel Doktor.« Der Game Ranger war schon auf dem Weg, als er stehen blieb und zurückkam. »Wenn du richtig liegst, steigt heute Abend ein Buschbraai!«

»Buschbraai?« Verständnislos starrte Lena ihn an. »Was soll das sein?«

»Lass dich überraschen«, sagte er. Im Weggehen schlug er sich mit der Hand an die Stirn. »Ach ja, wir müssen überlegen, wo wir dich unterbringen.« Er wandte sich zu den Schülern um, die bei dem Bronze-Elefanten standen und sich lautstark unterhielten. »Princess, auf ein Wort!«

Eine Schwarze, zwei Köpfe kleiner als Lena, mit kurzem gelocktem Haar, löste sich aus der Gruppe. Jan schnatterte mit ihr in einer Sprache, die Lena nicht verstand. Die nickte und lachte. »Princess ist vom Stamm der Makuleke, sie haben ihre eigene Sprache«, erklärte Jan. »Du kannst mit ihr Englisch sprechen. Sie wird dir alles zeigen.« Er rannte mit Cheetah los.

Lena gab Princess die Hand. Sie schien nett zu sein, aber ein bisschen reserviert. Weil ich eine Weiße bin? Ein kurzer Blick in ihre Augen zeigte anderes, sie war in Ossy verknallt und eifersüchtig auf Lena, weil sie tagsüber mit ihm zusammen gewesen war.

Lena unternahm einen Entspannungsversuch. »Kann man von hier mit dem Handy anrufen, Princess?«, fragte sie. »Ich möchte meinem Freund sagen, dass ich glücklich angekommen bin.«

»Klar, das geht«, erwiderte sie. »Du hast schon einen Freund? Einen festen?«

»Logisch! Du etwa nicht?«, fragte Lena scheinheilig. »Einem der Jungen hier gefällst du garantiert.« Sie wies auf die Gruppe der Prüflinge.

Princess lächelte verlegen, wagte aber nichts zu sagen.

»Lass mich raten«, sagte Lena. »Es ist Ossy! Richtig?«

»Ja, aber er ist ein Zulu und ich nur eine Makuleke«, sagte Princess bitter. »Er wird mich nicht mögen. Unser Stamm lebte im Norden von hier, im Grenzgebiet zu Simbabwe. Von dort wurden wir vertrieben und erst vor sechs Jahren hat man uns unser Stammland zurückgeben. Das Volk der Zulus hält uns für schwächlich. Wir sind nur ein paar Leute und die sind so viele.«

Lena legte den Arm um Princess. »Das mit Ossy und dir, das wird schon. Unter Umständen kommt ihr euch heute Abend näher«, versuchte sie das Mädchen aufzumuntern. »Komm, zeig mir, wo ich schlafen soll.«

Das Zelt stand unter einem Marula-Baum und war mehr ein Bungalow mit einer stabilen Tür. Eine Plane in Form eines Satteldaches schützte vor Regen und herabfallendem Dreck der Bewohner des Baums. Lena sah in die Krone hinauf. Mit dem Kopf nach unten hingen dort seltsame Wesen. »Was sind das für Tiere?«, fragte sie. »Fledermäuse?«

»Nein, das sind Flughunde«, erwiderte Princess und öffnete die Tür. »Komm jetzt, ich zeig dir, wo du deine Sachen lassen kannst und wo du schläfst.«

»Wo sind die Toiletten und Duschen?«

»Du musst nur zwei Minuten gehen.« Princess gab Lena eine Taschenlampe. »Wenn du nachts raus musst, leuchte genau deinen Weg aus, damit du nicht auf eine Puffotter trittst. Die machen dir keinen Platz!«

Nachdem Lena ihre Sachen verstaut hatte, steckte sie ihr Buch über den Park in die Tasche und machte sich auf, das Camp zu erkunden. Daumendicke Stahlseile und zusätzliche elektrische Drähte sicherten es gegen die Außenwelt ab. Würden die einem Angriff von wütenden Elefanten standhalten? Jenseits der Absperrung machte sie im hohen Gras eine Bewegung aus. Hyänen! Ein Rudel dieser unangenehm aussehenden Tiere patrouillierte am Zaun des Camps entlang, mit Sicherheit in der Hoffnung, dass sie von den Besuchern gefüttert wurden. ›Die könnten, wenn sie die Scheu vor Menschen überwinden, cool über den Zaun springen‹, mutmaßte Lena. ›Ob die Menschen angreifen?‹

Sie kam an einen Aussichtspunkt, von dem man ewig nach Osten ins Land sehen konnte. Unten strömte der Letaba, die Ufer des Flusses waren bedeckt mit Mopani-Büschen. Die untergehende Sonne färbte das Wasser rot, das Grau der dicken, runden Felsblöcke im Wasser erschuf einen fremdartigen Gegensatz, die Strömung bildete schimmernde Wellenstrudel um sie herum. Unvermutet bewegte sich ein Felsblock. Es waren Hippos! Störche und Reiher saßen auf Aussichtsplätzen und beobachten die friedliche Szenerie.

Von Lenas Rücken her machte sich ein Rascheln bemerkbar. Ein putzig aussehendes Tier mit weißem Kopf und schwarzem Körper wuselte in aller Seelenruhe an ihr vorbei. Es erkletterte den Zaun zur Außenwelt, gab einen seltsam wohlklingenden Laut von sich und ließ sich auf der anderen Seite herunterpurzeln. »He, ich denke, die Zäune stehen unter Strom!?«, rief sie dem Tier empört hinterher. Ihr Sicherheitsempfinden hatte leichte Risse bekommen, hastig begab sie sich in Richtung des Zentrums des Camps.

Eichhörnchen turnten schnatternd in den Zweigen über ihr. An den von der Sonne gewärmten Mauern der Gebäude klebten regenbogenfarbene Agamen. An einem Schlammloch saßen kupferfarbene Kröten, die sich mit gedämpftem Gegluckse über das glasklare Quaken der perlgrauen Frösche zu beschweren schienen.


Erwartungsvoll standen die künftigen Trail Ranger um eine Grube herum. Unter Aufsicht eines dicken Kochs brutzelten über glühenden Holzkohlen ungeheuere Fleischstücke vor sich hin. Die schmatzenden Geräusche der fallenden Fetttropfen verursachten rundum eine beglückende Zufriedenheit. Körbe mit Getränken und eine Menge von Schüsseln wurden von Helfern herbeigeschleppt, Jans Buschbraai konnte beginnen.

»Was ist das für ein Fleisch?«, fragte Lena misstrauisch und beäugte einen weißlich aussehenden Brocken, dem der Koch außergewöhnliche Beachtung schenkte.

»Krokodil«, gluckste der Game Ranger. Seine Zunge fuhr genießerisch über die Lippen. »Schmeckt göttlich, wie zartes Hühnchen, du wirst dir die Finger danach lecken. Kudu, Warzenschwein, Springbock liegen auch dabei. Das Beste, was Südafrika zu bieten hat ...« Er klatschte in die Hände. »Platz nehmen, Leute, es geht los!«

Lena wollte sich zu Princess hinstehlen, aber Jans enorme Pranke legte sich auf ihre Hand. »Bitte, setz dich neben mich«, bat er, »Du bist heute mein Ehrengast.«

Der Grillplatz lag einsam am Rande des Camps, man hatte das Gefühl mitten im Busch zu sitzen, nur die Elektrozäune erinnerten an die Gefahr, die draußen lauerte.

Jan füllte zwei Becher mit schäumendem Bier und erhob sich. Sofort trat eine respektvolle Stille ein. »Angehende Trail Ranger! Dass wir alle hier sitzen und es uns gut gehen lassen, haben wir der Dame neben mir zu verdanken!» Er hob sein Glas. »Trinken wir auf das Wohl von Lena!«

Alle nahmen gewaltige Schlucke und begannen hemmungslos in die Hände zu klatschen, obwohl niemand um den Anlass wusste.

Der Game Ranger hob einen winzigen Gegenstand in die Höhe. »Vor zwei Stunden hat unser Tierarzt dieses seltsame Ding aus Cheetahs Gehörgang herausgeholt«, erklärte er. »Schlichtweg noch rechtzeitig, bevor die verdammt scharfe Spitze das Trommelfell durchbohren konnte!« Mit einem Zug leerte er seinen Humpen und knallte ihn auf den Tisch.

Pflichtbewusst eilte Ossy herbei und füllte ihn erneut.

»Wer hat das bemerkt? Unser freiwilliger Helfer für den morgigen Prüfungstag!« Ein zweites Mal tat er einen Zug, wiederum brach Beifall los, Lena lächelte süßsauer. »Da musste erst jemand aus Europa hier aufkreuzen, um festzustellen, was mit Cheetah los war.«

»Bravo!«, rief es durcheinander, Gläser klickten aneinander, der Gepard legte den Kopf in Lenas Schoß.

Jan winkte achtungsgebietend in die Runde, griff in die Tasche, zog eine flache Schachtel heraus und öffnete sie. »Lena, steh bitte auf.«

Lena schubste den Katzenkopf von ihrem Schoß und erhob sich, sie kam sich vor wie in der Schule.

Aus dem mit rotem Samt ausgeschlagenen Kästchen entnahm Jan eine grüngoldene Anstecknadel in Form einer Schirm-Akazie. Feierlich trat er vor sie hin. »Für herausragende Dienste an der Tierwelt des Kruger National Parks verleihe ich Lena die goldene Ehrennadel.« Mit leicht zitternden Händen befestigte er die Nadel an ihrem T-Shirt, verlegen trat er einen Schritt zurück.

Lena war gerührt. ›Warum hat er mich nicht umarmt und auf die Wange geküsst?‹, fragte sie sich. ›Das gehört sich so, ich hätte nichts dagegen gehabt. Es ist schon in Ordnung, dass ein Kerl wie Jan, mich zur Frau will, aber leider, ich bin vergeben!‹ Sie trat auf ihn zu und holte nach, was er sich nicht getraut hatte. Ausgelassenes Gejohle und Geklatsche der Prüflinge.

Urplötzlich fiel die afrikanische Nacht herein. Die Stimmen des Urwalds entzündeten nach und nach die funkelnden Sterne. »Lena, hör genau hin und versuch, sie zu unterscheiden«, raunte Jan ihr zu. »Ziegenmelker, Eulen, Frösche, Fliegende Hunde, Grillen, Zikaden. Kannst du die Rufe unterscheiden?«

Lena horchte über die trüben Ölfunzeln hinweg in die Dunkelheit und nickte. ›Es ist wunderbar hier‹, dachte sie und tat Innocent Abbitte. ›Das war eine wunderbare Idee von dir. Da wird auch für dich noch ein Küsschen drin sein.‹

Abrupt wurde die zauberhafte Symphonie der Tierstimmen jählings unterbrochen. In der Ferne brüllte ein Löwe und sofort herrschte Totenstille. In die Totenstille hinein glaubte Lena das Schleichen der Hyänen zu hören, die hinter den Elektrozäunen Wache gingen.

Der Bund der Katzenfrauen

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