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Die eigentliche Entdeckung der neuen Welt

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Zwischen 1473 und 1804 geschah für das Weltbild der Menschheit Aufregendes. Sicher, die Entdeckung Amerikas fällt auch in diesen Zeitraum, aber die ist nicht gemeint, obwohl auch die großen geographischen Entdeckungen Teil eines einschneidenden Wandels im Weltbild der Menschheit weg von der Mythologie und hin zur objektiven Realität waren. Die Zeitspanne umfasste aber vor allem die Lebenszeiten von Nikolaus Kopernikus, Galileo Galilei, Johannes Kepler, Rene Descartes, Isaac Newton und Immanuel Kant. Mit diesen hervorragenden Gelehrten und Denkern vollzog sich eine einschneidende Wende im Denken der Menschheit.

Zunächst lieferte Nikolaus Kopernikus (1473-1543) eine schon glaubwürdige Begründung für ein heliozentrisches Weltbild. Er konnte zeigen, dass die Sonne im Mittelpunkt des Planetensystems stehen kann und er konnte auch die zu seiner Zeit bekannten fünf Planeten in der richtigen Reihenfolge ihrer Bahn um die Sonne angeben. Wenn man heute den entscheidenden Paradigmenwechsel vom geo- zum heliozentrischen Weltbild meint, spricht man häufig von der Kopernikanischen Wende. Dabei entsteht dem ungeübten Leser schnell der Eindruck, als sei da plötzlich der geniale Astronom Nikolaus Kopernikus aufgetaucht und habe einfach die Sonne dahin gerückt, wo vorher albernerweise die Erde stand. Und die Menschen sahen die Lächerlichkeit ihrer bisherigen Sicht auf die Dinge ein und blicken ehrfurchtsvoll auf den Lehrmeister des modernen Weltbildes. Daran aber stimmt jedoch nichts, nicht einmal der Name. Nikolaj Kopernik betrieb die Astronomie lediglich als Amateur. Von Beruf war er Domherr und Arzt, Bischofssekretär, Experte für Wirtschaftsfragen und Währungsangelegenheiten. Ihn störte, dass nach dem damals herrschendem heliozentrischen Weltbild die Planeten sich nicht mit konstanter Geschwindigkeit, sondern mal schneller, mal langsamer, zeitweilig sogar auch rückwärts bewegten. Nach einer göttlichen Schöpfung sah eine solche Disharmonie nicht gerade aus. Seine Weltsicht hatte Kopernikus zunächst in den „Commentariolus“ umrissen, einer kurzen, handschriftlichen Abhandlung, die nie veröffentlicht wurde, sondern nur in einem kleinen Kreis Eingeweihter als eine Art Geheimwissen zirkulierte.

Sein astronomisches Hauptwerk, De revolutionibus orbium coelestium (Von den Umdrehungen der himmlischen Sphären) wurde 1543 veröffentlicht. Am Tage seines Todes hatte Kopernikus ein gerade erst und eiligst fertig gestelltes erstes Exemplar des Buches in den Händen gehalten. Fast muss man wünschen, er sei nicht mehr in der Lage gewesen, das Vorwort zu lesen, das ein Unbekannter (verdächtigt wird heute der Prediger Andreas Osiander) eigenmächtig hinzugefügt hatte. Dieses nämlich degradierte Kopernikus’ Ansichten zu einem möglicherweise ganz brauchbaren Weg, Berechnungen der Planetenbewegungen vornehmen zu können. aber keine Beschreibung tatsächlichen Geschehens zu sein. Es sei selbstverständlich unsinnig, sich vorzustellen, die Erde drehe sich um die Sonne.

Immerhin trug das Vorwort wohl dazu bei, dass die Kirche die Kopernikanische Weltsicht nicht allzu ernst nehmen und bekämpfen musste. Wenn die Gelehrten, so dachten wohl die Kirchenfürsten, die Planetenbahnen nach dieser Betrachtungsweise berechnen wollen, sollen sie das doch tun. An Gottes Schöpfung würde das eh nichts ändern. Selbst der große Reformator Martin Luther soll Kopernikus als einen Narren bezeichnet haben. In der Mehrzahl nahmen die Denker jener Zeit das Werk des Kopernikus kaum zur Kenntnis. Das gemeine Volk hatte ohnehin keinen Zugang. Von Wende konnte also noch keine Rede sein.

Allerdings muss auch gesagt werden, dass das Kopernikanische Weltbild durch die Annahme kreisförmiger Planetenbahnen mathematisch nicht bzw. nur sehr ungenau mit den Beobachtungstatsachen in Übereinstimmung zu bringen war, weshalb ihm selbst wohlwollende Gelehrten sehr zurückhaltend gegenübertraten. Auch Kopernikus benötigte Kreise, um das gesamte Sonnensystem beschreiben zu können. 34 Kreise insgesamt; drei für die Erde, vier für den Mond, fünf für Venus, Mars, Jupiter, Saturn, sieben für den Merkur. So weit weg von den Epizykeln des Ptolemäus war also auch Kopernikus nicht. Das trug wohl auch dazu bei, Kopernikus’ Weltsicht damals noch nicht unbedingt als große Wende anzusehen.

Der dänische Astronom Tycho Brahe (1541-1601) versuchte noch einen etwas merkwürdigen Kompromiss, indem er die Planeten um die Sonne kreisen ließ, die Erde aber, umkreist von Sonne und allen anderen Planeten, im Mittelpunkt des Systems beließ. Damit machte sich Brahe keinen besonderen Namen, wohl aber als akribischer Beobachter, der eine Vielzahl von Daten über die Planetenbewegungen zusammentrug und so doch an der Schaffung der noch heute gültigen Theorie der Planetenbewegungen beteiligt war.

Galileo Galilei (1564-1642) brach konsequent mit der Sichtweise des Aristoteles. Er – und in ähnlicher Weise auch Descartes – entdeckte die Mathematik als die geeignete Sprache, Fragen an die Natur zu formulieren und ihre Antworten zu interpretieren. Für Galilei waren Beobachtung und Erfahrung allein noch nicht Erkenntnis. Sie mussten auch in einer Theorie ausgedrückt werden können. Galilei brachte – das Fernrohr war erfunden – große astronomische Entdeckungen und Beobachtungsergebnisse ein, die das heliozentrische Weltbild stützten. Vor allem die Beobachtung und exakte Interpretation der Venusphasen wiesen überzeugend in diese Richtung. Galilei war wahrscheinlich auch der erste Mensch, der Gebirge auf dem Mond und Sonnenflecken mit eigenen Augen sah. Er folgerte daraus, die Materie müsse nicht nur auf der Erde ‚erdig’ sein und der Himmel sei keineswegs der Hort der Ordnung und der unveränderlichen Vollkommenheit. Wie ihm die Kirche mitspielte, ist bekannt. Erst 1992 (!) wurde er durch Rom rehabilitiert.

Giordano Bruno behauptete gar, die Sterne seien nichts anderes als Sonnen und weder jene Sonne, deren Licht die Erde erwärmte und erhellte, noch irgendein Körper in der Nähe der Sonne seien in diesem unendlichen Meer von Himmelskörpern vor anderen irgendwie ausgezeichnet. Das war nun nicht mehr nur eine bequeme Methode für Berechnungen, sondern eine neue, unchristliche Sicht auf die Welt. Da verstand Rom keinen Spaß und Bruno wurde durch ein Urteil der ‚christlichen’ Inquisition auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

Aber da war auch Johannes Kepler (1571-1630). Er wähnte zwar die Sonne auch noch im Mittelpunkt des Universums, aber er löste das Problem der Planetenbewegungen. Er schrieb den Planeten elliptische Bahnen zu und formulierte die drei nach ihm benannten Gesetze, die nicht nur die Beobachtungstatsachen hervorragend erklärten, sondern auch heute noch eine der Grundlagen der Himmelsmechanik bilden. Kepler erging es freilich nicht viel anders als Kopernikus. Sein Modell der elliptischen Bahnen war zwar einfach, ließ genaue Berechnungen zu und verzichtete auf die komplizierten ptolemäischen Epizykel, aber Beifall erhielt er dafür noch lange nicht. Die Gelehrten und Kirchenfürsten erkannten die mathematische Genauigkeit zwar an, machten sich aber über die Planetenellipsen eher lustig. Wie kann man denn nur annehmen, Gott habe die Planetenbahnen nicht in den schönen, gleichmäßigen Kreisen, sondern in Form von hässlichen Ellipsen angeordnet? Dass Kepler zu den Ellipsen greifen musste, darin allein würde sich schon die Albernheit des heliozentrischen Weltbildes zeigen. Dabei schützte es Kepler sogar recht gut vor der unerbittlichen Verfolgung durch die Kirche, dass sein Weltbild zunächst eher als eine etwas ulkige Abwegigkeit aufgenommen wurde. Es bedurfte noch vieler Beweise und des Wegsterbens ganzer Generationen von Gelehrten, bis sich das neue Weltbild tatsächlich durchsetzte.

Und dann war da auch Rene Descartes (1596-1650). Mit der Annahme, dass die Welt sich nach Gesetzen entwickelt und die Natur eine große Maschine darstellt, die von den Menschen genutzt werden könne, gilt er als Begründer des materialistischen Weltbildes. Die Welt wurde nun in zwei Welten aufgeteilt, die sich grundsätzlich voneinander unterschieden. Auf der einen Seite die res extensa, die Welt der geistlosen Objekte, auf der anderen Seite die res cogitans, die Welt der Vernunft, der Logik, des Verstehens. Erstere war zwar eigentlich die Welt der leblosen Objekte, aber die Tiere mussten ihr auch zugerechnet werden, da sie ja offensichtlich nicht über Vernunft verfügten und nicht mit Verstand und Logik ausgestattet waren. Das stand damals und noch lange nach Descartes außer Zweifel, heute nicht mehr so ganz.

Die res cogitans aber war ganz klar die Welt des Menschen, trotzdem auch so etwas wie die göttliche Welt. Die res cogitans und nur diese war es, die fähig war, die res extensa zu durchschauen und zu beherrschen. Die Welt der Objekte funktionierte nach ein für allemal gegebenen Regeln und Gesetzen. Die res cogitans konnte diese Regeln, wenn nicht schaffen, so doch vollständig ergründen und ausnutzen.

Descartes und Christian Huygens (1629-1695), der wichtige Arbeiten zu den Pendelgesetzen, zum Begriff der Masse, zu den Stoßgesetzen und zur Kreisbewegung leistete, bereiteten in sehr direkter Weise den Boden für die Lehren jenes Mannes, der wie kein anderer das wissenschaftlich-physikalische Weltbild beeinflusste.

Isaac Newton (1642-1727) hat gleich auf einer ganzen Reihe verschiedener Gebiete großartige Denkleistungen vollbracht und gilt als Hauptvertreter der so genannten klassischen Physik. Seine drei Kraftgesetze waren bahnbrechend und die Grundlage vieler anderer Erkenntnisse und praktischer Anwendungen. Von prinzipieller Bedeutung war seine Entdeckung der universellen Gravitation. Bezüglich der Kosmologie basierte seine Himmelsmechanik erstmals auf dem von ihm formulierten Gesetz der Gravitation, also der zwischen Materiemassen herrschenden Kraft. Er sah zudem jeden Fixstern als ein Zentrum eines Systems ähnlich unserem Sonnensystem an und das Licht der Fixsterne als von derselben Natur wie das der Sonne. Das Newtonsche Universum war unendlich und Mittelpunktlos. Die Erde und die Sonne hatten ihre hervorgehobene Stellung im Universum verloren.

Fortan kam niemand, der sich mit Fragen der Physik ernsthaft beschäftigte, an Newton vorbei. Johann Wolfgang von Goethe blieb es vorbehalten, den großen Engländer als „Sektenhaupt“ zu beschimpfen, der mit Sturheit auf „Wahnvorstellungen“ beharrte und trotz Warnungen nicht von seinen „Irrtümern“ ließ. Auch große Geister müssen nicht unbedingt etwas von Physik verstehen und können eben auch peinlichen Fehlurteilen verfallen.

Nahezu nebenbei, weil er sie für seine Theorien benötigte, entwickelte Newton die Differential- und Integralrechnung, die der Mathematik einen gewaltigen Schub gab.

Allerdings hatte Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) diese neue Mathematik zeitlich parallel und unabhängig erfunden, worüber sich zwischen beiden eine heftige Auseinandersetzung entwickelte, in der sich Newton, ohnehin recht exzentrisch veranlagt, nicht immer nach der ‚feinen englischen Art’ verhielt.

Das sei ihm heute verziehen, denn seine Lebensleistung war ein Fundament, auf dem sich in stürmischer Entwicklung ein turmhohes, stabiles Gebäude des Wissens und der produktiven Nützlichkeit erhob. Und es ist ein gewisses Verständnis für Newton aufzubringen, denn Leibniz war Zeit seines Lebens ein entschiedener und ganz erbitterter Kritiker der Newtonschen Physikauffassungen und in seiner Kritik auch nicht eben vornehm-zurückhaltend. Leibniz seinerseits war freilich der modernen Physik unserer Zeit näher, als der von Newton gerade erst begründeten. Aber er war mit seinen Auffassungen über die Relativität von Zeit und Raum wohl seiner Zeit zu weit voraus. Das war noch nicht gefragt. Die Menschheit brauchte die Newtonsche Physik dringender, denn sie ermöglichte ganz praktische Fortschritte.

Vor allem die Mechanik, aber auch die Akustik, die Wärmelehre, Strömungs- und Gasgesetze, die Optik, die Theorien der Elektrodynamik und des Elektromagnetismus schritten nun stürmisch voran. Die Liste der Forscher, die auf den verschiedenen Gebieten der klassischen Physik großartige Leistungen beisteuerten, wäre zu lang, sie alle hier zu nennen. Die klassische Physik erwies sich als ein reichhaltiger Fundus bedeutender Denkleistungen und zugleich als fruchtbares Areal technischer Anwendungen, aber auch als das Fundament einer neuen Weltsicht.

Das Weltbild der Menschheit war von nun an weniger von mystischen Verklärungen und unantastbaren Glaubensverkündungen geprägt, sondern mehr von Beobachtungstatsachen und mathematischen Formalismen. Lehren, die die Welt zu erklären versuchten, gebrauchten nicht mehr Begriffe wie Allmacht, Weissagung, Auferstehung, Sünde, Schöpfung, Vergebung, sondern solche wie Masse und Energie, Zeit und Geschwindigkeit, Ursache und Wirkung, Gesetz und Gleichung. Die Welt war nicht mehr das undurchschaubare Geheimnis eines allmächtigen Schöpfers und Lenkers aller Geschicke, sondern ein Geflecht aus Ursachen und Wirkungen, dessen Ingangsetzung Gottes Werk gewesen sein mag und das auch einem alles umfassenden Plan der Schöpfung folgen mochte. Aber der Verlauf der Dinge ließ sich nun erkennen und begreifen, da alle Geschehnisse und Gegebenheiten durch Gesetze der Natur, durch Hierarchien, Kausalitäten und Relationen bis in alle Einzelheiten determiniert sein mussten.

Die Dinge der Welt wurden mathematisch beschreibbar und berechenbar, der Mensch war in der Lage, die Funktionsweise der Prozesse zu erkennen, den Verlauf der Kausalität-Ketten zu beschreiben und Ereignisse vorauszusagen. Mehr noch, er konnte aus bereits eingetretenen Ereignissen, aus Wirkungen, auf Ursachen schließen, selbst wenn diese fern in der Vergangenheit oder weit außerhalb der unmittelbaren Beobachtung lagen.

Die Vorstellungen des Menschen von der Welt waren jetzt in Zahlen, Formeln und Zeichnungen darstellbar, nicht mehr in Psalmen und Gleichnissen. Die tiefen Ursachen und Zusammenhänge des Weltgeschehens waren nicht im Buch der Bücher nachzulesen, sondern ließen sich in Relationen von abstrakten Symbolen und konkreten Werten ausdrücken. Aus dem unverstehbaren Universum war ein perfekter Mechanismus geworden, eine riesige Maschine mit einem komplexen Räderwerk, dem ein ebenso perfekter und komplexer Plan des Schöpfers zugrunde liegen musste. Darin aber lag auch ein Dilemma der klassischen Physik.

Die komplexe Planung des Schöpfers, das unerbittliche Räderwerk der universalen Maschine und die strenge Determiniertheit aller Dinge und Geschehnisse konnten auch, wenn man es wollte, so interpretiert werden, dass alle Dinge zwangsläufig eintreten mussten, sie waren vorbestimmt und unabänderlich. Der Mensch war ihnen ausgeliefert, sein Hiersein war reduziert auf die Vorbestimmtheit seines Schicksals. Aus dem Zentrum des Universums drohte der Mensch jetzt an den Rand geraten zu sein. War er ohne Freiheit seines Handelns, ein unbedeutendes Rädchen im großen Getriebe des universalen Geschehens?

Und doch war ein wesentlicher Fortschritt eingetreten. Gottes Plan war jetzt potentiell erkennbar und begreifbar geworden. Die Geschehnisse der Welt wurden durchschaubar, der Mensch stand den Dingen nicht so hilflos gegenüber, dass seine einzige Eingriffsmöglichkeit darin bestand, den Großen Lenker durch Gebete oder Opfergaben geneigt zu machen. Natürlich vermochte kein Mensch, die Bewegung der Erde um die Sonne zu beeinflussen, aber es lag darin jetzt nichts Mystisches mehr, man konnte die Positionen der Planeten exakt berechnen – und das nahezu beliebig vorausschauend zu irgendeinem Zeitpunkt in der Zukunft wie auch rückblickend zu irgendeinem Zeitpunkt in der Vergangenheit. Natürlich konnte die Menschheit die Geschichte der Welt nicht nach ihren Vorstellungen gestalten, aber sie konnte nun die Zusammenhänge ergründen. Natürlich konnte der Einzelne dem Schicksal der Menschheit nicht entgehen, aber er konnte es als in das Naturgeschehen eingebettet begreifen, akzeptieren und das Beste daraus machen.

Das irdische Geschehen konnte der Mensch sogar immer wirkungsvoller nutzen, konnte sich der Natur bedienen, seine ihm von der Natur gegebenen körperlichen und geistigen Fähigkeiten potenzieren, sein Leben in einem vorher nicht gekannten Maße verändern. Der Mensch schickte sich an, den verschlungen-unsicheren Pfad des unterwürfig überirdische Macht anbetenden Bittstellers zu verlassen und entschlossen die breite Allee des wissenden Nutzers aller Natur zu betreten.

Die klassische Physik bot zudem Möglichkeiten einer breiten Akzeptanz, wie kein Weltbild zuvor. Den Schöpfer als den allmächtigen Planer und genialen Konstrukteur der allumfassenden Maschinerie anzusehen, der auch die Gesetze und Determiniertheiten geschaffen hatte, die der Mensch nun ergründen und begreifen konnte, passte den Religionen bestens. Der Klerus konnte die Tatsache, dass das Universum offensichtlich einer planvollen Ordnung unterlag, gerade als Gottesbeweis anführen. Wer sollte denn eine solche Ordnung geschaffen haben, wenn nicht ein allmächtiger Schöpfer. Wie sollte diese mächtige, unfassbar komplexe und perfekte Maschine denn in Gang gekommen sein, wenn nicht durch eine übernatürliche und allmächtige Kraft? Gläubige mussten zwischen der Aufdeckung der Naturgesetze und ihrem Glauben an den Schöpfer keinen Widerspruch sehen. Religiöser Glaube und Naturwissenschaft schienen gewissermaßen dem gleichen Ziel verpflichtet – den Plan Gottes zu verstehen.

Wer mochte, konnte aber auch jede Art höheres Wesen außen vor lassen und die Entdeckung der Naturgesetze und Determiniertheiten, die Enthüllung der Zusammenhänge und die Aufdeckung der inneren Ordnung des Universums als die Annäherung des Menschen an die objektive Natur ansehen. Die klassische Physik hatte mit der religiösen Mythologie gebrochen, Erkenntnis und Wissen geschaffen, die Natur dem Menschen näher gebracht. Das Universum und die Natur waren nun zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit als objektiv existierend zu begreifen. Jetzt konnte man sich ihnen mit Wissen und ohne Glauben nähern. Aber der Glaube an eine höhere Macht war damit nicht unbedingt ausgeschlossen.

Der Leser möge mir den ungebührlich-rasanten Ritt durch die ältere Geschichte der Weltvorstellungen verzeihen. Gegenstand dieses Textes sind unsere heutigen Vorstellungen über die Welt. Diese aber wurden nicht ohne die Vorangegangenen, weshalb Letztere wenigstens Erwähnung verdienen.

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