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Die Vorstellungen vom großen Ganzen Sagen wird man …

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Wir wollen wissen, wie das Universum und die Materie entstanden sind, wie sie sich entwickeln, wohin ihre Reise führt. Wir machen uns Vorstellungen darüber und stellen Fragen. Wir stellen Fragen an die Natur. Wir stellen Fragen, indem wir die Dinge der Natur beobachten oder in Experimenten herauszufinden suchen, wie sie sich verhalten, wie sie miteinander verwoben sind, was sie sind und warum sie so sind. Auch unsere Theorien sind in ihrer eigentlichen Bedeutung nur Fragen an die Natur und Vermutungen, obwohl sie meist so verkündet werden, als würden uns überwältigend-geniale Offenbarungen zuteil. Wir können nur Fragen stellen und darauf hoffen, dass sie geeignet sind für die Antworten des Universums, die uns weiterbringen. Und hoffen müssen wir auch, die Antworten des Universums zu verstehen. Auch das ist eine Ungewissheit, die unser Denken und Tun stets begleitet.

Die Fragen, die der Mensch dem Universum gestellt hat, und seine Interpretationen der Antworten unterlagen jedoch in allen Epochen einem strengen Regime. Alle einzelnen Theorien und Ansichten, Fakten und Erkenntnisse verallgemeinernd, gelangt man zu einigen wenigen Grundansichten, die das Fundament und den Rahmen aller zeitgemäßen Theorien und Herangehensweisen bildeten, die für den Charakter und die Struktur des jeweiligen Weltbildes entscheidend waren oder sind.

Man nennt solche Grundansichten auch Paradigmen. Ein Paradigma ist sozusagen eine herrschende Lehrmeinung, ein Denkrahmen, in dem sich die einzelnen Theorien und Vorstellungen zu bewegen haben, wenn sie sich nicht vernichtender Kritik oder vollständiger Ignoranz aussetzen wollen.

Gut 200 Jahre herrschte ein Paradigma, das uns allen durchaus geläufig und so tief in uns ist, dass es uns kaum mehr bewusst wird. Es ist dies das materialistisch-mechanistische Paradigma, das durch die so genannte klassische Physik, durch Kopernikus, Kepler, Galilei, Descartes und Newton vor allem begründet und von vielen klugen Köpfen und genialen Forschern tausendfach bestätigt und erweitert wurde. Es sind das die Denk- und Interpretationsweisen, die mit unseren irdischen Erfahrungen bestens übereinstimmen, sie uns nachvollziehbar erklären, uns logisch erscheinen und uns in unserem Alltagsleben begleiten. Man bezeichnet dieses Paradigma heute als die klassische Physik.

Aber nun auch schon vor über einhundert Jahren sind einige Ideen und Beschreibungen der Natur aufgetaucht, die so gar nicht in dieses bewährte klassische Paradigma passten. Das vorangegangene Jahrhundert musste sich schon zu seinem Beginn, widerwillig zwar, aber unaufhaltsam mit neuen Denkweisen anfreunden. Wir alle haben von der Relativitätstheorie, von Quanten- und Teilchenphysik, der modernen Kosmologie und in den letzten Jahren auch von der modernen Chaosforschung vieles gehört, wenig gelesen, wohl noch weniger verstanden – aber fast alles geglaubt. Für nicht wenige Wissenschaftler sind das die vier Säulen des modernen physikalischen Weltbildes. (Die Chaostheorie, besser die Theorie vom deterministischen Chaos wird allerdings nicht von allen Wissenschaftlern als dazugehörig akzeptiert.) Sie scheinen inzwischen recht umfassend ausgearbeitet, haben in der Praxis – in der wissenschaftlichen, wie in der technisch-technologischen – längst ihre Bestätigung gefunden, die moderne Wissenschaft baut auf sie auf, operiert unablässig mit ihnen und ist damit erfolgreich.

Und doch scheint es andererseits so zu sein, dass daraus keineswegs schon ein umfassendes und allmächtiges Paradigma der Wissenschaft geworden ist. Eigentlich haben wir die klassisch-mechanistischen Denkweisen noch gar nicht abgelegt, so richtig konnten wir uns mit den Eckpfeilern des wissenschaftlichen Denkens unserer Zeit noch nicht anfreunden. Das mag auch daran liegen, dass Theorien, die einander widersprechen, kaum ein sicheres Fundament eines einheitlichen Paradigmas sein können. Diese Widersprüchlichkeit nehmen wir Nichtwissenschaftler zwar wenig wahr, denn die uns zugänglichen Erläuterungen der Theorien durch die Wissenschaftler machen nur höchst selten auf die Widersprüche zwischen den Theorien aufmerksam. Mehr fällt uns die Unanschaulichkeit ihrer Aussagen, die Kompliziertheit ihrer Inhalte, die Abstraktheit ihrer Darstellungen ins Auge, die uns selbst in den vereinfachenden Erläuterungen populär-wissenschaftlicher Schriften in Vielem so unwirklich vorkommen, dass wir nicht selten geneigt sind, sie als Spinnereien abzutun.

Es ist nicht zu übersehen, Quanten- und Teilchenphysik, Relativitätstheorie, Kosmologie und Chaostheorie konfrontieren uns mit Aussagen, die besonders fern unserem Alltagserleben, oft völlig wider unserem Verständnis von Logik sind. Quantenmechanik ist uns begrifflich nicht neu, aber wenn wir wissenschaftliche Abhandlungen darüber lesen, kommt sie uns doch recht seltsam und unglaubwürdig vor. Relativität von Raum und Zeit sind uns nicht unbekannt, aber die damit verbundenen Denkweisen gehören keineswegs zu unserem alltäglichen Repertoire. Der Anblick von Sternen ist uns sozusagen ‚allabendlich’, aber mit den Angaben der Wissenschaftler über die in ihnen herrschenden Temperaturen, über die Entfernungen zwischen ihnen und ihre Funktionsweisen wissen wir nicht wirklich etwas anzufangen. Und vom Chaos haben wir gewöhnlich ganz andere Vorstellungen, als die gleichnamige Theorie meint. Wir können vielleicht diese Denkweisen nicht oder noch nicht richtig verstehen, weil sie unkonventionell sind, mit den herkömmlichen Denkgewohnheiten brechen und uns Ungewohntes, unseren Alltagserfahrungen widersprechendes Herangehen abfordern. Wir Irdischen empfinden sie stark ‚überirdisch’, denn sie stehen in ihren wesentlichen Aussagen gegen das, was wir als irdische Alltagsphysik sinnlich erfahren.

Zudem lassen uns Wissenschaftler häufig ziemlich ungefragt auch wissen, dass die modernen Theorien der Naturwissenschaften nun mal nicht für den gewöhnlichen Menschenverstand geeignet sind. Das ist kaum ermunternd.

Und noch etwas kommt hinzu. Die aktuelle Wissenschaft kommt uns zwar im Allgemeinen so daher, als wäre alles so gut wie geklärt, als wäre mit den modernen Interpretationsweisen, mit dem umfangreichen mathematischen Formelwerk und vor allem mit der Formulierung und Begründung einer Reihe von Naturgesetzen die Natur im Wesentlichen durchschaut, entschlüsselt und berechenbar gemacht. Aber mit nur wenig Mühe kann man schnell feststellen, dass dem keineswegs so ist. Es existiert eine Fülle offener Fragen, es gibt Ungereimtheiten in den wissenschaftlichen Aussagen, es sind Antworten gegeben, bei denen wir nicht einmal wissen, ob ihnen auch berechtigte Fragen vorausgingen.

Es sind so komplizierte Theorien geschaffen worden, dass man mitunter geneigt ist zu bezweifeln, ob ihre Schöpfer sie überhaupt verstanden haben. Das ist natürlich eine Unterstellung, für die ich mich gleich mal entschuldige. Aber ganz aus der Luft gegriffen ist sie auch nicht. In der Beschäftigung mit wissenschaftlichen Theorien und Interpretationen kann man mitunter den Zweifeln nicht entgehen, ob das von der Wissenschaft auch wirklich ernst gemeint ist, oder ob man uns nur ‚auf die Schippe nimmt’. Und auch nicht so selten erkennt man, wenn man es denn will, unter der wortreich-wohlformulierten dünnen Oberfläche mancher Theorie die unglaubwürdige Konstruktion, die gequälte Beweisführung, die aus der Beweisnot geborene Konstruktion.

So können wir als ‚Normal-Bürger’ noch nicht mit Bestimmtheit sagen, ob die unkonventionellen wissenschaftlichen Denkweisen des zu Ende gegangenen Jahrhunderts tatsächlich die gesicherten Eckpfeiler des neuen Paradigma sind, oder nur ein Ansatz vielleicht, die mehr oder weniger gültige Andeutung der neuen Denkrichtung und eventuell auch schon mehr, oder aber doch noch die Verfeinerung und Vervollständigung des alten Paradigma, bestenfalls mit dem Charakter eines Übergangs.

Wie sehr die derzeitige Wissenschaft in der Beurteilung ihrer eigenen Leistungen auseinandergeht, sollen an dieser Stelle zunächst zwei Autoritäten-Zitate zeigen. Das erste Zitat stammt von dem renommierten Wissenschaftsjournalisten John Horgan:

“Wenn man an die Wissenschaft glaubt, dann muss man sich mit der Möglichkeit – ja sogar Wahrscheinlichkeit – abfinden, dass das große Zeitalter der wissenschaftlichen Entdeckungen vorüber ist. Mit Wissenschaft meine ich nicht die angewandte Wissenschaft, sondern die Wissenschaft in ihrer reinsten und höchsten Form, das dem Menschen von Natur aus innewohnende Streben, das Weltall und seinen eigenen Platz darin zu verstehen. Weitere Forschungen werden möglicherweise zu keinen bedeutenden Entdeckungen oder Umwälzungen mehr führen, sondern nur noch ‘sinkende Grenzerträge’ abwerfen.”

(John Horgan; An den Grenzen des Wissens; Fischer Taschenbuch Verlag GmbH; 2000; S. 17)

Die folgenden Worte sind dagegen einer Publikation des Wissenschaftlers Ervin Laszlo entnommen:

”Die Wissenschaft steht an der Schwelle einer weiteren Revolution. ... Wir haben heute einen Punkt erreicht, wo sich genügend Anomalien und Rätsel in Bezug auf die verschiedenen Grundannahmen des geltenden naturwissenschaftlichen Wissens angesammelt haben, ... dass einige der grundlegenden Elemente unseres Wissens in Zweifel gezogen werden ... Die Zeit ist reif, die Rätsel und Anomalien aus einer neuen Perspektive zu betrachten.”

(Ervin Laszlo; Kosmische Kreativität; Insel Verlag; 1997; S. 30/31)

So grundsätzlich verschieden wird mitunter, freilich nicht allgemein, die Situation der Naturwissenschaft schon von Wissenschaftlern betrachtet und bewertet. Wenn Meinungen so weit auseinander gehen, stellen sich Fragen. Wie sind wir zu unserem modernen wissenschaftlichen Bild von der Welt gelangt? Wo stehen wir eigentlich in unserem Wissen über die Natur? Was ist sicher, was nicht? Was sind seine Grundpfeiler? Können wir uns verlässlich an sie anlehnen?

Im Folgenden werde ich mich mit diesen Fragen beschäftigen, mich auf Hypothesen und Theorien und historische Zusammenhänge berufen, auch mal Zweifel an der Gültigkeit und Richtigkeit bestimmter Aussagen der Wissenschaft anmelden bzw. auf alternative Ansichten verweisen. Es ist dies eine Gedanken-Reise, eine Reise in Regionen, die recht fern unseres alltäglichen Lebens sind, eine Reise durch vergangenes und gegenwärtiges Denken mit einem zaghaften Ausblick auf vielleicht schon zukünftige Denkarten. Es ist trotzdem eine nur kurze Reise in dem Sinne, dass ich nur wenige Stationen einfüge und vieles unerwähnt lasse. Das deshalb, da es nicht möglich ist, alles wissenschaftliche Mühen in einen Text von einigen hundert Seiten ausführlich zu behandeln. Ich möchte mich ohnehin hier auf die Physik, die selbsterklärte Grundlagenwissenschaft, die gefühlte Wissenschaft aller Wissenschaften, beschränken. Und es scheint ja auch sehr modern zu sein, kurze Geschichten über die Naturwissenschaft und das Universum zu verfassen. Da weiß ich mich in guter Gesellschaft mit namhaften Autoren.

Ich möchte Sie, verehrter Leser, auf diese an sich rasante Reise mitnehmen. Folgen Sie mir bitte, ohne Scheu vor der Kompliziertheit der Physik und ohne die Befürchtung, ihr gesunder Menschenverstand wäre dafür nicht geeignet. Die Physiker schaffen die Kompliziertheit und sie reden uns die Mängel des gesunden Menschenverstandes ein. Es ist an der Zeit, hinter diese Schutzschilde der Physiker zu schauen und „von oben herab“ zu beurteilen, was für uns eine akzeptable Weltsicht sein könnte, und was wir erst einmal zurückweisen sollten, damit sie, die Forscher weiter daran arbeiten.

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