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Fallstrick 2: Ein Mitarbeiter zieht nicht mit

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Beispiel: Umgang mit übergangenen Kollegen

Am 1. Juli hat Uwe May die Nachfolge seines ehemaligen Chefs angetreten, der in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet wurde. Er hat sich selbst ein wenig gewundert, dass die Wahl ausgerechnet auf ihn gefallen ist, da er zu den Jüngsten in der Abteilung zählt. Wenn es streng nach der „Rangfolge“ gegangen wäre, hätte sein Kollege Richard den Posten bekommen müssen. Schließlich war Richard als Nachfolger immer mal wieder im Gespräch. Er ist schon 20 Jahre im Unternehmen und Uwe selbst war bei ihm in der Ausbildung. Richard hatte im Stillen fest damit gerechnet, dass er nun endlich befördert wird.

Uwe May macht sich auf den Weg zur offiziellen Ernennung zum Gruppenleiter, sein nächsthöherer Vorgesetzter stellt ihn seinen jetzigen Mitarbeitern vor. Ein klein wenig aufgeregt ist Uwe May schon, aber Gott sei Dank, die meisten nehmen es gelassen zur Kenntnis, man kennt sich ja sich bereits aus früheren Zeiten. Richard verlässt allerdings kommentarlos den Raum.

Voller Vorfreude tritt Uwe May ein wenig später an seinen neuen Arbeitsplatz. Er hat sich entschieden, zunächst seinen Schreibtisch im Großraumbüro zu belassen. So kann er sich schnell einen umfassenden Überblick verschaffen.

Bald stellt sich heraus, dass Richard schwierig wird. Er erkrankt zunächst, dann macht er Dienst nach Vorschrift und liegt ständig auf der Lauer, ob er nicht seinem ehemaligen Kollegen einen Fehler nachweisen kann. Weiter versucht er, Kollegen auf seine Seite zu ziehen, nach dem Motto: „Wollt ihr euch tatsächlich von einem so jungen Spund etwas sagen lassen? Der hat doch kaum Erfahrung.“ Sein Verhalten Uwe May gegenüber ist nicht direkt unfreundlich, aber wenig kooperativ. Deutlich ist spürbar: Das Klima in der Abteilung verschlechtert sich zusehends.

Der typische Fall tritt ein: Ein fauler Apfel in der Kiste steckt die gesunden an. Es entsteht dringender Handlungsbedarf für Uwe May. Was soll er tun?

1 Seinem nächsthöheren Vorgesetzen die Situation schildern und dann ein Gespräch zu dritt führen?

2 Die Sache zunächst auf sich beruhen lassen, damit Richard von alleine die Chance bekommt, sich einzugliedern?

3 Mit Richard reden?

4 Die Mitarbeiter durch neue Herausforderungen motivieren, um so Begeisterung zu wecken, von der sich eventuell auch Richard anstecken lässt?

Um nichts zu überstürzen, wägt Uwe May die verschiedenen Möglichkeiten zunächst in Ruhe gegeneinander ab.

Er verwirft Möglichkeit 1: Die Konfliktsituation würde durch das Gespräch mit dem Chef auf die nächsthöhere Ebene übertragen, und das wäre nicht im Sinne seiner Führungsstrategie. Außerdem würde er dies als eigenes „Versagen“ werten.

An Möglichkeit 2 knabbert er länger. Wie lange soll „auf sich beruhen lassen“ dauern? In der Gruppe hat sich das Klima spürbar verschlechtert. Er muss also etwas tun.

Möglichkeit 3: Richard fragen, warum er sich so verändert hat? Und wenn er dann alles abstreitet? So tut, als ob er sich so benimmt wie immer? Gar nicht verstehen will, was man ihm sagt? Nein, Uwe May entscheidet sich dagegen.

Lösungsansatz

Lösung: Motivation durch neue Herausforderungen

Uwe May wählt Möglichkeit 4: Begeisterung wecken. Den Menschen das Gefühl geben, dass sie gebraucht werden. Motivation durch Herausforderungen, Ziele und neue Aufgaben!

Richard könnte sich wieder wichtig fühlen und hätte so die Chance, seine Enttäuschung zu überwinden. Dadurch, hofft Uwe May, würde sich das Klima dann so verbessern, dass er mit Richard ein persönliches Gespräch über dessen Wünsche und Bedürfnisse führen könnte.

Er entscheidet sich also für die vierte Möglichkeit und trennt sich von einigen vermeintlich wesentlichen Aufgaben, um sie an sein Team zu delegieren. Er nennt Problemstellungen und bittet um Lösungsansätze. Er informiert über Ziele und bespricht einzelne Schritte, er entwickelt eine „Fehlerkultur“, in der die Mitarbeiter die Möglichkeit haben, angstfrei neue Ideen auszuprobieren. Er lässt Experimente zu. Kurz: Die Arbeit macht wieder Spaß!

Damit ist allen geholfen: Uwe May hat durch Delegieren verschiedener Aufgaben mehr Spielraum gewonnen, um seine Mitarbeiter zu führen und zu motivieren. Sein Team sieht neue Horizonte und zeigt Eigeninitiative, was zu guten Leistungen führt.

Gestern Kollege – heute Vorgesetzter

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