Читать книгу Mit schwarzen Flügeln - Daimon Legion - Страница 7
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ОглавлениеDie Nachricht über das unerwartete Dahinscheiden eines Priesters verbreitete sich in Windeseile.
Der Schuldige war schnell gefunden in dem Phantom, welches in der Stadt umhergeistern sollte, wie es die Zeitungen berichteten. An einen tragischen Zufall aus gesundheitlichen Gründen wollte niemand glauben. Bald war Pater Salomon nicht bloß tot, sondern ermordet.
Wenn nicht einmal die heilige Kirche sicher war, wie sollte man diesen „Dämon“ sonst aufhalten?
Ob die Menschen panisch die Flucht vor ihm ergreifen würden, wenn sie wüssten, dass ihr schlimmster Albtraum nur knapp an ihnen vorbeizog?
Tags darauf plauschte er mit einem bärtigen Herrn in einer schmutzigen Bar in der Unterstadt über diese Angelegenheit. Sein Gesprächspartner spottete über die Unfähigkeit der Polizei.
Wofür bezahlte man diese? Für alberne Schnitzeljagden und zusätzliches Gassigehen mit ihren Hunden? Wütend stieß der Rüstige stinkenden Zigarrenrauch aus und stürzte den Inhalt des vollen Whiskyglases den Rachen hinunter.
Der junge Mann lachte verhalten.
„Das Einzige, was heute noch denselben Nutzen bringt, wie schon Jahre zuvor, ist und bleibt der Alkohol, Kleiner“, erklärte der Rauschebart ihm feierlich und ließ sich vom Wirt nachschenken. „Unser ganzes Dasein kann man nur damit ertragen! Wenn uns der Schnaps ausgehen würde, dann geht es auch mit dieser Welt zu Ende. Dann interessiert es niemanden, ob diese Pfeifen durch Mord oder ein Unglück starben. Kein Schwein fragt dann noch nach einem Killer!
Die Leute spinnen alle! Selbst schuld, wenn die den Tod verpersino- ... personi- ... Na, weißt schon! Vermenschlichen!“
Die Philosophie der Trunkenheit.
Grinsend hob der junge Mann sein Glas. „Dann auf das Ende der Welt, mein Freund.“
„Skål!“, brummte der Alte, den Toast erwidernd. „Auf das wir alle besoffen zur Hölle fahren!“
Nicht so voreilig, du stehst doch gar nicht auf der Liste.
Saurer Regen fiel aus dem dichten, grauen Wolkenmeer, welches sich am Himmel zusammengebraut hatte, und er schlug den Kragen seines Mantels hoch. Die Nässe drang zwar nicht durch den weißen Stoff, dennoch hatte er keine große Lust, weiter durch dieses Wetter zu waten und suchte nach einem stillen Unterschlupf.
Irgendein leer stehendes Gebäude in einer von Menschen verlassenen Gegend würde schon zu finden sein, wo er kurz verweilen konnte. Wenn man keine Mittel besaß, sich auszuweisen, und auch unerkannt bleiben wollte, war das die letzte Möglichkeit.
Wenn dieses Mistwetter ihm nicht in die Quere gekommen wäre, hätte er jetzt schon zum anderen Stadtende hin unterwegs sein können, um dort mit der Arbeit fortzufahren. Ein dummer Zufall, um weiter in dieser Gegend festzusitzen und ein Glück für den Tölpel, der etwas länger leben durfte.
Er sprang über breite Pfützen voll braunen Schlammwassers, über abgenagte, bleiche Knochen von vor Hunger verendeten Tieren, vorbei an groben, mit grauem Putz verzierten Hütten.
In dieser Zone lebten diejenigen, die nicht mal Geld besaßen, um in der Unterstadt zu hausen. Menschen, von deren Existenz niemand wusste. Wenn sie starben, bemerkte es niemand. Ihr Fehlen hinterließ keine Lücke, weil sie keinen Platz ausfüllten.
Ein Ort, an dem es nach Tod roch, war billig und identitätslos. Ein gutes Versteck für einen wie ihn.
Scharf schnitt er die Kurve an einer Ruine und wollte weiterhasten, da bemerkte er sie im Schatten.
Erst dachte er, es sei bereits zu spät. So abgemagert, wie der Körper dalag.
Diese Frau war keine dreißig, doch durch ihre eingefallenen Wangen und die braune, welke Haut wirkte sie wie ein verbrauchter Hungergeist. Das dunkle Haar fiel lang und spröde über die Schultern und den Leib bedeckten nur ein paar zerschlissene Lumpen. Mit ihren dürren Armen hielt sie fest ein gewickeltes Bündel an die Brust gedrückt.
Als sie merkte, dass er sie ansah, schaute sie schwach auf, die Augen stumpf und müde.
Er trat näher und seine Nase erfasste den starken Fäulnisgeruch. Das Baby war schon einige Tage tot, vielleicht sogar tot geboren, trotzdem hatte sie es nicht wahrhaben wollen. Trug es weiter mit sich herum und hoffte, es schliefe bloß fest. Wem wollte sie hier etwas vormachen? Jetzt wartete sie nur noch darauf, dass der Tod sie wieder mit ihrem Kind vereinte. Ihre Seele erlöste.
Oder so ähnlich ...
Wenn sie nun starb, würde sie ein erdgebundener Geist werden. Verloren in der Zwischenwelt, hin- und hergerissen zwischen Leben und Tod. Sollte er sie in das Totenreich führen? Für eine wie sie gab es auch noch einen anderen Weg.
„Ich kann dir helfen“, sprach er sie sanft an. „Zwar kann ich dir nicht das Tor zum Himmel öffnen, aber wenn du es wünschst, bürge ich für dein Leben in einer besseren Welt.“
Ihre trockenen Lippen öffneten sich und er hörte ihre heisere Stimme langsam sprechen: „Wer bist du, dass du mir so was versprichst?“
„Jemand, dem dein Schicksal nicht egal ist.“
„Wenn es nicht der Himmel ist, wohin sollte ich sonst gehen?“ Sie klang verbittert.
Kein Wunder. Wer nicht von Gott oder dem Himmelreich sprach, arbeitete für die andere Seite.
„An einen Ort, wo du als du selbst neu beginnen kannst. Es ist nicht schlimm. Dort hast du nicht zu leiden und du kannst leben, wie du immer leben wolltest.“
Kraftlos sackte sie etwas zusammen. „Das wäre schön. Ist an diesem Ort auch meine Tochter?“ Ihr trauriger Blick fiel auf das verwesende Fleisch in ihren Armen.
Schwierig. Zischend atmete er durch die Zähne aus, bevor er zögerlich fragte: „Starb dein Kind vor der Geburt?“
„... Sie schrie nicht.“
Also ja. „Dann gibt es eine kleine Chance, sie wiederzusehen. Und wenn ich ein Wort für dich einlege, kannst du dich dann noch an sie erinnern. Ihr könnt euch wiederfindet und in die Arme schließen.“
Ihre sterbenden Augen begann sehnsüchtig zu funkeln. „Danke. Ich danke dir“, wimmerte sie. Es war der winzige Schluck einer spärlichen Hoffnung, den er ihr zu trinken gab, doch dieser würde sie für die Reise kräftigen.
„Willst du meine Hilfe?“
Sie atmete tief ein. Tränen kullerten ihr über die Wangen, als sie nickte. „Bitte hilf mir, Engel.“
Na ja, fast.
Er beugte sich vor und flüsterte: „Schließe die Augen, dann wirst du sehen.“ Seine Hände, die schon so vielen Sündern das Leben geraubt hatten, zogen sie sanft in eine liebevolle Umarmung. Er spürte, wie ihr Körper zitterte und die Seele allmählich vom Diesseits gelöst wurde.
„Mir ist so warm ...“, hörte er ihre letzten Worte, dann erschlafften ihre Glieder.
Entschlafen lag sie in seinen Armen und war im Tod so friedlich anzuschauen. Vielleicht war dieser Moment der erste in ihrem Sein als Mensch, in dem sie wirklich glücklich gewesen war.
Zärtlich küsste er sie auf die Stirn. „Willkommen zu Hause, Lea.“
„Oh, bitte nicht doch!“, ertönte eine Stimme aus dem Nichts. Sie war rau und kratzig wie die einer Krähe, noch dazu schleimig wie ein Aal. Ungehalten von dem Geschehen lästernd: „Nicht noch eine von diesen eingebildeten Nymphen! Seit Euch der Herr auf diese Mission geschickt hat, haben diese Waschweiber rapide zugenommen. Eure Gefühle für das Menschengewürm sind viel zu weich.“
Der Mann lachte verzeihend, ohne sich dem Redner zuzuwenden. „Du bist doch nur sauer, weil sie dich immer abblitzen lassen. Aber sie stehen nun mal nicht auf Dämonen, Sirus.“
Ein giftiges Fauchen ertönte im Schatten und aus dem Halbdunkel einer Sackgasse krabbelte eine schuppige Kreatur. Die Augen leuchteten blutrot und reflektierten das spärliche Licht wie die Iris einer Katze. Schwarz war der übergroße, teilweise human wirkende Echsenkörper. Lang der Drachenschwanz und lederartig die Fledermausflügel auf dem gepanzerten Rücken.
Erneut zischte das Wesen und entblößte dabei eine lange, spitze und vergilbte Zahnfront, die es zu einer Fratze des Hohns verzerrte. „Es liegt uns nun mal im Blute, für Schrecken zu sorgen, wie es in Eurer Natur liegt, zu glänzen. Verärgert mich nicht für etwas, das sich seit Äonen nicht geändert hat.“
„Ich habe es nicht so gemeint, Si. Verzeih.“ Er stand vom Boden auf und klopfte dem Dämon kameradschaftlich auf die verhornte Schulter. „Erzähl, was führt dich zu mir?“
Sirus blickte ihn an, als traue er dem Frieden nicht, wenngleich er kurz aufstöhnte, und mit seiner violetten Zunge über den lippenlosen Mund glitt. „Nun denn, ich bin hier, um Euch eine Nachricht zu überbringen.
Wie Euch selbst am besten bekannt sein sollte, erregt Eure Anwesenheit einiges an Aufmerksamkeit in dieser Saison. Die Menschen munkeln überall, dass ein Abtrünniger der Ihren tötend durch das Land zieht. Albern, so einen Verrückten mit Euch zu vergleichen ... Wobei es schön ist, zu sehen, dass Ihr Eure Aufgabe ernst nehmt, aber es gibt einige, die Euch Fahrlässigkeit vorwerfen. Oder zu viel Demut ...“ Abschätzig sah er dabei auf die Leiche der Frau.
„Nun, wie auch immer“, fuhr Sirus fort, „wenn es nur diese Affen wären, denen Euer Tun ein Dorn im Fleisch ist, würde sich der Herr keine großen Sorgen machen. Doch es heißt, die himmlische Garde habe seit Kurzem einen neuen Anführer, der Euch nur zu gern wegen unerlaubter Seelenfängerei an den Kragen will. Ein verbissener Kerl. Mir scheint, dem liegt ein alter Groll zugrunde ...“
Jetzt horchte der Mann auf. „Die Weiße Garde? Woher will die Bescheid wissen? Nicht einmal Hades hat mir bisher was nachweisen können.
Außerdem sollten die da oben lieber froh sein, dass ich hier unten ausmiste.“
Der Drache zuckte die Schultern. „Euch ist ebenso bekannt, wie paranoid der Hohe Rat ist.
Mit dem Erfüllen Eurer Aufgabe stärkt Ihr heimlich die Kraft unseres Landes, und da auf Euer Glück bisweilen sehr viel Verlass war und Ihr erfolgreicher richtet als der Todesengel, sehen die Weißen bestimmt ihre eigene Macht bedroht. Die glauben sicher, wir planen einen weiteren Großen Krieg mit all dem Kanonenfutter, und darum wollen die Euch aus dem Weg haben – mit oder ohne Beweise für einen Regelbruch. Lasst Euch schon mal eine passende Ausrede einfallen.“
„Die sind noch viel dümmer als zu meiner Zeit, wenn sie glauben, dass der Morgenstern eine Rebellion plant. Als wenn der nicht genug beschäftigt wäre.“
„Das hat der Herr auch gesagt“, kicherte der Dämon, „aber auch wenn es nur Reibereien sind, er will Euch für das Erste in Sicherheit wissen. Er beordert Euch zurück in den Palast und beurlaubt Euch zusätzlich auf unbestimmte Zeit.“
„Was du nicht sagst“, seufzte er. Während Sirus geredet hatte, war er ein paar wenige Schritte auf und ab gegangen, um nachzudenken. Selbst wenn es ihn beunruhigte, die Weiße Garde in dieser Sphäre herumschleichen zu wissen und die Aussicht auf Urlaub in seinem Interesse lag, musste er zugeben, so ein vorschneller Abzug passte ihm nicht in den Kram.
Das lässt sich doch sicher noch etwas hinziehen.
Sirus stupste ihn mit der Kralle an, um seinen Kopf zurück in die Wirklichkeit zu holen. „Was ist denn nun? Was gibt es so lang für Euch zu überlegen? Wollt Ihr nicht gleich mit mir kommen?“
„Ähm, nein.“
„Wie bitte?“
Er legte seinen Arm über die teuflischen Schultern und führte den Untergebenen einige Fuß mit sich. Durch die Zähne sog er tief Luft ein und begann seine Entscheidung zu erklären: „Sirus, mein Guter, richte doch bitte dem Morgenstern aus, ich komme nach.“
„Euer Humor ist erschreckend. Und bedenkt, der Herr versteht keinen Humor.“
Wie wahr, wie wahr ...
Den Einwand ignorierte er trotzdem. „Es dauert ja nicht lange, vielleicht aber noch einen kleinen Tag.“
Sirus knurrte leise. „Versteht Ihr den Ernst Eurer Lage nicht?“, setzte er an, obgleich er ausgebremst wurde.
„Schon! Aber du weißt, wer ich bin. Unterschätze mich also nicht. Ich kann auf mich aufpassen und hatte nie Probleme hier in Assia.
Kumpel, diese Stadt hinter uns ist gleich Sodom und Gomorrha zusammen. Ich kenn da noch ein paar Namen, auf die diese Welt gut verzichten kann, die würde ich mir gern holen. Noch zwei oder drei Seelen und dann komme ich zurück.
Mein Ehrenwort. Klar?“
„Kristallklar wie der Elfenstein, aber der König -“, und wieder wurde Sirus unterbrochen.
„Dann soll der gute Chef selber hier vor mir erscheinen und mir einen Tritt in die Hölle verpassen. Einen weiteren Tag kann der ja noch auf mich verzichten, oder?“
Der Dämon zuckte mit dem Kopf und murmelte etwas, was verstohlen klang wie „Schaufle dir dein Grab“, und sagte schließlich deutlich: „Wenn es Euer Wunsch ist, werde ich es Ihm ausrichten.“
„Danke.“ Der Mann grinste falsch und war fertig mit dem Gespräch. Jetzt wollte er nur seiner Nase folgen, bevor der verseuchte Regen ihm Schwimmhäute wachsen ließ.
Über die Schulter rief er dem Dämon mit einem Winken noch ein kurzes „Jetzt geh besser, bevor dich einer sieht!“ zu, und wollte schon die Straße abwärts verschwinden, als ein schwefeliger Gestank seine Sinne streifte.
Schwarze Zauber, welche nur höhere Höllenbruten beherrschten, lösten Sirus in Luft auf. Dem ungeachtet hallte seine Stimme wie ein vergangenes Echo durch die Gassen.
„Gebt auf Euch acht, Obergeneral des Höllenheers. Gefallener Engel Deacon Heat.“
Die Stille, die dem sterbenden Flüstern des Windes folgte, war bedrückend und jagte einen Schauer über seinen Rücken.
Es war keine Angst, die Deacon verspürte. Nur das ungute Gefühl, nicht mehr Herr seines Schicksals zu sein. Vielleicht lag da wirklich etwas in der Luft.