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ALLE JAHRE WIEDER
JACOB
Wenn ich ein Mädchen mietete, was relativ häufig vorkam, dann aus einem Grund: Auf Profis war normalerweise Verlass.
Sei es fürs Geschäft, so wie vor wenigen Tagen, als ich mit Larry Hesterfield, dessen gezwirbelter Schnauzbart sicher größer ist als sein Schwanz, einen Millionen-Deal abschloss. Bei jeder scharfen Braut, der ich vor dem Texaner an die Wäsche ging, bekam er immensen Speichelfluss. Also gab ich ihm, wonach er sabberte und er senkte den Kaufpreis.
Der andere Anlass, bei dem ich mich von einem Profi begleiten ließ, war die Season of Peaches, ein Outdoor-Wettkampf für Paare, der in meiner Heimat Tradition hatte und im Frühherbst stattfand, den man hier Indian Summer nannte.
An diesem September-Wochenende, an dem die Sonne das gelbe und rote Laub an den Bäumen zum Leuchten brachte, hatte ich drei Dinge vor: Erstens würde ich meine beiden Kumpel aus Studienzeiten mal wieder so richtig vor Neid erblassen lassen. Zweitens würde ich die Season of Peaches gewinnen. Drittens genehmigte ich mir eine heiße Auszeit, mit ausdrücklicher Betonung auf heiß.
Fünf Tage in Folge hatte ich keine Frau gehabt, denn ich hatte durchgearbeitet, um den letzten der zwölf gigantischen Mähdrescher loszuwerden, die ich Hesterfield abgekauft und mit denen ich ein Vermögen gemacht hatte. Damit war ich für dieses Jahr mit der Arbeit durch und hatte mir die Belohnung redlich verdient. Keine Arbeit, keine Aufreißmanöver, nur Entspannung, Spaß und sehr viel Sex, flankiert von neidischen Blicken aus allen Richtungen.
Der erste Neid ließ allerdings auf sich warten und ich war langsam ein bisschen angepisst.
„Wann kommt Charlene denn?“ Mein Kumpel Will, seines Zeichens Wirtschaftsanwalt, wunderte sich auch schon. Gleich nachdem er und Sally sich endlich damit abgefunden hatten, dass sämtliche Reifen von ihrer Familien-Kutsche platt waren. Das traf im Übrigen auch für den SUV von meinem Kumpel Tom, der Zahnarzt war, und dessen Dauerfreundin Thea zu. Sie hatten die Abkürzung genommen, wo ein Glascontainer vom LKW gekippt war, und waren mit voller Geschwindigkeit durch die Scherben gebrettert.
Beinahe hätte ich zurückgefragt, wer Charlene sei, was vermutlich damit zusammenhing, dass ich auf der Fahrt in mein Wochenendhäuschen ziemlich ausgiebig darüber nachgedacht hatte, wie die Mietfrau mit dem absolut scharfen bordeauxroten Haar wohl in Wirklichkeit hieß, wie sie unter ihren Klamotten aussah und wie lange ich brauchen würde, bis sie mich anflehte, dass ich sie fickte.
Bei meinen im Grunde überflüssigen, aber nichtsdestotrotz anregenden Überlegungen war ich zu dem Schluss gekommen, dass der Name Hannah perfekt zu ihr passen würde. Wenn ich die Schminke von ihrem gut geschnittenen Gesicht wegdachte, sowie die Luxusklamotten, die sie auf den Fotos der Agentur-Homepage trug, kam eine sehr hübsche und natürlich heiße Frau heraus. Das nebst der Tatsache, dass sie in ihrer Jugend, die noch nicht lange her sein konnte, Springreiterin, Turnerin und Cheerleaderin gewesen war, sowie auf dem College Basketball gespielt hatte und sich heutzutage mit Pole Dance fit hielt, hatte den Ausschlag dafür gegeben, dass meine Wahl auf sie gefallen war. Mit ihr an meiner Seite würde ich die diesjährige Season of Peaches gewinnen. Und auch meine beiden anderen Ziele würde ich mit ihr erreichen. Aber die Frau war immer noch nicht da.
„Ich wundere mich sowieso, dass ihr nicht zusammen angereist seid“, machte nun auch Tom bei der Inquisition mit.
Ich nahm mir eins von den selbstgebackenen Blaubeer-Muffins, die Sally mitgebracht hatte, vom Tisch. Lecker. Trotzdem würde ich nicht wegen einer backenden Frau heiraten, auch wenn meine Leute glauben sollten, dass Charlene und ich genau das vorhatten. „Habe ich euch gesagt, dass Charlene noch in New York wohnt?“
Meine beiden Freunde und ihre Frauen schüttelten unisono die Köpfe.
„Dann wisst ihr es jetzt“, sagte ich und ließ mir von Sally einen Kaffee einschenken.
„Ihr führt eine Fernbeziehung?” Sally, die früher eine glatte zehn gewesen und nach der Geburt der Kinder immer pummeliger geworden war, sah mich so misstrauisch an wie alle meine Freunde, wenn ich ihnen erzählte, dass ich in zehn Jahren immer noch heiraten und sie zu Patentanten und -onkeln befördern könnte.
„Was bleibt uns anderes übrig? Sie hat dort ihren Job. Sobald sie eine Stelle in Buffalo findet, zieht sie zu mir. Bis dahin verbringen wir die Wochenenden im Bett und unter der Woche treffen wir uns mit Skype. Bildtelefon.” Ich zuckte grinsend mit den Schultern.
„Was für einen tollen Job hat sie denn, dass sie lieber in New York bleibt als zu dir zu ziehen, dich zu heiraten und dir viele kleine, süße Jacobs zu schenken?” Die furchtbar hochgewachsene blonde Thea, von mir auch liebevoll die lange Dürre genannt, runzelte die Stirn.
„Sie ist Lehrerin.” Wenn meine Freunde mich weiter so ausfragten und ich ihnen weiterhin das Blaue vom Himmel vorlog, musste ich Charlene gleich erstmal abfangen, um ihr zu erklären, wer sie war. Falls ich mich bis dahin noch an mein Geschwafel erinnerte.
„Das Schuljahr hat doch gerade erst begonnen. Wollt ihr etwa erst im nächsten Jahr zusammenziehen?”, fragte Sally auch prompt.
Ich musste zugeben, Wills dauerschwangere Frau war mehr auf Zack als der Rest der Truppe. Fünf kleine Hendersons in zehn Jahren hielten wohl nicht nur den Schritt fit.
„Leute, was haltet ihr davon, wenn ihr eure Schrottkisten mal langsam allein lasst und wir unser Gepäck reinbringen und ein bisschen vorglühen?”
Es konnte sicher nicht schaden, wenn die vier was getankt hatten, wenn Charlene hier eintraf. Dann hatten sie sicher ein paar von meinen Lügen vergessen.
„Ich passe”, rief Sally und klopfte sich auf den Bauch, woraufhin ein Riesenspektakel über die Vermehrungswut der Hendersons ausbrach.
Immerhin war ich jetzt aus der Schusslinie. Aber was sollte das? Nicht mal die Männer hatten Bock auf einen Drink? Hatten die auch einen Braten in der Röhre?
Kaum hatte ich mein Gepäck ausgeladen und mir einen Whiskey geholt, ging die Fragerei weiter.
„Wie sieht Charlene eigentlich aus?”
„Hast du Fotos?”
Ich zeigte der Bande ein Portraitfoto, das ich mir von der Agentur-Seite aufs Handy geladen und als Hintergrundbild eingestellt hatte.
„Rote Haare ...” Tom pfiff durch die Zähne, woraufhin die lange Dürre ihm ihren spitzen Ellbogen in die Rippen rammte. Trotzdem fügte er noch anzüglich hinzu: „Hast du noch andere Fotos?“
Das war mein Junge. Ich klopfte ihm mitleidig grinsend auf die Schulter. „Die wirst du nicht zu sehen bekommen.“
„Die sieht aber nicht aus wie eine Lehrerin”, fand Sally.
Ich runzelte missbilligend die Stirn. „Wie sieht meine Freundin denn aus?”
„Ich weiß nicht … Jedenfalls nicht wie jemand, der sich um meine Kinder kümmern könnte.”
„Eher wie jemand, der im Service arbeitet”, murmelte die lange Dürre, ein fieses Grinsen unterdrückend.
Tom lachte schallend. „Du hast doch wieder eine Professionelle gemietet wie vergangenes Jahr!”
„Ich glaub’s nicht! Klar, hat er!” Will schlug sich die flache Hand gegen die Stirn. „Dass wir jedes Jahr darauf reinfallen!”
„Alle Jahre wieder”, trällerte Tom und hielt sich den kleinen Bauchansatz, der sich bei ihm im vergangenen Jahr gebildet hatte.
„Ihr solltet euch besser mit eurem Gelaber zurückhalten”, knurrte ich meine Freunde an.
Mann, früher hatten wir so viel Spaß zusammen gehabt. Seit die beiden sich hatten einfangen lassen, war mit ihnen nichts mehr los und wir trafen uns nur noch einmal im Jahr zur Season of Peaches. Im Grunde waren sie dafür verantwortlich, dass ich abends allein oder mit den Jungs vom Boxverein um die Häuser zog und mir eine Mieze nahm. Aber das war immer noch besser, als angekettet zu sein wie die beiden. Wenn sie jetzt auch noch bei unserem einzigen Spaß einen auf trockenen Alkoholiker machten, war es mit dem jährlichen Revival bald auch vorbei.
„Hey, Jacob, kommt Charlene mit dem Taxi?“, rief Sally plötzlich. Ihr fielen beinahe die Augen aus dem Kopf. Mir auch, denn ich hatte damit gerechnet, dass die Mietfrau sich am Airport in Buffalo einen Mietwagen nahm. Mit dem Taxi war es ein bisschen teuer bis hierher in die Wildnis. Ich drehte mich auf dem Absatz um.
„Das ist Gelber Bär hinter dem Steuer!“ Mein Ferienhäuschen befand sich auf Indianergebiet und die Challenge wurde von den größtenteils indianischstämmigen Bewohnern ausgerichtet. Meine Mutter war eine Mohawk gewesen, weshalb ich hier mein Haus errichten durfte.
„Dann ist dein Schatz wohl auch durch die Glasscherben gebrettert!”, grinste Tom und der Rest der Bande grinste schadenfroh mit.
Gelber Bär legte eine Vollbremsung auf meinem Grundstück hin. Schwarzbraune Erde und kleine Steinchen stoben auf. Ich versuchte, einen Blick ins Innere des Wagens zu erhaschen, doch die Fenster waren mit Staub, Schlamm und Federschmuck verziert.
Die Fahrertür schwang auf und ich zog den alten Indianer aus dem verdreckten Taxi, um ihn freundschaftlich zu umarmen. Dabei versuchte ich erneut, Charlene zu sehen, doch dieses Mal sah ich nur den riesigen Traumfänger, der am Rückspiegel baumelte.
„Mein Junge!” Gelber Bär zwinkerte mir wissend zu und präsentierte die Zähne, für die er seinen Namen kassiert hatte.
In dem Augenblick tat sich endlich etwas auf der anderen Seite des Taxis. Ich erkannte zwar immer noch nichts, doch ein Raunen ging durch die vier Personen, die wie die Hühner auf der Leiter vor meinem Häuschen standen und das Schauspiel beobachteten. Na, das klang doch gut, fand ich. Aber dann folgte der Schock.
„War die Frau auf dem Foto in deinem Handy nicht rothaarig?“, fragte Will.