Читать книгу Callgirl über Nacht - Daisy Summer - Страница 9
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NOCH MEHR PROBLEME, DIE KEIN MENSCH BRAUCHT
EMMA
1, 2, 3 … Ich bin ruhig und gelassen. Ich schaffe das. Das ist ein tolles Abenteuer. Ich sammele neue Erfahrungen. Ich lerne mal ganz andere Leute kennen. Nicht immer nur notgeile Mathestudenten und notgeile Matheprofessoren und notgeile After-Workler. Ich sehe, wie wirklich reiche Leute ihre Freizeit verbringen. Davon kann ich vielleicht noch meinen Enkeln erzählen. Endlich erlebe ich mal etwas Außergewöhnliches.
Oh, verdammte elende Ameisenscheiße! Ich will nichts Außergewöhnliches erleben. Ich hasse Abenteuer!
Was tat ich hier? Und damit meinte ich nicht die Tatsache, dass ich mit meinem Oberkörper in dem nassen Fußraum eines total verdreckten, schrottreifen Yellow Cabs steckte, das von einem Indianer in Sheriff-Kostüm gefahren wurde. Die Kiste war mit Federgirlanden geschmückt, die so staubig waren, dass ich ständig niesen musste. Schon wieder. „Hatschi!“
Aber nicht, dass von dem Sheriff-Indianer mal ein „Gesundheit“ gekommen wäre. Der gefährlich aussehende Typ mit dem geflochtenen grauen Zopf und den gelben Zähnen hatte mich genötigt, den Leihwagen, den die Agentur Tina zur Verfügung gestellt hatte, auf einem Parkplatz hinter dem Gefängnis abzustellen. Bei all der Kotzerei hatte Tina wohl versäumt, mich darüber zu informieren, dass es verboten war, mit einem Mietwagen von Sixt in ein Indianerreservat zu fahren. Ganz zu schweigen davon, dass dieses Gesetz total unlogisch war und dass ich auch nicht gewusst hatte, dass ich das Wochenende in einem Indianerreservat verbringen würde. Aber der alte Knacker hatte mich so unter Druck gesetzt, dass ich ihm schließlich abgenommen hatte, dass er mich ins Gefängnis stecken würde, wenn ich nicht gehorchte.
30 Dollar Parkgebühren pro Tag. Ich war bestimmt in eine Touristenfalle getappt.
Jetzt war ich anscheinend am Ziel der grauenvollen Reise, die zum Schluss nur noch durch den Wald geführt hatte, und war gar nicht froh darüber. Von der mörderischen Ruckelei durch Gestrüpp und Schlaglöcher und den Niesanfällen hatte ich eine fette Beule am Hinterkopf.
Und ich steckte verdammt nochmal noch immer nicht in diesen grauenhaften Schuhen, die Tina und Ron mir für die Ankunft bei Jacob Morgan verordnet hatten.
Ich würde bei den beiden Teilen auch nicht von Schuhen sprechen, sondern von Folterinstrumenten. Auch wenn Tina, die im Übrigen immer noch kotzte, etwas anderes behauptete, so weigerte ich mich zu glauben, dass man in allen High Heels blutete. Für jemanden, der sonst stets in Turnschuhen rumlief, obwohl er niemals turnte, waren die verdammten Teile verdammt noch mal zwei Nummern zu klein. Mindestens. Auch wenn sie eigentlich eine Nummer zu groß waren.
Draußen vor dem Taxi fand irgendein bescheuertes Gelächter statt. Das waren sicher die Freunde, die dieser Kerl mit einer jungen, heißen Frau beeindrucken wollte. Arrrgh!
Inzwischen schwitzte ich wie ein Schwein, denn meine von der dreistündigen Fahrt geschwollenen Füße wollten einfach nicht wieder in die Mörderschuhe rein. Wenn ich einen Hammer zur Hand gehabt hätte, wären die Absätze und die knochenharte Fersenkappe Vergangenheit gewesen. Ich presste meine Hände auf die Fersenkappe und nahm all meine Kraft zusammen, um aus den geschlossenen Stöckelschuhen Slipper zu machen. Das würde schon niemandem auffallen. Jede Wette, dass der alte Sack, der Tina gemietet hatte, sich an meinem Ausschnitt festsabberte. Meine weiß Gott nicht besonders ausgeprägten Brüste wirkten in dem Push-up unter der knallengen Kostümjacke wie Melonen. Ich bekam kaum Luft in diesem Outfit. Aber Jacke öffnen war ausgeschlossen, denn die Bluse war durchsichtiger als die Windschutzscheibe von dem Taxi. Wenn ich eins wusste, dann das: Bei der unanständig hohen Bezahlung für diesen Job handelte es sich zu 100 % um Schmerzensgeld.
Das Keuchen unterdrückend schob ich meinen Oberkörper aus dem Fußraum des Taxis und stemmte mich gegen die Beifahrertür, um sie zu öffnen. Dann stellte ich meine Füße auf den erdigen Boden und richtete mich auf. Lächeln, Emma! Immer, wenn ich am liebsten schreiend davon rennen wollte, sollte ich lächeln. Das hatte Tina mir eingebläut. Also lächelte ich, und zwar mit Mund und Augen, während der Rest meines Körpers litt. Vielleicht nicht ganz so wie Tinas Körper, aber mir reichte es.
Ungefähr drei Meter von mir entfernt standen zwei Männer und zwei Frauen in Jeans und Holzfällerhemden und glotzen mich an wie die Kühe auf der Weide. Ich lächelte und lächelte. So stellte ich mir aber keine reichen Leute vor. Und wer von den beiden Kerlen war Jacob Morgan? Und was hatten die beiden Frauen hier zu suchen, die ungefähr so aussahen wie ich sonst aussah? Nur ein paar Jahre älter. Die Haare normal, keine Schminke im Gesicht. Turnschuhe! Ich war total over the Top. Klamotten, Frisur, die langen Gel-Fingernägel. Die mussten mich für die hohlste Tussi unter der Sonne halten.
Und mit wem in drei Teufels Namen quatschte der alte Indianer?
Wie in Zeitlupe drehte ich meinen Kopf. Warum auch immer ich im selben Moment ein Schritt nach vorn machte, konnte ich nicht erklären. Auf alle Fälle blieben meine Slipper hinter mir mit den dünnen, hohen Absätzen im Erdboden stecken, während ich stolperte, mich leider nicht fing und der Länge nach auch leider nicht in weichem Schlamm landete, sondern auf knochentrockenem Waldboden.
Ich hatte anderes behauptet und versucht, mir das Gegenteil einzureden, aber in meinem tiefsten Inneren hatte ich befürchtet, dass die Sache in einem Desaster enden würde. Allerdings hatte ich nicht gedacht, dass das schon bei meiner Ankunft passieren würde. War. Das. Peinlich!
„Charlie?”
Charlie?
Ich hieß doch Charlene, oder?
Ich spuckte ein bisschen Erde und ein paar Steine aus und hob mein Gesicht vom Boden. Dann blickte ich in das sexyste und zugleich aufregendste und beängstigendste Gesicht, in das ich je geguckt hatte. Ich schwitzte schon wieder wie verrückt.
„Mr Morgan?”
„Ja, aber nenn mich um Himmels Willen Jacob. Für die vier da hinten sind wir ein Paar“, flüsterte Mr Morgan.
Seine dunkle und leicht raue Stimme jagte mir gleich noch eine Gänsehaut von der Beule an meinem Hinterkopf bis zu meinen blutenden Füßen. Wie alt war der Mann? Also, er war bei weitem nicht so alt wie ich angenommen hatte. Mindestens fünfzig, hatte ich gedacht. Steinreiche Knacker, die sich eine Frau vom Begleitservice leihen, um vor ihren alten Kumpeln anzugeben, waren für mich alt und unattraktiv. Dieser hier war weder alt, noch hässlich. Aber er war auch nicht so jung wie ich. Mitte 30? Und warum dachte ich plötzlich, dass ein 35-Jähriger und eine 22-Jährige gerade noch zusammen gingen?
O. k., ich hatte mich von einem alten Indianer verarschen lassen, vermutlich. Und ich lag vor diesem Gott von einem Mann auf dem Boden. Und der schob seine braun gebrannten, schlanken und doch kräftigen Hände unter meine Achseln (die hoffentlich nicht so nass waren wie sie sich für mich anfühlten) und hob mich hoch, als wäre ich eine Feder.
Ich, Emma Smith, eine Feder. Ich lächelte professionell. Und dann landeten die Lippen von Mr Morgan, d. h. Jacobs Lippen auf meinen Lippen. Bams!
Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Total verblüfft riss ich die Augen auf und lächelte weiter. Die neuen Kontaktlinsen funktionierten gut. Ich konnte jedes einzelne goldene Irrlicht in Mr Morgans, d. h. in Jacobs Pupillen haargenau erkennen. Und auch die langen, geschwungenen, schwarzen Wimpern sah ich wie unter dem Mikroskop. Aber als ob ich mich wirklich auf das grauenhaft gute Aussehen dieses Mannes konzentrieren konnte. Ich hatte ganz andere Probleme. Atmen. Ich musste atmen. Aber ich bekam keine Luft, denn Mr Morgan, das hieß Jacob, knutschte mich in Grund und Boden. Anders konnte man das, was er mit seinen Lippen anstellte, nicht nennen. Das hieß, er stellte es nicht nur mit seinen Lippen an, sondern auch mit der Zunge. Er hatte eine große, raue Zunge, die sich anscheinend vorgenommen hatte, meine bis auf den Tod zu bekämpfen. Oh. Mein. Gott. Der Typ machte mich fix und fertig.
Was hatte ich zu Tina gesagt? Dass ich auf gar keinen Fall mit ihm ins Bett gehen würde? Ich hatte das Gefühl, dass wir bereits wie die Wilden zwischen Baumwolllaken im Holzfällerstil tobten.
„Ich glaube, es reicht“, nuschelte ich lächelnd in Mr Morgans göttlich küssenden Mund hinein. In meinem ganzen Leben war ich nicht so geküsst worden. Nicht von Cole, meinem Entjungferer, nicht von seinem Nachfolger Frederik, meiner großen Liebe und dem größten Arschloch unter der Sonne. In der ewigen Arschloch-Liste kam er sogar noch vor Tinas verheiratetem Arschloch. Ich hätte ewig so weiter küssen können, aber das ging gar nicht.
Ich hatte mir geschworen, erst mein Studium zu beenden und mir dann einen anständigen Mann zu suchen. Wir würden heiraten, ein Haus bauen und zwei Kinder bekommen. Ich würde nicht enden wie Tina! Ich war die Expertin im Männer-vom-Leib-halten! Wie machte man das noch gleich, wenn man gerade den Kuss seines Lebens bekam? Von dem Kerl des Jahrhunderts? Wenn es im Höschen peinlicherweise schon schlüpfriger war als in den blutigen Schuhen? Mir wurde ganz anders bei diesem Gedanken.
Jetzt nimm deine Lippen von meinem Mund! Und die Hand von meinem Schulterblatt. Und die andere Hand von meinem Hintern! Und verwandele dich auf der Stelle in ein Biest. Am besten in ein uraltes, grottenhässliches Biest. In eins ohne Lippen, Zunge und Hände.
In dem Moment konnte ich Tina verstehen.