Читать книгу Wintercount - Dämmerung über dem Land der Sioux - Dallas Chief Eagle - Страница 6
ОглавлениеVorwort des Herausgebers
Der TraumFänger Verlag wurde gegründet, um authentische historische und zeitgenössische Indianerromane zu veröffentlichen. Wir veröffentlichen Romane in Kooperation mit und von Indianern und nicht Romane über Indianer. Aus diesem Grund achten wir darauf, dass insbesondere weiße Autoren unseres Verlages bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Dazu gehört, dass der Autor bzw. die Autorin mit Angehörigen des Stammes, über den er/sie schreibt, in persönlichem Kontakt steht und wichtige Passagen in Kooperation mit indianischen Freunden geschrieben werden. Unabdingbar ist, dass der Autor, die Autorin persönlich vor Ort war. Da die Kultur eines Volkes nur über die Sprache zu begreifen ist, halten wir es auch für wichtig, dass unsere Autoren bzw. Autorinnen zumindest Grundzüge der jeweiligen Indianersprache sprechen.
Als Herausgeber von Büchern über Indianer bin ich mir bewusst, dass diese Kultur über Jahrhunderte einer systematischen Vernichtung ausgesetzt war. Ihre Geschichte wurde von den gleichen weißen Eroberern geschrieben, die dieses Volk fast ausgerottet haben. Jeder kann sich unter diesen Gesichtspunkten vorstellen, wie objektiv das ist, was heute als offizielle Geschichte der Eroberung Nordamerikas durch die Weißen dargestellt wird. Die indigenen Völker haben gerade deshalb das fundamentale Recht, dass ihre Kultur und Geschichte, sei es in Romanen oder in Fachbüchern, authentisch und wahrheitsgetreu aus ihrer Sicht dargestellt werden.
In dem Bestreben, authentische Romane zu publizieren, ist es mir eine außerordentliche Ehre und Freude, den Roman „Wintercount“ von Dallas Chief Eagle sen. zu veröffentlichen. Dallas hatte als Junge auf der Reservation Gelegenheit, die Angehörigen seines Volkes zu sprechen, die noch die freie Zeit auf den Plains erlebt hatten und Persönlichkeiten wie Crazy Horse, Red Cloud oder Spotted Tail noch persönlich gekannt hatten. Geboren 1925 in einem Tipi, wurde er zum unermüdlichen Bewahrer der Geschichte seines Stammes, seiner Sitten, Gebräuche und Spiritualität. Seine Gesprächspartner hatten noch erlebt, wie es war, über die Plains zu ziehen und den Büffel zu jagen; sie kämpften gegen die Vernichtungskriege der US Armee, deren Befehl u.a. lautete: „Alle männlichen Lakota über zwölf Jahre sind zu töten“. Er hatte auch die Gelegenheit, mit Überlebenden des Massakers von Wounded Knee persönlich zu sprechen. Das, was wir heute nur aus Berichten kennen, erfuhr er noch von den Menschen, die dies persönlich erlebt hatten – in ihrer eigenen Muttersprache.
Als mich vor ein paar Jahren ein indianischer Freund auf das Buch aufmerksam machte, waren meine Frau und ich davon begeistert. Obwohl wir damals noch nicht daran dachten, den TraumFänger Verlag zu gründen, wünschten wir uns, dieses einmalige Werk zu veröffentlichen. Mit Unterstützung von Freunden konnten wir vor einem Jahr mit dem Sohn des Autors Dallas Chief Eagle jr. in Verbindung treten. Dallas jr. unterstützte unser Vorhaben von Anfang an und autorisierte uns als einzigen deutschen Verlag, das Buch seines Vaters zu veröffentlichen. Die Übersetzung von Kerstin Groeper entstand in enger Zusammenarbeit mit ihm. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit erhielten die Hauptpersonen in der deutschen Übersetzung ihre ursprünglichen Lakota Namen Keyaschante und Tscheyesa-win wieder und auch der Hintergrund für diese Namensgebungen konnte dargestellt werden, was in der amerikanischen Ausgabe nicht der Fall ist.
Mein herzlicher Dank gilt Dallas jr. und Rebecca Chief Eagle sowie seinen Geschwistern Rhonda Leneaugh, Theresa Knag, Paul Chief Eagle, Sheela Farmer und Tekakwhita Herman. Ebenso geht mein Dank an Herrn Martin Krueger und last but very far from least unserm Freund und Mentor Leonard Little Finger.
Oyate witscha n’iktelo
Bruno Schmäling
Hohentann, im Sommer 2014
Die Indianer der Rocky Mountains
In der Mitte dieses Landes befand sich meine Heimat, das Land des Regenbogens, erschaffen vom Großen Geist, dort, wo die Erde auf das Spielfeld der Wolken und des Donners trifft und die Gipfel umhüllt sind vom Dunst des Sternenvolkes.
Wie Tipis im Himmel, geformt von der Hand der Geister, erheben sie sich als unangefochtene Monumente der Erde.
Die Menschen mit den Bögen und Pfeilen erzählen von diesem hohen Reich, wo sich die umherstreifenden Winde nur den steinernen Formen beugen.
Wo Seen daliegen wie verstreute Decken auf dem Boden einer Ratsversammlung und die Natur in ihrer friedlichen Meditation widerspiegeln.
Sie reflektieren die bedrohlichen Wände der gezackten Klippen, deren höchste Gipfel die Geiseln der reißenden Ströme sind.
Einst, da flüsterten die Wälder noch die Sprache der Natur, und die Tiere spielten im ungestörten Reich des Grüns.
Dort umschmeichelte uns der klagende Ruf der Liebesflöte und Trommeln vibrierten an den Plätzen der Espen.
Tanzende Kinder mit schwarzem Haar lachten und sangen, und man hörte ihre Stimmen über das Rauschen der schäumenden Flüsse hinweg.
Dann kam aus dem Land der Morgendämmerung ein neues Geräusch des Unfriedens, das alle Dinge des Großen Geistes mit Sorgen erdrückte.
Das heilige Land hallte wider unter den Rufen und Flüchen der Habgier.
Die Bedürfnisse der Eroberer waren das Maß aller Dinge und zerstörten den Glauben an uralte Rituale und Legenden.
Die Blassgesichter riefen zur Jagd.
Kriegsschreie durchbrachen die Stille des Waldes.
Die Luft war erstickt von anderen, fremden Schwingungen und Gedanken. Die rauchenden Mysterien aus Eisen überrollten den Tomahawk, sorgenvolle Trauergesänge klangen rhythmisch durch die Nächte.
Wie ein immerwährender Frost, quälte eisige Abneigung die Ureinwohner und ließ ihnen nur wenig Platz zum Überleben.
Hunger war ein ständiger Begleiter in den Tipis der Rocky Mountains, und trieb die narbigen und ungebeugten Köpfe ins flache Land.
Der Wille zu herrschen bestimmte das Handeln und den Geist der Eroberer und brachte dem Land der Rocky Mountains eine traurige Veränderung. Nun hält nur noch die einsame Fichte die Totenwache über meine Vorfahren. Denn die Blassgesichter sind gekommen, um für immer zu bleiben.
Dallas Chief Eagle