Читать книгу Angie - Danian Stone - Страница 5

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Kapitel 2 Rache

Drei Tage dauerte es noch, bis Melanies Gesicht wenigstens ansatzweise wieder Ähnlichkeit mit ihrem früheren Aussehen erkennen ließ und die Schwellungen langsam abzuheilen begannen. Die blauen Flecke in ihrem Gesicht, hatten sich grün verfärbt und die Narbe, über ihrem rechten Auge, sah auch schon viel kleiner aus.

Doch auch wenn die Verletzungen im Gesicht und an ihrem Körper abnahmen, hatte sie nichts von dem vergessen, was sie durchgemacht hatte.

Mit jedem Tag war ihr Hass auf Donald Herb mehr angestiegen und wie an jedem Tag, an dem ich sie besuchte, saßen wir auch an jenem Nachmittag wieder auf dem Bett, in ihrem Zimmer und dachten darüber nach, wie wir Donald etwas von dem heimzahlen konnten, was er Melanie angetan hatte.

An diesem Tag war Jenny mit dabei.

Jennifer Balz, eine Klassenkameradin und ebenfalls gute Freundin von Mel, wenn auch nicht ihre Beste.

Zumindest hoffte ich das!

Dennoch gehörte Jenny mit dazu. Für ihr Alter von siebzehn, war sie etwas zu klein, fast kindlich, doch das machte sie mit ihrer enormen Oberweite ohne Frage wieder wett. Außerdem verstand sie es, sich so zu kleiden, das sie weitaus älter aussah, trotz ihrer kleinen Größe und ihres kindlich anmutenden Gesichts.

Ihr schulterlanges, blondes Haar umschmeichelte ihre Schultern, während sie mit uns, schweigend auf dem Bett saß.

Alle drei dachten wir angestrengt nach.

»Ich mache auf jeden Fall mit! Egal was ihr vorhabt!«, sagte Jenny, mit ihrer piepsigen Stimme. »Dieser Drecksack fasst mir jedes Mal an die Brust, wenn er mich sieht!«

»Na mir hat er ja wohl mehr voll ins Gesicht gefasst!«, sagte Melanie sarkastisch und blickte dabei in die Runde.

»Ach hör auf!«, stieß ich sie an. Denn auch wenn Melanies Bemerkung spaßig gemeint war, darüber lachen wollte keiner von uns.

»Wir überlegen uns was. Irgendwie kriegen wir ihn schon dran.«

»Die sitzen doch immer vor dem Kiosk!«, schlug Jenny vor. Dabei zupfte sie nervös an ihrem blauen Top, das ihren großen Busen noch mehr zur Geltung brachte, als es nötig gewesen wäre.

»Da sind aber auch die anderen Penner mit dabei.«, bemerkte ich. »Er ist da nie alleine.«

»Das stimmt.«, Melanie blickte aus dem Fenster. »Heute Abend greifen wir ihn uns!«

»Und wie?«, verlangte ich zu wissen.

»Er holt sich immer einige Flaschen Bier, bevor der Kiosk zumacht. Vermutlich kann er anders nicht einschlafen.«, sie zwinkerte dabei mit ihren Wimpern und legte einen übertrieben bedauernswerten Unterton in ihre Stimme. »Der kleine Junge hat ja sonst nichts.«

»Ein armes Schwein ist er!«, rutschte Jenny heraus.

Melanie warf ihr einen finsteren Blick zu und sagte: »Ein Schwein, das mich verprügelt hat und sein dämlicher Freund stand daneben.«

Nach ihren letzten Worten, wurde Melanie nachdenklich. »Eigentlich war das gut so, denn wenn er Donald nicht weggeschoben hätte, dann sähe ich jetzt vermutlich anders aus.«, murmelte sie dann leise.

»Aber was sollen wir machen?«, fragte Jenny und überspielte damit rasch Melanies Gefühlsausbruch, der bereits erkennen ließ, das sie gleich anfangen würde zu weinen.

Melanie holte kurz Luft und sprach weiter. »Wir warten, bis er nach Hause geht und folgen ihm. Etwas weiter unten, verläuft die Straße in einer Biegung, da gibt es nicht viele Laternen. Der ideale Ort, um ihm die Flaschen kaputt zu treten.«

»Das ist alles?«, bemerkte ich überrascht.

»Vielleicht ergibt sich noch mehr.«, bestimmte Melanie.

»Langweilig!«, ich war enttäuscht. Ich hatte mir mehr versprochen, als ihm sein dämliches Bier kaputt zu treten. Schließlich hatte er mich ausgelacht, mich als Hure bezeichnet. Irgendwie musste man ihn doch heftiger treffen!

Ihn richtig erniedrigen.

Ich dachte daher angestrengt nach, und nach einer Weile, sagte ich: »Wir lassen ihn nackt durch die Straße rennen!«

Die beiden anderen sahen mich überrascht an.

»Wie soll das gehen?«, fragte Melanie, mit einem schockierten Ausdruck in ihrem Gesicht.

»Ich erkläre es euch!«, sagte ich und wir drei rückten etwas näher zusammen. »Wir warten bis er von der Bank weggeht. Manchmal macht er das auch tagsüber. Dann machst du ihn scharf Jenny. So richtig!«

Ich schaute Jenny dabei mit großen Augen an. »Du lockst ihn in die Einfahrt, vom Haus Nummer acht in der Hebelstraße. Das steht doch leer, weil es renoviert werden soll. Dort ziehen wir ihm eins über und ziehen ihn aus. Mit etwas Glück, ist er sowieso betrunken und merkt kaum was.«

»Du bist verrückt!«, lachte Melanie.

Jenny schaute mich immer noch nachdenklich an und dachte über diese Idee nach, dann sagte sie: »Ich mach mit!«

Melanies Lachen verstummte.

Jenny schaute sie an. Warum nicht, dachte sie. Es war an der Zeit diesem Kerl mal zurück zu zahlen, was er ihr angetan hatte. Für jedes Mal, wo er ihr an die Brust gefasst hatte, sollte er bezahlen. Schließlich war sie keine Schaufensterpuppe, an der man herumspielen konnte, wie man wollte.

Melanie schluckte unterdessen ihr Lachen hinunter.

Es war so schnell verschwunden, wie es gekommen war und sie fragte fassungslos: »Ist das euer Ernst?«

»Meiner schon!« sagte Jenny und ich schloss mich ihr kopfnickend an.

»Glaubst du wirklich, ein paar zerbrochene Bierflaschen wiegen das auf, was er dir angetan hat. Der Kerl ist nachmittags sowieso immer besoffen. Vermutlich müssen wir ihm noch nicht mal eins überziehen.«

»Puh!«, stöhnte Melanie. »Das kann aber gefährlich werden!«

»Ich mach das schon!«, sagte Jenny selbstsicher und schob dabei ihren monströsen Vorbau nach oben, so als wollte sie ihn noch mehr zur Geltung bringen, obwohl er uns sowieso schon direkt ins Auge sprang. Egal wie sehr man versuchte, sie an einer anderen Stelle anzuschauen. Ihre kleine Statur, verschwand förmlich hinter dem, was sie vor sich hertrug. Wie ein Streichholz in einer Schachtel.

Melanie murmelte währenddessen: »Mit gefährlich meine ich nicht etwa, das uns von Donald Gefahr droht, sondern auch von der Polizei.«

Ich schaute Melanie unsicher an. »Was meinst du damit. Wir wollen es ihm heimzahlen und jetzt wo wir einen Plan haben, bekommst du kalte Füße?«

»Das ist doch kein Plan!«, rief Melanie empört. »Ihr habt eine Idee und eine recht absurde dazu. Wie ziehen wir diesen fetten Kerl überhaupt aus?«

Wir Mädchen sahen uns ratlos an, bis Jenny verdeutlichte. »Es geht doch gar nicht darum, ob wir ihn wirklich ausziehen, sondern das er mal eine Abreibung bekommt. Wenn es uns gelingt, ihn in das Haus zu bekommen und ihm eine überzuziehen, dann wird er sich in Zukunft schon von uns fernhalten.«

»Ich weiß nicht.«, Melanies Stimme klang unsicher und nachdenklich »Donald Herb ist nicht so einer.«

»Du hast einfach nur Angst!«, rief ich. »Wir schnappen uns den Kerl. Und wir ziehen ihn aus.«

Wieder sahen wir uns alle drei an und dabei konnte jede, in den Gesichtern der anderen beiden lesen, das es uns ernst war.

Es gab kein Zurück mehr!

Dafür war es jetzt zu spät.

Wir erhoben uns vom Bett und verließen die Wohnung.

Und während Jenny noch davon erzählte, wie oft Donald ihr an die Brust gefasst hatte, dachten Melanie und ich darüber nach, wie wir das ganze angehen konnten, ohne Gefahr zu laufen, das es später negative Auswirkungen für uns alle drei haben könnte.

Jennys Brust Angriffen, hörte dabei keiner zu.

Ich dachte vielmehr an meine Mutter und was sie wohl tun würde, wenn sie davon erfahren würde.

Doch wie sollte sie denn?

Als wir die Straße mit dem Kiosk erreichten, wurden wir alle drei aus unseren Gedanken gerissen und schauten uns um.

Melanie war still geworden und auch ich hätte am liebsten einen Rückzieher gemacht, doch niemand wollte sich jetzt eingestehen, dass er Angst habe. Auch Jenny nicht.

Unsere Blicke, wanderten daher suchend an den Häusern entlang, um sicher zu gehen, dass wir den richtigen Platz ausgesucht hatten. Die Wahl war auf diesen Bereich der Straße gefallen, weil Jenny wusste, das Donald immer diesen Weg nahm und wir uns deshalb sicher sein konnten, das er uns hier über den Weg laufen würde. Außerdem gab es im unteren Bereich der Straße, eine große Nische zwischen einem Hausvorsprung und dem Sockel des angrenzenden Hauses. Ein ideales Versteck, um die Bank mit den Männern im Auge zu behalten. Ohne dabei gesehen zu werden. Außerdem konnten wir uns in den schmalen Spalt, zwischen die zwei Häuser zwängen, wenn Donald hier entlang kommen würde. So würde er uns nicht bemerken.

Ohne zu zögern, stellten wir uns davor auf. Direkt hinter dem Hausvorbau, der uns eine gute Deckung bot. Von hier aus konnten wir unbemerkt, die Bank und das nähere Umfeld einsehen und falls nötig, würden wir uns schnell in den schmalen Durchgang zwängen, der hinter uns lag.

Dann begann eine zermürbende Wartezeit in der wir abwechselnd die Kerle auf der Bank beobachteten und warteten.

Donald Herb, saß teilnahmslos in der Mitte der Sitzfläche, trank hin und wieder aus seiner Flasche und grinste kurz, während er seinen Kumpanen zuhörte, wie sie sich gegenseitig aufstachelten.

Alles hoffnungslose Individuen, so wie Melanies Mutter sie immer nannte.

Sie alberten herum und tranken Bier. Brüsteten sich lautstark mit irgendwelchen Abenteuern und klopften sich dann gegenseitig auf die Schulter.

Männer!

Melanie starrte sie an, während sie an der Reihe war, sie zu beobachten. Sie hatten sich nichts Sinnvolles zu erzählen und schafften es doch, den Nachmittag mit ihrem Geschwätz auszufüllen.

Dabei fixierte sie Donald Herb besonders intensiv mit ihren Blicken und stellte fest, dass ihre Angst vor ihm, plötzlich verflogen war. Dieses fette Schwein saß auf der Bank und schien sich sichtlich wohl zu fühlen, während die Sonne auf sein verschwitztes Haupt schien und seine Freunde um ihn herum lauthals prahlten.

Mehr geschah nicht. Also mussten wir weiter abwarten.

Es wurde ein langer Nachmittag an dem die Stunden nur zäh und langsam verstrichen.

Niemand von uns hätte gedacht, dass unsere schwierigste Aufgabe darin bestehen würde, diesen Kerlen zuzusehen, wie sie an ihrer Bank herum lungerten und die Zeit totschlugen.

Plötzlich wurde es an der Bank immer lauter.

Die Männer schrien sich fast an, während sie miteinander erzählten und die Passanten, die an ihnen vorbei gingen, schauten erschrocken zu der Gruppe hinüber.

Die Geräuschkulisse, die von der Sitzbank ausging, erfüllte mit einem mal die ganze Straße und echote von den Hauswänden zurück. Bei all dem Lärm und der Hektik, verlor der schon leicht angetrunkene Donald, plötzlich seine Zigarette. Sie rutschte ihm aus seinen speckigen Fingern und landete auf dem Boden.

Melanie konnte es genau beobachten.

Sofort sprang er auf und hechtete hinterher.

Im selben Moment, stellte ich mich neben Melanie, um sie abzulösen, und spähte bereits um die Ecke, als Mel zu Jenny sagte: »Es tut sich was!«

Sie kam rasch hinzu und schaute ebenfalls um die Ecke.

Donald lief immer noch seiner Zigarette hinterher, die die abschüssige Straße hinunter rollte. Endlich erreichte er sie. Bückte sich und hob sie auf. Dabei rutschte seine Hose hinunter, so dass man seinen fetten Arsch sehen konnte.

Wir kicherten und Melanie musste anfangen zu lachen.

Donald erhob sich wieder und betrachtete dabei die Zigarette in seiner Hand, wodurch er völlig vergaß, seine herunter gerutschte Hose, wieder hoch zu ziehen. Seine Freunde, die ihn mit heruntergelassenen Hosen sahen, fingen an zu lachen.

Donald hingegen stand da, die Zigarette in der Hand und die Hosen runter und sah sich um. Alle um ihn herum lachten plötzlich und man deutete auf ihn. Selbst die Passanten fingen an zu kichern. Manche grinsten breit, andere fingen lauthals an zu lachen.

Irritiert schaute er deshalb an sich hinunter und bemerkte plötzlich, warum es im unteren Bereich seines Körpers so kühl wurde, trotz der warmen Temperaturen.

Sein Gesicht lief rot an.

Noch röter, als es ohnehin schon immer war und er ließ die Zigarette fallen.

Mit einem Ruck zog er die Hose hoch, dabei schlug der Gürtel seinen Penis nach oben, der wie ein Stück Gummi zurück schnellte, bevor er in der Hose verschwand.

Jenny und ich lachten.

»Alleine das ist es schon wert!«, rief Jenny, die kaum sprechen konnte, »Sein Schwanz hat…!«

Melanie konnte überhaupt nicht mehr hinsehen und musste sich vor Lachen den Bauch halten. Wir alle drei lachten und nur ich beobachtete ihn weiter. Vielleicht war es die Unsicherheit über unser Vorhaben, die uns alle drei so intensiv Lachen lies, doch der Moment gehörte ganz uns und wir kosteten ihn aus.

»Er kommt!«, rief ich plötzlich und unser Lachen verstummte.

Donald kam wirklich die Straße hinunter.

Mel und ich, wir verzogen uns in die Nische. So wie wir es vereinbart hatten. Jenny blieb an der Ecke stehen.

Sie stellte sich so an die Wand, das er sie erst sehen konnte, wenn er auf ihrer Höhe angekommen war, während man sie von der Bank, oder dem Kiosk aus, nicht sehen konnte und dann kam er.

Schnaufend und immer noch die Hose festhaltend, rannte er die Straße hinunter. Das ganze erinnerte Jenny an eine alte Lokomotive, die schwer schnaufend, den Berg hinunter kam. Doch es war nur Donald und Jenny nutzte ihre Chance. »Hallo Donald!«

Er warf ihr einen kurzen Blick zu und rannte weiter.

Erst als er schon an ihr vorbei war, blieb er stehen und drehte sich um.

Mit einem lässigen Ruck, schob er sein Beinkleid, eine alte verwaschene Cordhose, in die richtige Position und kam auf sie zu.

»Meinst du mich?«, hauchte er ihr entgegen und sein Atem schlug in ihr Gesicht, wie ein böser Dunst. Er stank nach Alkohol und den Resten einer unverdauten Mahlzeit, die noch zwischen seinen Zähnen hing und langsam dahin faulte.

Jenny brachte all ihre Überwindung auf, um nicht angeekelt den Kopf wegzudrehen. Stattdessen sagte sie, mit einer gespielten Erotik in der Stimme: »Natürlich! Oder gibt es hier noch einen Donald!«

Dabei warf sie einen Blick auf den Reisverschluss seiner Hose und grinste ihn an.

»Das war eben ein Versehen!«, stotterte er, als er ihren Blick bemerkte und ihm klar wurde, wohin sie schaute.

»Lass die doch! Ich beobachte dich schon so lange und eben habe ich ja den anderen Donald gesehen!«

Donald wurde rot. Sein Gesicht lief plötzlich derart rot an, das Jenny für eine Sekunde überlegte, ob sein Kopf gleich explodieren würde.

»Meine Freunde nennen mich Don!«, sagte er schließlich und aus der Art, wie er es betonte, konnte man bereits heraushören, das er gut getrunken hatte.

»Don!«, sie hauchte ihm den Namen so zärtlich entgegen, das Don plötzlich ein angenehmes Gefühl in seinem Inneren verspürte und das sich noch weiter steigerte, als er auf Jennys Ausschnitt starrte und ihre große Brust betrachtete.

»Ich heiße Jenny!«, sagte sie.

»Ich weiß!«, antwortete Don abwesend, ohne den Blick von ihrer Brust abzuwenden. Jenny kam auf ihn zu und fuhr ihm mit der Hand über die rechte Wange, dann schlug sie vor: »Lass uns woanders hingehen!«

Dons Blick wurde plötzlich starr. Er schaute ihr in die Augen und sein Blick bekam schon im nächsten Moment, einen seltsamen Glanz, der Jenny einen kalten Schauer über den Rücken trieb. Doch sie ließ sich nichts anmerken und Dons alkoholisierter Zustand sorgte dafür, dass er es nicht bemerkte. Nicht einmal misstrauisch wurde.

Er war soweit, dachte sie und nahm ihn am Arm.

Jenny ging mit ihm die Straße hinunter.

Melanie und ich schauten ihnen nach.

Hin und wieder, zog Don dabei mit der anderen Hand die Hose hinauf, die nach einigen Schritten wieder anfing, herunter zu rutschen. Doch den Blick ließ er keinen Moment lang von ihr ab.

Wir schluckten. Uns wurde plötzlich bewusst, dass wir etwas begonnen hatten, von dem wir nicht einmal ansatzweise abschätzen konnten, wohin es führen würde.

Zuerst hatten wir in unserem Versteck geschmunzelt, als wir Jennys Anmache verfolgt hatten. Jetzt aber war uns das Lachen vergangen. Don war voll darauf eingestiegen und das zierliche Mädchen war dem großen, schwergewichtigen Kerl in keinster Weise gewachsen. Sie wusste nicht einmal, wie rücksichtslos Don wirklich sein konnte. Darum mussten wir vor ihr am Haus Nummer acht sein.

Die Hebelstraße war von zwei Seiten zu erreichen.

Jenny, die Don mit sich führte, lief unten herum. Mel und ich nahmen den anderen Weg. Die Straße hinauf, rechts in die Querstraße und dann wieder hinunter. Vorbei an den unzähligen alten Häusern, die diesen Straßenzügen ihr charakteristisches Aussehen verliehen. Triste und verschnörkelte Hausfassaden, die uns mit ihren vielen Vorbauten und Nischen eine gute Deckung boten.

Wenn Don eine von uns sehen würde, dann war alles vorbei, darum schauten wir uns immer wieder um. Versicherten uns, dass er, wenn er in Hebelstraße einbog, uns nicht sehen konnte. Er war zwar angetrunken, doch richtig blau war er noch lange nicht. Zumindest glaubten wir das.

Mit schnellen Schritten rannten wir die Hebelstraße hinab und bogen in die Einfahrt vom Haus Nummer Acht ein. Melanie öffnete das nur angelehnte alte Tor zur Durchfahrt. Ließ es einen Spalt weit offen, als Zeichen für Jenny. Damit sie wusste, das wir bereits hier waren und dann liefen Melanie und ich in den Hof.

Alles hier war alt und verfallen. Von den Hauswänden bröckelte der Putz ab und unzählige, eingeworfene Fensterscheiben, in farblosen Holzrahmen starrten uns an. Auf der rechten Seite befand sich eine Treppe. Vier Stufen, die zu einer breiten Eingangstür führten. Eine Hälfte der Tür fehlte, die andere stand offen.

Rasch liefen wir in den Hausflur.

Es roch nach Moder und abgestandener Luft. Dreck und Abfall lag in den Ecken der Treppenstufen und auf den Etagen. Alles faulte langsam vor sich hin.

Das ganze Haus war in den letzten Monaten zu einer Art Spielplatz mutiert. Seit dem Tag, an dem ein Kind herausgefunden hatte, das das große Hoftor nur angelehnt war. So hatte das Haus an Reiz und Interesse gewonnen und fast jeder Jugendliche, hatte es sich schon einmal von innen angeschaut. Entweder weil ihn die Abenteuerlust angetrieben hatte, oder aus reiner Neugier.

Melanie ging zur Tür der Erdgeschosswohnung und rüttelte am Griff.

»Zu!«, stellte sie niedergeschlagen fest.

Ich drückte sie zur Seite und trat gegen das Türblatt.

Das Holz knarrte und man hörte, wie auf der anderen Seite etwas abbrach.

Melanie drückte nochmals auf den Griff und die Tür öffnete sich.

Schnell schlüpften wir hindurch. Ließen die Tür offen stehen und schauten uns um. Die Wohnung sah furchtbar aus. Überall lag Dreck und Müll und erfüllte die Luft mit einem seltsamen Geruch, der abstoßend und beißend in den Räumen schwebte.

Ich fand einen runden Pfahl, der an der Wand im Flur lehnte.

Ein Holzpfahl, der auf einer Seite angespitzt worden war.

Etwas verwundert, nahm ich ihn an mich.

Die einzige Waffe. Etwas Besseres hatten wir nicht, um uns gegen Don zur Wehr zu setzen. Doch es sollte genügen, um ihm eins überzuziehen. Schließlich wollten wir ihn nicht töten.

Dann schauten wir uns weiter um.

Die Fenster waren überall dort abgeklebt, wo man zuvor die Glasscheiben eingeworfen hatte und die wenigen Scheiben, die nicht zugeklebt worden waren, waren so verschmutzt, das nur wenig Licht in die Räume fiel.

Neben der Eingangstür befand sich ein Bad.

Von dort drang ein beißender Geruch in die Wohnung, der sich mit den anderen Gerüchen vermischte und so den Wunsch aufkommen ließ, diese Räume möglichst schnell wieder verlassen zu wollen. Doch wir hatten uns zu dieser Idee hinreißen lassen und jetzt war es zu spät, sich an Gerüchen zu stören.

Draußen vom Gang hörte man bereits Stimmen.

Jenny, die etwas sagte und Don, der nur brummte.

Dann knarrte eine der Holzstufen im Treppenhaus.

Melanie kam schnell zu mir und gemeinsam versteckten wir uns im Bad.

Unser Puls schlug uns bis zum Hals.

Unsere Körper zitterten. Alles ging plötzlich viel zu schnell.

Jede Handlung schien unüberlegt und hastig abzulaufen.

»Nicht gerade ein Traum!«, sagte Jenny, als sie eintrat und Don hinter ihr die Tür schloss.

Bei dem Anblick, bekam Jenny Angst.

Sie hoffte, das wir bereits hier waren und versuchte irgend einen Hinweis zu finden, den wir ihr hinterlassen haben könnten. Doch bei dem Unrat, der überall herum lag, konnte sie nichts erkennen. Den Hinweis mit dem Hoftor, hatte sie nicht verstanden, oder ihn einfach übersehen.

Plötzlich wurde sie nervös.

Don packte sie in diesem Moment am Arm und schob sie hinüber zur Wand. So wie er es auch mit Melanie getan hatte.

Jenny piepste kurz, vermied es aber zu schreien.

»Lass uns anfangen!«, schlug Don vor und fummelte an seiner Hose herum.

Doch seine speckigen Finger, die vor Nervosität zitterten, schafften es nicht, den Kopf auf zubekommen.

»Hilf mir verdammt!«, brüllte er. Doch Jenny schaute ihn nur angsterfüllt an. Ihr wurde plötzlich bewusst, in welcher Gefahr sie schwebte und vor allen Dingen, wer ihr gegenüber stand. Er packte ihren linken Arm und führte ihn an seinen Schritt, während er mit der anderen Hand nach ihrer Brust grabschte. Dabei schlug ihr sein stinkender Atem ins Gesicht und er kam immer näher, und dann gab es einen dumpfen Schlag.

Ein Ruck fuhr durch das zierliche Mädchen, das wie erstarrt mit dem Rücken an der baufälligen Wand stand und beobachtete, wie Donald Herbs Hand unter ihr Top rutschte, über ihre nackte Brust glitt, bevor er bewusstlos zusammenbrach.

Dann starrte Jenny auf mich. Wie ich mit dem angespitzten Knüppel hinter Donald stand und bereit war, ein weiteres mal zuzuschlagen. Mit einem festen Schlag, hatte ich ihn umgehauen und jetzt lag er am Boden.

Jenny zog ihr Top zurecht, das Donald mit seiner Hand aus der Form gebracht hatte und dann trat sie auf Don ein, der regungslos am Boden lag. Dabei rief sie laut: »Du Schwein! Du verfluchtes Schwein!«

Wieder trat sie zu und Melanie musste sie zurückhalten. »Hör auf!«

Sie schaute Jenny dabei böse an. »Wir wollen ihn demütigen! Nicht umbringen.«

Dabei kam sie sich fast lächerlich vor, als ihr in den Sinn kam, das Reiner an jenem Abend das gleiche zu Don gesagt hatte, als dieser auf sie eingetreten hatte.

»Ja hör auf!«, pflichtete ich Melanie bei und warf den Pfahl, mit dem ich zugeschlagen hatte weg. Sodass er polternd auf dem Boden landete und dann durch den Raum rollte, bis er vor der Wand liegen blieb.

»Wir ziehen ihn aus!«, entschied Melanie und packte Dons Jacke. »Wozu trägt der bei diesen Temperaturen eine Jacke«, maulte sie dabei und zog an seinem Ärmel herum, so dass Donald eine ungewollte Rolle auf dem Boden absolvierte und dann griff sie nach seinem Oberteil.

Ein stinkiges T-Shirt, das er vermutlich schon seit Wochen trug.

Es kostete sie einiges an Anstrengung, ihm das verschwitzte Teil über seinen dicken Kopf zu ziehen. Dabei kam ein speckiger, stark behaarter Oberkörper zum Vorschein, der uns alle drei anekelte.

Die Schuhe, die Hose und dann kam die Unterhose. Leicht gelblich schimmerte sie im Schritt und wir warfen uns einen ratlosen Blick zu.

Plötzlich sagte ich: »Stellt euch nicht so an!«

Ich packte die Unterhose am Gummibund und zog.

Mit einem kurzen ratschenden Ton, zerriss das Gummiband und plötzlich konnten wir alle auf seinen Penis blicken.

»Der ist ja ganz krumm!«, sagte Jenny mit einem gewissen Ekel in ihrer Stimme.

»Und klein ist er auch!«, Melanie schaute genauer hin. »Müsste der bei so einem Kerl nicht größer sein?«

»Vielleicht benutzt er ihn zu wenig!«, mutmaßte ich, mit einem nachdenklichen Blick auf Dons wertvollstes Stück.

Damals wusste keiner von uns mehr dazu zu sagen.

»Lasst uns gehen!«, Melanie fühlte sich plötzlich unwohl. Sie sammelte Dons Kleider ein und bildete daraus einen Knäul. Dann öffneten wir die Tür und betraten den Hausflur, als wir alle erschraken.

Vor uns im Gang, stand ein kleiner Mann. Er trug einen Arbeitskittel und schaute uns skeptisch an.

»Ihr habt hier nichts zu suchen!«, rief er streng.

Melanie, die noch Dons Kleider im Arm hielt, stand wortlos vor ihm.

»Das ist der Hausmeister von nebenan!«, flüsterte Jenny mir ins Ohr. »Der ist verrückt!«

Ich antwortete ihr nicht, sondern sagte in ruhigem Ton: »Wir haben hier nur etwas abgehangen!«

Der Mann kam die letzte Stufe hinauf und betrat den Raum durch die Tür.

Ich biss mir ängstlich auf die Lippe und die beiden anderen, wechselten nur einen kurzen Blick. Dann wurde uns klar, dass jetzt alles vorbei war.

»Kommt mal her!«, befahl der Mann und rief uns so zurück in die Wohnung, wo Don auf dem Boden lag.

Niedergeschlagen kamen wir zu ihm.

»Was ist denn das?«, fragte er mich und zeigte dabei auf den nackten Don.

Ich sah den Mann ratlos an.

Was sollte ich sagen?

Mein Blick glitt kurz zu Don hinüber, der im Halbdunkel des Raumes lag und dann zurück zu dem Mann. »Wir wollten uns nur rächen. Dafür das er uns ständig quält.«

»Mich hat er zusammengeschlagen!«, rief Melanie dazwischen.

Der Mann ging zu Don und fühlte nach seinem Puls, dann schaute er ihn sich lange an. »Er schläft!«

Nachdenklich brummte er. Schaute zu uns Mädchen und hob auf dem Weg zurück zur Tür den Pfahl auf, der vor die Wand gerollt war.

Drehte ihn einmal in der Hand und sagte grinsend: »Haut ab und lasst euch hier nie wieder blicken und kein Wort zu niemandem, sonst bekommen wir alle Ärger.«

»Danke!«, rief ich erleichtert und meine Freundinnen schlossen sich mir an.

Ohne zu zögern, rannten wir hinaus. Die Treppe hinunter und durch den Hof auf die Straße. Etwas weiter unten in der Straße, warf Melanie Dons Kleider achtlos auf den Gehweg und dann rannten wir weiter.

Immer weiter.

Was Don gemacht hatte, nachdem er aufgewacht war, wusste niemand.

Fest stand nur, dass er am nächsten Tag wieder in seinen Klamotten vor dem Kiosk saß und damit prahlte, dass er gestern bei einem Mädchen gewesen sei. Wer das gewesen war, wollte er nicht sagen.

Aus Anstand natürlich!

So machte er aus der Geschichte, die ihn eigentlich bis aufs Mark hätte blamieren sollen, noch eine Romanze, die ihn als unwiderstehlichen Liebhaber darstellte.

Noch bevor wir aber davon etwas mitbekamen, stand die Polizei bei Jenny vor der Tür.

Denn dieses fette Schwein hatte Anzeige erstattet.

Anzeige gegen sie!

Schließlich war sie die einzige, die er gesehen hatte.

Und Jenny hatte alles ausgeplaudert.

So kam es, dass gegen Mittag, die Polizei auch bei mir vor der Tür stand.

Meine Mutter bat die beiden Polizisten herein und dann führte sie mit ihnen ein langes Gespräch. Niemand wollte mich sehen. Mir Fragen stellen. Nichts!

Ich wartete in meinem Zimmer.

Schweigend und nachdenklich.

Doch auch wenn niemand mit mir reden wollte, wusste ich worum es ging. Es war so offensichtlich, wie die Tatsache, dass mir diese ganze Aktion eine Menge Ärger einbringen würde.

Als die beiden Polizisten gegangen waren, rief meine Mutter mich in die Küche. Diesmal trug sie keinen Bademantel, sondern eine enge Stretch Hose, eine gelbe Bluse und ihre sportliche Frisur.

Sie fixierte mich mit strengen Blicken.

Ich nahm auf dem einfachen Metallstuhl am Tisch platz.

Meine Mutter saß auf der anderen Seite des kleinen Tisches, der in der Küche stand. Der Tisch, an dem ich schon unzählige Male alleine essen durfte, während meine Mutter mit ihrem Freund im Bett gespeist hatte.

Aus diesem Grund, hatte ich den Raum bisher immer als abstoßend und hässlich empfunden. Doch in diesem Augenblick, wollten meine Gedanken nur dem Moment entfliehen und kreisten durch diesen Raum, der plötzlich all seine Hässlichkeit verloren hatte. Wenngleich die ganze Küche mehr eine Ansammlung verschiedenster Möbel war, die zwar alle weiß waren, so wie auch der Herd und der Kühlschrank. Doch meine Mutter hatte die Möbel nach und nach zusammengekauft und Phillip, hatte irgendwann eine Art Arbeitszeile daraus gebaut. In Wahrheit war die Küche hässlich.

Doch sie erfüllte ihren Zweck.

Es dauerte eine Weile, bis meine Mutter etwas sagte und ich blickte die ganze Zeit über auf ihre Hände, die sie vor sich auf dem Tisch abstützte und dabei ihren linken Daumen massierte.

Dann sah sie zu mir. »Ich glaube, so geht es nicht mehr weiter!«

Ich schwieg. Den Satz kannte ich, aber nicht die Art, wie sie ihn sagte.

»Du weist warum die Polizei gerade hier war oder?«

Ich nickte stumm.

»Sie sagen, ihr habt einen Mann KO geschlagen, ihn ausgezogen und ihn nackt in einem der alten Häuser zurückgelassen!«

»Er hat Melanie verprügelt und...«, weiter kam ich nicht.

Meine Mutter schlug mit der Faust auf den Tisch und schrie: »Es interessiert mich nicht! Angela, du hast in den letzten Monaten immer wieder bewiesen, dass du nicht mehr auf mich hörst!«

»Wundert dich das?«, rief ich plötzlich laut.

Meine Mutter sah mich überrascht an. Mit einer solchen Reaktion hatte sie scheinbar nicht gerechnet. »ICH sage dir, wie du dich zu verhalten hast und nicht du!«

»Du kannst mich mal!«, schrie ich im Zorn und schon im nächsten Augenblick bereute ich, was ich gesagt hatte. Doch mein Stolz, ließ meinen Zorn weiter ansteigen. »Du machst doch selbst, was du willst!«

»Wie meinst du das?«

»Was ist mit Papa? Hast du mich je gefragt, ob ich mit Phillip zurechtkomme? Ob ich mit dieser Situation zurechtkomme?«, ich erhob mich, so als wollte ich den Raum verlassen, doch meine Mutter wurde plötzlich wieder ruhiger und befahl mir: »Setz dich!«

Ich sah sie fragend an, dann setzte ich mich wieder.

»Wir müssen eine Lösung finden.«, stammelte meine Mutter. »Wie immer die auch aussieht. Auf Grund deiner Vorstrafen, die du dir zugelegt hast, ist fraglich was jetzt passieren wird.«

»Es interessiert mich nicht!«, sagte ich barsch.

»Sollte es aber.«, meine Mutter schaute mich an. »Ich werde mit dem Jugendamt reden.«

»So wie immer!«

»Ja! Wie immer und wie immer kann ich bitten und betteln, dass dir nichts passiert. Schließlich ist das Jugendamt schon längst über diese Sache informiert!«

Sie fasste sich mit beiden Händen in die Haare und sagte dabei: »Über die andere Sache, sollten wir in Ruhe reden. Vielleicht hätte ich dir wirklich mehr erzählen sollen und vielleicht hätte ich auch mehr auf dich eingehen müssen, aber…«

Sie schwieg plötzlich.

»Was aber?«, wollte ich wissen.

»Ich weiß es nicht. Lass uns jetzt erst die Sache mit dem Jugendamt klären.«, damit erhob sie sich und verließ den Raum.

In diesem Moment wusste ich, das das Gespräch beendet war. So wie jedes Gespräch mit ihrer überraschenden Abwesenheit endete und auch zukünftig immer enden würde. Bei dem Gedanken daran, musste ich weinen und die Tränen liefen über meine Wangen hinunter auf meinen Arm.

Die Tür zum Schlafzimmer wurde zugeschlagen. Dann wurde es ruhig

Ich saß noch eine geraume Zeit da, dachte nach und weinte, bis ich schließlich auch in meinem Zimmer verschwand.

Den ganzen Nachmittag über herrschte in der Wohnung eine bedrückende Stille, die mich förmlich in den Wahnsinn trieb und selbst als Phillip später kam, hörte ich nur, wie Türen zugeschlagen wurden und es ruhig blieb.

Irgendwann dann holte noch jemand das Telefon aus dem Flur, was ich, an dem Piepsen des Gerätes, wenn man es aus der Ladeschale nahm, bemerkte und dann kehrte wieder völlige Ruhe ein. Bis spät am Abend wieder Türen gingen und plötzlich meine Zimmertür aufflog.

Phillip stand in der Tür und sagte: »Ich soll dir ausrichten, dass ihr morgen um neun, einen Termin auf dem Jugendamt habt.«

Er schaute mich an und ich schaute zurück.

»Deine Freundin kommt auch mit ihrer Mutter. Wird bestimmt lustig!«

Ich sagte nichts. Plötzlich drehte er den Kopf und warf einen kurzen Blick in den Flur, so als wollte er prüfen, ob die Schlafzimmertür noch zu war, bevor er leise sagte: »Mach dich nicht verrückt. Davon geht die Welt auch nicht unter!«

Ich schaute ihn nur an.

Er kam näher. Setzte sich neben mich auf mein Bett und schaute ebenfalls auf die Zimmertür, so wie ich es von meinem Platz aus tat.

»Habt ihr dabei wenigstens euren Spaß gehabt?«, fragte er plötzlich.

Meine Gesichtszüge bekamen ein leichtes Grinsen, das ich einfach nicht unterdrücken konnte. »Was willst du denn jetzt hören?«

»Eigentlich würde ich von dir am liebsten hören, das ich vielleicht nicht das Arschloch bin, für das du mich hältst, aber fürs erste, genügt mir auch eine Antwort auf meine Frage.«

Ich drehte den Kopf zur Seite und schaute ihn an. »Ich kenn dich doch gar nicht richtig!«

»Zumindest gut genug, um in mir das Arschloch zu sehen.«, er schaute mich ebenfalls an.

Ich zuckte nur unwissend mit den Schultern.

»Ich kann nichts dafür, dass dein Vater meine Tochter erzieht und ich jetzt hier bei dir bin. So ist das Leben nun mal!«, versuchte er zu erklären.

»Das Leben ist scheiße!«, murmelte ich leise.

»Das Leben ist nicht scheiße, nur unvorhersehbar.«, er lächelte. »Du musst lernen dich den Veränderungen anzupassen, anstatt gegen sie anzukämpfen.«

»Und du glaubst daran«

»Die Erkenntnis hat mich zwei Jahre Knast gekostet.«

Phillip erhob sich und ging zurück zur Tür.

Als er den Griff in der Hand hatte, sagte ich leise: »Wir hatten Genugtuung, das war alles was wir wollten und dafür stehe ich auch ein.«

Er nickte stumm und schloss die Tür, dann wurde es wieder still.

Das Jugendamt war ein Gebäude, das alleine schon beim bloßen Anblick, in mir eine Welle der Angst und des Schreckens auslöste, so wie ich es bei keinem anderen Gebäude verspürte, oder jemals gespürt hätte.

Am Ende eines großen Parkplatzes, am Rande des Stadtzentrums, eingefasst von breiten Straßen und einer altertümlichen Mauer im Hintergrund, stand das alte Haus, mit seinen unzähligen Dachgauben, die über den Platz hinweg starrten, mit einem bedrohlich, angsteinflößenden Blick. Als wollte es sagen, geh weg! Denn wenn du näher kommst, wird sich dein Leben ändern.

So war es auch an diesem Morgen, an dem ich folgsam neben meiner Mutter herlief.

Die Sonne schien vom Himmel und vermutlich würde es ein wunderschöner Tag werden, doch nicht für mich.

Nicht heute.

Nicht wenn ich daran denken musste, warum ich hier war und auf das düster wirkende Gebäude zuging.

Um über die Schandtaten hinweg zu täuschen und wenigstens oberflächlich einen guten Eindruck zu hinterlassen, hatte ich mein bestes Kostüm anziehen müssen.

Ich hasste dieses Ding.

Ein langes graues Kleid, mit einem schmalen, schwarzen Gürtel um meine Hüfte. Meine Haare hatte ich, mit viel Haarspray so geformt, das mir kein einziges davon in mein kindliches Gesicht fallen konnte. Dazu trug ich passende, dunkle Schuhe.

Meine Mutter hatte eine Stoffhose an, eine blaue Bluse und eine dünne, hellgraue Jacke, die sie halb geschlossen hielt.

Mit jedem Schritt, um den wir uns dem Gebäude näherten, wurde ich nervöser. Irgendwie bekam ich immer mehr das Gefühl, von hier fliehen zu wollen, doch das konnte ich nicht.

Meine Mutter würde mich umbringen!

Wir betraten die Stufen am Eingang. Meine Mutter öffnete die alte Holztür, die man gelb gestrichen hatte, und dann betraten wir das Gebäude, das im inneren ebenso alt war, wie es von außen, den Anschein machte und schlecht renoviert dazu. Zumindest wirkte es so, in den Augen eines Teenagers.

Der Holzboden knarrte bei jedem Schritt und selbst die Treppe, verkündete unsere Anwesenheit mit lautem Knarren, bei jedem Schritt, den meine Mutter und ich, auf dem Weg nach oben, machten.

In der ersten Etage, sah es genauso unfreundlich aus, wie im Eingangsbereich. Durch den verbauten Flur, gelangten wir schließlich zu dem Vorraum, den wir beide nur zu gut kannten. Wie oft ich hier schon gewartet hatte, konnte ich überhaupt nicht mehr sagen, doch heute war es anders.

Ich war nicht alleine.

Melanie war hier und auch sie hatte sich heraus geputzt.

Mit Stoffhose und Bluse, Schleife im Haar und neuen Schuhen.

Als wir beide uns sahen, kam sie auf mich zu und umarmte mich. Unsere Mütter wechselten nur ein kurzes "Hallo", dann wurde es wieder still.

Nach einer ganzen Weile, sagte Melanies Mutter, die gleich neben der Tür saß: »Ich war schon einmal drinnen. Es dauert noch einen Moment.«

Meine Mutter musterte die Frau, die sie vom Stuhl aus anschaute.

Sie trug ein teures, dunkelgrünes Kostüm, bestehend aus Jackett und Rock.

Überhaupt sah sie sehr gepflegt und Elegant aus. Meine Mutter kannte sie so überhaupt nicht. Für gewöhnlich, lief sie in abgewetzten Hosen, schlabbrigen Blusen und alten Schuhen herum. Selten das ihre Frisur wenigstens einigermaßen saß und jetzt schien es so, als würde dort eine Fremde sitzen.

Innerlich atmete meine Mutter durch und sagte dann: »Wir warten halt.«

Es wurde wieder still.

Zäh und schweigend floss die Zeit dahin.

Über eine halbe Stunde dauerte diese Geduldsprobe, bis die Tür aufging und Frau Schnitzer-Stein, eine schlanke, große Frau, herauskam und uns alle bat ihr zu folgen. Unter ihrem linken Arm trug sie zwei Mappen. Etwas irritiert ließen wir uns von ihr durch den Flur, zurück in einen anderen Raum führen, in dessen Mitte ein langer, moderner Tisch, mit gut einem Dutzend Stühlen stand.

Bilder mit den unterschiedlichsten Motiven hingen an den Wänden.

Kinderbilder aus verschiedenen Ländern und dazwischen Landschaftsmotive. An einer Seite, ließen drei große Fenster Licht hinein.

Doch auch wenn der Raum wesentlich angenehmer wirkte, als der düstere Flur, in dem wir die letzte halbe Stunde zugebracht hatten, war es hier überaus warm. Unangenehm Warm, wodurch der Raum an Annehmlichkeit verlor.

»Ich hoffe es stört sie nicht, wenn wir uns hier zusammensetzen!«, sagte Frau Schnitzer-Stein und öffnete dabei ein Fenster.

Niemand sagte etwas, alle setzten sich schweigend.

Ohne Frage eine Nebenerscheinung der ungewissen Situation, die sich plötzlich im Raum ausbreitete und die jeden einzelnen von uns veranlasste, sich in Schweigen zu hüllen.

Schließlich hatte jeder einen Platz am Tisch gefunden.

Melanie saß neben mir, meine Mutter daneben, während Melanies Mutter auf der anderen Seite des Tisches saß, mit dem Rücken zur Fensterfront.

Frau Schnitzer-Stein nahm an der Stirnseite Platz.

Immer noch dominierte Schweigen die Runde und auch als Frau Schnitzer-Stein, mit ihren dünnen, spinnenartigen Fingern, die beiden Akten öffnete, die sie mitgebracht hatte, änderte sich noch nichts daran. Dann plötzlich blickte sie auf, lächelte uns Mädchen an und sagte: »Na! Wieder mal hier!«

Wir beide nickten stumm und zustimmend.

Dabei fiel mir wieder auf, das die Frau etwas Seltsames an sich hatte. Sie sah so unscheinbar und unauffällig aus. Schlank, nicht geschminkt, die Haare ungepflegt und doch besaß sie eine so warme und angenehme Stimme, das einem ein kalter Schauer über den Rücken lief, wenn sie mit einem redete.

»Tja, also diesmal stellt sich irgendwie die Frage, was wir machen!«, sie hielt inne und blätterte in meiner Akte. Ich konnte es daran erkennen, dass mein Name an der Seite der Mappe stand. Die andere Mappe gehörte Melanie.

Beide waren wir keine unbeschriebenen Blätter, doch etwas wirklich Schlimmes, hatten wir noch nie angestellt. Dennoch fühlte ich, wie ich anfing zu zittern.

Um dies zu verbergen, nahm ich meine Hände vom Tisch und legte sie auf meine Oberschenkel, so als wollte ich meine zitternden Knie damit festhalten.

»Was hat denn die Polizei gesagt?«, fragte Melanies Mutter schließlich.

»Also mit der Polizei, das konnten wir abbiegen! Soviel mal vorab. Es gibt zwar eine Anzeige, aber das wird nicht weiter verfolgt. Nicht ohne dass Herr Herb, so wie der Mann wohl heißt, einen Anwalt einschaltet, was auf Grund seiner,«, sie schüttelte den Kopf hin und her, während sie nach den richtigen Worten suchte, »sagen wir mal, finanziellen Situation, eher unwahrscheinlich ist. Ich glaube nicht, dass er überhaupt soweit denkt. Was mich vielmehr beschäftigt, ist die Frage, wie der Mann überhaupt ohnmächtig geworden ist.«

Ich schluckte.

»Hat er das nicht auf der Polizei erzählt?«, fragte Melanies Mutter.

»Moment…«, Frau Schnitzer-Stein blätterte in meiner Akte etwas weiter vor, dann sagte sie: »Nein..«

Dabei schüttelte sie fast unverständlich den Kopf. »Er konnte sich wohl nicht daran erinnern.«

»Er ist doch gestürzt.«, fiel Melanie in das Gespräch ein. »Stimmt doch Angie oder?«

Ich zitterte. Mein Puls hämmerte. »Ja«

Mehr bekam ich nicht heraus.

»Wir fanden ihn ja schon so.«, erklärte Melanie weiter.

»Das muss ich dann hier mal notieren«, Frau Schnitzer-Stein zog den Kugelschreiber, der auf der Innenseite der Mappe festgeklemmt war ab und schrieb in meiner Akte herum, dann schaute sie wieder auf.

Ich konnte fühlen, wie plötzlich eine riesige Last von meinen Schultern fiel. Schließlich war ich es gewesen, die Don niedergeschlagen hatte.

Frau Schnitzer-Stein blickte zu Melanies Mutter, die ihre Blicke erwiderte.

Meine Mutter ergriff das Wort und fragte: »Um was geht es dann heute genau?«

Frau Schnitzer-Stein schaute wieder auf die Akte, die jetzt geschlossen vor ihr auf dem Tisch lag. »Naja, auf Grund der Akten, halten wir es schon für sinnvoll, hier eine Maßnahme zu ergreifen, die den Mädchen zeigt, dass es so nicht weitergehen kann. Ich kenne die beiden ja und brauche wohl nicht noch zu erwähnen, dass die unzähligen Fehltage, Anzeigen, die kleineren Vorfälle und so weiter, irgendwann mal zu einer Bestrafung führen müssen.«

»Eine Bestrafung?«, fragte Melanie überrascht.

»Ja!«, Frau Schnitzer-Stein schaute ihr in die Augen und bemerkte dabei »Irgendwann trifft es jeden. Außerdem halte ich eine kleiner Strafe, für eine vorbeugende Maßnahme. Gesetz dem Fall, dass Herr Herb doch noch rechtliche Schritte verfolgen würde. So was könnte sich dann mildernd auswirken.«

Melanies Gesicht verzog sich und bekam eine enttäuschte Mimik.

»Um was für eine Art von Bestrafung soll es denn dabei gehen?«, erkundigte sich ihre Mutter neugierig.

»Da waren wir uns selbst nicht so sicher. Darum glaube ich, haben wir etwas wirklich Interessantes gefunden, das euch beiden Mal zeigt, was es bedeutet, sich anpassen zu müssen!«

Sie grinste in die Runde und dieses überschwängliche Grinsen, ließ nichts Gutes erahnen.

»Es gibt da eine neue Einrichtung. Ein Camp! Über die Ferien soll dort ein Versuch gestartet werden, bevor das Camp im nächsten Halbjahr, offiziell eröffnet wird.«, sie machte eine Pause. »Eine Art Umerziehungscamp, bei dem die beiden sechs Wochen lang einmal lernen, was es heißt, sich anzupassen!«

»Die ganzen Ferien über!«, rief Melanie empört. »Ich werde in vier Monaten achtzehn!«

»Ja! Dann hättest du mit dem Spaß warten sollen. Nur dann würdest du jetzt von der Polizei verhört!«, fuhr Frau Schnitzer-Stein ihr streng über den Mund. »Das hier ist eure letzte Warnung! Ein letzter Warnschuss vor den Bug. Steigt drauf ein, macht mit und benehmt euch. Vielleicht kommt ihr dann als bessere Menschen wieder zurück.«

»Das klingt nicht schlecht!«, musste meine Mutter sich eingestehen.

»Aber das wird kein Zuckerschlecken.«, erklärte Frau Schnitzer-Stein. »Die anderen Jugendlichen dort, haben wie ihr, eine Strafe abzuarbeiten und wenn ihr denkt, das ganze wird ein Spaß, dann täuscht ihr euch gewaltig. Dieser erste Probelauf ist zwar nur eine Übung, aber die Bedingungen sind schon real. Diese Gruppe ist so etwas, wie eine Versuchsgruppe, bevor nach den Ferien dann die erste richtige Gruppe zur Umerziehung dorthin kommt.«

»Was für Jugendliche sind das denn dann?«, wollte meine Mutter wissen.

»Kleinkriminelle. Also ein Stück weit schlimmer als ihr beide.«, Frau Schnitzer-Stein grinste uns an.

»Scheiße!«, sagte Melanie schließlich.

Frau Schnitzer-Stein sah sie an. »Sechs Wochen gehen doch schnell rum und ihr lernt etwas.«

»Ist das so ein Camp, wie man es schon im Fernsehen gesehen hat?«, erkundigte sich Melanies Mutter.

»Im Prinzip schon.«, sagte Frau Schnitzer-Stein. »Das Camp ist in einer ehemaligen Kaserne untergebracht. Keine Verbindung zur Außenwelt, irgendwo mitten im Wald. Hier sollen vorbestrafte Jugendliche aus ihrem gewohnten Umfeld herausgenommen werden und dabei lernen, was es bedeutet im Team zu arbeiten. Darum gibt es keinen Kontakt zur Außenwelt, es sei denn, die Betreuer halten die für erforderlich. Wenn ihr das also durchzieht, dann bis zum Ende.«

»Was wäre die Alternative?«, fragte meine Mutter.

»Kann ich im Moment nicht sagen, weil wir davon ausgehen, dass die Mädchen dabei mitmachen. Ganz ohne Strafe geht es auf jeden Fall nicht und diese Lösung erschien mir und meinen Kolleginnen, als die angenehmste. Auch wenn sie einiges an Disziplin und Durchhaltevermögen fordert. Doch genau das vermisse ich bei diesen beiden völlig.«

Die Mütter nickten zustimmend mit den Köpfen und jede für sich, warf einen Blick auf ihre Tochter.

Ich hatte überhaupt nichts gesagt.

Irgendwie war mir das ganze Gespräch, ab dem Punkt egal gewesen, als die Erwachsenen damit anfingen, sich über dieses Camp zu unterhalten.

Vielleicht war es wirklich besser so. Die Ferien standen unmittelbar vor der Tür und damit die Zeit im Jahr, in dem ich mit meiner Mutter permanent stritt.

Das andauernde Gerangel zwischen mir, meiner Mutter und Phillip machte mich jetzt schon nervös auch wenn die Vorstellung, in ein solches Lager zu kommen, einen noch faderen Beigeschmack besaß, so war ich wenigstens von zuhause weg. Weg von dem Ärger und weg von dieser Frau!

Schließlich sagte ich leise: »Ich mach’s!«

Alle im Raum schauten mich an.

»Was ist! Ich mach’s!«, wiederholte ich meine Antwort, als ich die Blicke sah und dabei in die fragenden Gesichter schaute.

»Wenn Angie das macht, mache ich es auch!«, sagte Melanie spontan.

»Ich weiß nicht!«, zweifelte Melanies Mutter noch und schaute fragend in die Runde. »Ist das nicht etwas hart?«

»Ist es nicht auch ziemlich hart, einen Mann niederzuschlagen, ihn auszuziehen und ihn dann nackt in einem alten Haus liegen zu lassen?« warf Frau Schnitzer-Stein ein. »Überlegen sie mal, was alles hätte passieren können.«

»Ich dachte der Mann sei gefallen?«, fragte meine Mutter irritiert.

»Auf den Hinterkopf und das mitten im Raum?«, mehr sagte Frau Schnitzer-Stein nicht. »Belassen wir es dabei und tun wir so, als sei er gestürzt. Schließlich ist der Mann ja Alkoholiker.«

Sie grinste etwas spöttisch.

»Was ist überhaupt mit dieser Jenny?«, hakte Melanies Mutter schnell nach.

»Sie ist ein unbeschriebenes Blatt und wenn die beiden hier, auf meinen Vorschlag eingehen, dann kommt sie wohl nur mit dem Schrecken davon!«

Melanies Mutter überlegte und sagte schließlich: »Also gut, wenn Melanie es möchte.«

Frau Schnitzer-Stein legte die beiden Akten vor sich, übereinander und bemerkte noch abschließend: »Es geht schon Übermorgen los!«

»Ich denke in den Sommerferien!«, sagte ich überrascht.

»Die beginnen ja schon nächste Woche.«

»Stimmt auch wieder!«, pflichtete ich der Frau vom Jugendamt bei.

»Ich werde alles Notwendige in die Wege leiten!«, sagte diese kurz und erhob sich.

Alle anderen im Raum taten es ihr nach.

Beim Rausgehen bemerkte sie noch kurz: »Wir telefonieren morgen miteinander, wie es mit der Abholung der beiden ist und was sie mitnehmen werden.«

Die Mütter nickten zustimmend und dann verließen wir das Amt.

Irgendwie war es diesmal anders, dachte ich, als wir wieder über den Parkplatz liefen. Für gewöhnlich trug ich ein Gefühl der Erleichterung in mir, wenn ich mich von diesem Ort entfernte. Diesmal bekam ich, mit jedem Schritt, den ich mich von dem Haus weg bewegte, mehr Angst. Schließlich schaute ich, fast panisch vor Angst zurück, während ich mit meiner Mutter über den Parkplatz lief.

Die Fenster starrten mich an und für eine Sekunde glaubte ich, dass die Tür, in der Mitte der Hausfront, sich bewegte, so als wollte sie mir etwas sagen.

Doch dann öffnete sie sich einfach nur und eine Frau mit zwei kleinen Kindern kam heraus.

Ich schaute wieder vor mich.

Etwas seltsames bedrückte mich immer noch.

Melanie hatte genau einen Tag lang Zeit, um sich an Jenny dafür zu rächen, was sie uns beiden, mit ihrer Plauderei, angetan hatte. Denn wäre sie nicht gewesen, dann hätte niemals jemand etwas von der ganzen Sache erfahren.

Ich konnte diesen Hass nicht verstehen. Außerdem war ich Jenny dankbar dafür, dass auch sie nichts darüber gesagt hatte, wie Donald Herb ohnmächtig geworden war. Außerdem konnte ich Jenny nicht mehr böse sein.

Schließlich hatte sie uns beiden bei unserer Rache nur helfen wollen und wenn sie es nicht gewesen wäre, die Don scharf gemacht hätte und an die er sich daher auch erinnern konnte, dann hätte es jemand anderes tun müssen. Das Ergebnis wäre vermutlich das gleiche gewesen. Denn auch dieser Jemand hätte uns verraten.

Wo also wäre der Unterschied gewesen?

Außerdem war es jetzt zu spät, um sich darüber aufzuregen und Schuldzuweisungen auszusprechen.

Daher fand ich Melanies Ansichten zu diesem Thema, ziemlich naiv und einfach.

Sie hingegen nicht.

Sie fing immer wieder damit an. Es beschäftigte sie den ganzen Tag über und fing langsam an, nervig zu werden. So sehr ich mir auch gewünscht hatte, den Tag mit meiner Freundin zu verbringen, ihre ständigen Wutausbrüche und Beleidigungen, gegenüber Jenny, verloren langsam immer mehr an Biss und verliehen dem Nachmittag, einen faden Beigeschmack, der die von mir so herbeigesehnten Stunden, in gähnende Langeweile verwandelte.

Am liebsten wäre ich mit ihr etwas raus gegangen, schließlich stand die Sonne hoch am Himmel. Doch Melanie traute sich nicht vor die Tür.

Stattdessen faselte sie permanent davon, dass Jenny ihre Strafe bekommen müsse.

Irgendwann wurde es mir zu bunt und ich ging.

Unter dem Vorwand, früher zu Hause sein zu müssen, verließ ich Melanies Wohnung.

Ich war verärgert über Melanies Starrsinnigkeit.

Eigentlich hatte Don uns verraten, indem er Anzeige erstattet hatte. Das war es doch eigentlich, was Melanie so ärgerte. Aber an Don traute sich Mel nicht heran. Daher war es das einfachste, alle Aggressionen auf Jenny zu richten.

Während ich auf dem Nachhauseweg darüber nachdachte, musste ich immer wieder den Kopf schütteln und eigentlich war ich nur froh, wenn das alles vorbei war. Ich hoffte, dass der Tag kommen würde, an dem wir alle drei wieder zusammen sein konnten und vielleicht würden wir dann sogar hierüber lachen.

Aber Jenny bekam ihre Strafe!

Wenn auch nicht so, wie Mel es sich je vorgestellt hätte.

Denn niemand trieb seinen Schabernack mit Don, ohne dafür zu bezahlen.

Alles was er tun musste, war zu warten. Abzuwarten, bis Jenny alleine sein würde und seit jenem Tag, an dem wir weggekommen waren, war sie oft alleine.

Zu oft!

Und schließlich bekam Don doch das, was er ursprünglich von ihr wollte. Was sie vorgespielt hatte, ihm zu geben. So sehr es sie auch anekelte. Es war der Preis, sich von seiner Rache freizukaufen.

Ein Preis, den sie zahlen musste, nachdem er ihr immer wieder nachgestellt war.

Wenige Tage, nachdem wir weg waren, war es so weit gewesen, das sie auf der Straße immer wieder ängstliche Blicke über ihre Schulter geworfen hatte. Mit ihren Augen, ängstlich nach Don suchte und dann war Don gekommen. Hatte ihr diesen Vorschlag gemacht und sie war darauf eingegangen. Sie zahlte den Preis für das, was wir alle drei getan hatten, in der Stille eines Kellers und weder Melanie, noch ich bekamen etwas davon mit. Denn zu diesem Zeitpunkt saßen wir in unserem Camp, während Jenny auf dem Rücken lag und Don seine Schulden eintrieb.

Sie hoffte nur, dass sie es nicht nur für sich, sondern auch für ihre Freundinnen erduldete, denn niemand sollte sich auf der Straße ängstlich umsehen müssen.

Don hatte versprochen uns dann alle in Ruhe zu lassen!

Melanie hatte noch des Öfteren erwähnt, wie sehr sie sich über Jenny ärgerte, weil sie sie verraten hatte.

Ich nickte dann nur.

Es war mir zwischenzeitlich egal. Es war mir von Anfang an egal gewesen.

Irgendwie war jetzt alles anders.

Für Jenny war es das erste Mal gewesen, das sie Sex gehabt hatte und es sollte auch das letzte Mal gewesen sein.

Angie

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