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Martina Feldmann

Das Mädchen, das in den Armen seiner Mutter lag und weinte, hieß Martina Feldmann und war gerade mal vierzehn. Zu jung, um eine wirklich harte Strafe ertragen zu können, aber alt genug, um für ihre Taten bestraft zu werden.

Schlank, blond und sehr jugendhaft. Kindlich!

Gekleidet in ein helles Sommerkleid. Um die Hüfte trug sie einen breiten Gürtel.

Ihre Mutter hielt sie im Arm und beide saßen auf der Bank, an der Bushaltestelle, während Martina sich nicht mehr beruhigen ließ.

Wie gerne wäre ihre Mutter einfach aufgestanden, hätte sie mit sich nach Hause genommen, um ihrer Tochter das alles zu ersparen. Aber ihre Tochter hatte einen Klassenkameraden mit dem Messer bedroht. Ihn am Arm geritzt und wenn sie nicht an dieser Maßnahme teilnahm, dann war zu befürchten, dass das Jugendamt weitere Schritte einleiten würde und Martina, für einige Zeit, in einer Pflegefamilie untergebracht werden würde.

Zumindest solange, bis ihre Mutter, ihr Alkoholproblem in den Griff bekommen hatte.

Es hatte viel bitten und betteln gekostet, bis sich das Amt dazu herab gelassen hatte, noch mal ein Auge zuzudrücken und diese Maßnahme vorschlug.

Auch wenn Martinas Mutter nicht mit dieser Art der Bestrafung einverstanden gewesen war. Aber es gab wohl keine Alternative und letztlich hatte auch Martina zugestimmt.

Vier Wochen sollte sie in dieses Lager und ihre Mutter befürchtete, dass sie nicht mal eine Woche überleben würde, ohne zu weinen.

Sie weinte ja jetzt schon.

Auch wenn sie viel log, klaute und immer wieder aneckte, sie war noch zu jung und hatte noch nie längere Zeit, ohne ihre Mutter verbracht.

Vier Wochen, das war eindeutig zu lange! Zu lange für ihre kleine Martina und sie wusste jetzt schon, wohin das alles führen würde. Sie würde sich über ihre Tochter mehr Gedanken machen, als ihre Tochter selbst und letztlich würde sie vielleicht wieder rückfällig werden. Zur Flasche greifen, obwohl die Therapie ihr geholfen hatte.

Während Martina mit dem Kopf, auf ihrem Schoss lag und weinte, fuhr sie ihr liebevoll mit der Hand über den Kopf.

Wie sollte sie ihrer Tochter erklären, wenn sie wieder rückfällig werden würde und was würde dann aus ihnen beiden werden?

In Wirklichkeit wurde nicht Martina bestraft, sondern sie.

Denn das hier, würde ihre härteste Bewährungsprobe werden. Noch härter, als die Therapie, die sie mitmachen musste, um nicht befürchten zu müssen, das man ihr Martina wegnehmen würde.

Jetzt würde sie alleine sein.

Martina würde in diesem Camp untergebracht sein und sie würde in jeder freien Minute an ihre Tochter denken müssen und der Griff zur Flasche, würde immer kürzer werden. Ein Griff, den sie auf keinen Fall machen durfte. Nicht wenn sie ihre Tochter behalten wollte. Doch wie sollte sie das schaffen, fragte sie sich.

Martina war noch viel zu jung, um das alles zu verstehen. Für sie gab es nur ihre Mutter und die war einfach die Beste.

Aus diesem Grund verstanden sie beide sich so gut, auch wenn sie sich nach einer gewissen Zeit, immer wieder anfingen zu streiten. Was jedes Mal in einem Gespräch auf dem Jugendamt ausgeartet war.

Martina hatte dann wieder einmal die Flucht ergriffen und sich aufs Amt geflüchtet. Auf der Suche nach einer besseren Familie. Einem besseren Zuhause.

Aber es dauerte kaum länger als einen Tag, bis sie erkannt hatte, dass es bei ihrer alkoholkranken Mutter am besten war.

Sie beide waren nicht Mutter und Tochter, sondern gute Freundinnen und so wie es sich für gute Freundinnen gehörte, hielten diese zusammen. Egal welche Prüfung sie zu meistern hatten.

Doch diese Situation hier war einfach zu viel.

Ihre Mutter holte tief Luft, als sie den kleinen Bus die Straße hinunter kommen sah und so sehr sie sich auch wünschte, das sie sich in ihrer Annahme irrte, musste sie sich eingestehen, dass das der Wagen war, auf den sie beide warteten.

Hinter dem Steuer saß ein junger Mann und im Fond saßen bereits zwei Mädchen.

»Martina!«, sagte sie leise und Martina hob den Kopf.

»Da kommen sie, komm, steh auf!«

Das Mädchen wischte sich die Tränen ab und kramte ein Taschentuch, aus der kleinen Tasche, die sich an der Seite ihres Kleides befand. Dann setzte sie sich aufrecht hin.

Ihre Mutter fasste ihre Hand.

Der Bus kam zum Straßenrand und stoppte.

Martinas Griff, um die Hand ihrer Mutter, verfestigte sich. Doch sie wollte stark sein. Beim Anblick der beiden Mädchen im Bus, wollte sie nicht weinen. Keine Schwäche zeigen, auch wenn man vermutlich ihrem verweinten Gesicht alles ansah.

Doch nicht jetzt!

Der Fahrer sprang von seinem Sitz herunter und kam um den Wagen herum.

»Hallo!«, sagte er und seine Stimme klang freundlich, fast einladend. »Mein Name ist Thomas Hass!«

Er hielt Martinas Mutter die Hand entgegen und sie schlug ein.

»Erika Feldmann.«, sagte sie und erhob sich.

Dabei kam die Sporttasche neben ihr ins Rutschen und glitt langsam nach vorne. Thomas Hass sprang schnell davor, damit sie nicht auf den Boden fiel.

»Hoppla!«, sagte er dabei und nahm die Tasche dann in die Hand.

Rasch öffnete er die Schiebetür des Busses und warf sie in den Innenraum. Danach drehte er sich um und stellte die beiden Mädchen im Bus vor. »Das sind Jennifer!«, er deutete auf das erste Mädchen an der Tür, »und Tamara!«

»Ich bin Tamara!«, sagte Tamara etwas verärgert, denn sie war es, die neben der Tür saß und die Thomas fälschlicherweise als Jennifer vorgestellt hatte.

»Wie auch immer!«, sagte Thomas etwas genervt und bat Martina hinein. »Wir müssen gleich weiter!«

Sie erhob sich, umarmte ihre Mutter und küsste sie auf die Wange.

Ihre Mutter drückte sie fest, gab ihr einen Kuss auf die Stirn und dann stieg Martina ein.

Ohne zu weinen, ohne weitere Tränen.

Ihre Mutter war so stolz!

Die Schiebetür fiel zu und Thomas sagte im Vorbeigehen zu Martinas Mutter: »So ist es am besten! Schnell und ohne viel Zuspruch.«

Die Frau nickte stumm und wartete schweigend am Straßenrand.

Sie wartete bis Thomas eingestiegen war und den Wagen gestartet hatte.

Sie wartete, bis er Bus anfuhr und sich in den fließenden Verkehr einreihte und sie wartete noch lange, als Martina ihr Winken nicht mehr sehen konnte und aus ihrem Blickfeld verschwunden war, dann fing sie an zu weinen.

Sonja Schmidt

Seit den frühen Morgenstunden saß Sonja Schmidt bereits unter dem Blechdach, das hinter den Baracken, auf einer Stahlkonstruktion ruhte. Eine angerostete Konstruktion, die einzig und alleine dazu diente, den Regen und die Sonne abzuhalten. Für mehr genügte sie auch nicht.

Gelangweilt schaute sie über den schmalen Weg, auf das Gebäude vor sich. Eine alte Baracke, wie sie für solche Kasernen typisch war, in ihrer einfachen und schlichten Bauform. Lang, gerade, mit vielen Fenstern und einem Dach, das zu beiden Seiten nur leicht abfiel.

Der Putz blätterte bereits an einigen Stellen ab und man hatte in der Eile, dieses Lager eröffnen zu können, die Stellen einfach überstrichen.

Vielleicht weil man plante, die Gebäude in absehbarer Zeit sowieso abzureißen, oder aus Geldmangel.

Warum auch immer, es sah schäbig aus.

Fiel aber nur auf, wenn man zweimal hinschaute.

Heute ging es endlich los.

Sonja war schon seit einigen Tagen hier.

Langweilte sich und musste sich hier, hinter den Unterkünften aufhalten. Wenngleich sie auch wusste, dass dieser Ort hier, für die ersten Tage ihr neues Zuhause sein würde.

Jeder sollte hier unter dem Blechdach hausen. Darum hatte man unter dem langen Dach in regelmäßigen Abständen, Stoffwände eingezogen und die lange Überdachung, so in sechs Abteile eingeteilt, die sich entlang des Fußweges erstreckten, der zwischen dem Blechdach und der Rückseite der Baracke entlang führte.

Dazwischen lag noch ein schmaler Grasstreifen, rechts und links des Weges. Das einzige Grün, einmal abgesehen von dem schmalen Rand aus Moos, der sich am Dach entlang zog.

Die Stoffwände hatte man mit großen Ankern im Boden und an der Stahlkonstruktion befestigt und dann mittels Drehverschraubungen gespannt. Sie gaben keinen Zentimeter nach und verhinderten, dass man von seiner Zelle in die benachbarte schauen konnte, ohne dabei das Dach verlassen zu müssen.

Langsam kannte sie jeden Niet in diesem verdammten Dach, so oft hatte sie es schon betrachtet,

Dennoch helfen würde ihr das nicht, auch nicht, das sie bereits hier war.

Erst heute war Start des offiziellen Programms, oder wie immer man das nennen würde.

Sonja war sehr reif.

Sie hatte lange, blonde Haare, ein schmales Gesicht, mit einer spitz zulaufenden Nase und großen, blaugrünen Augen, die ihr auffallendstes Erkennungsmerkmal waren.

Ihre Statur war schmal und groß und sie trug bevorzugt legere Kleidung, so wie auch jetzt, wo sie eine Sporthose, ein beiges T-Shirt und Turnschuhe an hatte.

Wie lange sie hier bleiben musste, hatte man ihr überhaupt nicht gesagt, und offen gestanden, es war ihr auch egal.

Überall war es beschissener als hier, auch wenn sie wusste, dass das hier kein Zuckerschlecken werden würde.

Ganz im Gegenteil, hier würde alles von ihr abverlangt werden.

Dies war die größte Herausforderung in ihrem ganzen Leben und in den vergangenen zwei Tagen, in denen sich hier niemand um sie gekümmert hatte und sie auch kaum jemanden zu Gesicht bekommen hatte, hatte sie unzählige Male darüber nachgedacht, ob dies wirklich die richtige Entscheidung gewesen war.

Ihr Leben war bisher ein einziges Martyrium aus Enttäuschungen, Fehlschlägen und Unglücken gewesen.

Ihre Mutter war schon bei ihrer Geburt gestorben, ihren Vater kannte sie ebenfalls nicht.

Ob sie Geschwister hatte, war ihr auch unbekannt und ihre Freunde, hatten sie immer wieder, mit in die Scheiße geritten, wie man so schön sagte.

Ihr letztendlich sogar den schwarzen Peter zugeschoben.

Also gab’s Jugendknast, Sozialarbeit und wieder Jugendknast, dazwischen Heimaufenthalte.

Das ging nach ihrem achtzehnten Geburtstag weiter.

Irgendwie hatte sich überhaupt nichts geändert, nur das die Strafen härter geworden waren und die Vorhaltungen immer mehr nachließen.

Angeblich war sie jetzt auf sich selbst gestellt.

Alt genug!

Na wie auch immer.

Eben hatte sie vom Tor her das Geräusch eines Busses gehört.

Scheinbar ging es jetzt bald los.

Endlich!

Angie

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