Читать книгу Hass: Vom Lieben und Sterben in Oxford - Daniel D. Wilde - Страница 6
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ОглавлениеIn einen roten schmalen Backstein Quader, in Aldgate Heights in einer engen Straße gesäumt von gleich aussehenden schmalen Häusern. Deren einziger Unterschied die Anzahl der Bewohner und die Nummern auf den Türenschildern zu sein schienen. Mit kleinen Vorgärten, ummauerten Hintergärten weiß gestrichenen Schiebefenstern grünen Eingangstüren saß Thomas im Wohnzimmer vor dem gewaltigen auf volle Lautstärke aufgedrehten Radioapparat, in dem auf BBC 3 das Pferderennen von Ascot der Memorial Lauf übertragen wurde. Sein Gesicht war rot fleckig, ein Gesicht wie es manche Allergiker nach dem Genuss einer Apfelsine oder Erdbeere bekommen. Um den grünen Ohrensessel herum lagen in einem Halbkreis verteilt kleine zerknüllte Wettscheine auf dem Teppich.
»Komm renne! Komm komm Liebling komm du schaffst es!«
Neben der angedrehten Stehlampe, mit gedrechseltem Fuß und Troddeln am Lampenschirm, auf dem kleine blaugelbe Sperber gedruckt waren, lag eine ausgebreitete Zeitung bestreut mit Brotkrummen. Neben Thomas auf dem niedrigen Wohnzimmertisch stand eine Flasche Hunter Mans Whisky.
»Ja ja mach uns stolz!«
Auf der ausgebreiteten Times hockte eine graubraune Ratte und führte wie ein kleiner reger Mensch einen der Brotkrummen zu seinen Schneidezähnen. Es war ein Wohnzimmer, das enthielt, was dem Besitzer von Bedeutung ist. Ein Radio groß wie eine Kommode mit eingebautem Plattenspieler, ein Barregal mit vollen Hunters Flaschen und Gläsern. Ein Buchregal das so wirkt als werde es nicht vergessen und langsam mit gelesener Lektüre gefüllt, als füttere man es. Die linke Seite des Buchregals war den Werken von Charles Dickens vorbehalten. Die anderen Bücher beschäftigten sich zumeist mit geschichtlichen Themen zwei Shakespeare-Ausgaben, obwohl Thomas Shakespeare nicht verstand, er ihn langweilig fand. Bildungskost neben Biografien und Texten zur Stadtgeschichte, Enzyklopädien, Kriminalromanen, Daniel Defoes die Pest von 1668. Es gab noch jede Menge Platz in dem Buchregal eines Mannes mit hungrigem Geist. Ein niedriges weißes Plattenregal vollgestellt mit Swing Schallplatten darauf der Plattenspieler stand neben der Doppeltür zum Flur. Der Steidinger& Co Kg Plattenspieler war aus rotem Wurzelhaus und erinnerte in seiner Form an einen Brotschrank. Neben der Tür zum Schlafzimmer ein runder mit Filz bezogener Kartentisch, an dem bequem 5 Männer Bridge spielen konnten. Ein Vogelkäfig aus Rattan, dessen Tür herausgebrochen war stand auf einem kleinen Beistelltisch, von dem ein schmales Brett bis zum Boden reichte. Die hell tapezierten Wände des Wohnzimmers hingen voller gemalten Kitsch und Erinnerungen.
»Black Bean vor Hensley Hensley vor Sugar Black Bean verliert eine Huflänge an Boden Black Beane.«
Auf dem Holztisch stand ein klobiger scharfkantiger schwarzer Marmoraschenbecher, in dem ein Zigarillo glühte, von dem sich ein dünner blaugrauer Rauchfaden zitternd und weich, wie frisch eingegossene Sahne im Kaffe, aufstieg und mit der abgestandenen Luft im großen leer wirkenden Zimmer verschmolz. Der Aschenbecher gehörte in eine Asservatenkammer und hätte in einem Fall von Wirtshausschlägerei eine Rolle gespielt, wäre er nicht aus dem Polizeigewahrsam verschwunden. Die polizeilich beschlagnahmte Tatwaffe war jetzt eine Bibel. Eine aus irgendeinem billigen Hotelzimmer geklaute anglikanische Bibel versehen mit einer gefälschten Widmung: für England, König, Vaterland von Major Blackwell Flandern 1918 für Sergeant Thomas Woolfe. Der Freundschaftsdienst würde dafür sorgen, dass Thomas freigesprochen würde. Welcher Richter konnte einen Mann verurteilen, der ein Schwarzhemd, einem vom Oswalt Mosleys Faschisten Gesindel das England an die Hunnen verriet, England in ein verpisstes Konzentrationslager verwandeln wollte mit einer patriotischen Bibel Vernunft einbläute. Einer kleinen weichkantigen anglikanischen Bibel keinem kantigen Aschenbecher der Gesichtsknochen wie Schiffszwieback zerbröselte. Polizeirichter Supin, ein Kriegsveteran und gottesfürchtiger Mann. Westmore hatte seine Kontakte zum Gericht spielen lassen und dafür gesorgt das Supin den Fall verhandelte. Würde eine Bibel und nicht der Aschenbecher den Thomas Woolfe als Geburtstagsgeschenk für Inspector Westmore im Kaufhaus Harolds anders, als die Bibel gekauft hatte, sehen und es für ein Gotteszeichen halten.
»Sugar kommt Sugar dicht auf gefolgt von Hensley. Black Bean Black Beane holt auf eine halbe Länge eine halbe Länge Sugar kommt, Sugar der Prachtkerl scheint zu fliegen! Ziellinie! Ziellinie! Sugar, Black Beane, Hensley. Sugar!«
Thomas wischte sich mit der Hand die feuchte Stirn, drückte dem Wettzettel einen Kuss auf und steckte ihn zärtlich in die Tasche seines Hemdes. Zufrieden, nicht über die Höhe des Gewinnes, sondern seinen Riecher, nahm er sein Glas Whisky in die Hand und betrachtete nachsichtig die Ratte John, die neben dem Sessel auf der Zeitung hockte. Thomas sah hinunter es war niemand anderes zum reden da.
»Na kleiner Scheißer schmeckt‘s?«
Die Ratte die Thomas John getauft hatte, drehte den winzigen Kopf hoch zum Sessel und knabberte weiter. Die Ratte war mit der Zeit, vor zwei Monaten hatte Thomas begonnen Brotkrummen vor das kleine Rattenloch an der Wand zu verteilen zu einem echten Mitbewohner geworden.
Thomas hatte vorgehabt, sobald die Ratte, ihre Scheu verlor, sie ihren Kopf aus dem Ratenloch steckte abzuknallen. Er hatte es nicht getan, er hatte sich daran gewöhnt, sie zu füttern. Auf einer Kommode lag Thomas Waffe, ein Webley Revolver, wie ihn CID - Inspektoren und Armeeangehörige trugen, die man für einen Apfel und ein Ei von jedem kleinen Ganoven im Eastend kaufen konnte. Thomas stand auf ging zur Kommode, betrachtete die Waffe, als sehe er sie zum ersten Mal und dachte wieder einmal spielerisch an Selbstmord. Ein normales Ding aus graublauem Metall, langer konischer Lauf und die kleine sechsschüssige Trommel. Über der Kommode aus Wurzelholz mit den bronzenen Beschlägen hingen Fotos von Soldaten in der graubraunen britischen Felduniform des Weltkrieges. Aufgenommen um 1918 vor einem der unzähligen Schützengräben Flanderns vor der schwarzen Brandleiche einer Kleinstadt Kirche. Auf einem anderen Foto erkannte man einen blutjungen Burschen, Thomas. Ein Offizier mit einer langen dünnen Reitgerte in der behandschuhten linken Hand steckt, dem jungen gut aussehenden Kerl auf dem Foto ein Orden an die Brust. Thomas hatte den Orden nach dem Krieg in irgendeinem Leihhaus versilbert, dreizehn Shilling ein halbes Pfund hatte er bekommen. Thomas betrachtete das Foto, er schmunzelte. Er dachte an seine vollen blonden Haare, dass die Weiber in Flandern auf ihn geflogen sind, wie Bienen auf Honig und daran das seine fleischige Hand jetzt zwanzig Jahre später durch schütteres Haar greift. Sein Blick kroch über die Fotos an der Wand. Ein anderes Bild zeigt Thomas in Uniform der Häftlingsverwaltung ein graublauer Kittel, der ihn als Gefangenen 345553 auswies. Eine Detektivlizenz hing wie ein Diplom gerahmt als sei es der Abschluss aus Oxford über den Fotos. Seit 1931 war Thomas Privatdetektiv und er machte seine Arbeit wie er die Ratte fütterte er hat sich daran gewöhnt. Er hat sich beileibe nicht an den Verlust seiner Haare abfinden können. Daran das die einzigen Frauen, die ihm jetzt noch ihre Blicke schenken, den Schnüffler an ihm rochen. Er hat sich nicht daran gewöhnt, dass gesunde vor Jugend strotzende Arschlöcher im Omnibus aufstanden, wenn er herein gehumpelt kam, wenn das Rheuma an ihm nagte, um ihm einen Platz anzubieten. Und er hat sich nicht an die Einsamkeit gewöhnt, die ihn umgab. Gerade jetzt wo Grund zum Feiern ist, gerade jetzt wo der Prachtjunge Sugar ihm einen Batzen Geld gebracht hat ist niemand, da der seine Freude teilen würde, dass ist es, was nach dem zu viel an Salz in der Suppe schmeckt.
»Wenn ich abkratze, du weißt meine zwei Flaschen Hunters zwei Schlaftabletten, die Kugel zwischen die Augen, du hast hiermit meine Erlaubnis mich zu fressen. Sei nicht schüchtern Kumpel, wenn dieser Hunger dich zwickt!«
Die Ratte sah ihn an, verständnisvoll freundlicher als die Menschen auf der Straße, fiepste. Ein falsches Lächeln zog sich über Thomas wolkenverhangenes Gesicht. Bei der Vorstellung er werde von Ratten gefressen. Noch verlogen grinsend als könne er sich selbst befehlen gute Laune zu haben, ging er in den Korridor, nahm seinen Pfeffer und Salz Mantel von der Flurgarderobe, stülpte seinen Hut auf und fragte sich was er mit der Kohle anfangen würde, als das Klingeln des Telefonapparats ihn erschreckte. Erschreckte denn niemals rief einer nur so an, um zu plaudern zu fragen, wie es ihm geht. Es waren immer beschissene Nachrichten. Es musste mit seiner verfluchten Telefonnummer zu tun haben eine 13 als letzte beiden Ziffern, das einzig Gute an der Nummer war niemand wollte den Telefonanschluss mit ihm teilen. Das Telefon auf der Kommode neben der Schale mit dem Kleingeld schrillte als hätte die Welt in diesem stillen Flur aufgehört zu existieren. Er zuckte zusammen. Er streckte zögerlich die Hand aus und hob endlich ab.
»Was ist!«, meldete er sich.
»Ich bin‘s, Westmore.«
»Was ist los, ist dir langweilig?«
»Ich denke du solltest kommen und dir, etwas ansehen.«
»Ich habe gerade 90 Pfund gewonnen, Sugar Ascot das Memorial Rennen.« Thomas Stimme klang freundlich, als er vom Gewinn erzählte. »Westmore hat mich echt gefreut, ich würde länger mit dir schwatzen aber ich muss mein Geld holen und dann findest du mich mit zwei Puppen auf dem Schoss und einer Flasche Schampus vor mir mit einer fetten Zigarre im Mund im Bells.«
»Glaube ich eher weniger Kumpel!«
»Nein willst du Wetten? Selbst wenn, du mir jetzt sagst die Kronjuwelen sind aus dem Tower geklaut worden, oder ein Attentat wurde auf King George verübt, interessiert es mich nicht die Bohne. Ich werde es morgen früh verkatert in der Zeitung lesen.«
»Man hat im R’ park eine Leiche gefunden. Du solltest besser deinen faulen Arsch herbewegen komm ... sieh es dir selber an.«
Thomas befürchtete das Schlimmste, erstens das Telefon hatte geklingelt zweitens Westmore hatte keine Witze über die Leiche gerissen. Es war nicht so das der bösartige Witz eine Schutzschicht war, Westmore war einfach ein Arschloch mit dem Einfühlungsvermögen einer Bazille.
»Sieht sie wenigsten hübsch aus?«
Westmore ging nicht darauf ein, kein blöder Spruch. Thomas Befürchtung steigerte sich zum körperlichen Unwohlsein.
»Einer der Kutscher, der wie ein Biber aussieht, vom Ritz aus machte er mit amerikanischen Turteltauben seine Runde, er hätte beinahe einen blöden Unfall gebaut. Das Pferd ist ihm durchgegangen, er meint sein Klepper ist sensibel wie eine Lady aus Kensington und kann Blut nicht ausstehen. Wir haben einen von den Landplagen, die vor dem Ritz herumlungern und die Verkehrsstaus verursachen und ich habe diese zwei Yankees als Zeugen, das Opfer ist eine junge Frau.«
Thomas seufzte, jetzt aufzulegen war einfach zu spät, vor einer Minute wäre es noch gegangen.
»Ich denke, du solltest kommen. Du hast mit der verdammten Schwanengeschichte im Januar angefangen«, sagte Westmore.
Thomas hörte ihn trinken und fluchen und dann wie ein Verschluss auf eine klirrende Glasflasche geschraubt wurde.
»Warum? Hat ein Schwan sie ermordet?«
Am anderen Ende der Leitung gluckste und kicherte es.
»Sieh sie dir an Kumpel, übel mein Freund eine üble Sache so zu sterben. Bis gleich schnapp dir ein Taxi, am Nelson Standbild im R ‘park.«
Thomas knallte den Hörer auf die Gabel, zu spät! Er ging ins Wohnzimmer, regelte die Lautstärke des Radios herunter, die Ratte mochte Swing die Nachbarn nicht. Er nahm einen Schluck Whisky, holte seine Waffe von der Kommode und schob sie in Ermanglung eines Halfters seitlich in den Hosenbund. Er brauchte keine Waffe und konnte sich den Drang nicht erklären, warum er sie einstecken musste. Er hatte sich die Webley gekauft als er einen Wahnsinnigen zum Klienten genommen hatte der verlangte er soll den Aufenthaltsort von einem noch wahnsinnigeren Mörder herausfinden. Menschenkenntnis war seine Stärke, vielleicht
wollte, das Schicksal das er die Bekanntschaft von Mister Tipbit, dem Häuter machte. Seit er das getan hatte, fühlte er sich mit dem Ding in der Tasche besser. Mister Tipbit, der Häuter jagte Mörder, weil er so seinen Drang zu Morden vor sich rechtfertigen konnte, nahm Thomas an.
Er schloss die Haustür hinter sich ab. Auf der Straße war es nicht kühl aber ein Wetter, das sich nicht entscheiden konnte. Eine Diva, es war warm doch sobald der Wind blies kroch ihm die Kälte in den Mantelkragen und fuhr den Rücken hinab. Wenn er ein Taxi brauchte, war natürlich keines in Sicht. Die Straßen waren wie ausgestorben und er musste bis zum Three Nuns Hotel an der U-Bahn Station Aldgate marschieren. Wo alle Londoner Taxichauffeure in einer langen Kolonne schwarzer Fahrzeuge vor dem erleuchteten Hotel versammelt schienen. Anstatt zu arbeiten, lümmelten sie im Inneren ihrer Autos und lasen in den Zeitungen. Minuten später fuhr das Taxi unter dem Blutmond über London durch den regen Stadtverkehr. Der Fahrer ein unrasierter Bursche dessen kratziger wallisischer Dialekt bei jedem zweiten seiner Worte durchklang hupte, drängelte schnitt und redete die ganze Zeit über das Rennen von Ascot, vom zweiten Lauf. Seine Platzwette hatte ihm 20 Pfund gebracht. Sie fuhren, der Fahrer schien es sehr eilig zu haben vom Osten der Stadt durch die City nach Westminster. Die Autoscheinwerfer schnitten sich kurz später durch die dunkelgrüne Stille, kultivierter Gartengestaltung, die den Regents Park zu einem der beliebtesten Parks der Stadt machten. Das Taxi fuhr auf der äußeren Ringstraße, über einen Pfad auf den Inner Circle zu Queen Marys Gardens, den am sorgfältigsten gepflegten Teil des Parks der vor vielen Jahrzehnten Queen Mary zum Ausreiten diente. Die hellen Flecken der Birkenbaumstämme am Wegrand leuchteten weiß auf, wenn die Autoscheinwerfer sie anstrahlten, als ertappte sie das Licht mitten in einer flüchtigen Bewegung. Das Taxi fuhr schnell die Pneus schossen rote Steinchen umher und die knirschenden Räder näherten sich dem Polizeikordon. Das Taxi hielt in der Nähe des großen Schwanenteiches rechts vom Ring grauer Basaltstatuen berühmter Engländer, die keiner mehr kannte bis auf Isaac Newton den Westmore der Kretin für Admiral Nelson gehalten hatte. Seine Statue beherrschten die Parklandschaft die 166 ha großen Grünflächen mitten in Westminster. Thomas kannte jede Ecke des Parks wusste aber nicht, was Dockland die Hafenpolizei also Inspector Westmore mit einem Park in Westminster am Hut hatte. Der Park und seine Leichen fielen in den Zuständigkeitsbereich der Westminster Polizei. Thomas lehnte sich auf der Rückbank nach vorne, gab dem Fahrer ein Pfund und stieg die Türe hinter sich laut zuknallend aus. Aufgebaute Scheinwerfer, betrieben von einem in einem Lieferwagen untergebrachten Dieselaggregat zeichneten viereckiges Licht zwischen Weg und Dickicht. Constables krochen mit ihren Stablampen in den Händen durch das Gebüsch neben dem Spazierweg. Vom Regents Kanal her, der Grenze des Parks drang das aufgeregte Gebell der Spürhunde. Thomas zählte allein hier mehr als ein Dutzend Männer in Uniformen, wer wusste, wie viele im Park verteilt waren, schien eine große Sache zu sein. Inspector Wilson der Head of CID Dockland trat durch den Polizeikordon auf ihn zu und tippte sich an die Krempe seines schwarzen Filzhutes. Thomas schüttelte dem Chiefinspector die Hand und versuchte die Angelegenheit die hier gerade vorging einzuschätzen. Es hatte mit der Sache vom Januar zu tun, sagte Westmore am Telefon. Er hatte seine Ermittlungen angestellt, die Parkbesucher befragt hatte sich auf die Lauer gelegt hatte die Westminster Constables nach Fällen von Tierquälerei gelöchert doch er konnte nicht das Geringste ermitteln, der Schwanenmörder war ihm unbekannt geblieben. Er sah hoch an den Himmel, an dem der blutrote Mond hing, als hätte ihn der Mörder zur Illuminierung seiner Tat dort hingehängt.
»Was ist los Wilson sind die Westminster Bullen mit der Leiche hier überfordert und haben ausgerechnet den größten Stümper der britischen Polizei zu Hilfe gerufen?«
Wilson schmunzelte mit den Augen und fluchte. »Der Head of CID Westminster, hat mir den Mordfall in die Akten geschmuggelt. Die haben hier vor zwei Stunden eine Frauenleiche gefunden«, sagte er. Der Chiefinspector deutete nach vorne: »Westmore wartet da hinten auf dich.«
Thomas nickte: »Das hier ist Westminster, was immer passiert ist, es ist nicht meine Sache. Ich bin hier, weil ich ein bescheuerter Philanthrop bin.«
Wilson sagte, um Thomas Lamento abzukürzen. »Eine Leiche und die gehört uns Kumpel, man ich liebe den Regents Kanal.« Er zog den Rotz hoch und spuckte aus. »Die Leiche lag innerhalb der verfickten zehn Meter des Ufergebietes.« Wilson klopfte Thomas auf die Schulter. »Am Kanal und damit Wasserpolizei! Es ist ja nicht so das Dockland nicht im verfickten Märchenland liegt und wir nicht genug mit unseren eigenen Leichen um die Ohren haben. Nein wir müssen überall hin, wo es verfluchtes Fließwasser gibt und uns jetzt auch noch um die Ufergebiete kümmern.«
Thomas machte das Gesicht eines Mannes, dem es egal war, er bedachte den Freund mit einem Lächeln, das so bedeutungslos war, dass es einen wütend machen konnte. Aber Wilson kannte den Blick. Wilson hätte denselben Blick im Gesicht gehabt, wenn er erleichtert mit einem Mordfall nichts zu tun haben brauchte. Mordfälle waren in seinen Augen in erster Linie zuerst Papierkram, Unmassen an Bestimmungen, Regeln, Vorschriften, Protokolle. Thomas trabte ihm hinterher durch die Reihe Polizisten.
»Da wären wir.«
Wilson wies mit einer einladenden Handbewegung zu dem Polizeiwagen vor dem roten Telefonhäuschen auf dessen Motorhaube Inspector Westmore ausgebreitet lag. Westmore sah aus als nehme er ein Sonnenbad. Er hielt eine Karte und wirkte so als könne er den Plan nicht lesen. Westmore schien mit sich und der kaputten Welt im Einklang zu sein. Die Erschöpfung zeigte sich einzig an den dunklen Schatten unter seinen Augen. Er war untersetzt und gebaut wie ein Ringer. Er trug einen zerknitterten Anzug und aus der Jackentasche schaute ein Flaschenhals heraus. Westmore sah aus, wie einer der Kerle die Polizisten jagen, er hatte mehr Ähnlichkeit mit einem Ganoven als mit einem Inspector der Londoner Hafenpolizei. Die Ähnlichkeit mit einem der Gangster vom Hafen, Verbrechervisagen denen nichts heilig war beschränkte sich nicht nur auf die äußerlichen Gemeinsamkeiten. Das runde unrasierte stupide Gesicht oder die zu eng beieinanderstehenden blauen Augen oder seine Blumenkohlohren, der blonde Stoppelhaarschnitt. Westmore rauchte wie ein Schornstein im Winter. Rauchte, selbst wenn er irgendeiner Familie über einen Verlust zu informieren hatte. Paffte, stieß den blauen Qualm in den Flur der Trauerhäuser und sagte lapidar, tja Ihr Mann Misses der wird nicht mehr kommen, jetzt sind Sie eine Miss ich meine er ist tot, Verzeihung Miss. Schönen Tag noch. Westmore trank im Dienst auch jetzt lugte der Hals einer kleinen Flasche Hunters Mans Whisky aus seiner Anzugtasche. Er war ungehobelt war korrupt, er war aber ein richtig guter Bulle, wenn der Fall ihn berührte.
Westmores spöttische Augen richteten sich auf Thomas. Nachdem es ihm nicht gelang, den Plan zusammenzufalten zerknüllte er ihn, kletterte von der Motorhaube und warf das Papierknäuel durch das heruntergekurbelte Autofenster auf den Rücksitz und spuckte die Zigarettenkippe auf den Boden.
»Tut mir leid, Mister Woolfe«, log Westmore und kam auf Thomas zu gewatschelt. »Weil du an dieser Schwanensache dran warst Kumpel, ist was für dich. Sieh mich nicht an als hätte ich dir einen Korb gegeben!«, Westmore kniff Thomas in die Wange. »Eins und eins macht ... «, Westmore hob zwei Finger vor Thomas Augen. »Oder?«
Er deutete mit dem Kinn zum 10 Meter entfernten weißen Tuch, dass zwei Constables straff hielten, um die Leiche den Blicken der Öffentlichkeit zu entziehen und hinter dem sich ein Pathologe zu schaffen machte. Das groteske Schattentheater hinter dem von starken Scheinwerfern angestrahlten weißen Tuch zeigte einen Mann, der über einem Körper hockte. Thomas blickte sich um. Eingehüllt in eine Decke, den Rücken gegen ein Hansom Cab ohne Pferde gelehnt stand ein junges Paar. Die Frau war niedlich der Mann hatte eine Allerwelts Visage, die er nach fünf Minuten vergessen würde. Der Kutscher, blass im Gesicht als hätte man ihm aus dem Kanal gefischt, stand mit einer Tasse in den Händen neben zwei Constables er schien unter Schock zu stehen. Er sah wirklich wegen den Schneidezähnen wie ein Biber aus. Thomas stieß einen Stoßseufzer aus, drehte die Augen hoch zum Blutmond.
»Zehn Meter vom Ufer entfernt, warum hast du die Leiche nicht auf den Weg gezogen, wie du das sonst machst?«
Westmore zuckte mit den breiten Schultern, »hast du nicht das Blut gesehen die Frau schwimmt in einem Meer aus verschissenem Blut!«
Westmore kicherte, zog die Flasche heraus drehte den Verschluss ab und trank einen großen Schluck. Er drückte die Flasche in Thomas Hand.
»Trink einen ist kalt hier draußen. Wirklich eine Saukälte!«
Thomas trank den Rest in der Flasche in einem langen Zug leer und warf sie dann weit ausholend in den Schwanenteich, wo sie in der Mitte zwischen den schlafenden Schwänen fast lautlos unterging.
»Wie viel hast du gewonnen?«, fragte Westmore.
Beide bewegten sich schaukelnd an den Polizisten vorbei in Richtung des straff gehaltenen Lackens, hinter dem die normale Polizeiroutine vonstattenging.
»90 Pfund!«, antwortete Thomas.
Er blieb stehen, senkte den Kopf, betrachtete ohne das man eine Regung in seinem Gesicht lesen konnte die Leiche. Die Frau war keine dreißig, Jahre geworden. Westmore hatte recht gehabt, es war kalt draußen geworden. Am Tag mochte es gehen, es war warm hell voller glücklicher Menschen aber am Abend entfernte man die Theaterkulissen und Thomas erkannte das London klimatisch in der Nähe vom Nordpol lag. Ihre Augenlider standen offen, die Augen sahen aus ... als hätte die Angst sie matt gemacht. Auf ihrer weißen Stirn klebte ein gut sichtbarer blutiger Handabdruck. Wusste ihr Mörder nicht das man blutige Fingerabdrücke von Haut nehmen konnte? Die Daktyloskopie machte rasant Fortschritte. Die Wissenschaft machte rasant Fortschritte, es war so als ob Affen den Dreh rausgefunden hatten Flugzeuge zu bauen. Thomas hockte sich neben den Arzt. Das aufgespannte Lacken hielt den Wind fern der über den Schwanenteich strich, der Schilfgürtel am Teichufer knisterten und die Baumkronen über ihnen raschelten. Ein blutiger Handabdruck war deutlich auf dem Nacken der Leiche zu sehen. Thomas beugte sich dicht über die Tote und schnupperte an ihr, sie hatte noch nicht angefangen zu riechen, konnte also noch nicht lange tot sein. Er richtete sich auf.
»Wie heißt diese neue deutsche Fingerabdruck Methode?«
»Lackfilmabzug man präpariert die Stelle mit einem Film aus speziellen Lacken. Aber so viel Blut wie auf der Spur ist dürfte Fingerpulver ausreichen«, sagte der Arzt.
Der Mörder hatte sein Opfers positioniert. In jedem anderen Augenblick hätte Thomas sagen mögen, dass das Opfer eine wunderschöne Frau gewesen war, lange Beine große blaue Augen, jetzt glasig und voller geplatzter Äderchen. Blondes langes vom Blut verfilztes Haar, voll rotem Splitt und Grashalmen kleinen Zweigen und Blättern. Der Mörder hatte ihr alles genommen, das attraktiv wirken konnte, hatte sie absichtlich totenhässlich gemacht. Er konnte Leute nicht begreifen die etwas Schönes nahmen, um es kaputtzumachen. Er konnte Mörder verstehen die Wut, Gier, Zorn die eine menschliche Regung getrieben hatte, dass hier zeugte nur von einem bösen Charakter. Thomas sah ein böses Kind vor sich das zu einem bösen Halbwüchsigen reifte und seine Metamorphose zum verrotteten Unmenschen bereits vollendet hatte. Wie das Opfer zugerichtet war, ihre Positionierung um den größtmöglichen Schock bei den Findern zu verursachen sagte Thomas, dass der Mörder schon vorher gemordet hatte. Ein Auge von ihr war zugeschwollen und es war mit Gewalt aufgedrückt worden, ihre Nase war gebrochen, die Schneidezähne waren ausgeschlagen, weiße spitze Zahnreste glänzten im Licht. Ihre Lippen waren aufgeplatzt. Ihr Unterkiefer war zerschmettert, Blauschwarz und angeschwollen. Wie sollte man das erklären? Thomas bedauerte bei diesem Anblick nur zum Teil an Gott zu glauben, als an eine Kraft, wie das Gravitationsgesetz. Könnte er an einen personifizierten Gott glauben, dann auch an einen Satan und wie anders als mit einer unheimlichen satanischen Einflüsterung konnte man erklären, dass Menschen etwas Lebendiges nahmen, um es zu töten? Der Mörder hatte ein Messer an ihrem ganzen Körper benutzt, tiefe Schnitte überall auf ihrem Gesäß, er hatte Kreuze hinein geschnitten. Tiefe Schnitte waren auf der linken Brust, als hätte der Irre sie amputieren wollen. Schwarze Quetschungen waren auf der anderen Brust und auf dem Bauch. Ein sexuell deformierter Geist bestehend aus Hass und Wut und Perversion unfähig sich in andere Menschen hineinzufühlen, hatte sich an der armen Kleinen ausgetobt. Thomas sah die Grausamkeit wusste dennoch nicht, was er damit zu schaffen hatte. Schließlich bestand ein himmelweiter Unterschied zwischen dem Mord an einem Menschen und dem an einem Tier.
»Man hat dem Mädchen die Kehle durchgeschnitten. Tiefer im Gebüsch aber verblutet ist sie hier«, erklärte der Pathologe. »Ein tiefer Stich am Hals die linke Hauptschlagader ist komplett durchtrennt.«
»Blut zieht sich wie ein roter Faden durch unser Leben«, sagte Westmore. Westmore sprach spöttisch doch Thomas wusste wann sein Freund bedrückt war.
Der Pathologe nahm die linke Hand des Opfers und betrachtete sie, dann begutachtete er die andere zierliche Hand. Er sagte: »Anscheinend hat sich die Frau sich nicht gewehrt, keine Abwehrverletzungen in den Handinnenflächen. Entweder er hat sie blitzschnell von hinten angegriffen oder sie konnte es wohl einfach nicht.«
»Habt ihr Amateure überhaupt einen Krankenwagen angefordert?«, fragte Westmore. Er rieb sich die Hände und pustetet seinen Whisky und Nikotin geschwängerter Atem hinein. Er roch an einer Handfläche und verzog sein Gesicht.
»Die Ambulanz wartete, bis ich mit der Vorortuntersuchung fertig bin. In zehn Minuten lasse ich sie nach Paddington bringen. Ihr von der Hafenpolizei wollt das Opfer bestimmt von euren eigenen Pathologen untersuchen lassen.«
Westmore lachte höhnisch: »Wollen Kumpel? Wollen, wir müssen.« Er bückte sich über die Leiche. Seine Stimme wurde leise. »Hat sie überhaupt laufen können, ihr Haar ist voll Laub und hier liegt keines herum.«
Der Pathologe schüttelte den Kopf: »Nein keinen Schritt, es sieht aus, als ob der Mörder es gut fand, sie hier abzulegen ihr den Kopf zur Seite zu drehen die Augen zu öffnen als wolle er zeigen, was für ein schlauer Bursche er ist. Das unser Opfer, ich schätze ihr Alter auf 22 bis 27 Jahre einen Schritt machte mit dieser Wunde ist ausgeschlossen!«
Thomas drehte sich zu Wilson, der abseits auf der Rasenfläche in seinem Beigen Trenchcoat bei seinen Männern stand und die Einsatzleiter der Suchgruppen neu über das Suchgebiet verteilte. Vom Tatort aus in konzentrischen Kreisen jeder Zigarettenstummel, Papierfetzen alles würde eingesammelt und in nummerierte Papiertüten gesteckt.
»Habt ihr die Leute kontrollieren lassen, die im Park angetroffen wurden?«
Wilson bestätigte: »Jeder wird und wurde seit einer Stunde angehalten und durchsucht und nach Blutflecken kontrolliert. Die Tore werden überwacht aber bisher nicht das Geringste! Es sieht aus, als ob der Täter durchs verdammte Gebüsch geflohen ist. Der Misthaufen hatte ein Boot oder ist auf die andere Seite geschwommen. Die Hunde haben am Kanal angeschlagen. Hier ist er jedenfalls nicht durch den Park spaziert, waren ein Haufen Leute unterwegs die hätten ihn gesehen.«
Thomas kannte die Antwort fragte dennoch: »Habt ihr was gefunden? Das Messer irgendeine Spur ihrer Kleider?«
Wilson schob seine Hände in seine Manteltaschen, »meine Leute haben nicht oft Morde in der Gegend, ich meine die kommen selber am Sonntag mit ihren Kindern her. Die Männer sind auf Händen und Füssen über den Boden gekrochen, die nehmen das genauso persönlich als wurde sie in einem ihrer kleinen Gärten umgebracht, aber bisher noch nichts.«
Thomas knöpfte seinen Mantel zu, automatisch er wollte sich nicht vorstellen, welche Hölle diese Frau durchlebt, hatte doch er wusste es sah es und schlimmer er konnte es fühlen. Wieder eine verdammte Erinnerung an diese scheiß Stadt, die kaum hatte sie etwas in den Händen es besudelte. Er sollte es wie alle machen, die ihre Anzahl an Jahren in London auf dem Buckel hatten und sich ein Zugticket kaufen und verduften. Er hatte das Geld dazu, konnte irgendwohin einen Buchladen eröffnen, seinen Traum verwirklichen. Irgendwohin gehen, wo das Aufregendste das passiertes eine Kuh auf der Dorfstraße war. Er machte es einfach nicht, obwohl er London hasste. Jetzt schon abhauen oder Londons dunkle Seiten nicht an sich heranlassen. Das Leben in diesem Moloch war auch nur eine andere Art von Schützengraben. Keine Geschosse, Kugeln, kein Senfgas sondern der finstere Geselle mit der Sense, der das Haar schütter machte und die Falten wie mit einem Skalpell in die Gesichter der Menschen schnitt. Der die Pendel der Lebensuhren im Schwung hielt, bis er sie urplötzlich anhielt. Ab und zu schlug eine Granate ein, wie dieser Mord hier. Er durfte es nicht herankommen lassen, ein weiterer Fall von einem Irren auf den Straßen der sichersten Großstadt der Welt. Aber wie sollte er das können, es war nicht nur, dass sie ermordet wurde, es war die Angst, die der Irre ihr angetan hatte. Er spürte die neblige Aura des Entsetzens der zähneklappernden Angst, die von der zerschundenen Leiche wie Bodendunst aufstieg. Thomas zog eine Zigarette aus dem Päckchen und steckte sie sich in den Mundwinkel, er klopfte seine Taschen nach dem Feuerzeug ab und zündete sich seine Zigarette an.
Westmore winkte einen jungen blassen Constable zu sich und drückte dem Mann Münzen in die ausgestreckte Hand. »Besorge eine Flasche Hunters Kumpel, die Souvenirbuden am Eingang haben bis 1 Uhr morgens offen.«
Der Polizist sah auf den silbernen Hügel Pennies und Sixpence in seiner Hand und zuckte mit den Schultern. Sein Blick glitt zu dem Chef der CID Abteilung Dockland Wilson und dann machte er sich auf den Weg zu einem der geöffneten Kioske vor dem Eingang zum Park.
Westmore rief ihm hinterher: »Kumpel, wenn du die Flasche aufmachst, und trinkst spucke mir nicht rein ich mag keinen verpanschten Whisky!«
Thomas war kurz davon abgelenkt und betrachtete nun wieder ihren Hals. Der Schnitt, dessen schwarzen Wundränder weit auseinanderklafften, war tief und mit großer Kraft ausgeführt worden die Schnittränder waren zerfasert. Der Mörder hatte das stumpfe Messer mehr als einmal angesetzt, drei Schnitte waren weniger tief Zentimeter unterhalb ihres Ohres zu sehen. Vielleicht war er abgerutscht. Die Klinge war lang, nicht unter 12 Zentimeter.
»Ich denke nur ein Idiot kann glauben das hier ist ein Selbstmord!«, meinte er kopfschüttelnd zum Arzt. Er drehte sich zu Westmore, »hast du mit dem Parkwächter geredet, meinst du es ist derselbe Verrückte, hinter dem wir beide her sind?«
Westmore kam näher und fasste in Thomas Manteltasche und zog das Päckchen Zigaretten heraus und schob sich eine in den Mund und zündete sich einen Streichholz an. Der blaue Qualm floss langsam aus Westmores Nase.
»Was glaubst du? Der Mann macht mir eine Liste mit den Exhibitionisten und von den Leuten die den Regents Park nicht mehr Betretten dürfen. Du hast mit denen geredet. Es gibt zwar einen Haufen Verrückte hier, aber alles harmlose Spinner, bis auf deinen Schwanenmann. Wenn einer vor einer Weile angefangen hat, die Schwäne hier umzubringen klingelt es bei mir. Ich meine im Januar fand er einen Schwan, komplett auseinandergeschnippelt, wie bei einem Scheiß Puzzlespiel. Dann hast du ihm ins Handwerk gefuscht und dafür gesorgt, dass er sich nach anderen Schwänen umsieht. Es klingelt, wenn ein Irrer, Schwanenflügel an Bäume nagelt und Monate später eine Frau hier liegt.«
Thomas musste ihm zugestehen, dass er recht haben konnte, hatte eine gut gemeinte Sache ein paar Schwäne gerettet im Austausch für ein Menschenleben. Hätte er den Fall ernster genommen, sich länger auf die Lauer gelegt, er hätte ihn geschnappt und die Frau würde leben. Wenn es derselbe war, was nicht feststand.
»Hast du die Beschreibung der Frau an die Reviere telegrafiert? Vielleicht wurde sie schon als vermisst gemeldet.«
»Ach Quatsch«, sagte Westmore. »Die Leute warten immer so verdammt lange, bis sie sich endlich aufraffen und zur Polizei gehen.« Westmore sah auf seine Uhr, »ich mach mich auf den Weg Kumpel ich bin im Revier. Ich hoffe wirklich einer wird das niedliche Ding gemeldet haben.«
Thomas sagte: »Es sieht aus als habe er sie gefangen gehalten, da sind Fesselspuren an Hand und Fußgelenken sie sieht aus als wäre sie eine Weile gefesselt gewesen.«
Westmore betrachtet schweigend die roten Male um die Gelenke der Frau und blies Zigarettenrauch gegen den Mond. »Der verfluchte Wichser, der sie am Wickel hatte, brauchte seine Zeit um sie zuzurichten.«
Der Arzt erhob sich winkte den Gehilfen des Leichenschauhauses und gab das Zeichen zum Abtransport. Er erklärte kurz: »Der Frau wurde der Hals durchgeschnitten, und kurz darauf hier abgelegt. Man erkennt es an den Blutspuren. Sie ist nackt und wurde vermutlich zuvor vergewaltigt und gefoltert. Der Täter hat ihr Buchstaben in den Bauch geschnitten. Aus den Wunden am Bauch trat viel Blut das heißt sie lebte.«
Thomas sah ihn ungläubig an, »was hat der Misthaufen denn der Welt so Wichtiges mitzuteilen?«
»Trauerschwan 1 und eventuell ein O.«
»Trauerschwan 1 zu O nicht eins zu null?«
Westmore sagte: »Macht eher Sinn oder?« Er spuckte seine Zigarette aus und klopfte Thomas fest auf die Schulter. »Trauerschwan 1 wir die anständigen Leute null. Was wohl sonst verfluchte Scheiße! Ich werde mir noch einmal die Parkwächter und die Kioskbesitzer vornehmen, vielleicht ist denen ein komischer Vogel mit einem Koffer aufgefallen!«
Westmore drehte sich um und verschwand in der von Laternenlicht beschienen Dunkelheit des Weges bis sein Körper mit dem Halbdunkel verschmolz. Thomas lieh sich von einem der Polizisten eine Stablampe und richtete den Strahl auf das Dickicht, vor dem die Frau gefunden worden war.
»Wilson!«
»Was ist?«
»Kannst du die Amerikaner befragen und mir die Abschrift geben? Du hast diese menschenfreundliche Ausstrahlung eines Priester.«
»Du meinst ich bin fett geworden wie ein Landpfarrer?«, beschwerte sich Wilson und zückte sein Notizbuch und trat lächelnd zur Kutsche hin. »Mister und Misses ... herzlichen Glückwunsch zur Hochzeit nachträglich. Bedauerlich was Ihnen wiederfahren ist ich hätte da ein paar Fragen an Sie.«
Thomas brach durch das Dickicht und verfluchte seine Sorglosigkeit er hätte auf die Worte Mister Greenways hören müssen, es wirkte als experimentiere der Irre herum. Der Boden dieses Dickichts, durch dessen Astwerke das faulige Wasser des Regents Kanals zu riechen war, der sich dahinter entlangschlängelte und die Nordgrenze des Parks bildete, war mit Herbstlaub und frisch gefallenen Blättern bedeckt. Thomas stapfte durch aufgeweichten Untergrund stolperte über Wurzeln, versank bis zu den Knöcheln im Matsch, der wie eine Hand nach seinen Schuhen griff, um sie zu behalten. Er dachte an seine Schuhe und stiefelte mit mürrischem Gesicht zum Kanalrand. Die Stadthäuser auf der anderen Kanalseite, in deren Fenstern Licht brannte, wirkten wie Trugbilder aus einer anderen Welt. Direkt am Kanal war der Boden morastig und von Müll, leeren Flaschen und schimmligen Wasserpflanzen bedeckt. An der Stelle neben drei leeren Flaschen Bier glitzerten silbrige Fischschuppen im Licht der Stablampe und die Reste eines, heruntergebrannten Lagerfeuers waren zu sehen. Vom Ufer aus führte eine Metallleiter ins grüne Wasser. Am Kanalufer war es kühler. Kalte Luftströmung vom Fluss verlieh dem Abend seine Schärfe. Das Wasser im Kanal schimmerte unter dem Mondlicht fahl rot. Nebelschwaden lagen auf dem Wasser, ließen die scharfen Kanten der dunklen Mauersteine und das Geländer am anderen Ufer verschwimmen. Das Wasser war gesättigt vom Geruch der Abwässer, die kontinuierliche Strömung Richtung Clarkenwell mit sich führte. Dunkle Kähne wippten auf den Wellen. Thomas drehte sich um bog Baumäste zurück und betrachtete die Spuren im feuchten Erdreich und versuchte zu erkennen, woher sie stammten. Wenn er Pech hatte, waren es die Schuhabdrücke eines Constables, denen er folgte. Thomas begann die Umgebung zu durchsuchen, suchte die Baumstämme und Zweige nach Blutspritzer ab und folgte weiter den Abdrücken am Boden. Es sah aus als wäre der Misthaufen mit einem Boot geflohen. War das Opfer betäubt gewesen, er hatte es an Land getragen, hier in der Nähe ermordet und dann am Wegrand abgelegt um sicherzugehen es würde gefunden. Thomas spuckte aus und stellte den Kragen seines Mantels hoch. Weit entfernt mit seinen Gedanken, war er in seine Arbeit vertieft, ihn hatte der Schwanenfall vom 24. Januar am verpissten 7. April 1937 eingeholt.