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Erster Brief
Nagasaki, den 1. März 1942
Sehr verehrtes Fräulein Fumika,
meine liebe Verlobte!
Ihre Mutter hat Ihnen die ausgezeichnete Nachricht übermittelt. Unseren Familien ist es gelungen, sich in allen Punkten, auch in der Geldfrage, zu einigen. Unsere Verlobung ist beschlossene Sache. Daher drängt es mich, Ihre Bekanntschaft zu machen. Wäre Amerika nicht so weit von meiner Kaserne in Nagasaki entfernt, würde ich Sie in meinem Urlaub sehr gern besuchen. Aber der Pazifische Ozean wird uns noch für einige Monate trennen. So mache ich Ihnen brieflich den Hof, in der Vorfreude darauf, dass Sie zu unserer Vermählung im September in unser schönes Land zurückkehren. In der linken Tasche meines Waffenrocks trage ich das Foto bei mir, auf dem Sie am Klavier sitzen. Sie sind darauf sehr hübsch anzusehen, ganz besonders gefällt mir die Form Ihres Kinns und Ihr seitlich zusammengestecktes Haar. Ist diese Frisur bei den Studentinnen von Berkeley gerade in Mode? Wir hätten uns am Konservatorium von Nagasaki begegnen können. Dort habe ich zwei Jahre vor Ihnen mein Geigenstudium beendet. Doch nicht der Zufall hat uns zusammengeführt, sondern unsere Familien.
Erlauben Sie mir, dass ich mich Ihnen vorstelle. Ich bin 1917 geboren und werde am 2. Mai fünfundzwanzig Jahre alt. Auf dem Foto, das ich diesem Brief beifüge, sehen Sie mich in der Uniform eines Unteroffiziers der Marine. Es ist meine Ausgehuniform, während der Flugübungen trage ich eine andere, da der weiße Stoff zu empfindlich ist. Mein Vater, Inhaber einer Firma für Paravents, beschäftigt elf Arbeiter und einige Frauen. Gewiss sind Sie schon einmal an unseren Werkstätten vorbeigekommen, sie liegen hinter dem Bahnhof, im oberen Teil des Parks. Bald wird mein älterer Bruder die Nachfolge unseres Vaters antreten. Meine Schwester, die zurzeit als Krankenschwester Dienst in unserer Armee tut, wird heiraten, sobald das Haus ihres Verlobten fertig ist. Sie, sehr verehrtes Fräulein Fumika, und ich werden dann bei meinen Eltern wohnen. Sobald Japan den Krieg gegen die Vereinigten Staaten gewonnen hat, werde ich mir eine radiologische Praxis einrichten, die uns erlauben sollte, bequem von unserer Arbeit zu leben. Ich bin mir sicher, dass Sie eine hervorragende Sprechstundenhilfe sein werden. Und an Patienten dürfte es uns angesichts des Krieges nicht mangeln.
In meiner Kaserne lässt man uns nur wenig Zeit zur Erledigung unserer persönlichen Angelegenheiten, eine halbe Stunde pro Tag. Deshalb kann ich mir nicht gestatten, Ihnen einen langen Brief zu schreiben. Dennoch möchte ich eine Sache klarstellen, die unsere Ehe andernfalls unnötig belasten würde. Es geht um die Musik. Wie Sie wissen, ähnelt Ihr Leben in diesem Punkt dem meinen. Ich selbst könnte Ihnen noch heute mindestens sechs Sonaten von Tartini vorspielen. Doch ich bin zu der Ansicht gelangt, wir sollten Prioritäten setzen. Die Musik vermag unserem Vaterland nicht den führenden Platz zurückzugeben, der ihm gebührt. Deshalb müssen wir uns nach dem Krieg der Wissenschaft, ja sogar der Technik widmen, in meinem Falle der Radiologie.
Ihre Mutter hat der meinen berichtet, dass Sie eine Laufbahn als Konzertpianistin anstreben. Leider muss ich Ihnen sagen, dass ich die Dinge anders sehe. Ich wünsche mir, dass Sie sich um die Erziehung unserer Kinder kümmern. Ich plane vier, wenn möglich drei Jungen. Da Sie als Pianistin Übung haben, werden Sie rasch lernen, Krankenberichte auf der Schreibmaschine zu tippen.
Unser erfolgreicher Angriff auf die feindliche Flotte in Pearl Harbor im vergangenen Dezember garantiert uns ein rasches Kriegsende. Bald schon werden Sie bei Ihrer Rückkehr auf unseren Archipel einen Ozean überqueren, der endlich den Namen Pazifik verdient. So werden wir uns noch vor unserer Hochzeit im September kennenlernen. Dass unsere Familien unsere Verbindung arrangiert haben, muss nicht bedeuten, dass wir einander nicht wirklich gefallen könnten. Zurzeit sind unsere Mütter damit beschäftigt, die zeremonielle Kleidung und alles Nötige für die Ausstattung unseres Haushalts auszusuchen. Leider hindern mich meine intensiven Bemühungen um die Verteidigung unseres Vaterlandes daran, mich selbst darum zu kümmern.
Ich hoffe, Sie erfreuen sich bester Gesundheit, und erflehe in dieser Hoffnung für Sie und Ihre Familie den Segen Seiner Majestät unseres Kaisers.
Ihr Verlobter, Tetsuo Tsutsui