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50 CENTS POWER OF THE DOLLAR: NEUN SCHÜSSE VOM BORDSTEIN BIS ZUR SKYLINE
ОглавлениеAls 50 CENT die Weltbühne betrat, bediente er das Image des Gangsta- Rappers. Dass er tatsächlich eine Historie als Drogendealer hatte und nur wenige Jahre zuvor von neun Kugeln niedergestreckt wurde, half der Street Credibility. Nicht ohne Grund trat Curtis Jackson, so der bürgerliche Name von 50 Cent, mit schusssicherer Weste auf.
Am 24. Mai 2000 saß Jackson auf der Rückbank des Autos eines Freundes vor dem Haus seiner Großmutter, bei der er damals lebte. Plötzlich fuhr ein Wagen heran und hielt. Jemand stieg aus, trat an das Auto von Jacksons Freund und feuerte ab. Eine Kugel traf 50 Cent mitten ins Gesicht und schlug ihm einen Weisheitszahn aus. Ein weiterer Schuss ging quer durch die Hand. Die meisten Kugeln trafen die Beine und zerschmetterten die Knochen. Auch Jacksons Freund, Curtis Brown, wurde getroffen. Die beiden hatten Glück im Unglück. Jacksons Großmutter hörte die Schüsse und rief sofort einen Krankenwagen.
Jackson musste sich einer mehrstündigen Operation unterziehen. Er hatte Schmerzen, seine Hüfte war gebrochen und wegen des Schusses ins Gesicht hatte er Klammern im Mund. Dennoch ließ er sich direkt am Tag nach der OP Papiere an sein Bett bringen. Er musste sie unbedingt unterschreiben. Es war ein mit 250.000 Dollar dotierter Verlagsdeal für sein Major-Debütalbum »Power of the Dollar«– die Hälfte für seine Unterschrift und die andere Hälfte nach Erscheinen seiner ersten Platte.
Bis zu diesem Zeitpunkt war es gar nicht schlecht für ihn gelaufen. Drei Tage nach dem Überfall hätte er ein Musikvideo zu seiner neuen Single »Thug Love« drehen sollen. Einem Song, den er zusammen mit DESTINY’S CHILD aufgenommen hatte. Doch daraus wurde nichts mehr. Sein Label ließ ihn nach dem Anschlag fallen und »Power of the Dollar« kam niemals in die Plattenläden.
POWER OF THE DOLLAR (2000)
01. Intro
02. The Hit
03. The Good Die Young
04. Corner Bodega
05. Your Life’s on the Line
06. That Ain’t Gangsta
07. As the World Turns (ft. Bun B. of UGK)
08. Ghetto Qu’ran
09. Da Repercussions
10. Money by Any Means (ft. Noreaga)
11. Material Girl 2000
12. Thug Love (ft. Destiny’s Child)
13. Slow Doe
14. Gun Runner
15. You Ain’t No Gangsta
16. Power of the Dollar
17. I’m a Hustler (ft. Jay-Z & Jadakiss)
18. How to Rob (ft. The Madd Rapper)
Bereits 1996, vier Jahre zuvor, entdeckte Jam Master Jay von Run-DMC Jackson und nahm ihn unter seine Fittiche. Zusammen schrieben die beiden Songs und produzierten ein ganzes Album. Für Jay, der das Potential Jacksons erkannte, waren diese Aufnahmen lediglich eine Übung: noch nicht gut genug, um kommerziell auf dem Markt zu erscheinen, einfach Material, das Jackson voranbringen und als Songwriter reifen lassen sollte. Jackson selbst sah das anders und war enttäuscht von seinem Mentor. Er war bereit für den Erfolg. Also trennte er sich von Jay und wechselte Anfang 1999 zu dem erfolgreichen Produzenten-Team Trackmasters, die schon für Jay-Z, R. Kelly und Will Smith Hits produziert hatten. Ganze 36 Stücke nahmen Samuel »Tone« Barnes und Jean-Claude »Poke« Olivier mit Jackson auf. 18 davon sollten letztendlich auf seinem Major-Debüt »Power of the Dollar« bei Columbia Records erscheinen.
Und es lief wirklich nicht schlecht für ihn. Die ersten Singles kamen gut an und Jackson konnte sich von seinem bisherigen Leben als Crack-Dealer verabschieden. Seitdem er Notorius BIG das erste Mal rappen hörte, träumte er davon, sein Geld mit der Musik zu verdienen und das harte Leben als Kleinkrimineller hinter sich zu lassen. In seiner Autobiografie »Dealer, Rapper, Millionär« bekommen die Leser*innen einen Eindruck davon, was es heißt, wenn die einzigen Möglichkeiten der Armut zu entkommen Kriminalität oder eben Rap sind. Als junger Vater wollte Jackson der Kriminalität entfliehen, doch nur wenige Monate später lag er im Krankenbett und wusste nicht, wie es weitergehen sollte. Sein Label stellte sich tot und war nicht mehr für ihn zu erreichen.
Doch es gab keinen Plan B für ihn. Entweder die Musik oder wieder Crack in der Hood verticken. Er hatte nie einen richtigen Job und auch Arbeitspapiere besaß er nicht. Es war klar, dass die Musik seine einzige Chance war, all dem zu entkommen.
Obwohl 50 Cent den Vorschuss von Columbia bekam, sollte »Power of the Dollar« nicht erscheinen. Das Label bekam kalte Füße und wollte keine schlechte Presse.
Da signt ein Major einen Gangsta-Rapper und lässt ihn dann fallen, weil der tatsächlich angeschossen wird? Vermutlich ist der Grund sogar noch zynischer. Schließlich wurde Jackson ernsthaft verwundet und musste sich über Monate von den körperlichen Folgen erholen. Die ersten Wochen nach dem Krankenhausaufenthalt nutzte er eine Gehhilfe und wegen des Kugelfragments in seiner Zunge behielt er einen kleinen Sprachfehler. Ein Rapper mit Gehhilfe? War dies der Grund, warum Columbia die Reißleine zog? Rückblickend war es für 50 Cent ironischerweise gut, dass sein Vertrag aufgelöst wurde. Denn sein früheres Label Columbia hatte für relativ wenig Geld eine Option auf acht Alben erworben, aber die Richtung, die das Label mit ihm einschlug, hatte wenig mit dem zu tun, was 50 Cent selbst vorschwebte.
Ohne Deal kümmerte sich Jackson also selbst um seine Karriere. Nachdem er es wortwörtlich wieder auf die Beine schaffte, veröffentlichte er 2002 das Mixtape »Guess Who’s Back?«, auf dem auch Songs von »Power of the Dollar« zu hören waren. Nur eine Woche nach der Veröffentlichung schwärmte Eminem in einem Radiointerview von 50 Cent. Für einen siebenstelligen Dollar-Betrag nahmen Dr. Dre und er Jackson dann für ihre eigenen Labels, »Shady Records« und »Aftermath Records«, unter Vertrag. Sein 2003 tatsächlich erschienenes Major-Debüt »Get Rich or Die Tryin’« verkaufte sich weltweit über 15 Millionen Mal. In den USA war es das meistverkaufte Album des Jahres. Auf dem Cover ist Jackson mit entblößtem Oberkörper zu sehen – vor ihm eine durchschossene Glasscheibe.