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Medizin und der Mensch in Afrika
ОглавлениеEinige Jahre später ging ich mit meiner Familie nach Zentralafrika. Als einziger Arzt in einem Buschhospital in der Demokratischen Republik Kongo (von 1971 bis 1997 Zaire) blieb mir keine Zeit für ein geordnetes Sprachstudium. Ich lernte die Kituba-Sprache nebenbei – vor allem während der Arbeit in der Klinik. Ich hatte ganz schnell heraus, wie ich eine Magenschleimhautentzündung diagnostizieren konnte: Wenn jemand – gewöhnlich eine Frau – auf eine Stelle im unteren Brustbereich deutete und dann auf ihren Rücken zwischen den Schultern, wusste ich sofort, was ihr Problem war. Mit meinen begrenzten Sprachfähigkeiten konnte ich ohne weiteres Natriumhydrogencarbonat und Belladonna-Extrakt verschreiben und ihnen die nötigen Instruktionen erteilen: langsam essen, scharfe Gewürze vermeiden, drei Mahlzeiten täglich (als ob das für eine afrikanische Frau das Selbstverständlichste von der Welt wäre). Es vergingen Jahre, bis ich gelernt hatte, dass sich hinter jedem Fall von Gastritis chronischer Ärger, Sorgen, Angst, eine zerbrochene Beziehung oder schwere Trauer verbargen. Eine halbe Tonne Natriumhydrogencarbonat können nie und nimmer die wirklichen Ursachen für die Gastritis beseitigen, denn sie liegen jenseits dessen, was wir mit unserem biochemischem Ansatz ausrichten können.
Ich erinnere mich gut an eine stark unterernährte Frau, der ich mit Eselsgeduld erklärte, welche Sorten Nahrung sie zu sich nehmen sollte, um ihrem Körper wieder auf die Beine zu helfen. Als sie nach drei Wochen wieder kam, fröhlich lächelte und sehr viel stabiler wirkte, war ich überrascht, denn solche rapiden Behandlungserfolge bei chronisch Unterernährten erlebten wir selten. Sie erklärte mir, dass eine der Krankenschwestern sie mit Jesus Christus bekannt gemacht hätte, dass Christus in ihr Herz gekommen sei und dass sie wahre Freude und Frieden gefunden hatte. Ihr Appetit habe sich stark verbessert und sie fühle sich viel kräftiger. Nachdem sie gegangen war, fragte ich mich verwundert, wie ihr neu gefundenes geistlichen Leben und ihr Ernährungszustand in Beziehung zu setzen seien. Es hat lange gedauert, bis ich das herausgefunden hatte.
Das waren nur einige wenige von tausenden Fällen, die mir als Arzt das Gefühl der Unzulänglichkeit gaben. Da saß ich tagtäglich in der Klinik, jahrein, jahraus, behandelte ungezählte Patienten mit chronischen Leiden, die immer und immer wieder kamen, dieselben Medikamente und Instruktionen erhielten und dabei keinerlei Besserung erlebten. Das ließ mich ernstlich fragen, was ich damit wirklich erreichte. Das Krankenhaus war dazu da, Leute zu heilen; aber es kam mir jetzt eher vor wie eine Reparaturwerkstatt. Ich sollte eigentlich Arzt sein, also jemand, der heilt; aber ich kam mir vor wie ein Flickschuster, der das eigentliche Problem gar nicht reparieren konnte. Damals erkannte ich nicht, dass dieses eigentliche Problem, das in Ordnung gebracht werden musste, in mir selbst lag. Das lag aber nicht allein in mir, es lag im ganzen System unserer modernen Gesundheitsfürsorge begründet.