Читать книгу Macht euch die Erde untertan - Daniel Headrick - Страница 54

Das Indus-Tal

Оглавление

Das den größten Teil des heutigen Pakistan bedeckende Indus-Tal ist das Überschwemmungsgebiet mehrerer Flüsse, die aus der tibetanischen Hochebene herunterfließen und sich zum Indus vereinigen, einem der großen Ströme Asiens. Wie andere Flüsse, die ihr Wasser vom Monsun erhalten, überfluten diese Flüsse in periodischen Abständen, aber nicht regelmäßig das Land und verändern ihre Flussbetten. Außerdem ist die Gegend tektonisch aktiv; da die indische Platte gegen die eurasische drückt, bilden sich im Tal manchmal Schlammbarrieren. In dieser Region entstand im 4. Jahrtausend v. Chr. die dritte der klassischen Flusstalkulturen.

Man weiß über sie viel weniger als über Mesopotamien, Ägypten und China. Archäologische Forschungen sind schwierig, weil viele wahrscheinliche Fundorte kaum über dem Wasserspiegel liegen und Ausgrabungen sich rasch mit Wasser füllen. Die Schrift dieser Kultur – von der nur sehr wenig überliefert ist – ist noch immer nicht entziffert worden. Wir wissen nicht, welche Sprache die Bewohner sprachen, woher sie kamen, wie sie ihre Gemeinwesen organisierten oder was mit ihnen geschah. Doch das allgemeine Bild ähnelt dem des benachbarten Mesopotamien, was gewisse Vergleiche erlaubt.

Die Pflanzen, die von den ersten Bauern im 5. Jahrtausend v. Chr. kultiviert wurden, waren dieselben wie in Mesopotamien: Weizen, Gerste, Erbsen und Linsen. Auch die Tiere der ersten Hirten stammten aus dem Nahen Osten, nämlich Ziegen, Schafe und Rinder. Offensichtlich gab es von Anfang an Kontakte. Boden und Klima ähnelten ebenfalls Mesopotamien, ebenso die Reaktion der Bauern auf ihre Umwelt. Sie gruben kleine Kanäle hin zu ihren Feldern und kleine Dämme, um das Wasser zurückzuhalten, und erneuerten diese jedes Jahr, nachdem die Fluten die Vorrichtungen zur Wasserkontrolle vom Vorjahr weggespült hatten.

Die Landwirtschaft im Tal war so produktiv, dass sie einige der größten Städte der alten Welt ernähren konnte: Mohenjo-Daro, Harappa und viele andere. Diese Städte hatten einen Rastergrundriss und bestanden aus festen Häusern aus identisch geformten Ziegeln. Tausende von Jahren vor den Römern besaßen die Städte im Indus-Tal effiziente Abwassersysteme und Badebecken. Sie hatten große Kornspeicher, aber anscheinend weder Tempel noch Paläste. Die auf ihren Friedhöfen gefundenen Skelette weisen keine Mangelernährung oder Unterschiede zwischen den sozialen Klassen auf, zeigen auch keine Zeichen für Kämpfe oder Kriege. Man nimmt an, die Städte seien von Kaufleuten regiert worden, nicht von Priestern oder Kriegern, denn sie betrieben einen aktiven Handel mit den Bewohnern Belutschistans, Afghanistans, des Hindukusch und Mesopotamiens, durch den sie Metall, Stein, Edelsteine und Handwerksgüter importierten.14

Das Ende der Kultur des Indus-Tals ist ebenso geheimnisvoll wie ihr Ursprung und ihre Blütezeit. Nach mehreren Hundert Jahren wurden ehemals blühende Städte verlassen. Wilde Siedler hielten die Häuser nicht instand oder bauten kleinere Häuser aus wiederverwendeten Ziegeln, dann aus Lehm und Zweigen; Töpferöfen und andere schädliche Aktivitäten entstanden in früheren Wohnvierteln, und die Abwasserentsorgung wurde vernachlässigt. Es gibt Anzeichen für eine Zunahme von Infektionskrankheiten und Gewalttaten, und Leichen wurden nur noch nachlässig begraben.

Was kann den Niedergang und das Ende dieser Kultur verursacht haben? Viele Gründe sind ins Feld geführt worden, manche davon umweltbedingt. Wie in Mesopotamien und Ägypten wurde das Klima gegen Ende des 3. Jahrtausends trockener und untergrub die Landwirtschaft, von der die Städte lebten.15 Erdbeben veränderten vielleicht den Lauf der Flüsse, sodass einige Gebiete überflutet und andere zu trocken für den Ackerbau wurden. Die Umgebung von Harappa trocknete aus, als die Zuflüsse des Saraswati vom Sutlej und Indus im Westen und vom Yamuna im Osten geschluckt wurden. Auch Seuchen wie Malaria und vielleicht Cholera hat man vermutet.16

Ebenso plausibel ist eine botanische Erklärung. Die Pflanzen, welche die Bauern aus dem Nahen Osten mitbrachten – Weizen, Gerste und Hülsenfrüchte – gediehen im Indus-Tal, wenn sie im Herbst gesät wurden und im Winter wuchsen. Weiter südlich und östlich, wo der Regen im Spätsommer kam, wuchsen sie aber nicht. Als Bauern Pflanzen domestizierten oder erwarben, die bis in den Sommer hinein wuchsen, etwa Hirse, Sorghum und Reis, waren sie nicht länger an das Indus-Tal gebunden und konnten sich südlich nach Gujarat und südöstlich ins Tal des Yamuna-Ganges und von dort weiter ins Dekkan ausbreiten. Auch die Tiere, die sie domestizierten – Zebu (Bos indicus) und Wasserbüffel (Bubalus bubalis) –, stammten vom Subkontinent. Kurz gesagt, die Städte konnten die Bauern nicht halten, und als die Bauern fortgingen, brachen die Städte in sich zusammen.17

Zumindest eine Erklärung ist aber verworfen worden, nämlich die arischen Invasoren, von denen man einst glaubte, sie seien wie eine Horde Barbaren sengend und plündernd durchs Indus-Tal gezogen. Es gab Arier; sie waren nomadische Hirten, die eine indoeuropäische Sprache besaßen und mit ihren Herden auf den Subkontinent zogen. Doch als das geschah, waren die Städte am Indus schon im Niedergang begriffen.18

Macht euch die Erde untertan

Подняться наверх