Читать книгу Glücksschule - Daniel Hess - Страница 10
ОглавлениеEinleitung
Kommt ein Baby mit oder ohne Vertrauen auf die Welt?
Ist Vertrauen nicht die Basis allen Lebens?
Und Spontaneität?
Müssen wir diese lernen oder können wir sie nicht eher nur verlernen? Und wie sieht es aus mit Offenheit, Echtheit, Geduld, Entspanntheit und Hingabe? Wer schon je wirklich zu ganz kleinen Kindern Kontakt hatte, weiß, dass diese und viele weiteren wunderbaren Qualitäten ursprünglich einfach da sind.
Vor aller Erziehung.
Vor aller Bildung.
Vor allem Wissen.
Vor allem Lernen.
Vor dem, was wir als Sozialisation bezeichnen.
Kleine Kinder drücken ihre Gefühle und Bedürfnisse ganz unmittelbar und ungeschminkt aus. Sie leben mit komplett offenem Herzen und begegnen dem Leben mit einer staunenden Neugier und Begeisterung. Sie kennen ursprünglich keine Begrenzungen, keine Trennungen und keine Selbstwertprobleme.
Ein Kind sieht die Welt noch mit liebevollen und offenen Augen.
Ein Kind ist noch nicht gefangen in diesem Netz aus Bewertungen, Urteilen und Vorstellungen über sich selber und das Leben.
Kinder fließen einfach mit im Fluss des Lebens.
Kleine Kinder sind echt – ohne zu wissen, was Echtsein bedeutet.
Kleine Kinder sind spontan – ohne zu wissen, was Spontaneität ist.
Kleine Kinder sind begeisterungsfähig – ohne etwas über Begeisterung zu wissen.
Kleine Kinder sind ganz sie selbst und sich selber treu – ohne zu wissen, wer oder was sie sind.
Und sie sind glücklich – ohne gelernt zu haben, was Glück ist!
Offensichtlich ist es so, dass Kinder nicht obwohl, sondern weil sie nichts über diese Dinge und über sich selber wissen, all diese ursprünglichen Qualitäten noch voll verkörpern können!
Diese Qualitäten zeigen sich vor aller Erziehung und Bildung, durch die unsere Überzeugungen, Vorstellungen, Urteile, Bewertungen, Erwartungen, Hoffnungen und vor allem all „unsere“ oft irrationalen Ängste entstehen. Kennt ein Kind vor der Erziehung und vor den ersten Schulerfahrungen so etwas wie Selbstwertprobleme, Minderwertigkeitskomplexe, Versagensängste, Perfektionismusansprüche, Existenzängste usw.?
Lernt ein Kind nicht erst im Laufe der Erziehung, der Bildung und der Sozialisation, dass es scheinbar gute und schlechte, schuldige und unschuldige, schöne und hässliche, wichtigere und unwichtigere, erfolgreiche und erfolglose Menschen gibt?
Kinder leben, bevor wir ihnen Wissen vermitteln und sie erziehen, noch in einer Welt, in der absolut alles möglich ist, in der nichts voneinander getrennt existiert und das ganze Dasein als ein Spiel wahrgenommen wird. Wir Erwachsenen bringen den (unwissenden) Kindern dann aber bei, wie die Welt wirklich ist, wer sie sind, was möglich, unmöglich sowie richtig oder falsch ist. Wir glauben zu wissen, dass die Realität unverrückbar und fest einfach da ist und wir unseren Kindern beibringen müssen, mit dieser Realität umzugehen. Aber wissen wir das alles wirklich so genau? Ist es nicht vielmehr bei genauerem Hinschauen so, dass unsere eigenen Realitätserfahrungen auch nur das Ergebnis eines Lernprozesses sind? Ist es nicht vielleicht so, dass wir eine komplett andere Realität erfahren würden, wenn wir ganz andere Lernerfahrungen gemacht hätten?
Wie stabil ist die Welt, in der wir leben, wirklich? Ist es nicht so, dass die Quantenphysik schon im letzten Jahrhundert unzählige Belege dafür gefunden hat, dass es keine vom Beobachter unabhängige Realität gibt? Wenn wir uns für diese Möglichkeit öffnen, dann zeigt sich uns noch eine ganz andere Verantwortung gegenüber uns selbst und unseren Kindern. Eine Verantwortung, die beispielsweise zu folgenden Fragen führt:
• Welche Realität willst du den Kindern wirklich weitergeben oder vielmehr vorleben?
• In welcher Realität willst du selbst leben?
• Was wäre, wenn nur deine begrenzte Sicht der Dinge (all das scheinbar so sichere Wissen) der einzige Grund wäre für die Begrenzungen in deiner Welt?
• Was wäre, wenn die Kinder mit ihrer Sichtweise, dass die Welt ein Feld der unendlichen Möglichkeiten und ein Spielplatz ist, mindestens genauso recht hätten?
• Was wäre, wenn alle, wirklich alle Grenzen, Konflikte und Probleme nur im Kopf und in unseren Ängsten vor unangenehmen Emotionen liegen würden?
Wir alle, egal ob als Eltern, Lehrer, Schulleiter, Sozialarbeiter, Psychologen, Heilpädagogen, Paten oder Großeltern, wollen im Grunde nur das Beste für die uns anvertrauten Kinder und wir wenden dafür sehr viel Kraft und Energie auf.
Wir erziehen, bilden und sozialisieren Kinder, weil wir überzeugt sind, dass das so richtig und gut ist für die kindliche Entwicklung, und wir meinen es damit sehr gut mit den Kindern. Wir glauben, dass all unser Bemühen ihnen hilft, wirklich glücklich zu werden im Leben. Die Frage ist aber, ob uns das wirklich gelingt, ob unsere Bildung, Erziehung und Sozialisation aus den Kindern auch wirklich glückliche Erwachsene zu machen vermag.
Ist die Realität, zu der wir die Kinder mit so viel Anstrengung und Einsatz erziehen, wirklich besser als ihre Realität des Nichtwissens und der unendlichen Möglichkeiten? Sind Kinder vor allem Wissen nicht offensichtlich glücklicher, unbeschwerter und liebevoller als danach?
Vielleicht ist es jetzt endlich an der Zeit, dass wir ernsthaft und vorbehaltlos beginnen, trotz all unserem Wissen der ursprünglichen Weisheit unserer Kinder wirklich respektvoll zu begegnen. Dass wir beginnen, in uns selber die Offenheit, Echtheit, Lebensfreude und Klarheit wiederzuentdecken, welche Kinder verkörpern. Diese Begegnung und die damit verbundene Wiederverzauberung können uns zurück zur ursprünglichen Grenzenlosigkeit in uns führen, die wir alle vor und hinter allem Wissen immer in uns tragen! Niemand kann abschätzen, welche Gnade das für unser Zusammenleben und für unseren Umgang mit allem Leben darstellen könnte!