Читать книгу Spur in den Schatten - Martin Schoeller, Daniel Schönwitz - Страница 8

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Kapitel 3: Samstag, 25. September

Du hast keine Kinder. Jedenfalls keine, von denen Du wüsstest. Das antwortest Du augenzwinkernd, wenn Du gefragt wirst. Du findest das nicht übermäßig witzig, aber ein schlichtes ‚Nein‘ erscheint Dir irgendwie unzureichend.

Du hast auch keine Frau mehr. Die Scheidung ist jetzt fünf Jahre her. Sie war ein guter Mensch. Offen, ehrlich, voller Liebe. Aber sie hat unter Dir gelitten. Nicht, weil Du sie misshandelt hättest. Aber Du hast keine echte Nähe zugelassen. Sie auf Distanz gehalten.

Du konntest ihr ja nicht erzählen, für wen Du arbeitest. Und deshalb musstest Du ihr auch andere Dinge verschweigen. Wie viel Geld Du verdienst, zum Beispiel.

Gestern Abend hast Du Larissa zum Essen ausgeführt. Larissa ist Deine neue Freundin. Sie ist 20 Jahre jünger als Du, bildhübsch und hat endlos lange Beine.

Aber Du hast den Abend nicht genossen. Larissa hat den ganzen Abend über ihr neues Kleid und die aktuellen Promi-Skandale geredet. Bis vor kurzem hätte Dir das nichts ausgemacht. Du hättest Dich daran ergötzt, wie andere Männer Deine Begleitung anstarren. Du hättest Dich darauf gefreut, sie zu vögeln.

Gestern hat Dir nicht mal der Sex Spaß gemacht. Sicher, Larissa war im Bett eine Offenbarung. Aber Du musstest die ganze Zeit an ihr oberflächliches Gelaber denken. Du bist aufgestanden und heimgefahren, sobald sie schlief.

Kein feiner Zug von Dir. Aber Du hättest es keine Minute länger bei ihr ausgehalten. Du wusstest, dass Du sie nie wiedersehen willst.

Und Du wolltest unbedingt alleine sein. Um in Ruhe nachzudenken.

Du hast einen wichtigen Schritt gemacht, um Dein Leben zu ändern und mit Deiner Vergangenheit abzuschließen.

Aber war es der Richtige?

10.04 Uhr, Düsseldorf (LKA-Zentrale)

Elisabeth fuhr erschrocken herum, als sie ein Geräusch hörte. »Guten Morgen«, rief Jens Böhmer, der gerade das Großraumbüro betreten hatte und auf sie zusteuerte. Er trug Joggingschuhe, weiße Tennissocken und dunkelblaue Bermudas, obwohl es draußen höchstens 15 Grad waren. »Falls Sie es vergessen haben, Frau Hajek: Es ist Samstag.«

»Ja, ich bin auch gar nicht lange hier«, antwortete Elisabeth, während sie möglichst unauffällig versuchte, mit der linken Hand den Internet-Explorer zu schließen. So was Dämliches, dachte sie. Sich ausgerechnet hier im Büro in ein Single-Portal einzuloggen. Aber ihre Neugier hatte gesiegt, und es war ja tatsächlich eine neue Nachricht eingegangen. Hoffentlich hatte Böhmer nicht gesehen, welche Seite sie aufgerufen hatte. Seine Miene verriet jedenfalls nichts.

Elisabeth hatte sich vor einigen Wochen auf Drängen ihrer Freundin Julia beim Single-Portal Parship.de angemeldet. »Fast alle Paare lernen sich heute im Internet kennen«, hatte Julia verkündet. Allein in ihrem engeren Bekanntenkreis gebe es inzwischen drei Internetpaare - »und alle sind superglücklich«. Nach längerem Zögern hatte Elisabeth nachgegeben und beschlossen, einen Versuch zu wagen. Wo sollte sie sonst jemanden kennen lernen? Schließlich hatte sie es über Wochen nicht geschafft, abends mal auszugehen. Allerdings stellte sie ein Foto auf ihre Profil-Seite, auf dem sie nur schräg von hinten zu sehen war. Auch bei der Wahl ihres Benutzernamens – »Violetta_1970« – achtete sie sorgfältig darauf, keine Rückschlüsse auf ihre Identität zuzulassen. Es fehlte gerade noch, dass einer ihrer Mitarbeiter im Internet auf ihr Profil stieß. Nicht auszudenken, was für ein Getratsche das auslösen würde.

»Ist gestern Abend noch was Interessantes passiert?«, fragte sie und sah Böhmer betont gelassen an. Sie hatte das Gefühl, dass ihr Kopf gerade hochrot anlief. Um ihre Nervosität zu überspielen, fuhr sie sich mit der rechten Hand durch den Pony ihres schwarzgefärbten Pagenschnitts.

Das kommt davon, wenn man ein Einzelbüro ablehnt und sich stattdessen fürs Großraumbüro entscheidet, schimpfte sie im Stillen mit sich. Wo sie auch noch mit dem Rücken zur Tür saß, sodass jeder, der reinkam, auf ihren Bildschirm gucken konnte. Aber heute war Samstag, und deshalb hatte Elisabeth nicht erwartet, dass jemand kam. Ihre Ermittler hatten frei – bis auf die beiden, die zur Observation Hosseinis eingeteilt waren. Und Böhmer hatte Bereitschaft, sollte also in Notfällen erreichbar sein, um Verstärkung zu schicken oder wichtige Entscheidungen zu fällen. Aber normalerweise blieb er dabei zuhause, wogegen auch nichts einzuwenden war.

»Ja, kann man so sagen«, antwortete ihr Stellvertreter, der jetzt vor ihrem Schreibtisch stand und die Hände lässig in die Hosentaschen gesteckt hatte. Böhmer war nur wenige Zentimeter größer als Elisabeth, aber wegen seiner breiten Schultern trotzdem eine stattliche Erscheinung. Er trug ein T-Shirt mit ziemlich kurzen Ärmeln, unter denen sein beachtlicher Bizeps hervorragte. Elisabeth fragte sich, warum er sich so prollig kleidete. Hatte er doch wirklich nicht nötig.

»Hosseini ist nach Düsseldorf gefahren und hat sich in einer Bar am Medienhafen mit jemandem getroffen«, fuhr Böhmer fort. Der Medienhafen war ein Szene-Viertel am Rhein mit zahlreichen Restaurants, Clubs und Kneipen. »Ein Mann um die Vierzig, haben die Kollegen erzählt. Sah wohl so aus, als hätten die sich gestritten.«

Elisabeth blickte ihren Stellvertreter fragend an und wagte kaum zu atmen.

Nach einer kurzen Pause fuhr Böhmer grinsend fort: »Ja, einer der Kollegen ist dem Mann gefolgt und hat sein Autokennzeichen notiert.«

»Sehr gut.« Elisabeth schaffte es nicht, ihre Erleichterung zu verbergen. Ihr fiel es immer noch schwer, ihren Leuten zu vertrauen. Aber so unzugänglich die Ermittler menschlich sein mochten, so beschlagen waren sie als Observateure. Das galt selbst für Wilke, dieses Arschloch.

»Die Jungs verstehen was von ihrem Job«, sagte Böhmer mit leicht tadelnder Stimme. Sein Grinsen war verschwunden.

»Ja, ich weiß«, sagte Elisabeth und seufzte. »Ich hatte nur befürchtet, dass... Naja, egal. Auf jeden Fall hervorragende Arbeit. Haben wir das Kennzeichen schon gecheckt?«

»Nein, gestern war es schon spät. Wollte ich gleich Montagmorgen machen«, antwortete Böhmer, jetzt wieder im üblichen neutralen Tonfall.

Elisabeth war drauf und dran, die Verzögerung zu kritisieren, besann sich aber im letzten Moment eines Besseren. Montag reichte ja tatsächlich.

»Okay«, sagte sie. »Da bin ich mal sehr gespannt, wer unser Unbekannter ist.«

»Ich auch. Die Kollegen haben natürlich Fotos gemacht. Die müssten eigentlich schon in meinen Mails sein. Soll ich die Ihnen schnell weiterleiten?«

»Ja, das wäre prima.«

Böhmer nickte. »Alles klar, sind gleich da.«

Elisabeth sah ihm hinterher, als er auf seinen Schreibtisch in der anderen Ecke des 60 Quadratmeter großen Büroraums zusteuerte. Sollte das etwa schon der nächste Durchbruch sein? Dass es so schnell ging, hätte sie nach den zähen letzten Wochen nicht zu hoffen gewagt. Langsam, langsam, mahnte sie sich. Gut möglich, dass das Treffen überhaupt nichts zu bedeuten hatte und dass sich Hosseinis Gesprächspartner als harmloser Bekannter entpuppte. Sie blickte vorsichtig zu Böhmer herüber, der inzwischen an seinem Computer saß. Eilig loggte sie sich wieder bei parship.de ein, um die Nachricht, die sie von Lino_Ventura erhalten hatte, erneut zu lesen.

»So, ich hab‘s weitergeleitet«, rief Böhmer kurz darauf zu ihr herüber.

»Danke.« Elisabeth meldete sich beim Single-Portal ab und öffnete ihr Email-Programm. Die Antwort an Lino_Ventura würde sie in Ruhe zuhause schreiben.

Ganz oben fand sie Böhmers Mail mit vier angehängten Fotos, die alle dasselbe Motiv zeigten: Zwei Männer an einem Ecktisch in einer italienischen Espresso-Bar, offenbar von der Straße aus durchs Fenster fotografiert. Sie kannte die Bar, allerdings nur vom Vorbeigehen. Ein paar Meter weiter gab es ein hervorragendes Fisch-Restaurant, in dem sie schon oft mit ihren Eltern gegessen hatte. Ein paar Mal war auch Daniel dabei gewesen, wenn sie gemeinsam im Rheinland waren. Allerdings hatte er sich um Besuche bei ihren Eltern meist erfolgreich gedrückt.

Einer der Männer auf den Fotos war unverkennbar der Teilzeit-Pizzalieferant Hosseini – die zurückgegelten schwarzen Haare, die Hornbrille und der kurzgeschorene Kinnbart ließen keinen Zweifel. Beim Anblick des zweiten Mannes stockte Elisabeth kurz der Atem. Unverkennbar auch ein Südländer. Er sah aus wie aus dem Ei gepellt, allerdings auf dezentere Weise als der geschniegelte Hosseini. Eleganter hellgrauer Anzug, weißes Hemd und kurze schwarze Haare. Gepflegte Koteletten, ansonsten glattrasiert. Um die 40, das kam hin. Der Typ Mann, den viele Frauen attraktiv fanden. Auch Elisabeth musste sich eingestehen, dass er anziehend wirkte. Neben ihm auf dem Tisch lag eine teure Sonnenbrille und eine Packung Menthol-Zigaretten.

Der Mann strahlte Autorität aus, aber auf die gelassene Art. Er hatte seine Ellenbogen auf dem Tisch abgestützt und die Hände gefaltet, während er redete. Hosseini saß ihm gegenüber, leicht zurückgelehnt und mit vor der Brust verschränkten Armen. Er starrte auf den Boden und wirkte dadurch wie ein Lehrling, dem gerade vom Chef der Kopf gewaschen wird. Vermutlich eine ungewohnte Pose für Hosseini, der vor Eitelkeit und Selbstbewusstsein nur so strotzte. Diesen Eindruck hatten jedenfalls ihre Ermittler gewonnen, während sie ihn observierten.

Bist Du der, den wir suchen?, fragte Elisabeth stumm, während sie den Mann eingehend taxierte.

Für ihren Verdacht sprach zunächst, dass er Südländer war - und damit möglicherweise Afghane, wie Hosseini. Mehr als 90 Prozent des weltweit produzierten Opiums – der Rohstoff für Heroin – stammten von afghanischen Schlafmohnfeldern. Besonders in den südwestlichen Provinzen Kandahar und Hilmand züchteten Bauern und Plantagenbesitzer große Mengen. Daran hatte auch die Besatzung des Landes durch internationale Schutztruppen nichts geändert: In weiten Teilen Afghanistans existierten noch immer keine staatlichen Strukturen; die Mohn-Bauern konnten dort unbehelligt ihrer Arbeit nachgehen. Das führte dazu, dass unverändert große Mengen Heroin den Weltmarkt überschwemmten. Und die Süchtigen kauften, was sie konnten, vor allem in Westeuropa und den USA. Der Stoff erlebte derzeit eine Renaissance; anders als noch vor wenigen Jahren deutete nichts mehr darauf hin, dass Designerdrogen das gute alte Heroin von der Spitze verdrängen würden. Für staatliche Anti-Drogen-Kämpfer, Suchttherapeuten und Streetworker im Milieu blieb Heroin weiterhin das mit Abstand größte Problem.

Jahr für Jahr rutschten allein in Deutschland Tausende junge Menschen in die Heroinsucht ab, was fast immer bedeutete, dass sie ihre bürgerliche Existenz aufgeben mussten. Sie brachen die Ausbildung ab, verließen das Elternhaus und schlugen sich als Kleinkriminelle oder Prostituierte durch ein trostloses Leben. Nur wenige schafften den Ausstieg und überlebten; die meisten setzten sich irgendwann den tödlichen Schuss, erkrankten an AIDS oder bereitetem ihrem Dasein auf andere Weise ein trauriges Ende.

Wenn sie die neuesten Statistiken las, durchlief Elisabeth stets zwei Phasen. Erst kam die Melancholie: Sie musste daran denken, wie viele menschliche Schicksale sich hinter den nackten Zahlen verbargen. Wie viele zerstörte Leben, wie viele verzweifelte Eltern.

Danach folgte die Phase der kalten Wut – auf die Dealer, die Schmuggler und ihre Hintermänner, die aus Profitgier Leben vernichteten. Die nicht mal davor zurückschreckten, junge Menschen gezielt abhängig machten.

In dieser Phase hatte sich Elisabeth mehrfach geschworen, alles daran zu setzen, möglichst vielen dieser Gangster das Handwerk zu legen.

Der Unbekannte war womöglich eine heiße Spur. Besonders, wenn er tatsächlich Afghane war. Den Schmuggel des Stoffs nach Westeuropa dominierten zwar traditionell türkische und russische Mafia-Gruppen, aber seit einiger Zeit machten Gerüchte die Runde, dass neuerdings auch Afghanen selbst kräftig mitmischten.

Elisabeth hielt das für durchaus glaubwürdig. Wenn ein afghanisches Syndikat die gesamte Wertschöpfungskette vom Anbau über den Transport bis zum Verkauf kontrollierte, würde es mit einer horrenden Gewinnspanne arbeiten. Und in Deutschland lebten rund 100 000 Afghanen, von denen viele noch Kontakte in die alte Heimat haben dürften. Eine große Welle afghanischer Flüchtlinge war Anfang der Achtzigerjahre hierhergekommen, nachdem die Sowjets in ihrer Heimat einmarschiert waren und ein kommunistisches Regime installiert hatten. Weitere Wellen folgten in den Neunzigern, als zunächst die Mudschaheddin die Kommunisten stürzten und später die radikal-islamischen Taliban die Macht übernahmen.

Nachdem die Ermittler vor ein paar Tagen erfahren hatten, dass Hosseini Afghane ist, hatte Bert Schmidt nachdenklich seinen Schnurrbart gestreichelt - und sich zu einer für seine Verhältnisse ziemlich langen Äußerung hinreißen lassen: »Vor ein oder zwei Jahren gab‘s einen Bericht, dass die Afghanen den Heroinhandel übernommen haben«, sagte er. »Ließ sich aber nicht erhärten.« Auf Elisabeths Bitten besorgte Schmidt daraufhin das zugehörige Dossier. Es handelte sich um die Aussage eines Informanten aus der Duisburger Drogenszene, dem sein Dealer erzählt hatte, dass er jetzt für einen Afghanen arbeite. »Die Türken sind raus«, hatte der Dealer angeblich gesagt. Mehr Informationen dazu gab es nicht, und den Informanten konnten sie nicht mehr fragen: Er war im letzten Winter an einer Überdosis gestorben.

Wenn Hosseinis Gesprächspartner ebenfalls Afghane war, würde das also ins Bild passen.

Am Montag würde sie mehr erfahren. Und jetzt hatte sie erst mal Wochenende. Als Elisabeth den Raum verließ, um nachhause zu fahren, musste sie wieder an die Nachricht von Lino_Ventura denken.

11.35 Uhr, Düsseldorf (Medienhafen)

Der hagere Mann mit dem kantigen Gesicht, der am Tag zuvor auf seiner Veranda in Südfrankreich gesessen hatte, betrat das Six2Three, einen Szeneclub im Düsseldorfer Medienhafen. Er trug einen dunkelblauen Maßanzug mit Nadelstreifen und eine hellblaue Seidenkrawatte. Sein Name war Carlo Caesar, und er war der Eigentümer des Clubs. Ihm gehörten noch 23 weitere Gastronomiebetriebe – exklusive Restaurants, Bars und auch eine Discothek, allesamt umsatzstark und in guter Lage. Aber dort hatte er zuverlässige Strohmänner als Eigentümer und Geschäftsführer eingesetzt. Somit wusste niemand, dass er der größte Gastronom Nordrhein-Westfalens war. Vermutlich sogar der ganzen Republik.

Nur für das Six2Three stand er mit seinem eigenen Namen ein, es war sozusagen sein Vorzeigeprojekt als Unternehmer, seine legale Fassade.

Am Vortag war Caesar schon mittags mit seiner privaten Cessna zurück nach Düsseldorf geflogen. Nadja, seine Lebensgefährtin, hatte es gerade noch rechtzeitig aus der Innenstadt von Montpellier zum Flugfeld geschafft.

Caesar musterte die zehn Meter lange Bar auf der linken Seite des geräumigen Clubs. Alles war blitzblank sauber. Die Flaschen mit teurem Whisky und anderen Spirituosen standen sorgfältig sortiert im Regal hinter der Theke, und die beiden mannshohen Kühlschränke mit gläserner Front waren wieder bis oben gefüllt mit Bier, Champagner und Wodka. Nichts deutete darauf hin, dass hier bis vor wenigen Stunden die übliche wilde Freitagabend-Party stattgefunden hatte. Die Tanzfläche rechts von Caesar war frisch gewienert, und auch im exklusiven VIP-Bereich am anderen Ende des Raumes schien alles, wie es sein sollte.

Während der Öffnungszeiten des Six2Three – sechs Uhr abends bis drei Uhr morgens, Nomen est Omen – kam Caesar selten hierher. Höchstens ein- bis zweimal im Monat ließ er sich blicken, um sicherzugehen, dass die Mitarbeiter seine Anweisungen exakt befolgen. Er verabscheute es zutiefst, wenn Menschen sich gehen ließen; seine Besuche im Club bereiteten ihm deshalb regelrecht körperliches Unbehagen. Verwöhnte Weicheier, die sich auf der Tanzfläche mit albernem Gezappel zum Deppen machten; beschwipste Nobel-Schlampen, die darum bettelten, gevögelt zu werden – dieses primitive Treiben konnte er nie lange mitansehen. Trotz seiner nur sporadischen Kurz-Besuche wagte niemand, gegen seine Anweisungen zu verstoßen. Berger war schließlich ein paar Mal die Woche da und hielt Augen und Ohren für ihn offen. Der Club hatte sich zur Goldgrube entwickelt.

Wie einfach es war, der Düsseldorfer High-Society das Geld aus der Tasche zu ziehen, dachte Caesar. Einen Club in guter Lage eröffnen, mit exklusivem Interieur, einem halbwegs fähigen DJ und natürlich gesalzenen Preisen. Besonders am Anfang jedes Wochenende ein paar prominente Gestalten einladen und fotografieren lassen – das war‘s schon. Caesar konnte sich noch lebhaft erinnern, wie er bei den Agenturen einiger angesagter Soap-Stars und Musiker angerufen und völlig überrascht erfahren hatte, wie billig einige dieser Leute zu haben waren. Für ein paar hundert Euro, freies Trinken und ein Hotelzimmer verbrachten sie den gesamten Abend in seinem Club, ließen sich von jedem Hanswurst fotografieren - und hatten offenbar auch noch Spaß daran. Alles in allem, schätzte er, hatte es ihn maximal 40 000 Euro gekostet, den Ruf des Six2Three als Promi-Club zu etablieren. Eine Investition, die sich mehr als rentiert hatte.

Während Caesar hinter die Theke ging, um ein Glas Leitungswasser zu trinken, kam Falko Berger die Treppe hoch und nickte ihm kurz zu. Auch im Toilettentrakt war also alles in Ordnung. Der hünenhafte, kahlköpfige Berger setzte seinen Kontrollgang Richtung VIP-Bereich fort.

Sein Assistent und Leibwächter war früher Elitesoldat in der Nationalen Volksarmee der DDR gewesen. Als er nach der Wiedervereinigung plötzlich auf der Straße stand, hatte er sich im Ruhrgebiet als Kickbox-Lehrer und Türsteher verdingt – und schnell Kontakte zur Halbwelt geknüpft. Schon bald stand der damals 25-Jährige in dem Ruf, ein guter Mann für diskrete Jobs zu sein. Ob Gastwirte, die das Schutzgeld nicht schnell genug zahlten oder Straßendealer, die Stoff für sich selbst abzweigten – Berger schaffte es, sie umzustimmen. Oder ihrem Dasein ein Ende zu bereiten. Als Caesar 1993 mit seinem kleinen Heroin-Syndikat expandieren wollte, beschloss er nach einem Tipp aus der Szene, Berger zu engagieren.

Ein Glücksgriff, wie sich bald herausstellte. Zunächst arbeitete Berger als Mann fürs Grobe: Straßendealer einschüchtern, Herointransporte bewachen und so weiter. Aber schon bald übertrug Caesar ihm wichtigere Aufgaben – und wurde nicht enttäuscht. Berger schaffte es 1998 und 2005, zwei bestens bewachte Drogenbosse zu töten, ohne dass der Hauch eines Verdachts auf ihn fiel. Caesar wusste, dass er es ohne den Hünen nicht zum unangefochtenen Platzhirschen im Heroingeschäft an Rhein und Ruhr gebracht hätte. Zumindest nicht so schnell.

Trotz seiner zentralen Rolle war Berger vorbehaltlos loyal geblieben. Einerseits wegen der fürstlichen Honorare, die er kassierte; andererseits, vermutete Caesar, weil er in einer Diktatur groß geworden war und deshalb nicht dazu neigte, die vorgegebene Rangordnung infrage zu stellen.

Seit einigen Jahren war Berger zudem so eine Art Personalchef des Syndikats. In seiner Kampfsport-Schule, die er von Caesars üppigen Honoraren finanziert hatte, leitete der Ex-Soldat zwei Mal pro Woche persönlich das Kickbox-Training. Dank seiner ehrfurchtgebietenden Statur und seiner Kampfeskunst erntete er von jungen Möchtegern-Straßenkämpfern große Bewunderung, die er geschickt zu nutzen wusste. Denn praktischerweise hatte er ein hervorragendes Gespür, welche Jungs moralisch flexibel genug waren, um für Caesar zu arbeiten. Mehr als die Hälfte der rund 50 Dealer, Bodyguards und Kuriere des Syndikats stammten inzwischen aus Bergers Schule.

Caesar hörte, wie die Eingangstür aufging. Er sah auf die Uhr. Amin war pünktlich, wie immer. Caesar hatte ihn vor zwei Stunden in den Club bestellt, um ihn über die Ereignisse in der Schweiz zu informieren – und ihm Anweisungen zu erteilen, die keinen Aufschub duldeten.

»Hallo, Carlo«, sagte Amin. »Ich hab den Anwalt angerufen, er ist morgen um zehn da.«

Caesar nickte und deutete wortlos auf einen der Barhocker. Er blieb auf der anderen Seite der Theke stehen und erzählte in knappen Sätzen vom geplanten Abkommen zwischen Deutschland und der Schweiz. »Da unten liegt auch ein großer Teil meines Geldes. Wenn die anonym 20 oder 30 Prozent abziehen, könnte ich damit leben. Aber wenn sie meinen Namen mitliefern, wird’s brenzlig. Denn dann werden sich die Penner vom Finanzamt fragen, woher ich so viel Geld habe. Und sie werden Fragen stellen.« Caesar merkte, wie die Wut in ihm aufstieg. Er musste sich beherrschen, um das Wasserglas in seiner Hand nicht gegen die Wand zu schmeißen.

»Was hast Du jetzt vor?«, fragte Amin.

Caesar wartete ein paar Sekunden, bis er sich wieder im Griff hatte. »Erst mal muss das Geld dringend weg«, sagte er dann. »Irgendwohin, wo es sicher ist. Und zwar so, dass es keiner zurückverfolgen kann. Danach müssen wir die Sicherheitsvorkehrungen verstärken. Wenn die Steuerfahndung meinen Namen bekommt, werden die hier alles auf den Kopf stellen.«

»Können die uns gefährlich werden?«

Caesar wiegte den Kopf hin und her. »Ich bin ziemlich sicher, dass die nicht rausfinden, woher das Geld in der Schweiz wirklich stammt. Dafür hat der Anwalt zu viele Tarnfirmen zwischengeschaltet. Aber es besteht die Gefahr, dass jemand anfängt zu quatschen. Die werden schließlich nicht nur mich befragen, sondern alle möglichen Angestellten.«

Amin nickte nachdenklich, sagte aber lieber nichts. Caesars Lippen hatten sich zu einem dünnen Strich zusammengezogen.

»Bitte besprich mit Berger, ob wir irgendwelche unsicheren Kantonisten in der Truppe haben«, ordnete er an. »Geht sämtliche Namen durch und überlegt, ob sich irgendeiner auch nur im Entferntesten verdächtig verhalten hat. Dealer, Bodyguards, Kuriere und auch die Strohmänner. Im Zweifel sortieren wir lieber einen zu viel aus.« Caesar blickte Amin vielsagend an. »Da gibt’s jetzt keine Kompromisse, kapiert?«

»Wird erledigt«, sagte Amin und sah zu Berger herüber, der seinen Kontrollgang beendet und schweigend an der Theke Platz genommen hatte. Die beiden wussten genau, was der Boss meinte.

Keine Kompromisse. Keine Gnade.

Caesar nickte mit unbewegter Miene. Auf Amin konnte er sich ebenso verlassen wie auf Berger. Er kannte ihn schon aus der Schulzeit, sie hatten in den Achtzigern die vornehme Internationale Schule in Düsseldorf besucht und 1984 gemeinsam Abitur gemacht. Der fleißige und ehrgeizige Amin, der anders als die anderen Mitschüler nicht aus gut situiertem Elternhaus stammte, war damals einer seiner beiden einzigen Freunde gewesen.

»Ein Problem bleibt natürlich der Anwalt«, fuhr Caesar fort. Seine Miene verfinsterte sich wieder. »Der weiß eindeutig zu viel. Normalerweise müssten wir ihn sofort kalt machen.«

Amin und Berger blickten ihn an. »An mir soll‘s nicht liegen«, brummte Berger. Caesar sah dem Hünen in die eiskalten Augen. Er wusste, dass der Ex-Soldat große Freude am Töten hatte. Er genoss es in nahezu sadistischer Manier, seine Überlegenheit zu demonstrieren und mordete deshalb fast immer aus nächster Nähe. Überwältigen, um Gnade betteln lassen, Genickschuss: das war Bergers Methode. Caesar hatte mehr als einmal aus nächster Nähe zugesehen, wie der Hüne auf diese Weise einen Dealer bestrafte.

Er schüttelte den Kopf. »Nein, das geht nicht«, sagte er mühsam beherrscht. »Der Anwalt weiß als Einziger genau, wie unsere Tarnfirmen funktionieren. Außerdem muss er das Geld jetzt erst mal wegschaffen, ich hab keinen anderen dafür. Ich werd‘ ihn morgen rund machen, bis er sich in die Hose pisst, aber das muss reichen.«

Unvermittelt feuerte Carlo das Wasserglas auf den Boden hinter, wo es in unzählige Glassplitter zerbarst. Es ärgerte ihn maßlos, dass er den Anwalt nicht bestrafen konnte. Aber er hatte keine andere Wahl.

Vorerst zumindest.

20.48 Uhr, Düsseldorf (Ratinger Straße)

»Meister, ich nehm noch so ‚nen Prügel!« Leon schwenkte sein leeres Weizenbierglas hin und her und signalisierte dem Kellner auf diese Weise, dass er Nachschub brauchte. Drei Halbliter-Gläser hatte er bereits intus, während Manuel noch mit seinem zweiten 0,2er-Altbier beschäftigt war. Er hatte keine Lust, sich zu betrinken, aber es tat gut, mit Leon zu reden.

Manuel hatte heute erneut viele Stunden damit verbracht, in den Unterlagen seiner Mutter nach Hinweisen auf seinen Vater zu suchen – erst im chaotischen Arbeitszimmer, danach im Keller. Abends war ihm dann irgendwann die Decke auf den Kopf gefallen, und er hatte das dringende Bedürfnis verspürt, die einsame Wohnung zu verlassen. Leon hatte sofort eingewilligt, als Manuel anrief, und inzwischen saßen die beiden seit gut einer Stunde in ihrer Lieblingskneipe, dem »Goldenen Einhorn« in der Düsseldorfer Altstadt – wie fast immer auf Barhockern an einem runden Stehtisch in der Nähe der Theke. Zunächst hatten sie über das Länderspiel der Nationalmannschaft gegen Dänemark geredet, und danach hatte Manuel von seiner aufwühlenden Entdeckung berichtet.

»Also, lass mich das noch mal rekapitulieren«, sagte Leon. Das letzte Wort kam ihm nicht mehr ganz rund über die Lippen. »Du hast ein Foto gefunden, das Deine Mutter mit diesem Richard zeigt – dem Mann der besten Freundin Deiner Mutter. Und die beiden wirken darauf irgendwie vertraut. Sie stehen nebeneinander, und Richard hat Deiner Mutter den Arm auf die Schulter gelegt.«

Manuel nickte. »Genau.«

»Und jetzt glaubst Du, dass Richard Dein Vater ist.«

»Naja, das Foto war ziemlich gut versteckt, unter lauter anderen Fotos in einem Schuhkarton, den sie ganz hinten in der untersten Schreibtisch-Schublade verstaut hatte.«

Leon kratzte sich am Kopf. »War sie abgeschlossen?« Trotz des Alkohols konnte er offenbar noch klar denken.

»Ja, den Schlüssel hab ich an Mamas Schlüsselbund gefunden.« »Aber kann es nicht trotzdem ein ganz normales Foto sein? Ich meine, von Dir und Marie gibt’s doch ähnliche Fotos, ohne dass ich deshalb glauben würde, dass Du was mit ihr hast.«

»Ja, klar. Vielleicht war es sogar Gaby selbst, die das Foto gemacht hat. Keine Ahnung.« Manuel zuckte mit den Schultern und fuhr sich durch die kurzgeschnittenen dunkelblonden Haare. Er war innerlich extrem aufgewühlt, seit er das Foto entdeckt hatte. »Aber irgendwie wirkt es ... Naja, es wirkt sehr vertraut, wie die beiden da zusammenstehen. Und es könnte genauso gut per Selbstauslöser geschossen sein.«

»Von wann ist das Foto nochmal?«

»Hinten drauf steht: Mai 1984. Also zwei Monate, bevor ich gezeugt wurde.«

Leon drehte sein leeres Weizenbierglas nachdenklich in den Händen. Das Einhorn begann langsam, sich zu füllen; der Kellner brauchte deutlich länger als bei den vorherigen Bestellungen. »Und wo das Bild aufgenommen worden ist, kann man nicht erkennen?«

»Nein, keine Chance. Man sieht nur Mama und Richard, niemanden sonst. Im Hintergrund sind ein paar Bäume und blauer Himmel, aber das könnte überall sein.«

»Scheiße«, sagte Leon. Seine Miene hellte sich kurz auf, als der Kellner kam und eilig ein neues Weizenbier abstellte.

»Das kannst Du laut sagen.« Manuel nippte an seinem Altbier-Glas. »Und ich kann ja schlecht zu Gaby gehen und ihr sagen: Du, ich glaube Dein Mann hatte was mit meiner Mutter, Deiner besten Freundin. Kann es sein, dass Richard mein Vater ist?«

Leon blickte Manuel an und nahm einen kräftigen Schluck von seinem Weizenbier. »Könntest Du Richard nicht direkt anrufen?«

Daran hatte Manuel auch schon gedacht. Aber was, wenn Richard tatsächlich sein Vater war? Würde er es einfach zugeben? Und wenn er es abstritt – wie sollte Manuel wissen, ob er die Wahrheit sagte? Wie er es auch drehte und wendete – es schien ihm wenig erfolgversprechend, Richard jetzt schon mit seinem Verdacht zu konfrontieren. Er brauchte weitere Informationen. Morgen würde er sich den Kellerraum vornehmen, da hatte er heute nur oberflächlich gesucht.

»Vorerst mache ich noch nichts«, sagte er. »Morgen such ich erst mal weiter. Und vielleicht bekomme ich ja über Gaby Kontakt zu anderen Kommilitonen meiner Mutter, die sich noch an die Party erinnern können...«

Manuel verstummte und sah gedankenverloren in die Ferne. Auch Leon fiel ausnahmsweise nichts ein.

»Aber wenn ich genauer drüber nachdenke: Richard passt perfekt ins Bild«, fuhr Manuel nach einer Weile fort. »Meine Mutter muss einen guten Grund gehabt haben, diese hanebüchene Geschichte zu erfinden. Einen verdammt guten Grund. Und die Freundschaft zu Gaby zu retten, wäre definitiv einer.« Manuel starrte in sein fast leeres Glas.

Leon nickte und strich sich mit der Hand die halblangen schwarzen Haare aus der Stirn. »Was ist das eigentlich für ein Typ, dieser Richard?«, fragte er.

Manuel dachte kurz nach. »Naja, der ist okay, glaub ich. Ein bisschen langweilig vielleicht. Ein Anwalt, der Golf spielt – Du weißt schon. Ich hab ihn aber nur ein paar Mal gesehen. Wenn Gaby uns früher besucht hat, ist sie meistens allein gekommen, mit Katharina.«

»Wer ist denn Katharina?«

»Ihre Tochter. Müsste jetzt Anfang 20 sein. Hab sie gestern zum ersten Mal seit Ewigkeiten gesehen.«

»Und?«

»Was und?«

»Na, ist sie genauso ein heißer Feger wie ihre Mutter?« Leon rollte ungeduldig mit den Augen.

»Könnte man so sagen, ja.« Manuel grinste schief. »Aber das kann mir ja jetzt egal sein. Ist doch wahrscheinlich meine Halbschwester...«

Leon nahm wieder einen großen Schluck Weizenbier und blickte Richtung Theke. Manuel sah, dass es in seinem Hirn gerade kräftig arbeitete. Diesen Gesichtsausdruck kannte er genau.

»Ja, Leon«, sagte er in kapitulierendem Tonfall, um der unausweichlichen Frage zuvor zu kommen. »Sonst wäre sie womöglich eine Kandidatin. Ich hab sie schon auf Facebook gesucht, um ihr eine Nachricht schreiben. Aber das lass ich jetzt erst mal.«

»Quatsch«, entfuhr es Leon. »Mach das auf jeden Fall. Wenn sie wirklich Deine Halbschwester ist, kannst Du immer noch einen Rückzieher machen. Musst es halt emotional langsam angehen lassen.« Leon kam jetzt in sein Element. Er und Marie hatten in den letzten Monaten ein paar Mal versucht, ihn zu verkuppeln – allerdings ohne Erfolg. Manuel war seit zehn Monaten Single und damit nicht unglücklich, obwohl er zugeben musste, dass er sich derzeit zum ersten Mal wieder nach emotionaler Nähe sehnte.

Er wusste, dass die Initiative zur Kuppelei von Marie ausging, die sich wie viele Frauen nicht vorstellen konnte, dass man allein auch ganz gut zurechtkam. Aber Leon machte fleißig mit und hatte sich diebisch gefreut, als Marie vor einigen Wochen plötzlich eine gute Freundin zu einem Treffen in einer Bar mitbrachte. Manuel erinnerte sich noch lebhaft, wie Leon ihn verstohlen angegrinst hatte, während er Zwangskonversation betreiben musste.

Maries Freundin, Vanessa, war nett gewesen, aber einfach nicht Manuels Typ. Was Leon natürlich genau gewusst hatte. »Ich hab versucht, Marie das vorsichtig beizubringen«, hatte er entschuldigend gesagt, als die beiden Damen kurz Richtung Toilette verschwunden waren. »Aber Du weiß ja, wie Frauen sind.« ‚Die ist aber total nett‘, hat sie gesagt...«

Beim Gedanken an die angespannte Atmosphäre im weiteren Verlauf des Abends schauderte es Manuel immer noch.

»Warmhalten, sage ich.« Leon beugte sich vor und redete lauter, um das anschwellende Stimmengewirr zu übertönen. »Sichern und weitersuchen. Das war doch sonst auch immer Deine Devise.«

»Aber hier liegt die Sache schon ein bisschen anders«, hielt Manuel ihm entgegen.

Leon stutzte und überlegte kurz. »Ja, ja, hast ja Recht. Aber trotzdem.« Mit einem weiteren großen Schluck leerte er sein Weizenbierglas. »So«, sagte er, inzwischen schon deutlich angeheitert. »Also entweder wir geben jetzt Vollgas und Du hörst auf, an Deinem Altbier rumzunuckeln wie meine Oma am Eierlikör. Oder wir gehen noch ein Schweinebrötchen essen und dann ab nachhause.« Er blickte Manuel fragend an. Schweinebrötchen waren eine Düsseldorfer Spezialität; für Leon gehörten sie zu einer nächtlichen Sauftour wie die Butter aufs Brot.

»Hey, wenn Du heim willst, kann ich das natürlich gut verstehen«, sagte er, als Manuel nicht sofort antwortete. »Überhaupt kein Thema. Wir sind morgen zum Brunch bei Maries Eltern eingeladen. Schadet gar nicht, wenn ich da einigermaßen nüchtern aufschlage.«

Manuel schnappte sich den Deckel. »Komm, lass uns noch ein Schweinebrötchen essen. Bier geht heute auf mich.«

Nachdem Manuel an der Theke gezahlt hatte und hinter Leon auf den Ausgang der prall gefüllten Kneipe zusteuerte, erblickte er kurz vor dem Ausgang an einem Ecktisch eine junge Frau mit brünettem Pferdeschwanz, die Katharina verblüffend ähnlich sah. Dank seiner fast 1,90 Meter konnte er zwar über die dicht gedrängte Menge schauen, aber leider saß sie mit dem Rücken zu ihm.

Manuel blieb stehen und überlegte, ob er sich zu ihrem Tisch zwängen und nachsehen sollte.

Nein, entschied er nach kurzem Zögern. Lieber nicht.

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