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ОглавлениеKapitel 3
Eine Woche in Stille
Ich fliege von Los Angeles nach Boston, um an einem einwöchigen Retreat teilzunehmen, und ich bin aufgeregt. In den nächsten sieben Tagen werde ich zusammen mit einhundert anderen Wissenschaftlern in der Insight Meditation Society in Barre im US-Bundesstaat Massachusetts in Stille sitzen. Diese Zusammenkunft wurde vom Mind and Life Institute finanziert, einer Organisation, die sich der wissenschaftlichen Erforschung von Achtsamkeit und Mitgefühl widmet. Das Treffen ist ein einzigartiges Ereignis. Wann haben je zuvor einhundert Wissenschaftler, von denen sich die meisten auf das Studium des Gehirns spezialisiert haben, eine Woche lang zusammen in Stille gesessen und die „Achtsamkeitsmeditation“ erlernt?
Ich weiß, dass sich durch die Vermittlung von achtsamem Gewahrsein das körperliche und psychische Wohlbefinden von Menschen merklich verbessern kann. Am Mindful Awareness Research Center der UCLA haben wir vor kurzem eine achtwöchige Pilotstudie durchgeführt, die gezeigt hat, dass das Vermitteln meditativer Techniken die Ablenkbarkeit und Impulsivität der Probanden, unter denen sich unter anderem Erwachsene und Jugendliche mit genetischen Erkrankungen wie Aufmerksamkeitsdefizit- bzw. Hyperaktivitätsstörung befanden, entscheidend reduzieren konnte. Dennoch habe ich keine Erfahrung mit Meditation, mein Geist ist immer geschäftig und läuft auf Hochtouren, und ich habe noch nie so lange Zeit schweigend verbracht.
Ich habe einem Freund von dem bevorstehenden Schweigeretreat erzählt, und er meinte, mit anderen Menschen zu sprechen sei für ihn „Lebenselixier“, und sich mit anderen zu verbinden – das Gespräch, der Augenkontakt, die Nähe – sei es, was seinem Leben einen Sinn gäbe. Mir auch, sagte ich. Wie wird es sein, über lange Zeit vollkommen still zu sitzen und sieben Tage lang mit niemandem verbal oder nonverbal (Teil der Vereinbarung) zu kommunizieren? Warum tue ich das? Ich frage mich, ob es zu spät ist, von der ganzen Sache noch zurückzutreten.
Schweigende Wissenschaftler
Ich musste keine größeren Vorbereitungen treffen, außer warme Kleidung und Schuhe für diese Gelegenheit einzupacken, die mich mitten im Winter nach New England verschlagen sollte. Das Beste, was ich tun könne – so wurde mir geraten –, sei, zu Hause alles unter Dach und Fach zu bringen, so dass ich in der Stille des Retreats nicht den Drang verspüren würde, jemanden anzurufen, E-Mails zu schreiben oder welche zu beantworten. Als Psychiater, der sich für das Gehirn und für Beziehungen interessiert, konnte ich nicht umhin, mich zu fragen, was die Sprache verarbeitenden Regionen meiner linken Hemisphäre übernehmen würden, wenn sie sich – voraussichtlich – während der Meditation in Stille übten? Worte sind digitale Informationspakete, die uns selbst und anderen unsere Modelle der gedanklichen Realität vermitteln – wie wir die Welt sehen und wie wir über sie denken. Sie sind Teil der hierarchischen Maschinerie des Gehirns, um die eingehenden sensorischen Informationen zu ordnen und aus ihnen klug zu werden.
Aber dann denke ich an die Poesie – einen anderen Gebrauch von Sprache –, bei dem die streng hierarchischen Prozesse der linken Gehirnhälfte top-down, „von oben herab“ also, unsere unverfälschte Erfahrung in einem vorgefassten Raster organisieren. Dichtung schafft wie Stille eine neue Balance zwischen der Erinnerung und dem Moment. Wir sehen mit frischem Blick durch die Kunstfertigkeit des Dichters, die mit Worten eine neue Landschaft erhellt, die vorher hinter dem Schleier der Alltagssprache verborgen war. Unsere gewöhnliche Sprache kann ein Gefängnis sein; sie kann uns in unseren eigenen Redundanzen gefangen halten, unsere Sinne abstumpfen lassen, unseren Fokus trüben. Dichter und ihre Dichtungen hingegen bieten uns neue, nicht gekannte Möglichkeiten, das Leben zu erfahren, indem sie Mehrdeutigkeiten präsentieren, Worte in unvertrauter Weise verwenden, Elemente der wahrgenommenen Realität in neuen Kombinationen gegenüberstellen und Bilder evozieren. Vielleicht wird die Stille dieser Woche ja dasselbe bei mir bewirken.
Erster Tag
Ich komme bei der Insight Meditation Society an, wo ich die Woche mit anderen Wissenschaftlern verbringen werde. Nach einem kurzen Abendessen, einem Rundgang, der Zuweisung der täglichen Reinigungsaufgaben und einem einführenden Gespräch haben wir bereits mit der Stille begonnen. Es geht darum, in die subjektive Realität unseres eigenen Geistes einzutauchen. Mit einigen Anweisungen von den hier tätigen Lehrern der Einsichtsmeditation versehen, sollen wir tief in die Gewässer unseres eigenen inneren Ozeans eintauchen. Die Form der Achtsamkeit, die wir in dieser Woche erlernen werden, entstammt der zweitausendfünfhundert Jahre alten buddhistischen Praxis der Vipassana-Meditation, was häufig mit „klares Sehen“ übersetzt wird.
Am ersten Tag lernen wir, mit der kurzen Anweisung, einfach „unseren Atem zu beobachten“, in der Meditationshalle zu sitzen. Diese Fähigkeit, unsere Aufmerksamkeit zu fokussieren, ist der erste Schritt des Trainings in achtsamem Gewahrsein. Wenn wir merken, dass unsere Aufmerksamkeit sich vom Atem wegbewegt hat, so sagen uns die Lehrer, dann sollen wir den Fokus unserer Aufmerksamkeit sanft wieder auf den Atem richten. Das ist alles. Immer und immer wieder. Ich fühle mich erleichtert. Wie schwer kann das sein?
Doch gegen Ende des ersten Tages, an dem ich diesen Konzentrationsaspekt der Meditation geübt habe, ist meine Zuversicht definitiv in den Keller gesunken. Ich hatte geglaubt, das zu haben, was die Lehrer eine „gute Aufmerksamkeit“ nennen, doch tatsächlich folgt mein Geist wiederholte Male nicht der Anweisung, sich „einfach nur auf den Atem zu konzentrieren“. Einige Momente später scheint es mir, als könne ich kaum einen ganzen Atemzug machen, ohne dass sich mein Geist zu verschiedenen Gedanken hingezogen fühlt, wie ein Hund, der auf einem Spazierweg im Zickzack läuft und sich von diesem oder jenem verlockenden Duft auf dem Weg in die eine oder andere Richtung gezogen fühlt.
Unsere Lehrer sagen uns, dass dieses ständige Umherwandern ein vollkommen natürlicher Teil des Geistes sei, und sie schlagen uns vor, wir sollten einfach nur versuchen, uns jeweils auf einen halben Atemzug zu konzentrieren – einatmen, dann ausatmen. Das hilft etwas, doch mein Geist wandert immer noch in alle möglichen Richtungen ab. Manchmal wird das als „Wuchern des Geistes“ bezeichnet, so sagt man uns – die Art und Weise, wie die Gedanken immer mehr begriffliches Denken hervorbringen. Die Lösung für dieses Dilemma – sobald wir uns dessen bewusst werden, dass unser Geist von verirrten Gedanken „entführt“ worden ist – besteht darin, sich ruhig darauf zu konzentrieren, den Fokus wieder auf den Atem zu richten, wieder und immer wieder – mindestens eine Million Mal, so scheint mir, während der fünfundvierzig Minuten, die die Sitzmeditation dauert.
Nach jeder Sitzphase machen wir eine Gehmeditation, die von einer halben bis zu einer Stunde dauert. Während wir gehen, sollen wir den Fokus auf die Empfindungen in unseren Füßen und Waden richten, Schritt für Schritt. Wenn wir merken, dass sich unser Geist von dem Empfinden der Schritte entfernt, dann sollen wir unseren Fokus wieder zum Gehen zurückbringen. Es passiert genau dasselbe: Mein Geist hat ein Eigenleben und wandert, wohin er möchte, und nicht, wohin ich möchte.
Unsere Anweisungen werden im Laufe dieses ersten Tages erweitert. Wir lernen, dass die Konzentration auf den Atem den ersten Schritt zur Achtsamkeit, das heißt, unsere Aufmerksamkeit zu richten und aufrechtzuerhalten, verstärken wird. Indem wir lernen, unsere Aufmerksamkeit fokussiert zu halten, können wir den ständigen Strom eigensinniger Gedanken verhindern, die Konzepte, die unsere geistigen Prozesse umfassen und die sich dem wahren Erleben von Empfindungen in den Weg stellen. Empfindung ist das Tor zu unmittelbarem Erleben, sagen sie uns. Wenn wir einfach nur sehen, riechen, schmecken, berühren oder hören können (unsere ersten fünf Sinne), dann betreten wir das Reich des Im-Moment-Seins – ein von meiner jetzigen Position weit entferntes Reich, mit all dem Wirrwarr im Kopf, während ich einfach sitze und gehe und sitze und gehe. Es scheint, dass die Annäherung an die Empfindung uns befähigen soll, einfach nur zu erfahren, ohne das unerwünschte Eingreifen des Denkens.
Der erste Tag ist seltsam und anstrengend gewesen. In Stille zu sein und nicht direkt mit jemandem kommunizieren zu können, gibt mir ein Gefühl leichter Klaustrophobie. Ich habe den Drang, in Kontakt zu treten, aber es ist uns verboten, mit irgendjemandem mit Worten oder Gesten zu kommunizieren, Augenkontakt aufzunehmen oder durch den Gesichtsausdruck zu kommunizieren. Das ist die Regel, die es uns unmöglich macht, uns auf irgendeine Weise zusammenzutun; und ich fühle, dass ein Teil meines Gehirns darauf brennt, die vielen anderen zu erreichen, die hier sind. Ich fange an, mit mir selbst zu sprechen, und zwar nicht nur in Gedanken, sondern laut. Ich erzähle mir sogar selbst Witze und lache darüber. Dann sage ich „sch!“ zu mir selbst und erinnere mich an die Regel von der edlen Stille: keine Kommunikation mit irgendjemandem. Aber was ist mit mir selbst?
Während der Praxis versuche ich mich zu erinnern, was ich mir gesagt habe, bevor das hier begonnen hat: Lass jeden Atemzug zu einem Abenteuer werden. Jetzt sage ich mir: „Lass jeden halben Atemzug zu einem Abenteuer werden.“ Aber ich sage das mit Worten, und Worte sind irgendwie zum Feind geworden, sind wie wuchernde Konzepte, die mich vom unmittelbaren Empfinden abhalten. Ich bin gefangen. Ich fühle mich verwirrt. Ich fühle die Empfindungen unmittelbar, ich fühle oder ich denke, aber ich gebe auch nicht den gedanklichen, auf Worten basierenden Dialog in meinem Kopf auf – die Worte, die zusammenfassen, was ich tue, wie zum Beispiel spazieren gehen, einen Apfel essen –, statt dass ich es mich einfach tun lasse. Ich habe einen Erzähler in mir, der einfach nicht locker lässt. „Also los, versuche einfach diese Sojamilch zu trinken.“ S-O-J-A-M-I-L-C-H, lese ich auf der Packung, und die Buchstaben springen in mein Gesichtsfeld wie ein lange verlorener Freund. Die Worte sind sogar in meinem Geist aktiv, wenn ich während unserer Sitzungen sitze und gehe. Das gibt mir das Gefühl, dass ich nicht „achtsam meditiere“. Vielleicht bin ich einfach zu intellektuell und mit Ideen und Fragen, Worten und Konzepten angefüllt, um etwas wie das hier zu tun.
Zweiter Tag
Heute hat sich etwas verändert. Wir stehen jeden Tag um 5.15 Uhr auf und sind um 5.45 Uhr in der Sitzmeditation. Am Ende der ersten fünfundvierzigminütigen Sitzung hatte ich das erstaunliche Gefühl, als sei überhaupt keine Zeit vergangen. Ich setzte mich hin, begann, meinen halben Atem zu beobachten, und ehe ich mich’s versah, wurde die Glocke für unser Frühstück um 6.30 Uhr geschlagen. Ich war nicht eingeschlafen, da ich immer noch vollkommen aufrecht saß, mit geradem Kopf und unter mir gekreuzten Beinen. Dann brach ich zu einem langen, achtsamen Spaziergang im Schnee im Wald draußen vor dem Hauptgebäude auf. Auf einmal hatte ich einen wunderbaren Ausblick auf ein schneeüberzuckertes Tal, das von dem ebenfalls mit Schnee bedeckten Ast einer riesigen Kiefer eingerahmt wurde. Eiszapfen hingen von einem nahe gelegenen Felsblock herunter. Zu meiner Überraschung brach ich angesichts des lebendigen Anblicks, der Gerüche und der kühlen Luft auf meinem Gesicht, des Säuselns des Windes in den Bäumen und des knirschenden Schnees unter meinen Stiefeln in Tränen aus. Und dann hörte ich genauso schnell einen Gedanken in meinem Kopf sagen: „Du wirst eines Tages sterben, und nichts von dem hier wird für dich mehr vorhanden sein.“ Meine Heiterkeit schwand augenblicklich und wich einem tiefen Unglücklichsein. Ich fühlte mich niedergeschlagen und ernüchtert. Es war, als ob ein uralter Krieg zwischen Gedanken und Empfindungen ausgefochten würde, der in meinem isolierten Kopf noch um ein Vielfaches vergrößert erschien.
Später beschrieb ich während eines kurzen Gruppentreffens meinen Lehrern diese Erfahrung und fragte ihn, ob seine Achtsamkeitslehre eine Form sei, bei der man seine persönlichen Bevorzugungen ausspiele, so als ob Empfindungen besser seien als Gedanken oder irgendetwas anderes, was wir tun könnten, vielleicht sogar besser, als miteinander zu reden. Warum wurden Empfindungen Gedanken gegenüber bevorzugt? Eine Lehrerin sagte, dass wir bald lernen würden, dass alles, was aus dem Geist aufsteige, von Empfindungen bis hin zu Gedanken, ohne zu urteilen so akzeptiert werden solle, wie es komme. Ihre Anweisung war äußerst hilfreich und gab mir das Gefühl, dass es in meinem Kopf keinen Krieg mehr zwischen unmittelbarem Empfinden und begrifflichem Denken geben müsse. Aber ich war überrascht, dass eine so einfache Anweisung eine so riesige Verschiebung in meinem Erleben herbeiführen konnte.
Mit dieser neuen Perspektive im Hinterkopf machte ich eine bemerkenswerte Erfahrung, als ich beim Abendessen einen Apfel verzehrte. Wir sollten bei allen Mahlzeiten, ja sogar bei all unseren Aktivitäten neben dem formalen Sitzen und der Gehpraxis „achtsam“ sein. Das bedeutet, wach zu sein und sich dessen bewusst zu sein, was geschieht, während es geschieht. Ich beschloss, als Nachtisch einen Apfel zu essen. Da ich mich frei fühlte, sowohl zu denken als auch zu empfinden, beschloss ich, ein geistiges Experiment durchzuführen, bei dem ich die Erfahrung des Apfelverzehrens verstärken wollte. Ich schnitt ein Stück ab und sah mir seine Struktur an. Ich fühlte die Schale, das Fruchtfleisch und den Rand, wo sie sich berührten. Ich roch das Aroma des Apfels und atmete seinen wabernden, sich zunehmend ausbreitenden Duft ein. Ich beschloss sogar, das Stück Apfel an mein Ohr zu halten, um zu sehen, wie es klang (ja, ich weiß, das ist lächerlich, aber Moleküle schwingen, und genau daraus bestehen Töne, warum sollte ich es also nicht versuchen?). Doch alles, was ich hören konnte, waren die Geräusche der anderen im Raum, keine surrenden Atome, die mein Trommelfell erschütterten. Als ich den Apfel langsam in meinen Mund legte, konnte ich das Knirschen hören, die Explosion des Geschmacks spüren, die Stücke auf meiner Zunge und an meinen Zähnen fühlen und dann die Veränderung spüren, als die zu Brei zermalmten Stücke kleiner wurden und sich dann meine Kehle hinunterbewegten, in meine Speiseröhre hinein und weiter hinunter in meinen Magen.
Da ich jetzt die Freiheit verspürte, begriffliche Konzepte in das Bild einzubauen, erlaubte ich meinem Geist, weit zu werden und mit Bildern und Empfindungen des Apfels zu spielen, der sich seinen Weg durch mein Verdauungssystem bahnte, von meinen Körper absorbiert und damit zu einem integralen Bestandteil von mir wurde. Dann dachte ich darüber nach, wo der Apfel hergekommen war – die Leute in der Küche, die ihn (hoffentlich) gewaschen hatten, die Mitarbeiter, die ihn gekauft hatten, die Obstplantage, von der er gepflückt worden war, der Baum, auf dem er gewachsen war, und der Same, aus dem jener Baum hervorgegangen war. Angesichts der Freiheit, diese Bilder zu genießen, empfand ich plötzlich ein Gefühl von Ganzheit und Einssein mit allem – der Erde, der Menschenkette, meinem Körper.
Ich schwebte aus dem Speisesaal und wollte mit jemandem sprechen, erinnerte mich aber an die Stille. Ein Freund war im Raum gewesen, aber wir konnten nicht miteinander sprechen. Ich ging nach draußen und starrte an einem wolkenübersäten Abendhimmel den Mond an, der fast voll war. Ich fühlte eine Präsenz in meiner Nähe und stellte fest, dass mein Freund auf seinem Weg in den Schlafbereich ebenfalls nach draußen gegangen war. Er hielt einen Moment neben mir in der Stille unter den Sternen inne. In jener Stille hätten eine Million Worte nicht zum Ausdruck bringen können, wie sich jener gemeinsame Moment im Mondlicht anfühlte.
Dritter Tag
Heute traf ich mich mit einem anderen Lehrer zu einer Zweier-Begegnung. Ich versuchte, die Erfahrung mit dem Apfel zu beschreiben. Ich sagte, ich fühlte, als ob es einen strömenden Fluss gäbe, der mein Bewusstsein erzeuge, und diese Meditationspraxis befähige mich, stromaufwärts zu gelangen, um die individuellen Bäche aufzusuchen, die in jenen Fluss flossen – ein Bach der Empfindung, einer der Konzepte. Dieses Bild half mir, mich wohler zu fühlen mit dem, was in meinem Geist auftauchte. Er antwortete mir, dass er oft das Gefühl gehabt habe, es „endlich kapiert zu haben“, nur um sich dann bewusst zu werden, dass es immer etwas Neues im Bewusstsein zu erfahren gab. Er schlug vor, ich solle nicht an irgendeiner fixen Idee davon, „wie die Dinge sind“, festhalten, sondern einfach schauen, was passierte.
Ich fühlte mich abgelehnt und war von seiner Antwort irritiert. Nach diesem zehnminütigen Treffen war mein Kopf voll von ausformulierten Gedanken, und die nächsten Sitzungen waren schwierig. Eine schwierige Sitzung fühlt sich an, als ob sie nirgendwohin führt; als ob ich, statt die Weite eines ruhigen und stabilen Geistes zu fühlen, einfach wegdriften würde. Wegdriften statt nach innen zu gehen. Ich verliere mich leicht in Gedanken und komme irgendwie nicht zum Atem zurück.
Am Ende hatte dieser Lehrer Recht. Es würde noch viel komplizierter werden und sich immer wieder verändern. Ganz gleich, wie erhellend einige Erfahrungen gewesen sein mögen, man kann nie vorhersagen, wie sich die nächste Sitzung anfühlen wird. Der Geist ist immer im Fluss, und nichts scheint irgendetwas vorherzusagen. Es geht darum, Erwartungen aufzugeben und geschehen zu lassen, was auch immer geschieht.
In unserer Gruppe sind wir von der Anweisung, wir sollten einfach den Atem beobachten, dazu übergegangen, auch Geräusche wahrzunehmen und unseren Körper zu fühlen. Der Body Scan – jeden Teil unseres Körpers zu spüren, einen Bereich nach dem anderen – befähigt uns, unser Bewusstsein mit Absicht für die vorherrschenden Empfindungen in unserem Körper zu öffnen. Wir fallen einfach in das Bewusstsein unseres Körpers oder unserer Sinne hinein und nehmen auf, was immer aufsteigt.
Vierter Tag
Wir weiten jetzt das Feld des Gewahrseins aus und bewegen uns von der Konzentration auf den Atem darauf zu, achtsam und rezeptiv gegenüber allem zu sein, was auftaucht, einschließlich der Erfahrung der Achtsamkeit selbst. Nichts wird ausgeschlossen. Doch der rezeptive Geist ist kein passiver Geist. Es gibt eine Qualität der aktiven Beschäftigung, nicht nur mit dem Objekt der Aufmerksamkeit, sondern mit dem Gewahrsein selbst. Dennoch ist dieses aktive Spüren nicht angestrengt – es hat eine fließende, geerdete und intentionale Qualität.
Eine Einsicht, die heute während einer Gehmeditation auftauchte, ist ohne Worte in mein Bewusstsein gedrungen. Die Einsicht war, dass es tief in der Achtsamkeit nicht möglich ist, sich zu langweilen. Worte stellen ein Konzept dar, einen verbalen Gedanken, der sogar eine nonverbale Idee artikulieren kann. Doch eine Einsicht wie diese fühlt sich eher wie eine Verschiebung der inneren Sichtweise an als wie eine begriffliche Idee.
Heute hat eine seltsame Veränderung stattgefunden. Es fühlt sich an, als habe irgendein Teil meines Geistes, der darauf brannte, sich mit anderen zu verbinden, es aufgegeben, sich auf sie auszurichten, und sich nach innen auf mich selbst gerichtet. Ich fühle eine Welle des Gewahrseins bei jedem Schritt, eine Art der Verbindung zu mir selbst, die vorher nicht da war. Kein Moment gleicht einem anderen, selbst jeder einzelne Schritt ist anders. Ich fühle, wie sich mit jedem Schritt der Druck vom Fußballen auf die Sohle und dann auf die Ferse verlagert. Und dann spüre ich die Verlagerung des Gewichts in meinen Beinen, wenn der nächste Schritt den Druck meines Körpers aufnimmt. Jeder Schritt ist einzigartig. Es gibt keinen anderen Ort als hier, keinen anderen Moment als das Jetzt. Ich bin aufgeregt. Ich fühle eine schwebende Empfindung bei der Gehmeditation; jeder Moment ist wie mit Helium aus meinem Geist aufgeladen.
Ich möchte das jemandem erzählen, also erzähle ich es mir selbst.
Fünfter Tag
Wir haben an der vollen Achtsamkeit gearbeitet, indem wir unsere Empfindungen, Gefühle, geistigen Aktivitäten und Zustände erlebt haben. Unsere Praxis besteht darin, uns zunächst durch die Konzentration auf den Atem zu erden und dann zu einem offeneren, weiteren und neugierigeren Bewusstseinszustand überzugehen, der sich irgendwie anfühlt wie „es hervorzurufen“. Was auch immer kommen mag, wird kommen. Man sagt uns, dass es einigen Menschen hilft, einen Gedanken, eine Empfindung oder einen mentalen Zustand zur Kenntnis zu nehmen (ohne sich in ihn hineinziehen zu lassen), indem man sich vorstellt, dass er aus einem Mauseloch in der Wand kommt. Andere stellen sich vor, dass der Gedanke auf einem Bildschirm erscheint, den sie ein- oder abschalten können.
Keiner dieser Ansätze hat bei mir funktioniert. Stattdessen tauchte mein Bewusstsein des gegenwärtigen Moments vor meinem inneren Auge als Tal auf. Gedanken, Gefühle und Bilder trieben wie Wolken in dieses Tal hinein, wo ich sie sehen, sie benennen („denken“ oder „fühlen“ oder „mir vorstellen“) und sie einfach forttreiben lassen konnte, aus meinem Tal des gegenwärtigen Moments hinaus. Manchmal stieg ein Gedanke auf, ohne dass mir das bewusst geworden war, und im nächsten Augenblick hatte ich mich „in Gedanken verloren“. Es gab keine Trennung zwischen dem Gedanken und mir. Ich hatte mich nicht nur in ihm verloren, sondern ich war der Gedanke. In jenen Momenten befand ich mich nicht länger im Tal, sondern war hinauf in die Wolken gefegt worden.
Als mir bewusst wurde, dass ich mir meines Atems nicht länger bewusst war, bestand der Schlüssel darin, nicht wütend zu werden, sich nicht frustriert oder als Versager zu fühlen, sondern diese Erfahrung einfach zur Kenntnis zu nehmen. Es half auch, sich daran zu erinnern, was unsere Lehrer uns gesagt hatten: Ganz gleich, wie viele Jahrzehnte Menschen in achtsamem Gewahrsein zubringen, es gibt regelmäßig die Erfahrung des „Sich-in-Gedanken-Verlierens“. So funktioniert der Geist nun einmal. Doch achtsames Gewahrsein aufzubauen hilft Ihnen, einen Gedanken als etwas zu sehen, das einfach nur aufsteigt und wieder wegschwebt. Der Gedanke verliert seine Macht, Sie zu entführen und zu seinem Gefangenen zu machen.
Wir haben auch an uralten meditativen Praktiken zur Kultivierung „liebevoller Güte“ gearbeitet. Die liebevolle Güte ist ein fundamentaler Bestandteil der Achtsamkeitsmeditation und zielt darauf ab, uns eine positive Achtung für alle Lebewesen, was auch uns selbst und die Welt insgesamt einschließt, mitzugeben. Bei dieser Praxis wird eine Reihe von Formeln wiederholt. Zuerst richtet man den Fokus dabei auf sich Selbst. Im Folgenden finden Sie die besonderen Formulierungen, die von Sharon Salzberg (1995) gelehrt werden: „Möge ich sicher und vor Leid beschützt sein. Möge ich glücklich sein und ein friedliches und freudvolles Herz haben. Möge ich gesund sein und einen Körper haben, der mich mit Energie unterstützt. Möge ich mit der Leichtigkeit leben, die vom Wohlbefinden kommt.“ Ein Bild von sich selbst im Sinn zu haben kann diese Praktiken vertiefen. Während diese Anweisungen ausgesprochen werden, kann man sein Bewusstsein mit jeder Ein- und Ausatmung auf die Herzregion konzentrieren, den Bereich direkt unterhalb des Brustkorbs.
Nachdem wir uns auf uns Selbst fokussiert haben, fokussieren wir uns auf andere. Wir wünschen zunächst einem Gönner (jemandem, der uns und unsere Entwicklung im Leben unterstützt hat) Sicherheit, Glück, Gesundheit und Leichtigkeit, dann einem Freund und schließlich jemandem, dem gegenüber wir uns neutral fühlen. Häufig ist es nützlich, ein Bild der betreffenden Person vor seinem geistigen Auge zu haben, während man diese Wünsche zum Ausdruck bringt. Der nächste Schritt ist komplizierter – diese Segnungen einem „schwierigen“ Menschen in unserem Leben zu wünschen; jemandem, zu dem wir vielleicht eine schwierige Beziehung haben. Und der nächste Schritt kann sogar noch komplizierter sein: Man bittet uns, Vergebung anzubieten und um sie zu bitten. „Ich bitte dich um Vergebung für alles, was ich getan oder gesagt habe, was dir Schaden zugefügt oder schmerzliche Gefühle bereitet hat.“ Dann vergibt man dieser Person mit denselben Worten.
Ich habe einen Freund ausgewählt, mit dem ich lange Jahre in enger Verbindung stand, die vor kurzem mit Verwirrung und Feindseligkeit endete. Ich stellte mir sein Gesicht vor, sah die Probleme, die zu unserem Zerwürfnis geführt hatten, und bat ihn um seine Vergebung für das, was zwischen uns passiert war. Es war schwierig, da er mir bei dem Versuch, unsere Freundschaft wieder aufzunehmen, nicht entgegenkam. Aber die Übung, einschließlich dessen, ihm für das zu vergeben, was passiert war, half mir, das Gefühl zu bekommen, dass sich das Problem gelöst hatte.
Ich persönlich fand das zutiefst berührend, aber mehrere Gruppenteilnehmer berichteten beim Abendvortrag, wie schwer es ihnen gefallen sei, denen zu vergeben, die ihnen Schaden zugefügt hatten. Für andere war diese ganze „Metta“- oder Liebevolle-Güte-Praxis unangenehm, und einige kamen erst gar nicht mehr, wenn dies das Thema der Sitzung für die geführte Meditation war. Eine Reihe von Leuten sagte später, es sei ihnen schwer gefallen, jemandem zu vergeben, der ihnen Unrecht getan und sich nicht für seine Vergehen entschuldigt hatte.
Sechster Tag
Ich fühle mich gerade, als würden drei greifbare Ströme des Gewahrseins in den Fluss meines Bewusstseins hineinfließen. Einer ist das unmittelbare sensorische Erleben. Diese Empfindungen meines Körpers oder meiner Wahrnehmungen fühlen sich roh und nackt an. Wenn ich gehe, fühle ich den Druck der Ferse, den Übergang zum Ballen, die ungleichmäßige Verteilung des Gewichts auf meinen Zehen, die Bewegung meiner Hüften, während mein anderes Bein langsam über den Körperschwerpunkt schwingt und mein Körper sich vorbeugt, wobei die andere Ferse den Boden berührt, die Zehen meines anderen Fußes sich lösen und flüchten. Ich beobachte das nicht als Wahrnehmung; ich spüre es. Da es in Echtzeit passiert, fühle ich, dass es keine Worte gibt, um diese Empfindungen zu beschreiben, und keine Konzepte, um sie zu analysieren und Cluster daraus zu machen. Sie sind einfach nur ihre sensorische Fülle – Anblicke und Geräusche, inneres Gurgeln, Spannungen, Druckgefühle. Ich werde mir auch des zweiten Stroms recht deutlich bewusst – des begrifflichen Stroms in der Vorstellung des Gehens. Ich kann den Gedanken fast hören – „gehen“ –, in Worten, die in meinem Geist nicht ganz hörbar sind. Aber jetzt gibt es da auch noch einen dritten fließenden Strom, den ich den Beobachter nenne – das Empfinden, dass ich mich selbst aus der Ferne beobachte, aus meinem Kopf heraus, wie ich im Saal über mir oder in den Bäumen über dem Weg schwebe, wo ich gerade gehe.
Jeder Strom – Empfindung, Konzept, Beobachter – scheint im Tal des gegenwärtigen Moments nebeneinander zu existieren. Ich nehme alle drei Ströme zur Kenntnis und beobachte sogar den Beobachter. Wie seltsam. An irgendeinem Punkt habe ich das Gefühl, dass ich den Verstand verliere, während mein Gefühl der Realität zerbröselt, sich ganz wörtlich vor meinem inneren Auge auflöst. Oder finde ich ihn in Wirklichkeit? Ich gehe weiter. Schritt für Schritt beobachte ich meinen Geist. Ich spüre meine Schritte. Ich beobachte mein Empfinden und spüre sogar mein Beobachten.
Ich habe fast eine Woche lang mit niemandem gesprochen, von den kurzen Augenblicken mit meinen Lehrern einmal abgesehen. Keine Interaktionen, kein Sprechen, keine Gegenseitigkeit. Ich bin von anderen umgeben, bin weit weg und dennoch so nah. Ich habe die mir zugewiesene Aufgabe erfüllt und jeden Tag die Toiletten unseres Saals geputzt. Vor dieser Routine hat mir anfangs gegraut, aber irgendwie ist es mir gelungen, sie zu genießen, ja diese Aufgabe sogar zu mögen. Ich fühle eine gewisse Verbindung zu dem Mopp, während ich die Toilette schrubbe und das Waschbecken säubere. Tag für Tag erwartete ich dann dieselbe Reaktion von den Reinigungsflüssigkeiten, den Schwämmen und den Putzlappen. Es fühlt sich tröstlich an zu wissen, dass es in alldem eine gewisse Vorhersagbarkeit gibt. Ich schrubbe, und der Schmutz verschwindet. Zauberei. Doch im offenen Tal des gegenwärtigen Moments weiß ich nie, was auftauchen wird.
Da ich während des Gehens irgendeinen Ankerpunkt brauche, denke ich mir eine Eselsbrücke für das Ganze aus. Ich weiß, dass man uns gesagt hat, wir sollten zu uns selbst sagen, „nicht jetzt“ oder „nein, danke“, um eine interessante Idee anzuerkennen und uns nicht von ihr überschwemmen zu lassen. Doch ich kann mir nicht helfen. Oder vielleicht helfe ich mir gerade doch. Schritt für Schritt schweben meine unbeschuhten Füße über den Holzboden dieses Raumes, in dem wir die Gehmeditation machen. Schritt für Schritt. Ich denke: Empfindung. Okay. Beobachtung. In Ordnung. Konzept. Gut. Jeder dieser drei Ströme gibt mir das Gefühl, den gegenwärtigen Moment zu kennen; ein Wissen, das sich paradoxerweise ohne Worte, ohne Konzepte und ohne Empfindungen vollzieht. Dieses Wissen ist eine Art unterirdischer Strom unter diesem Tal des gegenwärtigen Moments, ein formloses Wissen. Wie kann ich mich später an diese erstaunliche Vision erinnern? Dann denke ich „S.O.C.K.“ (Sensation. Observation. Concept. Knowing). Also, eine Socke befindet sich um meine Fußsohle herum und SOCK umgibt die Seele der Achtsamkeit, Schritt für Schritt, Moment für Moment: Empfindung, Beobachtung, Konzept und Wissen.
Vorher habe ich drei Bewusstseinsströme in einer Frage- und Antwortphase beschrieben und gefragt, ob ich wohl den Verstand verliere. Wenn der Beobachter übermäßig aktiv wird, so sagte ich, dann scheint er die unmittelbare sensorische Erfahrung zu zerstören, genauso wie die begrifflichen Gedanken es vorher taten. „Muss ich den Beobachter loswerden?“, habe ich gefragt. „Nein“, antwortete der Lehrer, „es geht um Ausgeglichenheit.“ Damit kann ich leben. Ja, ich kann sogar damit schweben. Und natürlich taucht beim nächsten Gehen eine weitere Eselsbrücke auf – das ABCDE der Achtsamkeit: A Balance of Concept and Direct Experience, also eine Balance aus Konzept und unmittelbarem Erleben. Meine linke Hemisphäre gibt einfach nicht auf!
Siebter Tag
Dies ist der Tag, an dem wir das „Schweigen brechen“. Sie haben drei Stunden dafür geplant, mit formeller Diskussion, gefolgt von einer geselligen Abendmahlzeit, während der wir uns des Geschmacks des Essens nicht bewusst sein werden, so stelle ich mir vor, und dann eine stille Abendmeditation vor dem Schlafengehen. Und schließlich noch die letzte Meditation und Diskussion am folgenden Morgen. Wir treffen uns zuerst zu zweit, und ich lechze danach, meine Erfahrung zu beschreiben. Ich erzähle meinem Partner von den Eselsbrücken, und ihm gefällt das YODA [Akronym von you observe and decouple automaticity und die Bezeichnung einer Figur aus Star Wdrs; Anm. d. Ü.] am besten: Du beobachtest und entkoppelst die Automatismen. Das beschreibt die Rolle der Reflektion dabei, uns für das achtsame Gewahrsein wach zu machen: Die Beobachtung unterbricht den Prozess, auf „Autopilot zu sein“. Wir lachen über die Vorstellung von YODAs SOCKen. Achtsamkeit könnte mehr beinhalten als einfach nur zu spüren: Es könnte die Fähigkeit beinhalten, sich des Gewahrseins gewahr zu sein, die Erfahrung zu beobachten. Wenn wir beobachten, dann können wir uns von dem automatischen Geplauder und dem weniger offensichtlichen Filtern lösen, die unsere Emotionen und Gewohnheitsschemata erzeugen und uns dadurch vom direkten Erleben wegbringen. Die Beobachtung fühlt sich wie der Schlüssel an, der ironischerweise die Tore für die unmittelbare Empfindung öffnet: Wir beobachten und nehmen unseren begrifflichen Geist zur Kenntnis, und wir befreien uns, um das Tal des gegenwärtigen Moments voll und ganz zu betreten.
Als wir aus der Stille auftauchten, schien sich ein seltsames Phänomen zu ereignen, von dem mir nachher berichtet wurde, dass es häufig vorkomme, nicht nur bei Wissenschaftlern: Es war eine Art Rausch zu spüren, eine gewisse Partyatmosphäre, sobald wir nach unserem einsamen, stillen Aufenthalt wieder sprechen durften. Aber als wir später in die Stille zurückkehrten, empfand ich eine überraschende Erleichterung, und ein offenes, weites Empfinden meines Geistes kam zu mir zurück. Ich konnte fühlen, wie sich mein Bewusstsein klärte, als es mir nicht erlaubt war, mit irgendjemandem zu sprechen. Jener Mangel an Kontakt befreite meinen Geist, um wieder offen zu sein und sich mit sich selbst zu verbinden. Es gibt eine gewisse Klarheit, die aus der Stille kommt.
Dennoch war ich, als ich an jenem Abend zum ersten Mal in dieser Woche zu Hause anrief, froh, mit meiner Frau und meinen Kindern sprechen zu können. Und dennoch konnte mein Geist, obwohl die Dinge zu Hause gut liefen, nicht aufhören, über unsere Unterhaltungen, die Pläne, den Tonfall meiner Familienmitglieder und die Dinge, die es zu tun gab, nachzudenken. Zum ersten Mal während dieser Woche fiel es mir schwer, einzuschlafen, und ich wachte mehrmals auf und dachte einfach über verschiedene Dinge nach, die die Woche über aus meinem Bewusstsein verschwunden waren. Der Sog meines normalen Lebens machte mir klar, dass mir gar nicht bewusst gewesen war, um wie vieles ruhiger mein Geist geworden ist.
Ich hatte die ganze Woche lang problemlos heißen Tee getrunken. Nachdem ich zu Hause angerufen hatte, aus der Achtsamkeit ausgestiegen und in den Rummel und die Hektik des „zivilen“ Lebens zurückgekehrt war, verbrannte ich mir die Zunge. Ich hatte an etwas anderes gedacht, statt mir des Tees bewusst zu sein, während ich ihn trank. Ohne Achtsamkeit können wir uns verletzen und verbrennen.
Während der kurzen wissenschaftlichen Diskussionen über unsere Ideen und Erfahrungen des letzten Abends dieser Woche konnte ich meine Gedanken nicht ankurbeln. Was mir auffiel, war, wie vollkommen begrifflich sich die Unterhaltungen anfühlten, und ich war einfach nicht in der Gemütsverfassung, mich wieder auf diese Weise zu engagieren. Ich begrüßte die Rückkehr zum Schweigen an jenem letzten Abend. Auf der Fahrt zum Flughafen am nächsten Tag, bei der ich mich in Gesellschaft zweier Freunde befand, hatte ich jedoch das Gefühl, dass wir tief, langsam und ungestört in unsere Erfahrungen hineingehen konnten. Ich empfand es als befriedigend, zu versuchen, die Erfahrungen der Woche in Worte zu fassen und sie den anderen mitzuteilen. Ich sagte, dass ich das Gefühl gehabt habe, als ob ein Teil meines Geistes, der sich gewöhnlich mit anderen verbindet, von der Mitte bis zum Ende der Woche seinen Fokus auf die einzig verfügbare Person gerichtet hatte: mich! Als ich meine Erfahrung beschrieb, konnte ich fühlen, dass sie sich auf mich in einer Weise einstimmten, auf die ich mich, meinem Gefühl nach, während der Woche auf mich selbst eingestimmt hatte. Mein wissenschaftlicher Geist stellte sich vor, dass es die Beteiligung des sozialen Schaltkreises im Gehirn war, die es uns ermöglicht, miteinander in Resonanz zu treten, die sich jetzt auf mich konzentriert hatte. Diese Resonanz von innerer und gegenseitiger Einstimmung fühlte sich zutiefst befriedigend an.