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„DANIEL Richter: Du bist ein Mega-V.I.P. Willkommen heute Abend 21 Uhr zum Mega-Event im MEGA. Eine Überraschungsparty des Tierschutzvereins Starnberg. Lass dich überraschen. Gäste willkommen.“

Die dämlich verfasste SMS erreichte mich kurz nach dem Aufstehen. Also um 12:28, um genau zu sein.

Wir, Anna und ich, hatten einen harten Tag hinter uns. Gestritten, versöhnt, erneut gezofft, wieder versöhnt und dann die halbe Nacht schweißtreibend, laut und wild rumgemacht, bis wir nicht mehr konnten.

Liebe ist was Anstrengendes.

Und schön!

Was wären wir ohne Liebe?

Nur gut, dass den Lärm keiner mitbekam. Das Gästehaus, das wir nun schon seit mehr als drei Jahren mit Unterbrechungen bewohnen, liegt halt prima. Niemand hört uns, keiner stört uns. Wir hätten längst ins Haupthaus der Fischers umziehen können, aber der Schock über die Ermordung ihres Vaters saß Anna noch zu tief in den Knochen. Es war ja erst zehn Wochen her. Also zofften wir uns im Gäste-/Gartenhaus. Ich war noch ganz schön fertig, so hatte mich Anna rangenommen und meine Stimme war rau wie 45er Schmirgelpapier. Woher hat sie nur diese Kondition beim Streiten wie beim Lieben!

Alles ging gut aus.

Die Versöhnung war herrlich.

Meine Anna. Ein Prachtstück …

»Fischer. Mach dich fertig. Wir sind zu ‘ner Party eingeladen!«, rief ich ins Haus, da ich nicht wusste, wo Anna sich gerade aufhielt.

»Was für eine Party?«

Schön, ihre Stimme zu hören. Die war genauso kaputt wie meine. Klang nach Zigarren, Suff und Oktoberfest. Wir hatten es aber auch krachen lassen. Es geht doch nichts über eine gute Nummer, oder?!

Anna wurstelte in der Küche rum. Wollte uns wohl ein spätes Frühstück machen, damit wir wieder zu Kräften kommen. Ein paar Eier, gebraten mit Schnittlauch oder Petersilie – das wäre jetzt nicht schlecht.

»Das MEGA lädt ein und so ein Tierschutzverein. Also müssen wir Fanny mitnehmen, Geburtstag nachfeiern, was meinst du?«

»Au ja. Das klingt gut. Wann geht das los?«

»Irgendwie um neun.«

»Und da soll ich mich jetzt schon fertigmachen? Lass uns doch lieber noch ‘ne Runde drehen oder kannst du nicht mehr?«

Unersättlich die Fischer!

»Vergiss es. Ich muss vorher mit Fanny noch zum Friseur.«

Meine Art, Anna zu verarschen. Als ob der riesige Köter geföhnt werden wollte. Aber wenn der Tierschutzverein Starnberg schon zum Schaulaufen ruft, dann sollte ein Kampfhund wie Fanny auch in Hochform sein.

Die Konkurrenz schläft nicht.

Wir sahen das illustre Völkchen vor dem MEGA schon von weitem. Bevor ich meinen F-Type SVR und seine 575 PS gebändigt und den Boliden in der Garage des Hotels Vier Jahreszeiten für unglaubliche 28 Euro für den Rest des Abends einparken würde, ließ ich Anna schon mal geräuschvoll direkt vor dem Club aussteigen. Sie hatte wohl eine Freundin in dem Pulk entdeckt und war selbst schon in voller Partylaune.

Was ein guter Streit bewirkt.

Meine Anna …

Ich weiß, ich komme aus dem Schwärmen nicht raus. Aber sie ist auch eine Prachtbraut, alles was Recht ist.

Als ich zu der Meute stieß, kam ich mir vor wie eine Blindschleiche im Tigerkäfig. Die waren vielleicht gut drauf!

Ich versuchte, meine Stimmung in den Griff zu bekommen, und wie ich so um mich schaute: Niemand außer mir hatte ein Tier dabei.

Blöd.

Ich dachte, es lädt der Tierschutz ein.

Wo waren die Hunde und Katzen, die Affen und Schafe, die Kaninchen und Löwen?! Da hatte ich wohl die Arschkarte gezogen. Nur Partylöwen und sanfte Miezekätzchen auf Mäuserichfang.

Mindestens fünfzig übermäßig aufgezäumte In-People lachten sich gleich mal über mich scheckig. Hatte ich den Eindruck. Meine Klamotten passten nicht, das sah ich den Damen der Gesellschaft an – und dann noch Fanny! Am liebsten wäre ich sofort umgekehrt. Aber als harter Knochen, als der ich in der Branche verschrien war, gab es kein Entweichen vor Münchens It-Girls und It-Boys. Anwälte, Werbefuzzis, die üblichen Möchtegern-Models, Schnippelärzte, die ich aus Annas Erzählungen kannte und noch mehr Mädels, die hofften, einen Typen abzubekommen, der ihnen die Angst vor einer geregelten Arbeit abnimmt. Denn mit Arbeit kann man sich ja den ganzen Tag versauen.

Klunker ohne Ende, dass man sofort Klunkerzoll würde verlangen können. Echt/unecht. Klunker und Anwesende …?

Die ganze Gesellschaft. Irgendwie nicht mein Revier.

Und alle waren so gut drauf, dass ich glaubte, die würden jetzt schon fliegen können.

Fanny schaute mich entsetzt an. So, als ob er sagen wollte: „Was machen wir denn hier? Alter, das ist nichts für uns!“ Und schon schleckte er Anna die Füße ab.

Liebe ist halt vielseitig.

Was für ein Aufwand!

Es öffnete sich die Tür zum Edelschuppen. Livrierte Kleiderschränke mit Knöpfchen im Ohr, wie bei der Inauguration von Trump. Typen, die megamäßig versuchten, einen geregelten Einlass zu der Mega-Party des Mega-Tierschutzvereins megacool im MEGA hinzukriegen. Die nahmen sich verdammt wichtig. Dabei ging es nur um eine lächerliche Party.

Saufen, abtanzen, anmachen.

Der rote Teppich blieb rot und trocken, denn wir hatten Sommer und unverschämtes Glück mit dem Wetter. Zum Kotzen war es noch zu früh – alles megapaletti.

Der Tierschutzverein, den ich wirklich nicht kannte, hatte Glück: Sonne bis in den späten Abend bei 27 Grad. Die In&It-People dachten vermutlich, es gehe zur Oscarverleihung.

Ehrlich.

Ein Tamtam war das, mitten in der Woche! Die hatten sich auch alle aufgezäumt! Klar, dass Anna locker mithalten konnte. Sie weiß immer, was für welchen Anlass richtig ist und sah rattenscharf aus.

Doch: Wo blieben die Tiere? Hatte ich etwa etwas missverstanden? Tierschutzverein und so?

Solo für Fanny.

Wohin mit Fanny?

Anna hatte ihre Freundin, die ich vorher noch nie zu Gesicht bekommen hatte, untergehakt.

Ella Wolkenheim.

Ein echt heißes Geschoss mit Augen, die nicht zu ihr passen wollten. Arrogant und megacool. Eine von der Sorte ‚ich-weiß-wer-ich-bin-du-mich-auch‘. Die Tochter eines Schönheitschirurgen. Des angesagtesten in München und Umgebung, erklärte mir Anna voller Ehrfurcht. Mir unerklärlich, wie man einen Faltenschnippler so vergöttern kann.

Aber: Das ist München. Von Typen wie dem lebe auch ich. Professor Doktor Peter Wolkenheim. Selbst mir sagte der Name was, da der Herr Professor Botoxlippe-Nasenbär – das soll seine Spezialität sein, Nasen – ständig durch die Klatschzeitungen ging.

Der Elektriker von nebenan gibt mir keine Aufträge. Es gibt in unserer schönen Stadt unzählige Privatermittler, von denen sich einige sogar Detektive nennen:

„Unsere Detektei ist Ihr zuverlässiger Partner, wenn Sie Detektive für Privat- sowie Wirtschaftsermittlungen aller Art suchen. Vertrauen Sie auf unsere Kompetenz, langjährige Erfahrung und Diskretion, wenn sie einen Detektiv in Anspruch nehmen möchten. Die Qualität unserer Arbeit und unser Engagement werden regelmäßig DEKRA zertifiziert. Erstberatung kostenlos.“

Was für ein Scheiß!

Die echten Aufträge bekommen Leute wie ich. Die Jobs sind zwar seltener, aber wenn, dann braucht man wirklich Leute mit einer guten Ausbildung, echtem Können. Der Job hat was mit Arbeit zu tun, wie ich sie über Jahre beim bayerischen LKA erfolgreich gemacht hatte. Dass sie mich gefeuert hatten, das war ein Politikum gewesen …

Okay. Ella Wolkenheim. Interessante Person. Trotz ihrer zur Schau gestellten Arroganz.

Der Lärm, der aus dem MEGA drang, war jetzt schon unerträglich. Fanny war entsetzt und blieb gleich an der Garderobe hängen. Keine Chance, ihn auch nur einen Millimeter in den Laden zu zerren. Ich musste also einen der hochnäsigen Kleiderständer fragen:

»War wohl ‘ne Fehleinschätzung. Tierschutzverein. Wo kann ich den mal für ein paar Minuten abstellen?«, fragte ich den Tätowierten im schwarzen Anzug, der mir am nächsten stand, und zeigte auf das Tosa-Inu-Monster.

Der Muskelprotz grinste mich herablassend an:

»Lass ihn hier in der Garderobe. Der kackt doch nicht alles voll, oder?!«

Fuzzi, Ohrknopfträger mit direkter Verbindung zum Boss, Angeber blöder.

Meine Superwaffe, Fanny: Er war schließlich so groß und bissig wie Max, der Typ, der keine Waffe braucht und ein echter Kumpel von mir ist …

»Nee – wo denkst du hin!«

»Okay. Dann mach ihn da fest. Ich bin den ganzen Abend hier vorne.«

Fanny schaute ihn mit herabgezogenen Lefzen an. So einer passte ihm nicht, aber er akzeptierte. Fanny wollte mir nicht den Abend verderben.

Mein Gott, was für ein Lärm. Musik soll das sein? DJ DongDong – oder so ähnlich – aus New York. Extra eingeflogen. Einfach nur mega! DJ, das ist heute was Besonderes. Die Jungs verdienen ihr Geld leichter als ich. Was der wohl heute Nacht einstreicht? Zwanzig Mille oder fünfzig? Wie bezahlt das ein Tierschutzverein aus Starnberg? Ich muss die googeln.

Die Drinks waren schlapp. Das Fingerfood ebenso. Lauwarm wie die Luft der Klimaanlage. Reden – unmöglich. Aber mit wem sollte ich mich schon unterhalten … Abtanzen war angesagt. Dazu war ich zu faul, ehrlich. Nach der Mammutvorstellung der letzten Nacht. Echt, ich war ein Platzhirsch. Zumindest für Anna. So fühlte ich mich. Wenngleich ich im Moment ziemlich abgefuckt aussah, oder?

„Shed A Light“ von Robin Schulz & David Guetta hämmerte sich in meine Ohren ein. Anna war selig und sie tanzte mit ihrer Freundin, der Ella, die einen guten Style draufhatte, von der ich aber noch nie was gehört hatte. Komisch. Anna erzählt mir doch sonst alles …

So verging die Zeit für die anderen.

Für mich stand sie still.

Der angeblich so berühmte DJ Dingdong, oder DongDong aus NYC wollte uns gerade anteasern, den absoluten Top-Song der Woche „Picco“ von „Unstoppable“ mit ihm abzufeiern, da ertönte aus einer Ecke ein gnadenlos aufdringlicher Schrei. Der Schrei einer Sirene klang dagegen wie ein abgestandener Pups im Weltall.

DJ Dindingeling unterbrach seine Werbehymne. Alle schauten in Richtung Treppe, von der aus es zu den Toiletten im Untergeschoss ging und erstarrten.

Ich erwachte aus meiner mir selbstverordneten Lethargie. Der Bulle brach mit mir durch. Handy raus, 110, Notarzt, dann die drei getippt: Sepp. Der neue Super-Commissario, der meinen Freund Mario, den Verschollenen – eigentlich war der im Zeugenschutzprogramm, aber das wusste keiner außer mir und dem neuen LKA-Chef A.D. Lauer – im Kommissariat 1 der Mordkommission abgelöst hatte.

Mein Instinkt sagte mir, dass etwas faul sei.

Ich sah den zuckenden Körper eines Mädchens mit einem auffälligen Long-Bob im Ombre-Ton und bahnte mir wild einen Weg zur Treppe.

Sepp war nicht erreichbar.

Mailbox.

»Komm ins MEGA, sofort!«, schrie ich in das smarte Teil, um dann, noch immer ganz (Ex)-Bulle, sofort die Situation mit meinem Smartphone zu filmen.

Gelber Schaum drang stoßweise aus ihrem Mund. Dann nur noch epileptisches Zucken.

Aus.

Als ich direkt neben ihr stand, war es bereits zu spät.

Das It-Girl war tot.

Definitiv.

Jetzt schrie der ganze Club. Schriller als jeder Jet beim Start von einer zu kurzen Piste auf dem direkten Weg zum Crash.

Panik brach aus.

Ich musste einen kühlen Kopf bewahren. Ich brüllte mit aller Kraft, die ich noch in meiner angefressenen Stimme aufbringen konnte:

»Fanny! Achtung!«

Braver Hund.

Hatte mich gehört. Hunde haben halt sensationelle Lauscher! Er wusste, was zu tun ist. Er riss sich in der Garderobe los, rannte zu mir, schneller als ein aufgepimpter, tiefergelegter 88er Golf GTI eines Luden von der Reeperbahn, warf mir einen fragenden Blick zu. Verstand mich und raste ebenso schnell wieder zur Eingangstür und machte sich dort breit.

An ihm kam in den nächsten Minuten, wenn‘s sein musste Stunden, keiner mehr vorbei. Das Party-Völkchen wollte sich nämlich sofort verpissen.

Jetzt hatten sie plötzlich alle Schiss. Verständlich, denn ich war mir sicher, dass in der Nacht Muntermacher aller Couleur und jeder Preisklasse unterwegs waren. Ein gefundenes Fressen für eine Razzia, die unweigerlich durchgeführt werden würde, sowie ich einen meiner Ex-Kollegen endlich erreicht hatte.

»Das ist ja Fee!«

Eine panische Stimme.

Es ist Ella, die Neu-Alt-Freundin von Anna, die in Schockstarre plötzlich neben mir stand, die Hand vor Entsetzen vor ihren süßen Schmollmund haltend.

»Mein Gott, das ist ja Fee!«, wiederholt sie sich und fing schrill zu kreischen an. Wie eine Kreissäge im Einsatz bei ihrem Vater, dem Professor für gewollte Körperveränderungen.

Jetzt stand auch Anna neben mir.

»Wer ist Fee?«, brüllte ich sie an, Münchens Party-People in Panik übertönend.

»Die kennst du nicht? Es ist Fee Herzog. Die Tochter vom Immo-Herzog. Dem reichsten Makler der Stadt! Das ist eine Katastrophe!«

Anna Fischer war ebenfalls in Panik. Na ja, nicht jeden Tag hat man eine eklig aussehende Leiche auf einer Party. Ich verstand das schon.

Die Models und Millionäre, die Söhne und Töchter, Banker, Makler und Mimosen drängten raus auf die Maximilianstraße. Wollten weg. Nichts wie weg. Aber Fanny stand wie eine Wand mitten in der einzigen Tür nach draußen. Gefährlich glänzende Augen und ein Gebiss …! Ein Ungeheuer, mit dem sicher keiner der Damen und Herren Feiglinge anlegen wollte.

Wie auch immer: An meine Lauscher drangen Sirenen. Irgendjemand muss auch noch die Bullen gerufen haben. Ich war es nicht oder hatte Sepp meinen Anruf mitten in der Nacht doch mitbekommen?

Es waren drei Einsatzwagen.

Sepp schob sich als Erster an Fanny vorbei. Der kannte den Aufsteiger aus der Ettstraße und war nicht abgeneigt, die Verstärkung willkommen zu heißen.

Super. Auf Sepp war Verlass.

Ich stand noch immer an der Leiche. Kein schöner Anblick, wenn man Situationen wie diese nicht gewöhnt war. Nicht eine Person hatte den Club verlassen können. Der Mörder musste noch unter uns sein …

Drogenparty

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