Читать книгу Drogenparty - Dankmar H. Isleib - Страница 8

III

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»HAST du gehört? Razzia im MEGA. Das ist einfach nur mega Scheiße! Was habe ich dir immer gesagt? Du bist einfach eine gottverdammte Niete!«

Der Angerufene brach in Schweiß aus. Gerade hatte ‚Dackelblick‘ sich schlafen gelegt. Er war früher gegangen, weil er fürchterlichen Dünnschiss bekommen hatte. Einfach so. Urplötzlich. Aus dem Nichts heraus. Sein Glück, sein Pech.

Woher wusste Ufuk schon wieder, dass es heute Nacht im MEGA eine Razzia gegeben hatte? Der Türke muss eine echt gute Verbindung zu den Bullen haben! Kacke, verdammte Kacke!

‚Dackelblick‘, der eigentlich Rainer Bormann heißt, war durch den Wind.

Er selbst war immer clean.

Die hätten mich checken können. Null Problemo!

Der Abend hatte sich gelohnt. Zweihundertachtundvierzig Päckchen hatte er verkauft.

Gemischtwaren.

Die Lotterie brachte ihm 29.200 Euronen ein. Clubmiete, Getränke, Fingerfood und der DJ abgezogen: Reingewinn 15.000. Den musste er sich mit zwei weiteren Parteien teilen. Für ihn blieben 40 Prozent. DJ DenDen legte für ‚Dackelblick‘ immer kostenlos auf. Den hatte er in der Hand. DJDD brauchte er nur ein Flugticket zu hinterlegen. Amsterdam-München. Peanuts. Und er hatte mindestens fünfzig neue Kunden gewonnen, die dauerhaft was wollten.

Genau das war sein Plan gewesen.

Nicht schlecht für drei Stunden. Aber nun …

Wie konnte es zu einer Razzia kommen? Wer hat gequatscht, wer hat den Tierschutzverein verpfiffen? Wen soll ich jetzt im MEGA anrufen?

Nee, Rainer, mach das bloß nicht! Nachher orten die noch dein Handy.

Mir kann keiner was.

Ich war gar nicht da.

Außerdem …

An Schlaf war nicht zu denken. Erst der Dünnschiss, dann der Anruf von Ufuk. 04:22.

Rainer Bormann, Sohn des Promi-Bohrers Dr. med. dent. Volker Bormann. Der 21-Jährige, der in der Szene nur ‚Dackelblick‘ genannt wurde, weil er so treu, so lieb und harmlos gucken konnte wie ein hinterlistiger Rauhaardackel, der ständig nach Fressen bettelt. ‚Dackelblick‘ wälzte sich hin und her.

Dann raste er wieder aufs Klo.

Dann schlich er sich wieder ins Bett.

So ging das alle paar Minuten.

04:38. ‚Dackelblick‘ schreckte hoch, als er die Sirene hörte. Ein fieser Ton, den sein Vater hatte einbauen lassen. Gar nicht laut, aber eine Frequenz, die ihn gleich wieder auf den Topf springen ließ. Einfach nur ätzend.

Ätzender Ton und Dünnpfiff.

Jetzt ging ihm richtig der Stift! Einbruch?

Die Bullen?

Fehlalarm?

‚Dackelblicks‘ Eltern waren in Baden-Baden zu einem Kongress der Bohrerelite. Neue Substanz für noch weißeres Bleaching. Da stehen die Frauen in München drauf. Sein Alter konnte es gar nicht erwarten, seinen Patientinnen – Männer besuchten seine Praxis sehr selten – das neue Zeug zu verklickern. Darin war er spitze. Noch weißere Zähne als weiß. Das war es doch! In unverständlichstem Bayerisch quatschte Doktor ‚Volli‘, wie er liebevoll von seinen Patientinnen genannt wurde, die Tussis voll, wenn sie auf seinem Stuhl lagen und, Schlauch im Mund, eh nichts erwidern konnten. Methode.

Aber jetzt?

Was war das?

Es wurde laut im Erdgeschoss. Die Villa in der Dall‘Armistraße in Nymphenburg war gleichzeitig die Praxis des Promi-Zahndocs. Das ganze großzügige Erdgeschoss, eingerichtet von Ennio Graf Pilati, dem Innenarchitekten der Stadt, wenn man viel Kohle raushauen will.

Es klirrte und krachte, dass ‚Dackelblick‘ in Panik geriet. ‚Dackelblick‘ überlegte, ob er die Bullen rufen soll.

Er riet sich selbst davon ab.

Vermutlich würden sie sein Labor finden. Das wäre nicht so gut für ihn und seine Familie …

Er verbarrikadierte sich in seiner Behausung. ‚Dackelblick‘ war messiemäßig unterwegs. Wohnung konnte man zu der Edel-Chaos-Bude nicht gerade sagen. Er wartete ab.

Um 07:13 wagte er sich ins Erdgeschoss und erstarrte: Die Luxus-Praxis war ein einziges Schlachtfeld. Alle Computer rabiat rausgerissen. Weg. Die Telefonanlage ebenfalls. Weg. Die Gemälde – rund um Zähne –, Sonderanfertigungen von Matthias Waske, dem Promi-Maler für die Münchener Schickeria-Profis, wie den Promi-Bohrer, zerschnitten. Die Wände, das teure Interieur – alles hin. Ein genialer Sprayer hatte sich ausgetobt:

»Fick dich!«

»Arschloch!«

»Promi-Wichser!«

»Zahn-Loser!«

»Drogen-Dödel!«

»Dosenöffner!«

Das waren noch die ganz harmlosen Losungen.

‚Dackelblick‘ war sich nicht sicher, ob das alles seinem Vater galt oder ihm oder beiden. Fest stand, dass die Praxis eigentlich um 08:30 geöffnet werden würde. Zwei der Helferinnen würden, wie stets, überpünktlich kommen, um die Damen der Gesellschaft zu empfangen. Zum Säubern der Beißerchen, Airflow, Bleaching, Fissurenversiegelung und all das, was die reiche, schöne, die junge und fast junge Frau, die reifere, die schon leicht in die Jahre gekommene usw. wöchentlich dringend braucht, um in der Gesellschaft bestehen zu können.

‚Dackelblick‘ bekam weiche Knie.

Das ging nicht ohne Polizei.

Also raffte er sich auf. Er hatte genau eine Stunde, um sein Labor im Untergeschoss zu cleanen. Fieberhaft machte sich Rainer Bormann, der blutjunge Drogenmillionär – also fast –, an die Arbeit.

07:15. Geschafft. Alle 213 Party-People, die eigentlich einen geilen Abend auf Kosten des Starnberger Tierschutzvereins im MEGA abfeiern wollten, waren aufgenommen, vernommen, registriert und katalogisiert. Blut abgenommen, Fingerabdrücke gemacht, Speichelabstriche. Von Sepp und seinem Team, die alle einen harten Job hinter sich hatten.

156 PP weiblichen Geschlechts zwischen 14 und 28. Die meisten verschüchtert, friedlich, aber zu 90 Prozent irgendwie überdreht, weggetreten. Nur fünf weigerten sich und wollten unbedingt ihren Anwalt sprechen. Nur einer der Gewünschten rief zurück. Er wurde abgewimmelt und für 10:00 ins Präsidium gebeten. Bei 28 der jungen Damen wurde ein Alkoholpegel von über 1,6 Promille festgestellt.

Anders die 57 aufgezäumten Typen, die im MEGA megaerfolgreich Mädels aufreißen wollten. Sie waren zwischen 19 und 48 Jahre alt. Mehr als die Hälfte verweigerte einen Speicheltest. Ebenso verweigerten sich 30 der männlichen PP, freiwillig Blut für keinen guten Zweck zu spenden.

Es gab richtig Zoff.

Die Kerle wurden laut, unverschämt. „Bullenarschgesicht“ war noch der freundlichste Ausdruck. Aber Sepp nahm alles mit stoischer Ruhe hin. Kein lautes Wort von ihm. Er grinste die Arschgesichter an und war sich seiner Sache sicher: Das war ein erfolgreicher Einsatz.

35 der Typen verlangten sofort und jetzt auf der Stelle nach ihrem Anwalt.

Abgelehnt.

10:00 im Präsidium.

Die Familie der Toten war benachrichtigt. Also zur Hälfte. Vater Adalbert Herzog, 54, Münchens Immobilienhai, den kaum jemand kannte. Ein gehetzter Typ, stark übergewichtig, immer nervös, ein wenig abwesend wirkend, der seine Tochter abgöttisch liebte. Er stand, kaum erreichte ihn der Anruf des leitenden Beamten, nur wenige Minuten später mitten im MEGA. Aufgelöst, fahrig, wie ein Edelclochard angezogen: weißes Hemd, bis zum Knie offen, zerfledderter schwarzer Kaschmirmantel – und das im Hochsommer – zur ausgewaschenen Flickenjeans, ungeputzte Ed.Meier-Schuhe. Schweißperlen auf der Stirn und eine Gauloises im Mund, an der er aufgeregt zog, die Schachtel nervös zwischen den Fingern drehend.

Fee Herzog lag längst im obligatorischen Blechsarg. Kaum sah Adalbert Herzog den Sarg, kniete er schon vor ihm. Tränen in den Augen, die nächste Gauloises zwischen den Lippen.

»Ihre Frau konnten wir nicht erreichen, Herr Herzog. Mein Beileid.«

Sepp cool und relaxed dem erschütterten Mann die Hand schüttelnd.

»Ich bin geschieden. Meine Frau Rita, Ex-Frau, lebt in Kitzbühel. Ich werde sie informieren. Was ist passiert? Kommissar …?«

»Huberbauer. Hauptkommissar, Mord Eins.«

»Herr Huberbauer, was ist mit meiner Tochter!?«

Leise, aber mit Nachdruck bestand der Immohai darauf zu erfahren, wie seine Tochter, gerade erstarrte 23 Jahre alt, ums Leben gekommen war.

»Wir gehen von einem Mord aus, Herr Herzog«, antwortete ihm der Hauptkommissar, sich ein Zigarillo der Marke Mehari‘s Mini Dominican ansteckend.

Jahrzehntelang Bulle und noch immer das gleiche Lied: Auch er zeigte Nerven, jetzt, wo der Vater vor ihm stand. Hauptkommissar Huberbauer hatte sich noch immer nicht an Leichen gewöhnt. Noch dazu wenn sie so jung und hübsch waren wie Fee Herzog. Das schlaucht.

»Eine Überdosis von einer mit synthetischen Cannabinoiden versetzten Kräutermischung. Das ist der letzte Schrei in München. In irgendwelchen kleinen Drogenküchen gemischt. Das passiert nicht durch Zufall. Also der Tod. Eigentlich sind diese Mischungen nicht lebensgefährlich. Diese neuen Drogen erzeugen Gefühle erhöhter Energie. Wie die ‚Badesalze‘. Das sind alles Designerdrogen, die wir gar nicht mehr auf dem Schirm haben, so schnell gibt es neue Mischungen auf dem Markt. Klar, jede Droge kann tödlich sein. Aber hier wurde bewusst eine Überdosis verabreicht. Davon ist unser Arzt überzeugt. Wir müssen der Sache nachgehen. Eine Obduktion wird unvermeidlich sein, Herr Herzog.«

»Sagen Sie mir, wie ich helfen kann. Geld spielt keine Rolle. Ich will nur den Mörder. Verstehen Sie mich?«

Und schon hatte er sich am Stummel der einen die nächste Gauloises angezündet.

Nervenbündel, der Immo-Macker.

07:52. Die Explosion war bis zum Kanal zu hören. Die älteren Damen, die ihren Liebling am Nymphenburg-Biedersteiner Kanal Gassi führten, hörten nichts. Dazu waren die Gehörgänge schon zu sehr verrottet. Aber die lieben Tierchen. Die blickten ängstlich ihr jeweiliges Frauchen an. Sich sofort Blickrichtung West orientierend. Dann ein „wuff“ von sich gebend und noch mal stehenbleibend. Es war ein merkwürdiges Geräusch. Matt. Dumpf, aber eindringlich. Dass es die Drogenküche eines einundzwanzigjährigen Abiturienten ohne Abitur war, ahnten die Pinscherdackelmöpse nicht. Auch nicht, dass der in der Szene unter dem Namen ‚Dackelblick‘ bekannte Sohn des Promi-Bohrers Dr. ‚Volli‘ Bormann einen guten Ruf besaß, weil er quasi alle Drogen, die aktuell angesagt sind, binnen 24 Stunden beschaffen konnte …

Das war es dann wohl.

Der Keller der feinen Villa in der Dall‘Armistraße 80638 München war fein geschrottet. Kaum hatte ‚Dackelblick‘ seine Aufräum-Abräum-Entsorgungsarbeiten in der kleinen, aber feinen Drogenküche im Keller beendet, um endlich die Bullen wegen des Einbruchs anzurufen, passierte es.

‚Dackelblick‘ saß schon wieder auf dem Klo und dünnpfiffte vor sich hin, als sich zu seinen absonderlichen Geräuschen ein weiteres gesellte. Dumpf, aber eindringlich. Sein Hintern hob sich von der Schüssel, wieder brach Schweiß aus.

Das Edelhaus wackelte nur kurz.

Dann war Stille.

Dank der massiven Betonbauweise stand die Villa noch, als ob nichts geschehen sei.

‚Dackelblick‘ hörte Sekunden später die Haustür zuschlagen und wiederum Sekunden später erst Gackern, dann Gezeter, danach Geschrei. Die beiden Zahnarzthelferinnen Anja und Eylül waren angekommen und geschockt.

»Das muss eben passiert sein. Ich saß auf dem Klo und dann hörte ich erst Lärm und dann einen dumpfen Knall. Ruft die Polizei, aber schnell!«, rief ‚Dackelblick‘ den beiden Schönen zu, die völlig konsterniert in dem Chaos standen, während er die Treppe von ganz oben heruntergelaufen kam.

Der Feigling drückte sich vor dem Anruf. Was im Keller passiert war, konnte er sich nicht erklären. Auch nicht, warum erst die Haustür zugeschlagen wurde, um dann wenig später von den beiden Helferinnen wieder geöffnet zu werden. Es musste sich noch jemand im Haus befunden haben, während er vorhin sein Arbeitsfeld der Bullen wegen reinigte.

Als die ersten zwei Damen der Gesellschaft zum Bleachen kamen, standen auch schon zwei Fahrzeuge der Münchener Polizei mit kreisendem Blaulicht vor der Villa und Eylül in der Tür. Sie klärte die Damen auf, dass der heutige Termin um eine Woche verschoben werden müsste. Sie ließ die Damen gar nicht erst ins Haus.

»Es gab einen Einbruch«, zauberte Eylül den Damen ein gequältes Lächeln auf das mit Botox aufgepolsterte Gesicht. Was ja auch irgendwie stimmte, das mit dem Einbruch.

Peinlich, die Arbeiten des Sprayers – „Fick dich!“ – „Arschloch!“ – „Promi-Wichser!“ – „Zahn-Loser!“ – „Drogen-Dödel!“ – „Dosenöffner!“ – vorzeigen zu müssen. Das vermied Eylül.

Neugierige Fragen der aufgemotzten Schachteln ließ Eylül gar nicht erst aufkommen …

Anna und Fanny schliefen bis in die Puppen. Das war ein merkwürdiger Abend gewesen. Ein Tierschutzverein, den es nicht gibt. Eine Tote, blutjung und ermordet.

Aus welchem Grund?

Von wem?

213 megaüberdrehte PP.

Ein riesiger Tosa Inu, der den Wachtmeister spielte.

Und Bullen mit viel Nachtarbeit.

Halt München, wie man es liebt und kennt.

Heute hatte ich definitiv zu nichts Lust. Was für ein versauter Abend! Eigentlich ging mich der ganze Mist nichts an. Dass ausgerechnet ich darauf reinfiel!

Der Tierschutzverein Starnberg lädt ein

Wenigstens hatte Fanny sich nützlich machen können. Ich sollte mich auch noch mal hinlegen. Anna rekelte sich, tief und fest schlafend, im Lotterbett wie eine Hollywood-Diva in einer Romantikschnulze und sah dabei bezaubernd aus. An normalen Tagen hätte ich sofort die Gelegenheit ergriffen.

Ich ließ es sein.

Annas Handy klingelte, nein: sang mich an mit „Happy“ von Pharrell Williams, was mir fürchterlich auf den Sack ging. Immer diese Fröhlichkeit! Ich nahm das Ding und ging aus dem Schlafzimmer, um meinen Hollywoodstar nicht zu wecken.

»Was gibt‘s?«

»Ach, bist du es, Daniel?«

Niemand sagt Daniel zu mir. Aber die Stimme kam mir bekannt vor.

»Hier ist Ella. Du weißt schon. Von letzter Nacht. Ich wollte eigentlich Anna haben, aber wenn du direkt dran bist, umso besser. Ich sitze gerade mit Adi Herzog in der ›Kulisse‹. Kannst du vielleicht mal vorbeikommen. Wir brauchen deine Hilfe.«

„Wir brauchen deine Hilfe!“ – was soll denn das? Was habe ich mit der Sache zu tun. Der Herzog ist ohnehin ein Typ, mit dem ich nichts zu tun haben will. Auf der anderen Seite könnte ich mal wieder einen Job annehmen. Anna hat zwar Kohle, aber ich kann nicht immer …

»Okay. Wartet auf mich. Ich brauche eine Stunde.«

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