Читать книгу TSUMO - weinen ohne Tränen - Dantse Dantse - Страница 7
Telefonat mit dem Coach, 2011
ОглавлениеIch habe jahrelang meine Erinnerungen an das Geschehen in Afrika unterdrückt. Mein Mann hat bis jetzt keine Ahnung von allem, was ich in Kamerun durchgemacht habe und weiß auch nicht von meiner lesbischen Beziehung. Auch mein Arbeitgeber hat bis heute nicht verstanden, warum ich plötzlich von heute auf morgen abreiste. Sie dachten alle, ich wäre überfordert und ausgebrannt gewesen. Bevor ich das Land fluchtartig verließ, hat mir die Person, die mir das Leben rettete, viele grausame Dinge über Tsumos Leid erzählt und mich gebeten, niemals jemandem etwas zu sagen, sie würden es herausfinden, und dann würde man sofort auf ihn kommen. Das geschah einen Tag bevor ich Tsumos Heimatland Kaliba, wo wir Urlaub machten, verließ, nicht um nach Kamerun zurückzufliegen, wo ich eigentlich im Einsatz war, sondern direkt nach Deutschland – und das nach knapp 2 Jahren Aufenthalt in Afrika. Ich habe nie wieder versucht Kontakt mit Tsumo aufzunehmen. Aber diese ganze Zeit konnte mich mein Gewissen nicht ruhig schlafen lassen. Ich leide unter vielen psychischen Beschwerden und war bei vielen Psychologen, die alle etwas anderes vermuteten. Ich habe es nie geschafft, jemandem die Wahrheit zu erzählen. Ich wusste nicht, wie es um Tsumo stand. Da mein Gewissen mich immer plagte, weil ich Tsumo im Stich gelassen hatte, habe ich mir Gedanken gemacht, wie ich wieder Kontakt zu ihr aufnehmen könnte, um vielleicht meine Versäumnisse von vor 5 Jahren noch zu reparieren. Ich habe tagelang im Internet gesucht und zufällig, als ob Gott mich erhört hätte, bin ich über die Homepage des Coachs Dantse gestolpert. Ich habe nicht lange gezögert und ihn angerufen. Und als er abnahm und fragte, wie er mir helfen könne, habe ich, ohne viel nachzudenken, sofort angefangen ihm alles zu erzählen:
„Hallo Herr Dantse,
ich habe seit einiger Zeit schon eine Frage und weiß nicht, wie ich sie beantworten soll.
Ich bin eine 32jährige Entwicklungshelferin. Ich bin verheiratet und liebe meinen Mann und denke nicht darüber nach ihn zu verlassen. Das musst klar gesagt werden. Und ich weiß, dass in der afrikanischen Tradition homo-Beziehungen als abstoßend und teuflisch gelten.
Vor 5 Jahren habe ich in Kamerun eine schwarze Frau kennengelernt. Als ich diese Frau sah, wusste ich sofort, dass ich mit ihr schlafen will. Das war etwas Neues für mich. So etwas hatte ich noch nie bei einer Frau empfunden. In diesem Moment sah ich auch nicht eine Frau vor mir, sondern einfach eine Person, mit der ich Sex haben wollte.
Dass es irgendwann passieren würde war klar, aber dass es so schnell passieren würde, hätte ich mir nie vorgestellt. Ich hatte vorher selbst noch nie etwas mit einer Frau, und ich fühle mich auch nicht als Lesbe. Fakt ist aber, dass es eine lesbische Beziehung war, in einem Land, in dem so etwas nicht passieren kann und darf.
Die Beziehung war am Anfang sehr schön, wenn auch schwierig. Wir mussten uns ständig verstecken, aber das war vielleicht auch das Salz in der Suppe? Auf jeden Fall wurde aus dem Sex Liebe und wir machten Fehler und waren nicht mehr besonders vorsichtig.
Dann ist etwas Schlimmes und Tragisches passiert. Tsumo verschwand und zwei Tage lang wusste ich nicht wo sie war. Endlich übergab jemand mir einen Brief von ihr und informierte mich, dass Tsumo der Teufel ausgetrieben werden würde, weil sie Sex mit einer Frau gehabt hatte, und dass ich, die Teufelsagentin bestraft werden musste. Der Informant riet mir, so schnell wie möglich abzureisen, weil etwas gegen mich im Gang wäre. Ich musste Kaliba am nächsten Tag fluchtartig verlassen und direkt nach Deutschland fliegen, nicht zurück nach Kamerun zu meinem Arbeitgeber, weil ich nicht wusste, was mich dort erwarten würde und nur noch Angst hatte, dass ich auch dort verfolgt werden könnte.
Ich hatte einfach nur Angst und habe deswegen keine Hilfe geleistet, obwohl Tsumo meine Hilfe gebraucht hätte. Ich habe nur an mich gedacht und mich nicht einmal getraut ihren Brief zu lesen. Was der Informant mir erzählt hatte, war schon hart genug für mich gewesen.
Nun habe ich, fünf Jahre später, den Brief von Tsumo endlich gelesen. Sie schildert darin viele schlimme Dinge und bittet mich auch, so schnell wie möglich das Land zu verlassen, aus Angst, dass mir etwas passieren könnte. Aber auch in dem Brief habe ich nicht erfahren, was die Teufelsaustreibung wirklich für Tsumo bedeutet, was sie mit ihr gemacht haben. Ich schäme mich, dass ich diesen Brief erst jetzt gelesen habe. Ich habe seitdem so ein schlechtes Gewissen und weiß nicht, was ich tun soll. Vielleicht können Sie mir helfen? Ich möchte so schnell wie möglich Kontakt zu ihr aufnehmen, um zu wissen wie es ihr geht und wie ich ihr helfen kann. Ich möchte mich bei ihr entschuldigen und ihr vielleicht helfen, dass sie nach Deutschland kommt, wo sie ihre Sexualität frei ausleben kann. Und ich will ihr sagen, dass ich sie immer noch liebe.
(…) Ich wohne nicht sehr weit von Ihnen. Ja, wir könnten uns persönlich treffen, damit ich mir bei Ihnen alles von der Seele reden kann. Bis heute habe ich nie mit jemandem darüber geredet, aber ich habe das Gefühl, dass Sie der Richtige sind, der mir helfen und mir meinen Schlaf zurückgeben könnte.“
Ich war so froh, dass ich nun meine ganze Geschichte erzählen konnte und freute mich auf den Termin mit Dantse.