Читать книгу Nachtengel - Danuta Reah - Страница 7

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Sheffield, Freitag, 7 Uhr 30

Es war ein kalter Morgen. Der Regen vom Abend zuvor war gefroren und machte die Gehwege gefährlich glatt. Dort, wo das Eis zerbrochen war, bildete es weiße Muster auf den Pfützen. Als die Sonne aufging, war der Himmel wolkenlos.

Roz zitterte, als sie aus dem Auto ausstieg und die Kälte sie traf. Ihr Atem hing wie eine Wolke in der Luft. Der Parkplatz war so früh morgens noch leer, und sie konnte direkt vor dem Arts Tower parken. Sie bog den Kopf nach hinten, um an dem Gebäude hochzusehen. An windigen Tagen tat sie das manchmal und sah die Wolken vorbeiziehen, bis es ihr vorkam, als bewege sich der Turm und die Wolken stünden still. Sie holte ihre Aktentasche vom Rücksitz und schloss den Wagen ab.

Sie sah auf ihre Uhr. Halb acht, noch genug Zeit. Sie ließ sich die Vorbereitungen für das Meeting durch den Kopf gehen. Roz war die ranghöchste Forschungsassistentin der Gruppe für forensische Linguistik, die Law-and-Language-Group, ein kleines, erst vor kurzer Zeit an der Universität gegründetes Team, das von Joanna Grey geleitet wurde. Als Roz vor einem Jahr nach Sheffield gekommen war, hatte sie eine Stelle am Linguistischen Seminar angenommen, in der Hoffnung, ihre Forschungsarbeit zu Befragungsmethoden weiterverfolgen zu können. Die ehrgeizige und umtriebige Joanna hatte sie ermutigt, ihre Fähigkeiten beim Erstellen von Computersoftware und Sprachanalysen auszubauen, und ihr dann das Feld der forensischen Linguistik näher gebracht, einen im Wachsen begriffenen Bereich, der sich mit sämtlichen Aspekten von Sprache in der juristischen Praxis befasste.

Während sich Roz in der neuen Abteilung eingewöhnte, wurde ihr klar, dass Joanna bestrebt war, mit großer Sorgfalt ein Team aufzubauen. Roz hatte früher über den Subtext von Verhören geforscht, das heißt, die subtilen Nuancen untersucht, die in solch einer Situation in den Antworten der Betroffenen mitschwangen. Gemma Wishart, eine erst vor kurzem von Joanna eingestellte Forschungsassistentin, spezialisierte sich auf das Englisch, das von Personen osteuropäischer Herkunft gesprochen wurde.

Joanna hatte ihr Projekt mit Umsicht organisiert und sich für die beiden Zuschussanträge die Unterstützung des derzeitigen Seminar-Direktors, Peter Cauldwell, gesichert. Der eine Zuschuss war gedacht für die Analyse aufgezeichneter Polizeiverhöre, mit der Absicht, Lehrmaterial und Software zu erstellen, und der andere, um Systeme zur Feststellung der regionalen und nationalen Herkunft von Asylbewerbern zu entwickeln. Zugleich hatte sie das Ziel verfolgt, eine unabhängige Forschungsgruppe aufzubauen, die in den verschiedenen Gremien und Komitees innerhalb der Universität vertreten war. Dort waren damals alle dafür, dass Gruppen sich mit Drittmitteln selbst finanzieren sollten.

Als sie ihre Gelder zusammengetragen hatte, griff Joanna nach der Freiheit und etablierte die Law-and-Language-Gruppe als unabhängiges Forschungsteam. Ein Jahr hatte sie Zeit, zu beweisen, dass die Gruppe Gewinne erwirtschaften konnte. Der Zuschuss hielt sie über Wasser und daneben erledigten sie routinemäßig die juristischen Aufträge, die Joanna schon seit Jahren immer wieder bekam: Dokumentenanalyse, Untersuchung von Zeugenaussagen, Wiederauffinden gelöschter Computerdateien, Arbeiten mit Audio- und Videobändern.

Die heutige Konferenz war das erste einer ganzen Reihe von Treffen mit den Leuten, die dem Projekt jederzeit ein Ende machen konnten, indem sie ihm ihre Unterstützung entzogen. Alles musste so glatt, effizient und effektiv laufen wie ein gut geschriebenes Computerprogramm. Es ging um die Leute mit den finanziellen Mitteln. Die wollten nichts von der Theorie reiner Forschung oder von abstrakten Zielen wissen, die die Grundlagenforschung monate- und jahrelang beschäftigte. Sie wollten hören, was Joanna und ihr Team an Leistungen erbrachten.

In Joannas Terminplanung war eine unabwendbare Schwierigkeit aufgetreten. Am Tag zuvor hatte sie ein Meeting gehabt und verließ sich deshalb darauf, dass Roz alles organisierte. »Ich komme rechtzeitig, vor neun«, hatte sie gesagt, bevor sie ging.» Auf dem Weg hierher nehme ich Gemma mit. Sieh zu, dass alles vorbereitet ist.« Roz eilte durch die Pforte, und das Wissen um ihre Verantwortung ließ ihren Adrenalinspiegel steigen. Der Pförtner grüßte sie, während sich die Türen hinter ihr schlossen.» Morgen, Frau Dr. Bishop.«

Sie nickte etwas zerstreut. »Morgen, Dave«, sagte sie und nahm den vertrauten Geruch der Universität wahr. Meistens ging sie über die Treppe zu ihrer Abteilung hinauf, ihr einziges Zugeständnis an ihre Fitness, heute aber hatte sie sich für das Meeting in Schale geworfen, und ihre Schuhe waren nicht zum Treppensteigen geeignet. Sie ging am Aufzug vorbei und trat, von seinem regelmäßigen Klappern angezogen, auf die Plattform des Paternosters. Er fuhr an der kahlen Wand zwischen Erd- und Zwischengeschoss nach oben, und die Nummern der Stockwerke erschienen an der Wand über ihrem Kopf, glitten vorbei, und dann taten sich die Öffnungen zu den Fluren auf, die danach wieder unter ihren Füßen verschwanden.

An ihrem Korridor angekommen, verließ sie die Plattform so gewandt und routiniert, wie es nur jemand kann, der an einen Paternoster gewöhnt ist. In der Abteilung war nur das weit entfernte Summen einer Bohnermaschine zu hören, mit der die Putzfrauen ihre Morgenrunde beendeten. Die langen Flure lagen im Dunkeln, nur hier und da durch die Pendeltüren unterteilt. Sie schloss die Tür zu ihrem Büro auf, legte ihre Tasche ab und holte den Hefter mit den Unterlagen heraus, die sie und Joanna für das Meeting zusammengestellt hatten. Sie ordnete ihre Notizen für die Präsentation, prüfte nochmals jedes Detail des Vormittags und vergewisserte sich, dass alles vorbereitet war. Joanna betonte immer wieder, Erfolg erfordere nicht nur, dass man das Richtige tat und die richtigen Zahlen vorweisen, sondern auch, dass man sich selbst als erfolgreich darstellen konnte. Deshalb hatte Joanna das Kostüm von Mulberry gekauft, deshalb hatte sie die Porzellantassen und den guten Kaffee aus eigener Tasche beigesteuert.

Roz sah auf die Uhr. Fast acht. Sie musste den Konferenzraum überprüfen, sich vergewissern, dass Luke seinen Teil erledigt hatte, dass alle Geräte bereitstanden und funktionierten, und sie musste sicherstellen, dass der Kaffee zum richtigen Zeitpunkt bestellt war. Sie schloss ihre Bürotür hinter sich ab und rekapitulierte die Dinge, die zu tun waren. Der Flur, auf dem sich ihre Räume befanden, lief um den Aufzugsschacht und das Treppenhaus herum. Er war leer, die Beleuchtung schlecht, und die Bürotüren waren verschlossen. Als sie ihr eigenes Büro verließ, hielt sie inne und sah auf das Schild an der Tür. DR. ROSALIND BISHOP, FORSCHUNGSASSISTENTIN. Das nächste Büro war das von Joanna: DR. JOANNA GREY, INSTITUTSLEITUNG. Vor der Biegung kam dann die Doppeltür mit dem Ausgang zum Treppenhaus. Joanna hatte bei der Verteilung der Räumlichkeiten unmissverständlich angeordnet, dass ihr eigenes und das Büro von Roz nebeneinander am einen Ende des L-Flügels liegen und die so genannte Chefecke bilden sollten. Damit schien ihr der erforderliche Abstand zwischen ihnen und Gemma, der jungen, gerade promovierten Akademikerin, sowie Luke, dem Techniker, und den neuen Forschungsassistenten hergestellt, wer immer diese auch sein würden. Roz hatte es bedauert, dass ihre Loyalität Joanna gegenüber sie daran gehindert hatte, dies alles Luke zu erzählen. Es hätte ihn bestimmt amüsiert.

Jemand war vor ihr im Flur, lief jedoch in die andere Richtung. Ohne Licht war es zu dunkel, um Einzelheiten erkennen zu können. Die Gestalt war zu groß, um Gemma sein zu können. Wer immer es war, er verschwand um die Ecke und ging auf Gemmas Büro zu. Roz stieß die zweite Tür auf. Entweder täuschten sie ihre Augen und es war doch Joanna – oder möglicherweise auch Gemma – oder es war jemand, der zu dieser Zeit nichts in diesem Teil des Gebäudes zu suchen hatte.

Als sie um die Ecke bog, war der Korridor schon wieder leer. Wer immer es war, er musste um die nächste Ecke zu den Aufzügen zurückgegangen sein. Sie zuckte die Schultern und ließ die Sache auf sich beruhen. Sie stand vor Gemmas Büro und betrachtete den Zettel, der mit einem Reißnagel befestigt war. DR. GEMMA WISHART. Sie runzelte die Stirn. Gemmas Vertrag lief über ein volles Jahr. Was würde es wohl kosten, die Beschilderung zu aktualisieren? Aber bald würden die neuen Forschungsassistenten kommen, und Joanna plante, einen davon in Gemmas Büro unterzubringen. Vielleicht hatte sie vor, das Büro ohne Namen nur mit FORSCHUNGSASSISTENTEN beschildern zu lassen. Roz ging weiter den Korridor entlang.

Neben Gemmas Büro war der Konferenzraum. Roz schloss die Tür auf und sah hinein. Alles war vorbereitet. Die Lamellen der Jalousien waren schräg gestellt, damit die Morgensonne nicht auf den Bildschirm fiel, um die Tische stand die richtige Anzahl von Stühlen – nur ein kleines Detail, aber Joanna würde gerade auf diese Einzelheiten Wert legen, mit denen die Gruppe den Eindruck von Effizienz hervorrufen sollte –, und der Overheadprojektor stand neben Joannas Stuhl am Kopfende des Tisches. Roz drückte auf den Knopf, und ein beleuchtetes Quadrat erschien genau in der Mitte der Projektionsfläche. Luke musste gestern Abend länger geblieben sein und alles vorbereitet haben.

Sie sah wieder auf die Uhr. Es war fast zehn nach acht. Joanna hätte eigentlich inzwischen hier sein sollen. Sie hatten verabredet, dass sie vor dem Meeting noch einmal einige der Hauptpunkte durchsprechen würden. Roz ging zum Computerraum, der am Ende von Joannas Reich lag. Roz nannte den Computerraum immer »Lukes Zimmer«, weil das bereits sein Arbeitsplatz war, bevor er in Joannas neue Gruppe versetzt wurde, und weil man ihn meistens hier antraf. Eigentlich hatten sie nicht genug Platz für ein eigenes Techniker-Zimmer. Joanna missfiel der Besitzerstolz, mit dem Luke sein Büro betrachtete. Sie hatte mit Roz über ihre Pläne gesprochen, die neuen Forschungsassistenten eine Weile hier unterzubringen, um Lukes Exklusivanspruch zu durchbrechen. Luke war das einzige Mitglied der Gruppe, das Joanna nicht selbst ausgewählt hatte, und sie gab sich keine Mühe, zu verbergen, dass sie ihn nicht mochte und es ihr nicht Leid täte, wenn er ginge. »Ich will Menschen mit erstklassiger Intelligenz«, hatte sie einmal zu Roz gesagt. Luke mit seinem Notenschnitt von 2,1 passte offenbar nicht in diese Kategorie, obwohl er ein ausgezeichneter Softwarespezialist war. Joanna hatte ihre Macken.

Roz stieß die Tür auf und Kaffeeduft zog auf den Flur heraus. Luke saß an einem der Rechner, hatte seinen Stuhl zurückgeschoben, die Füße auf die Querstreben eines zweiten gestellt und hielt einen Becher in der Hand. Als sie eintrat, drückte er auf eine Taste, die alles auf dem Bildschirm verschwinden ließ. Dann drehte er sich auf seinem Drehstuhl herum. »Roz«, sagte er unverbindlich. Sie und Luke gingen dieser Tage behutsam miteinander um.

» Hi. Danke, dass du alles fertig gemacht hast.« Trotz seiner unkonventionellen Art leistete Luke effiziente Arbeit.

Er antwortete nicht, sondern sagte nur: »Willst du die Dias noch mal durchgehen?«

» Sind sie noch genau so geordnet wie gestern?« Er nickte und stellte den Becher auf seinen Schreibtisch. Er trug Jeans und Turnschuhe. Das würde bei Joanna gar nicht gut ankommen. Sie fragte sich, ob er jemals daran dachte, vielleicht einen winzig kleinen Kompromiss einzugehen, um Joanna zufrieden zu stellen.» Zeig mir nur das erste, das wir geändert haben.«

Er tippte Befehle ein, und Roz sah das Dia mit den Einkommensprognosen der Gruppe für die ersten zwei Jahre. Sie waren beeindruckend, besonders, weil die EU-Mittel farblich markiert waren, die Joanna entgegen allen Erwartungen bekommen hatte. Es war eindrucksvoll. »Das ist prima«, sagte sie.

Luke sah immer noch auf den Monitor. »Wir brauchen ein Logo für die Gruppe«, sagte er.

Roz sah kurz zu ihm hinüber. Luke kümmerte sich sonst nicht um Ideen wie Corporate Identity, Formulierung von Visionen, Qualitätsabläufe – kurz, die Art von Managementphrasen, die Joanna so liebte. Sein Gesichtsausdruck verriet nichts. Sie passte sich seiner gelassenen Art an und sagte: »Ja, vielleicht könntest du eines entwerfen.«

Lukes Mundwinkel zuckte, als er sie ansah, und dann brachen beide in Gelächter aus. »Danke, Luke«, sagte sie noch einmal und meinte es ehrlich. Sie wusste jetzt, dass bei dem Meeting alles problemlos funktionieren würde. Er hatte dafür gesorgt.» Ich seh dich dann nachher.« Sie schaute auf die Uhr, als sie zu Joannas Büro zurückging, wo sie nachsehen wollte, ob Joanna inzwischen gekommen war.

Acht Uhr fünfundvierzig. Joanna sollte auf jeden Fall schon hier sein. Roz fing an, sich Sorgen zu machen. Es sah Joanna gar nicht ähnlich, sich zu verspäten, besonders nicht bei so etwas Wichtigem wie diesem Meeting. Sie fühlte eine Spannung im Magen und zwang sich, locker zu bleiben. Dann ging sie wieder den Korridor entlang und durch die Pendeltüren. Bei Gemmas Tür blieb sie stehen, schloss auf und sah hinein. Das Zimmer war leer, der Schreibtisch gewissenhaft aufgeräumt, die Ablagen für Eingänge und Ausgänge leer. Über den Monitor lief der Bildschirmschoner. Der Computer war angeschaltet gewesen. Er sollte aus sein. Joanna würde durchdrehen, wenn sie das sähe. Wenn der Computer an und niemand im Zimmer war, hatte jedermann Zugang zu Gemmas Daten. Roz schaltete ihn ab und sah wieder auf die Uhr. Es war acht Uhr fünfzig. Sie und Joanna wollten sich eigentlich um neun treffen und die Tagesordnung durchgehen, um sich kurz vor Beginn noch einmal zu vergewissern, dass alles reibungslos klappen würde. Peter Cauldwell würde sich über jede Gelegenheit freuen, sie in die Pfanne zu hauen. Die Besprechung sollte um halb zehn beginnen. Plötzlich spürte Roz eine ungewohnte Panik aufsteigen.

Verdammt. Sie holte zweimal tief Luft, ignorierte ihre Nervosität und zwang sich, nicht weiter an alle möglichen Katastrophen zu denken. Es brachte nichts, sich Sorgen zu machen, dass etwas schief gehen könnte, denn alles würde gut laufen. Joanna würde da sein. Hätte es irgendwelche Probleme gegeben, hätte sie sich bei Roz gemeldet. Dies wiederholte Roz immer wieder wie ein Mantra und versuchte, sich zu entspannen.

Überall glitzerte der Raureif. Jenseits der Universität und der Weststadt erstreckte sich der Peak District in der Wintersonne. Hoch oben auf dem Stanage Edge, wo der graue Stein sich vom dunklen Torf und den vertrockneten Farnen abhob, glänzte der Reif und machte den Erdboden tückisch glatt. Marienkäferchen waren rotschwarz im Eis eingeschlossen, eine gefrorene Erinnerung an den Sommer. Die Straße führte über den Bergkamm und an den Staudämmen bei Ladybower und Derwent vorbei und stieg dann bis zum Pass hinauf an. Die hohen Lagen des Kinder Scout und Bleaklow sahen in diesem Licht fast harmlos aus, ihre trügerischen Gipfel verführten den Gelegenheitswanderer, ein bisschen zu weit zu gehen, ein bisschen zu hoch zu steigen.

Der Verkehr auf der Straße zum Snake Pass kam nur langsam voran. Es war eine ungünstige Mischung aus Berufsverkehr vom westlichen Sheffield her und den Urlaubern, die gemütlich fahren, die Landschaft genießen, vielleicht sogar das Auto abstellen und ein bisschen wandern wollten. Weiter oben lichtete sich der Verkehr, die Landschaft wurde monotoner und die Berge bedrohlicher. Wanderer, die von Doctor’s Gate aus den Bleaklow ersteigen wollten, sahen einen Wagen, der an der Seite in den Graben gefahren war. Es war ein alter, roter, ziemlich mitgenommener Fiesta. Vielleicht gehörte er einem begeisterten Wanderer, der schon so früh in den Bergen war.

Hull, Freitag, 8 Uhr

Die dunklen Wolken hingen niedrig und drohten mit Regen oder Schnee. Die Straße war jetzt belebter, denn der Berufsverkehr wurde stärker. Das Blenheim Hotel, an der preiswerteren Seite des Marktplatzes, bestand aus einer Anzahl edwardianischer Reihenhäuser, deren Wohnungen vor Jahren umgebaut worden waren. Es war ein kleines Haus, das von außen eng und schmal wirkte, innen aber ein endloses Labyrinth war. Hinter jeder Tür lag noch eine weitere. Auf jedes Treppenhaus folgte das nächste. Die Korridore bekamen kein Tageslicht und waren nur schwach beleuchtet. Vielleicht war dies zufällig oder aus Gründen der Sparsamkeit so, aber es war günstig. Die düstere Beleuchtung verbarg bis zu einem gewissen Grad die abgewetzten und fleckigen Teppiche, die abgeplatzte Farbe, Schmutzflecken und die sich ablösenden Tapeten an den Wänden.

Die Putzfrau hatte schon mit ihrer Arbeit angefangen, als die letzten Gäste noch in dem Raum im Untergeschoss frühstückten, der auch als Bar genutzt wurde. Der Geruch von Bier und Zigaretten begrüßte die Gäste, wenn sie dem Schild »Dining Room« folgten und zum Frühstück die schmale Treppe in der Eingangshalle hinuntergingen. Die Stufen waren für eine normale Treppe zu schmal, wahrscheinlich war es eine alte Hintertreppe aus den Tagen, als das Hotel noch ein Privathaus und die Gegend ein Wohngebiet der wohlhabenden Mittelschicht war.

Einige Gäste hatten zweifellos am Abend zuvor in diesem Raum gesessen, an der Bar gestanden oder sich einen Weg durch die Menge gebahnt, und der Biergeruch rief sicher Erinnerungen wach.

Kleine Packungen Frühstücksflocken und Krüge mit Orangensaft standen aufgereiht auf der Bar. Die Bedienung nahm am Tisch die Bestellungen entgegen und brachte dann Teller mit hellrosa Speck, schlaff und leicht ranzig riechend, matschigem Rührei und Würstchen, aus denen beim Einschneiden das Fett herauslief. Der Geruch nach Gebackenem überdeckte vorübergehend den nach Bier und Tabak.

Marys Mann hatte angerufen. Sie hatte am Abend zuvor einen Unfall gehabt. »Hatte bestimmt getrunken, würde mich nicht wundern«, hatte Mrs. Fry zu Anna gesagt. »Du wirst heute Vormittag allein zurechtkommen müssen.« Sie klang ungeduldig. Anna schaffte es immer. Sie war jung, und wenn man Arbeit so nötig wie sie brauchte, dann schaffte man es eben. Mrs. Fry wusste das. Also arbeitete Anna jetzt allein, aber die alte Hexe war schon wieder hinter ihr her und behauptete, es gehe nicht schnell genug, die Zimmer würden nicht rechtzeitig fertig, und sie solle sich beeilen. Anna murmelte Mrs. Frys ewige Litanei vor sich hin, während sie den Flur sauber machte: »Bist du noch nicht weiter, Anna? Los, beeil dich, Anna!« Sie war auf der zweiten Hintertreppe. Auf dieser Seite des Hotels gab es drei Zimmer, es war ein anderer Teil als der mit der Bar und dem Restaurant. Dieser hintere Bereich des Gebäudes ging auf den Garten – eigentlich eher ein Hof – hinaus, wo die Mülleimer standen und ein paar Büsche den Müll aufzuhalten versuchten, der in die kleine Gasse hinter den Reihenhäusern geworfen wurde. Anna nahm den Wischeimer, trug ihn die schmale Treppe hinunter und stieß dabei an die Seitenwände. Hier unten roch es immer muffig und feucht, ein schwacher, aber unverwechselbarer Geruch.

Das erste Zimmer war ein totales Chaos. Anna verzog das Gesicht. Es roch ungelüftet und nach abgestandenem Alkohol, Zigarettenrauch, Schweiß und altem Parfüm. Eine leere Whiskyflasche stand beim Papierkorb auf dem Boden, und neben dem Bett war ein Glas mit einer Zigarettenkippe, die sich aufzulösen begann. Der Aschenbecher war voll. Auf dem Nachttisch lag ein benutztes Kondom. Sie zog neue Handschuhe aus der Tasche ihres Anzugs. Zurzeit brachte sie ihre eigenen mit. Wenn Anna Mrs. Fry sagte, dass sie neue Handschuhe brauche, sagte sie immer »Ach ja«, aber irgendwie wurden sie nie rechtzeitig nachbestellt. Sie schaltete das Licht im Bad an. Es war besser, gleich über das Schlimmste Bescheid zu wissen.

Sie warf das schmutzige Bettzeug und die Handtücher auf den Boden im Flur. Den breiten Wäschekarren konnte sie nicht über die schmale Treppe hinunterbringen. Sie würde den Haufen aufsammeln und ihn hochtragen müssen. Sie sah sich die Handtücher an und verzog angeekelt das Gesicht. Das zweite Zimmer war nicht so schlimm. Der Mief wurde von Seifen- und Zahnpastageruch überlagert. Das Bett war zerwühlt, als sei der Schlafende hastig aus dem Bett aufgesprungen. Auf dem Teppich war Puder und der Abdruck von einem Fuß. Aber das Badezimmer war in Ordnung, die Toilette gespült, die Badematte feucht, die Handtücher ordentlich auf die Stange gehängt.

Sie sah auf die Uhr. Sie hatte Zeit aufgeholt. Die Zimmer sollten bis um zehn Uhr fertig sein, sonst würde Mrs. Fry einiges zu sagen haben. Aber sie würde Anna nicht wegschicken. Fünf Monate war es Anna schon gelungen, diese Arbeit zu behalten. Sie beklagte sich bei niemandem wegen der miserablen Bezahlung, war zuverlässig und hatte in der ganzen Zeit, die sie in dem Hotel arbeitete, nie einen Tag freigehabt. Niemals kam sie zu spät. Sie störte die Gäste nicht, machte ihre Arbeit immer ordentlich und wurde rechtzeitig fertig. Über die Zimmer, die Anna geputzt hatte, gab es keine Klagen.

Hier unten im Keller konnte sie rauchen und eine Pause machen. Der Ventilator des fensterlosen Badezimmers dröhnte. Sie holte ihre Zigaretten und das Feuerzeug aus der Tasche ihres Anzugs. Fünf Zigaretten pro Tag waren ihre Ration. Sie zündete eine an, lehnte sich an die Wand des Badezimmers und blies die Luft zum Ventilator hinauf. Sie hasste den Rauchgeruch.

Das letzte Zimmer im Keller war eng und ungemütlich. Sie drückte sich an der geschlossenen Badezimmertür vorbei, stolperte über etwas und warf einen Blick in das Zimmer. Der Schrank war klein und an die schmale hintere Wand neben die Glastüren gezwängt, die auf den Hof hinausgingen. Die Stores vor den Türen klebten an den feuchten, beschlagenen Glasscheiben. Die Frisierkommode stand an der langen Wand gegenüber dem Bett. Der Gang dazwischen war so schmal, dass Anna sich zur Seite drehen musste, um durchzukommen. Das Zimmer war … sie sah sich um. Das Bett schien nicht benutzt zu sein, aber Kleider waren darauf verstreut, Jacke und Rock einer Frau. Ein Schuh lag vor der Doppeltür, der andere im schmalen Eingangsbereich. Sie war darauf getreten, als sie hereinkam. Der Gast war noch nicht abgereist.

Anna zog das Bett ab und warf das saubere Bettzeug auf die Matratze. Die Betten mussten frisch bezogen werden, egal, ob sie benutzt waren oder nicht. Sie hob die Schuhe auf, stellte sie unten in den Kleiderschrank und hängte Rock und Jacke auf einen Bügel. Vielleicht gehörte die Frau, die hier übernachtet hatte, zu den wenigen Gästen, die länger als eine Nacht blieben. In diesem Zimmer war es kalt, ganz anders als in den anderen Zimmern im Kellergeschoss mit ihrer stickigen, feuchten Luft. Anna spürte einen Luftzug an den Knöcheln und knöpfte ihre Strickjacke bis zum Hals zu.

Der Staubsauger war in die Steckdose auf dem Flur draußen eingesteckt. Sie schaltete ihn an, merkte aber an dem schwachen Sog, dass der Beutel ausgewechselt werden musste. Schon wieder etwas, das extra Zeit kostete. Sie warf den vollen Beutel in ihren Putzkorb, setzte schnell und geübt einen neuen ein und saugte das kleine Stück Teppich gründlich ab. Mit ihrem Putztuch fuhr sie über die Tapetenleiste und die Oberflächen der Frisierkommode und des kleinen Nachttischs. Der Aschenbecher war leer und das Tablett mit den Sachen zum Teekochen unberührt. Mit ihrem Tuch wischte Anna über etwas Klebriges, Schmieriges, das einen braunen Fleck hinterlassen hatte. Sie wischte ihn weg, war aber mit dem Zimmer nicht recht zufrieden, als hätte sie etwas Wichtiges vergessen. Sie sah die Stores, die an den Scheiben klebten, und beschloss, das Kondenswasser abzuwischen. Vielleicht würde es dann weggehen, das … das war’s! Dieser Geruch in der Luft! Der war schuld daran, dass einem das Zimmer unsauber vorkam. Einen Moment glaubte sie, etwas Verbranntes zu riechen – ein unbehagliches Gefühl erfasste sie, und ihr wurde leicht übel.

Der Türflügel bewegte sich, als sie ihn abwischte, weil er einen Spalt offen stand. Jemand hatte die Glastüren aufgemacht und nur angelehnt. Deshalb war es hier so kalt. Warum würde jemand das tun? Um sich hinauszustehlen, ohne die Rechnung zu begleichen? Und dann ein gutes Kostüm und ein paar Schuhe zurücklassen? Jemand, der frische Luft schnappen wollte? Und das Zimmer inzwischen völlig ungesichert ließ? Ratlos schüttelte sie den Kopf. Wenn sie als Reinigungskraft im Hotel etwas gelernt hatte, dann war es eines, nämlich dass das Benehmen von Menschen, die von zu Hause weg sind, unergründlich ist. Sie musste die Türen fest zuschlagen, um sie abriegeln zu können. Der Geruch kam wahrscheinlich aus einem der Mülleimer im Hof und würde sich bei geschlossener Tür verlieren.

Nur das Bad war noch zu machen. Sie sah auf die weiß gestrichene, fest geschlossene Tür neben der schmalen Diele. Die Gäste ließen die Badezimmertür meistens offen, und der Dampf zog zusammen mit dem Geruch nach Seife und Shampoo oder auch unangenehmeren Dingen ins Zimmer; die Handtücher lagen achtlos auf den Betten, dem Teppichboden und den Stühlen verstreut. Sie legte die Hand auf den Türgriff, scheute sich aber irgendwie, diese Tür zu öffnen. Dumme Hirngespinste! Sie drückte die Klinke nach unten und versuchte, die Tür aufzustoßen. Aber es ging nicht. Anna runzelte die Stirn. War sie abgeschlossen? Sie lauschte und hörte Wasser rieseln und durch die Rohre laufen. Sie klopfte. Stille. Wenn jemand im Bad wäre, dann wäre er oder sie doch bestimmt ins Zimmer gekommen und hätte ihr gesagt, sie solle mit dem Putzen warten, bis das Zimmer geräumt sei. Sie sah auf die Uhr und stellte fest, dass sie die ganze, zuvor gewonnene Zeit wieder verloren hatte. Sie war spät dran. Bald würde Mrs. Fry herunterkommen, um nachzusehen, was sie tat. Der Gedanke daran scheuchte sie auf, sie fasste den Griff fester und drückte gegen die Tür. Jetzt erinnerte sie sich, dass sie manchmal klemmte. Trotzdem hatte sie ein unbehagliches Gefühl im Magen. Etwas schien sie aufzufordern, sich einfach abzuwenden. Sieh nicht nach! Vergiss es!

Die Tür klemmte noch einen Moment und flog dann auf. Plötzlich stand sie in der heißen, feuchten Badezimmerluft in einem Geruch, der so durchdringend wie auf einem Fleischmarkt bei ihr zu Hause war. Scharf, widerlich und schmutzig.

Das Wasser tropft und tropft, als sie durch die Büsche kriecht. Der Gestank von Verbranntem liegt noch in der Luft, aber es ist ein abgestandener Geruch. Asche, die Reste eines Feuers. Feuer bedeuten doch sonst Wärme und Feste, Musik und Stimmen. Stimmen! Sie hält inne, horcht. Stille, nur das Tropfen des Wassers. Aber der Feuergeruch vermischt sich mit einem anderen, schweren, süßlichen Geruch von etwas Verdorbenem.

Jetzt kann sie das Haus sehen. Es steht außerhalb des Dorfes am Waldrand. Der Feuergeruch kommt natürlich vom Dorf, nicht von ihrem Haus. Sie späht durch die Blätter und horcht, ob sie nicht die Stimme der Mutter hört, die die Kinder ruft, oder ihren Vater, der mit den Männern zusammen eine Pause macht und mit ihnen lacht. Sie werden sich alle sorgen. Sie ist weg gewesen, wie lange, zwei Nächte? Drei? »Ich bin wieder da …«, flüstert sie und späht durch die Blätter auf die Überreste ihres Hauses und auf das kleine Bündel, das auf der Schwelle liegt und aus dem ein Schuh auf die Büsche zeigt, hinter denen sie sich versteckt. Der Regen muss das Feuer gelöscht haben. Sie sieht das Wasser von den Traufen und dem kaputten Dach tropfen.

Anna war auf etwas getreten und sah nach unten, wich unwillkürlich zurück und wischte automatisch den Fuß auf dem Teppich ab. Der Boden war nass. Etwas tropfte auf ihren Hals, sie zuckte zusammen und fuhr herum. Wassertropfen kamen von der Decke, und die Wände glänzten feucht. Ein stetiges Geräusch von rieselndem Wasser ertönte aus der Badewanne, wohl vom Duschkopf, aber nur schwach. Der rosafarbene, durchsichtige Duschvorhang war vorgezogen. Das Wasser lief, floss und rauschte in den Rohren und gurgelte im Abflussloch.

Jemand lag in der Wanne. Das war ihr erster Gedanke. Jemand ließ ganz langsam Wasser laufen und hörte nicht auf Geräusche, Bewegungen, den Staubsauger, den Lärm vom Putzen. Jemand …

… Sie ist jetzt an der eingeschlagenen Tür. Dahinter – Mutter, Vater, der Tisch, wo sie immer alle sitzen und reden, und die Kleinen rennen herum und der Geruch von… Scharf, verrottet.

Langsam streckte Anna die Hand aus und zog den Vorhang zurück.

Sie dachte, es wäre ihre Mutter.

Die Frau – es war eine Frau, das konnte sie erkennen – war in der Wanne zusammengesunken. Sie sah … wie zerbrochen aus, ein Spielzeug, das heruntergefallen und zersprungen ist. Ihr Gesicht – Krischa … ? – das Gesicht wie Krischas Puppe, sie waren auf das Gesicht von Krischas Puppe getreten, und es war verzerrt und zerschlagen, die Augen in den Augenhöhlen verdreht, der Mund zu einem grausigen Grinsen verzogen. Krischas Puppe! Das Wasser aus dem Duschkopf tropfte vom Haar der Frau. Bänder, es ist wie… Ihr erster Gedanke war, dass sie eigentlich stärker bluten müsste. Dann versagten ihr die Knie, und ihr Körper wurde kalt. Ihr Mund füllte sich mit Speichel, und ihr schwindelte. Sie konnte nichts dagegen tun. Ihre Knie schlugen auf dem Boden auf. Sie spürte durch die Strümpfe die Feuchtigkeit an den Beinen. Ihre Hände rutschten am Badewannenrand entlang und versuchten, sich festzuhalten. Ich will nicht, dass es mich berührt!

Sie zog sich hoch, stand aufrecht, drehte das Wasser im Waschbecken voll auf und wusch sich Hände und Gesicht. Dann spülte sie immer wieder den Boden ab und versuchte, alles sauber zu machen, Ordnung zu schaffen, ihre Arbeit zu tun. Sie zog das Handtuch von der Stange, spürte seine Feuchtigkeit an ihren Händen und ließ es zu Boden fallen. Etwas schwamm in der Toilette. Sie drückte immer wieder auf die Spülung. Ihr Blick schoss hektisch von der Handtuchstange zum Waschbecken, zu den Wassergläsern und zur Badewanne … Nein! Sie starrte auf den Boden und konzentrierte sich auf die Fugen zwischen den Fliesen.

Zwischen der Kloschüssel und der Badewanne lag etwas auf dem Boden. Ein Stück Papier, nein, eine Karte, eine Visitenkarte, die auf dem nassen Boden klebte, etwas, das jemandem, der dort gesessen hatte, aus der Tasche gefallen sein musste, jemandem der neben der Badewanne saß und vielleicht mit der Person redete, die sich duschte und die … das Geräusch des Wassers, als sie durch die Büsche kriecht … Der Gestank von Verbranntem stieg ihr in die Nase. Sie fühlte Brechreiz. Abfall auf dem Boden. Sie bückte sich automatisch, hob die Karte auf und betrachtete sie, ließ sie wieder fallen.

Dann war sie wieder im Zimmer, ihre Beine zitterten, sie hielt sich an der Tür und den Wänden fest, nur damit sie aus dem Bad herauskam. Sie musste jemanden holen, musste Hilfe holen, sie musste … sie musste …

Sie musste nachdenken.

Sie machte den Staubsauger auf und nahm den Beutel heraus, den sie eingesetzt hatte, bevor sie anfing, das Zimmer zu putzen. Der alte Beutel war zum Bersten voll, aber sie schaffte es, ihn wieder hineinzuschieben, ohne dass er zerriss oder zu viel von dem Inhalt herausfiel. Sie faltete den neuen Beutel wieder zusammen und steckte ihn in die Tasche. Ihre Hände zitterten. Sie nahm das Bettzeug und die Handtücher und trug sie die Kellertreppe zum Wäschekorb hinauf. Sie horchte. Verkehrsgeräusch in der Ferne. Schritte im Flur des nächsten Stockwerks. Schnell. Sie musste sich beeilen.

Sie zog einige Teile des schmutzigen Bettzeugs aus dem Korb und stopfte ihre Ladung tief unten hinein. Die schmutzigen Laken legte sie obendrauf und behielt einen Satz Laken und Handtücher zurück. Wieder die Treppe hinunter, um die Laken auf den Fußboden zu werfen. Die Tür schließen oder sie offen lassen? Ihre Tasche und ihr Mantel waren hinten in der Küche. Sie zögerte einen Moment, dann trat sie wieder ins Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Sie ging zu den Glastüren und öffnete die Verriegelung. Sie würde sie nicht hinter sich schließen können. Dann war sie im Hof, kam an den Mülleimern vorbei, ging die Straße entlang zum nächsten Hof, an weiteren Mülleimern entlang zur Hintertür, die sie aufstieß. Niemand weit und breit. Sie packte ihren Mantel und ihre Einkaufstasche, nahm sich nicht die Zeit, ihre Straßenschuhe anzuziehen, und eilte die Straße zur Bushaltestelle hinunter. Dem ersten Bus, der vorbeikam, winkte sie und atmete erst auf, als er um die Ecke bog und die Einkaufsstraße entlangfuhr.

Sie sah das Gesicht der Frau vor sich. Und Krischas Puppe, die zertreten am Boden lag. Soldatenspielzeug. Es kam ihr so vor, als rieche die Luft nach einem verloschenen Feuer. Ich muss laufen, laufen.

Nachtengel

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