Читать книгу Peter Gabriel - Die exklusive Biografie - Daryl Easlea - Страница 8
Оглавление„Meine Familie kam von Spanien zur Zeit der Armada in dieses Land. Es heißt, sie wären von Bauern aus Cornwall adoptiert worden.“
– Peter Gabriel, 1974
„Mein Dad ist Elektroingenieur. So eine Art Erfinder, sehr reserviert, scheu, analytisch. Meine Mum ist eher instinktiv, sie lässt sich vom Moment leiten. Musik ist genau ihr Ding. Und ich trage beides in mir.“
– Peter Gabriel, 2000
Als Peter Gabriel 1974 in Genesis’ „The Chamber Of 32 Doors“ sang, dass er eher einem Landbewohner als einem Städter vertrauen würde, könnte er eventuell von seinen eigenen Wurzeln gesprochen haben. In seinen 64 Lebensjahren hat Gabriel weniger als ein Jahrzehnt in der Stadt gelebt. Obwohl er ein Haus in West London besitzt, lebt er in rustikaler Pracht in seinem Eigenheim neben seinem Studio in Box in der Nähe von Bath in Wiltshire, nicht unähnlich dem ländlichen Idyll seiner Kindheit in Surrey. Sein Ursprung könnte als Metapher für seine eher distanzierte Beziehung zum Showgeschäft dienen – nahe genug, aber doch weit weg. Surrey ist weniger als eine Stunde von London entfernt. Sein jetziges Haus liegt auch nur etwas weniger als 15 Minuten außerhalb der betriebsamen Innenstadt von Bath. Falls notwendig, kann er sich also sehr schnell ins Geschehen stürzen. Trotzdem befindet er sich etwas abseits. Eben nicht ganz unähnlich seinem Verhältnis gegenüber dem Mainstream der Popmusik.
Jedes Mal, wenn sich Gabriel der großen Show – der Big Time – annäherte (wie etwa mit seinem Hit von 1986 „Big Time“), verblieb er dort gerade lange genug, um Kritikerlob einzuheimsen und mitunter umwerfende kommerzielle Erfolge zu erzielen, nur um sich im Anschluss wieder in die Anonymität zurückzuziehen. In dieser distanzierten Atmosphäre fühlt er sich wohl und schafft Werke von nachhaltiger Wirkung. Er hat sein Leben bestritten, indem er – in den Worten seiner Hit-Single „Steam“ von 1992 – „dem Traum dieses Träumers“ gefolgt ist. Seine Familie, so wie viele aufblühende Familien der britischen Mittelklasse in den Nachkriegsjahren, hat ihn ermutigt, seine Träume zu verfolgen, solange sie tatsächlich in die Realität umsetzbar waren und ein ordentliches Ausmaß an harter Arbeit voraussetzten.
Peter Brian Gabriel kam am 13. Februar 1950 im Krankenhaus von Woking zur Welt. Er wuchs im Haus seiner Familie, Deep Pool Farm, in Coxhill, knapp außerhalb von Chobham in Surrey auf. Seine frühe Kindheit überschnitt sich mit der grauen Tristesse des Wiederaufbaus – erst wenige Jahre waren vergangen, nachdem die Alliierten den Zweiten Weltkrieg für sich entschieden hatten. Sein Vater war zwar bei der Royal Air Force gewesen, trotzdem schien es aber, als hätte der Krieg ganz woanders stattgefunden. Das Surrey, in das Gabriel hineingeboren wurde, war friedlich, grün und wohlhabend. Chobham war der Inbegriff einer Satellitenstadt südwestlich von London, die sich gut vom Krieg erholte. Ursprünglich hieß die Stadt Cebeham und wurde von der nahegelegenen Abtei Chertsey aus regiert. Noch im 20. Jahrhundert war hier alles einigermaßen ländlich und rückständig, ganz anders als die nahe Stadt Woking, die zu florieren begonnen hatte, als sie 1834 an das südwestliche Bahnnetz angeschlossen wurde. Mit den Grünflächen, Pubs und dem Fluss Bourne, der gelegentlich für Überschwemmungsalarm sorgte, ähnelte Chobham einer idealisierten Version eines britischen Dorfes.
Zur Zeit seiner Geburt war Gabriels Mutter, Edith Irene Allen, schon drei Jahre mit Ralph Parton Gabriel verheiratet gewesen. Die Familie würde schließlich mit Peters Schwester Anne im Oktober 1951 vollzählig werden. Ralph entstammte einer Reihe von Holzimporteuren und -händlern, die ab 1925 unter dem Firmennamen Gabriel, Wade & English in Erscheinung traten. Es war Gabriels Urururgroßvater, Christopher Gabriel, der das Familiengeschäft 1770 begründet hatte. Er war ein ausgebildeter Zimmermann, bevor er sich ab 1812 auf den Import von Holz konzentrierte. Das Geschäft hatte während des späten 18. Jahrhunderts stark geboomt.
Der Familienname Gabriel war 1588, dem Jahr der spanischen Armada, nach Großbritannien gelangt, als Schiffbrüchige der besiegten Flotte sich an die englische Küste retten konnten. Anderswo geht der Name noch viel weiter zurück. Er leitet sich vom hebräischen Namen „Gavriel“ ab und bedeutet in etwa „Gott ist mein Held“. „Gabriel“ kommt im neuen Testament vor, als der Erzengel selbigen Namens der heiligen Maria die Nachricht überbringt, dass sie die Mutter des Messias werden würde. Als Familienname wurde er im 12. Jahrhundert gebräuchlich.
Gabriels Vorfahren erfreuten sich im 19. Jahrhundert als Politiker und Geschäftsleute einiger Bekanntheit in Streatham, südlich von London, von wo aus sie auch das Holzgeschäft betrieben. Laut Daily Telegraph hatten Gabriels Vorväter dank des Handels mit Holz Wohlstand erlangt. Sie beschäftigten Dienstboten und schickten ihre Kinder auf die besten Schulen. Gabriels Ururgroßvater, Christopher Trowell Gabriel, wurde 1797 geboren und heiratete 1833 Ruth, die Tochter des Billardtisch-Herstellers John Thurston. Sein Bruder, Sir Thomas Gabriel, war 1866 Oberbürgermeister von London. Als Christopher 1873 verstarb, hinterließ er ein Vermögen im Wert von ungefähr 200.000 Pfund. Sein Bruder und sein Sohn Thomas erhielten das Anwesen in Ely, wohingegen Ruth die Besitztümer in der Familienresidenz Norfolk House erbte. Zur Zeit von Peters Geburt betrieb seine Familie außerdem einen Milchbetrieb.
Obwohl relativ wohlhabend, entsprach Ralph nicht dem Image eines gut situierten Landwirtes. Stattdessen beschäftigte er einen Verwalter und einen Traktorfahrer, die sich für ihn um die täglichen Geschäfte kümmerten. Wie Peter Gabriel schrieb: „Mein Vater war mehr ein Denker als der Rest der Familie.“ Ralph war in der Tat eine Art Visionär. Nachdem er in den Dreißigerjahren die University of London absolviert hatte, wurde er Elektroingenieur. Deep Pool Cottage, wo er sich nach seiner Heirat niederließ, gehörte zur Familienfarm und war die zweite und letzte Wohnstätte seines 100 Jahre andauernden Lebens. Es befand sich ganz in der Nähe von Coxhill, seinem Geburtshaus, und sein Vater hatte es ihm zu seiner Hochzeit geschenkt. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete Ralph an Projekten der Royal Air Force. „Die Deutschen entwickelten ein sehr cleveres Lenksystem, das ihre Bomber durch die Dunkelheit über den unbeleuchteten Städten leitete“, erklärte Gabriels Freund und zeitweiliger Genesis-Manager Richard Macphail. „Sie richteten einen Funkleitstrahl ein, der dann etwa auf Birmingham gerichtet wurde. Alles, was sie tun mussten, war, sich an diesem Signal zu orientieren und im richtigen Moment ihre Bomben auszuklinken. Ralph war Mitglied jener Einheit, der es gelang, das Signal umzulenken, damit die Deutschen von ihrem Kurs abkamen und die Bomben über unbewohntem Gebiet abwarfen. Er muss auf diese Weise hunderte, tausende Leben gerettet haben.“
„Mein Vater war ein stiller, nachdenklicher Erfinder“, sagte Gabriel 2007. „1971 erfand er eine Sache namens Dial-A-Programme, das aktiviert wurde, indem man einen Knopf am Telefon drückte. Ich sah seine Leidenschaft und interessierte mich selbst sehr für alle möglichen technischen Dinge. Es war wie Unterhaltung auf Abruf. Mein Vater setzte sich sehr für die Zukunft ein.“
Ralph steckte unzählige Arbeitsstunden in neue Erfindungen, an denen er in seiner Werkstatt hinterm Haus tüftelte. Mitunter war er seiner Zeit sogar ein bisschen zu weit voraus: „Er erfand für die Firma Rediffusion das Prinzip des Kabelfernsehens“, erinnert sich Macphail. „Er fand heraus, wie man ein Fernsehsignal eine Telefonleitung entlang schickte, aber Rediffusion konnte sich nicht vorstellen, dass Leute für Fernsehen bezahlen würden, da die BBC doch kostenlos übertrug.“
Im Gegensatz zum methodischen, exzentrischen und wissenschaftlichen Ansatz seines Vaters, inspirierte seine Mutter Peter vor allem musikalisch. „Meine Mutter interessierte sich für Musik und Performances. Sie war angetrieben vom Adrenalin. Mein Dad war eher meditativ am Weg. Wenn er von der Arbeit in London nachhause kam, stand er im Garten auf dem Kopf und machte Yoga.“
Es ist offensichtlich, dass der ältere Gabriel den lebenslangen Forschungsdrang seines Sohnes in Gang setzte. Gabriel hat nur sehr wenige menschliche Schwächen. Eine davon ist aber sicherlich die Technologie – und das von Kindesbeinen an. Laut seinem Biografen Spencer Bright kaufte er sich in den frühen Tagen von Genesis eine Biofeedback-Maschine und erstand später, in den späten Achtzigern, einen Floating-Tank. Er erlernte anspruchsvolle Yoga-Techniken und hatte schon lange mit Gravity Boots experimentiert, bevor er schließlich bahnbrechende neue Technologien in seiner Musik einzusetzen begann. All das lässt sich bis in die Werkstatt seines Vaters hinter dem Familienhaus zurückverfolgen.
Irene Gabriel, die von allen „Ireney“ gerufen wurde, war eine von fünf Schwestern, von denen zwei die Royal Academy Of Music besuchten. Die Allen-Familie war musikalisch und Irenes Mutter hatte bei den Proms gesungen, jenen weltberühmten Konzerten, die Sir Henry Wood und Robert Newman 1895 in London ins Leben gerufen hatten. Sie konnte Klavier spielen und ihre Familie erfreute sich gewisser Privilegien, die den Töchtern eines Direktors des Civil Service Department Stores in der Londoner Strand eben zuteilwurden. Ihr Vater, Colonel Edward Allen, war ein sportlicher Mann, der sich gerne dem Glücksspiel hingab. Er nahm Irene und ihre Schwestern mit an Orte wie Monte Carlo, damit er dort die Spieltische unsicher machen konnte.
„Musik war die Leidenschaft meiner Mutter. Sie spielte Klavier. Zu Weihnachten sang die Familie und alle spielten verschiedene Instrumente. Es ging ziemlich rund“, sagte Gabriel 2012. Die Kombination aus den Persönlichkeiten seiner Eltern und die Liebe zur Musik ziehen sich quer durch Gabriels Schaffen. „Seine Mum war ein sehr starker Charakter und sie bestimmte alles mit ihrem leichtfüßigen Charme“, erinnerte sich Schulfreund und Genesis-Mitbegründer Anthony Phillips. „Peter und Ralph verstummten in ihrer Gegenwart. Seine Eltern waren sehr großzügig. Sie luden uns oft zum Abendessen zu sich ein. Sie vertrauten ihm, weil er so extrem vernünftig war.“
Gabriels späterer bester Freund Tony Banks fügte hinzu: „Ralph war ein etwas distanzierter Typ. Er verständigte sich mittels dieser Phrasen. Es ist interessant zu sehen, wie Peter sich die originelle Denkweise und den Erfindergeist seines Vaters zu eigen machte. Zum Glück hat er den Charme und die Geselligkeit seiner Mutter geerbt. Er ist die ideale Kombination aus den beiden.“
Gabriel genoss eine relativ idyllische Mittelklasse-Kindheit. Neben der Liebe und der Unterstützung, die er erfuhr, war da noch das zurückgezogene, gefasste Auftreten, das auch in vielen anderen Familien ähnlicher gesellschaftlicher Stellung nach dem Krieg vorherrschte. Er konnte sich frei auf der Farm bewegen, die Natur beobachten und in sie eintauchen. Er jagte Libellen, machte Feuer, indem er Stöcke aneinander rieb, und baute Dämme. Er spielte mit seiner Schwester und den Kindern der Farmhelfer. Da seine Schwester jedoch – im Gegensatz zu ihm – die Liebe der Mutter zu Pferden und Ponys teilte, musste er sich auch oft allein beschäftigen. Coxhill, das Haus auf dem Anwesen, in dem sein Vater geboren worden war, war ein großes viktorianisches Herrenhaus mit – wie er sich 1979 gegenüber dem italienischen Journalisten und Fotografen Armando Gallo erinnerte – Holzvertäfelungen, einem Billard-Zimmer und einem Krocket-Rasen. Die heimelige – aber auch ein wenig unheimliche – Abgeschiedenheit sollte später in Gabriels Arbeit einfließen. Als Kind war er davon überzeugt, dass er fliegen könne. Er flatterte mit den Armen und rannte zwischen den vier Birnbäumen hin und her, um endlich vom Boden abzuheben. „Ich las damals viele Superman-Comics, wodurch die Realität ein wenig verzerrt wurde.“ In diesem Wissen ist es unmöglich, sich seine späteren Songs „Willow Farm“ oder „The Nest That Sailed The Sky“ anzuhören, ohne sich dieses Bild vor Augen zu führen.
Obwohl er kein regelmäßiger Kirchgänger war, gehörte Religion zu den Konstanten in Gabriels Erziehung. Die Suche nach Spiritualität, die ihren Ursprung in den Büchern seines Vaters über östliche Religionen hatte, würde Gabriel sein ganzes Leben beschäftigen. Gabriel erinnerte sich 1978 an den Ort, an dem er heranwuchs: „Es ist mehr und mehr von der naheliegenden Stadt Esher vereinnahmt worden. Immer mehr Print Shops für Nachdrucke und Antiquitätenläden, in denen Nachbildungen verkauft werden, verdrängen die alten Geschäfte.“ Andererseits, obwohl verschlafen und exklusiv, beheimatete es eine starke Community, die zusammenarbeitete und das Land bestellte, und war nicht nur ein Vorort für Pendler.
Gabriel besuchte die Grundschule Cable House in Woking. Mit neun – im selben Jahr, in dem er zum ersten Mal in Spanien Urlaub machte – wechselte er an die St. Andrew’s Preparatory School for Boys, die sich in einem sagenhaften alten Gebäude befand – dem Church Hill House in Wilson Way, Horsell. In seinem letzten Jahr in St. Andrew’s fuhr er nur mehr am Wochenende nachhause. Obwohl er kein herausragender Schüler war, arbeitete Gabriel fleißig, um ansprechende Leistungen zu erbringen. Trotz seiner Schüchternheit kam er relativ gut mit den anderen Jungs aus, bevorzugte aber grundsätzlich eher weibliche Gesellschaft, was zweifellos mit dem Einfluss seiner Mutter, seiner Schwester und den Töchtern der Farmarbeiter zu tun hatte. Später sagte er: „Ich war kein sportlicher, machohafter Typ. Ich spielte lieber Doktor und Krankenschwester mit den Mädchen hinter den Blumenbeeten, als Cowboy und Indianer.“ Wenn er und seine Freunde auf ihren Rädern in die Schule fuhren, veralberten die Arbeiterklasse-Kinder aus dem Dorf die „Posh Boys“, was dazu führte, dass sich Gabriel ein dickes Fell wachsen ließ.
„Mit elf hatte ich diesen Traum“, erzählte Gabriel 1988 Spencer Bright. „Ich gelangte zu einer Weggabelung. Ich würde entweder Entertainer – Sänger – oder Farmer werden … aber ich dachte, dass ich nie ein Sänger sein könnte, weil ich nicht fand, dass ich gut singen konnte. Als ich jung war, dachten die Leute, dass ich eine nette Chorknabenstimme hätte, aber als ich versuchte, Rocksongs zu singen, klang das furchtbar.“ Lehrern in St. Andrew’s war zum ersten Mal aufgefallen, dass Gabriel ein vielversprechender Sänger war. Und obwohl er es wieder bleiben lassen würde, folgte er eine Weile den Fußspuren seiner Mutter und nahm Klavierunterricht. Gabriel interessierte sich mehr für das Schlagzeug und kaufte im Alter von zehn dem Bruder eines Freundes seine erste Trommel ab – eine Stand-Tom für zehn Pfund. Sie war der erste Kontakt zu den Rhythmen, die sich später so stark in seiner Musik wiederfinden würden. Obwohl er sich öfter als einmal als „gescheiterten Drummer“ bezeichnete, kehrte Gabriel während seiner Karriere immer wieder zu seiner ersten Liebe, der Percussion, zurück. Sogar, als er Percussion mit seinem Konzept zu Scratch My Back 2010 komplett aus der Instrumentierung strich, ließ er die Streicher wie Schlaginstrumente klingen. Bill Bruford, der in so vielen wichtigen Bands der Siebziger getrommelt hatte, behauptete, dass ein Gig mit Gabriel einer von nur drei Jobs wäre, für den ein Schlagzeuger im ausklingenden 20. Jahrhundert töten würde – die anderen beiden wären mit King Crimson und mit Frank Zappa.
Mit zwölf verfasste Gabriel seinen ersten Song – „Sammy The Slug“ („Sammy, die Nacktschnecke“). Er witzelte später, dass jeder über Mädchen geschrieben habe, „ich aber schrieb über Nacktschnecken, was zeigt, wofür ich mich interessierte“. Dies war nur eines von vielen Beispielen für Gabriels unkonventionelle Herangehensweise an jene Kunstform, mit der er später seinen Lebensunterhalt bestreiten sollte.
Nachdem eine seiner Tanten, die an der Oper sangen, vom Interesse ihres Neffen für Musik erfahren hatte, beschloss diese, ihm unter die Arme zu greifen. Gabriel erinnerte sich später: „Sie steckte mir fünf Pfund zu. Ich sollte herausfinden, wie professionelle Sänger sangen.“ Gabriel kaufte sich stattdessen das erste Album der Beatles. Er hatte die erste Single der Gruppe aus Liverpool – „Love Me Do“ – im Autoradio seiner Eltern gehört. „Sie war radikaler als Punk, als ich sie zum ersten Mal gehört habe.“
Gabriel war genau zur richtigen Zeit im richtigen Alter, um das neue Phänomen aufzusaugen. Er war zu jung gewesen, um die Ankunft des Rock’n’Roll in den Fünfzigern mitzubekommen, im Anschluss war die Musikszene wieder verflacht. Bald nachdem Gabriel 13 geworden war, im März 1963, veröffentlichten die Beatles ihr erstes Album, Please Please Me. Die Auswirkungen, die es auf Teenager gehabt hatte, die es zum ersten Mal hörten, waren unvorstellbar. In diesem Sommer, als Gabriel sich langsam damit abfinden musste, St. Andrew’s den Rücken zu kehren und den nächsten Schritt in seinem Leben zu machen, schienen die Beatles überall zu sein.
Obwohl die Beatlemania noch nicht ganz ausgebrochen war, boten die ersten drei Beatles-Singles, darunter auch ihre erste Nummer 1, „From Me To You“, ihren unschuldigen Hörerinnen und Hörern einen berauschenden Soundtrack. Und der irgendwie exzentrische Mix aus selbst verfasstem Material und R&B-Nummern schwarzer Künstler (etwa Songs von den Isley Brothers, den Shirelles und Arthur Alexander) zeigten, dass es in Ordnung war, eigene Songs zu schreiben, während man sich auch auf den Pfad, den geheimnisumwitterte, schmachtende Acts offenbarten, begeben durfte, was wiederum wie ein Samen in Gabriels intelligentem und neugierigem Geist aufkeimen sollte. Zu seiner Stand-Tom kauften ihm seine Eltern schließlich noch eine Snare-Drum. Gabriel war dabei, sich sein erstes Schlagzeug zusammenzustellen.
Die Beatles belegten gerade mit „She Loves You“ die Spitzenposition in den UK-Charts, als der 13-jährige Peter Gabriel im September 1963 sein erstes Semester in Charterhouse, einer Privatschule in Godalming, antrat. Und ihr Einfluss – sowie der einiger anderer, die in ihrem Windschatten folgten – sollte weitaus größere Auswirkungen auf ihn haben als der hiesige Lehrplan.