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5 IST DA DER WURM DRIN?

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ESSEN AUF DER STRASSE

Sie sind hellblau, gelb oder dunkelrot – und sehen ein bisschen aus wie Kindergartenmöbel: Vietnams winzige Plastikstühle, die überall das Straßenbild beherrschen. Florian lässt sich auf einem solchen Stuhl nieder. Er setzt sich leicht schräg hin, da seine Beine nicht unter den kleinen Plastiktisch passen, und schaut sich um. Die Straßenfront wird fast komplett eingenommen von einer steinernen Feuerstelle, auf der ein gusseiserner Kessel Suppe kocht. Zwei junge Frauen und ein Teenager schneiden Kräuter klein und befüllen routiniert Suppenschalen mit weißen Nudeln, Brühe und Fleisch.

Nina hat ihm beschrieben, wo man gute phở bekommt, die berühmte vietnamesische Nudelsuppe. Nach einer eher ernüchternden Erfahrung in einem überteuerten Touristenrestaurant in Hanois Altstadt wagt sich Florian heute erstmals in eine Suppenküche.

Eine Frau wischt einmal schnell mit einem feuchten Lappen über den Plastiktisch und befördert die darauf liegenden Nudelreste und Zitronenkerne auf den Boden. »Haben Sie eine Speisekarte?«, fragt Florian. Die Frau schaut ihn fragend an.

Oje. Ohne Sprachkenntnis wird die Nahrungsbeschaffung hier wohl schwierig. Florian versucht es mit Zeichensprache: Er deutet auf die Suppe eines Mannes am Nebentisch, und dann gleich noch auf eine im Regal stehende Coladose. »Có quẩy không?«, fragt die Frau. Keine Ahnung, denkt Florian, nickt und lächelt. Die Frau nickt ebenfalls und verschwindet, und Florian wartet gespannt, was als Nächstes passiert.

Kurz darauf kommt die Frau schon mit der Getränkedose und einem Glas mit Eiswürfeln zurück. Eiswürfel? Florian hatte irgendwo gelesen, dass in tropischen Ländern Eiswürfel brandgefährlich sein können. Er beschließt, seine Cola lieber aus der Dose zu trinken. Sicher ist sicher.

Als er gerade versucht, sich mit der Cola auf Körpertemperatur anzufreunden, wird ihm, keine zwei Minuten, nachdem er bestellt hat, schon die dampfende Suppenschüssel vor die Nase geschoben: Lange, weiße Nudeln schwimmen in einer heißen Brühe mit Fleischstücken, darüber liegt ein Teppich aus grünen Frühlingszwiebeln und Kräutern. Dazu hat ihm die Frau einen weiteren Teller auf den Tisch gestellt – mit frittiertem Gebäck, das ihn vage an Hunde-Kauknochen erinnert. Ob das wohl eine Vorspeise oder der Nachtisch ist?

Florian starrt in die Schüssel. Die phở duftet hervorragend. Fleisch und Brühe lassen ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen – aber wie lässt sich das jetzt mit Stäbchen und Löffel essen? Als Florian versucht, die Nudeln mit dem Löffel aus der Schüssel zu schöpfen, schlängeln sie sich widerspenstig wieder zurück in die Suppe. Florian schielt verstohlen über den Schüsselrand und sieht, wie andere Gäste die Nudeln mit Stäbchen in den Mund schieben. Er fischt sich zwei Stäbchen aus dem Behälter. Ob die wohl sauber sind?, fragt er sich kurz, aber der Hunger ist stärker. Mutig setzt er zum zweiten Angriff an. Was folgt, ist ein harter Kampf: Florian, mit Stäbchen bewaffnet, gegen ein Rudel glitschiger, rutschiger Nudeln. Fettige Spritzer sprenkeln sein T-Shirt, was Florian im Eifer des Gefechts zunächst nicht einmal bemerkt; die phở ist wahnsinnig lecker. Spontan entwickelt Florian die Kampftechnik, die Nudeln irgendwie in den Mund zu schaufeln und dann abzubeißen. Und schlürfen, schlürfen hilft.

Florian schaut kurz hoch und sieht, wie zwei Frauen an einem anderen Tisch die ominösen Gebäckstücke in die Suppe tunken. Er packt eines der brettharten Dinger mit den Stäbchen, quetscht es in seine Schüssel und lässt es dort ein bisschen aufweichen. Nicht schlecht!

»Tolle Sache, diese phở«, sagt er am Abend zu Nina. Gleich nach dem Nachhausekommen hat er rasch sein T-Shirt gewechselt, um die Fettspritzer vor ihr zu verbergen. So viel Selbstrespekt muss sein.

EINE HERPHỞRRAGENDE SUPPE

Phở ist für viele Vietnamesen das »perfekte Essen« und gleichzeitig ein »Straßenessen«. Das ist kein Widerspruch, sondern der eine Teil bedingt den anderen. Der französische Chefkoch Didier Corlou hob in einem Interview hervor, die besonderen beiden Eigenschaften der Nudelsuppe seien: »deliziös und günstig«. Entscheidend ist die Brühe. Diese ist das Ergebnis stundenlangen Kochens, angereichert mit allen möglichen Zutaten, vor allem Gewürzen. »Erwarte niemals, dass eine phở aus zwei verschiedenen Küchen gleich schmeckt«, schreibt der Phở-Blogger Cuong Huynh (www.lovingpho.com). Anschließend kommen Nudeln, Fleisch und Kräuter hinzu. Liebhaber schwärmen bei dieser Kombination von den zahlreichen Gegensätzen der Zutaten: weich und bissfest, warm und kühl. Im Unklaren liegt die Herkunft. Die meisten Wissenschaftler sind sich einig, dass phở ungefähr aus der Zeit der französischen Kolonisation stammen muss. Der Hinweis: Vor Ankunft der Franzosen wurden in Vietnam Büffel und Rinder nicht geschlachtet, sondern nur als Arbeitstiere verwendet. Heute ist die nordvietnamesische Rindfleisch-phở der Klassiker unter den Gerichten.

Fettnäpfchenführer Vietnam

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