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Kapitel 5

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Nachdem Moritz den gestrigen Samstagnachmittag unplanmäßig mit Valentina bei seinem Vater im Pflegeheim verbracht hatte, sollte der Sonntag ein richtiger Papa-Tochter-Tag werden.

Sonntagvormittag machten sich Valentina und Moritz nach einem ausgiebigen Frühstück mit Rührei, frischen Brötchen und sogar etwas Obst, auf den Weg ins Eisstadion nach Neukölln. Die Parkplatzsuche gestaltete sich kompliziert, aber mit einiger Ausdauer und steigender Entfernung vom Stadion wurden sie fündig. Eine Schlange von aufgedrehten Kindern und fröhlichen Eltern stand an der Kasse. Die in der Minderheit vertretenen missmutigen Teenager bemühten sich, ihren abgeklärten Gesichtsausdruck beizubehalten.

„Hast du den Schülerausweis dabei?“

Valentina verneinte mit einem Kopfschütteln.

„Egal.“

Einen Geldschein in der Hand verlangte Moritz an der Kasse einmal Erwachsene und einmal Schüler. Anstandslos reichte ihm die Frau die beiden Papierabschnitte, die sie zuvor von zwei unterschiedlich dicken Rollen abgetrennt hatte.

„Siehste, wer sagt’s denn!“ Erfreut über den gelungenen Kartenkauf, passierte Moritz mit Valentina das quietschende Eisenrondell.

Aus alter Gewohnheit schnürte Moritz erst die Schlittschuhe seiner Tochter, bevor er seine eigenen Schuhe Öse für Öse fest verknotete. Etwas wacklig setze er die ersten Schritte auf die glatte Eisfläche. Das feste Leder der Schlittschuhe drückte auf seine Fußknöchel, wie ein kräftiger Daumendruck auf einen blauen Fleck. Sehnsüchtig dachte Moritz an die dicken Socken, die er aus irgendeinem unverständlichen Grund heute Morgen nicht angezogen hatte.

Gänzlich ohne Anlaufschwierigkeiten verschwand Valentina mit gleichmäßigen Gleitbewegungen weiter vorne in der Menschenmenge. Stolz schickte ihr Moritz einen Blick hinterher und nahm verstört zur Kenntnis, dass noch weitere männliche Augenpaare seiner Tochter folgten.

Auf das Publikum am Sonntagvormittag abgestimmt tönten vorwiegend familienfreundliche Titel aus den 80er Jahren aus den Lautsprechern. Moritz kannte alle Songs und hätte ausnahmslos mitsingen können, zumindest den Refrain, was er jedoch mit Rücksicht auf seine Tochter lieber unterließ.

Nach kurzer Zeit erlangte Moritz die vertraute Sicherheit auf den schmalen Kufen wieder und drehte zufrieden seine Runden. Ein wohliges, sorgloses Gefühl durchströmte ihn. Die Sonne schien warm und ließ das Eis glitzern. Die noch mit Raureif überzogenen Bäume am Rande der Eisbahn strahlten wie frostiges Silber. Ab und an traf er mit Valentina aufeinander; Hand in Hand liefen sie dann nebeneinander weiter, immer achtsam darauf bedacht, sich gegenseitig nicht mit den Kufen in die Quere zu kommen — durch die unterschiedlich langen Beine kein leichtes Unterfangen. Ohne die Hände loszulassen, hoben sie schmunzelnd die Arme, um Kinder auf Gleitern, die auf dem Eis im Weg standen, zu umfahren. Fasziniert beobachte Moritz einen kleinen, dick verpackten Jungen, der unglaublich geschickt und flink wie ein Wiesel, durch die sich kurzzeitig bietenden Lücken kurvte. Exakt so hätte Moritz sich einen Sohn gewünscht. Er schätzte den aufgeweckten Jungen nicht älter als vier oder fünf, während er trotz oder vielleicht gerade wegen der Trennung bedauerte, mit Anita kein zweites Kind gezeugt zu haben.

Die Luft roch kalt und klar und schmeckte auf Höhe des Imbissstandes nach Currywurst mit Pommes und Glühwein. Beinahe tänzerisch glitt Moritz zu Eyes without a Face von Billy Idol über die Fläche, als ein akustischer Missklang die Harmonie abrupt zerstörte. Es dauerte einige Sekunden bis Moritz realisierte, dass sein Mobiltelefon in der Hose die störenden Geräusche fabrizierte. Verärgert schalt er sich selbst einen Trottel, weil er erstens das Handy überhaupt dabei und zweitens nicht ausgestellt hatte. Er schaute aufs Display und nahm widerstrebend den Anruf von Stopske entgegen.

Ohne Einleitung kam Stopske zum Anliegen der sonntäglichen Störung: „Sorry, aber ich bin in der Redaktion und suche das Material von der nächsten Folge. Wo liegen die Bänder? Muss da reingucken, bevor du in Schnitt gehst. Auf deinem Schreibtisch konnte ich nichts entdecken.“

Möglichst präzise schilderte Moritz, an welcher Stelle im Großraumbüro die gesuchten Kassetten lagen. Zudem fühlte sich Moritz bemüßigt, sich halb bei Stopske zu entschuldigen: „Ich musste alles noch mal neu sichten für den Schnitt. Liegt daher noch am Player. Ist aber bereits beschriftet.“

Statt Danke zu sagen, brubbelte Stopske ihm beleidigt ins Ohr, bevor er auflegte: „Wäre gut, wenn ihr die Bänder nicht ständig durch die Gegend schleppt. Hab’ auch was Besseres zu tun, als durch die ganze Bude zu rennen.“

Verstimmt schaltete Moritz das Handy aus. Vielmehr als der unangemessene Ton verunsicherte ihn die Tatsache, dass Stopske sich vor dem Schnitt in den Arbeitsprozess einklinken wollte. Normalerweise trat IM Gemächtträger erst zur Abnahme der fertig geschnittenen Beiträge auf den Plan. Das, was Stopske auf den Bändern sehen würde, entsprach sicher nicht seinen ausdrücklich formulierten Vorstellungen vom Zickenkrieg. Grübelnd setzte Moritz seine Bahnen fort. Im Gegensatz zu dem großzügigen Rund, welches seine Kufen beschrieben, wurden die Kreise seiner Gedanken immer enger.

Slopentied

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