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(Kapitel 2 – Bahiah)

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Wenn man weiß, dass man sein Zuhause verlassen muss, um man Selbst zu sein, weiß man auch, dass man nie wieder Zuhause sein wird, außer bei sich selbst. Aber was wenn man selbst ein Anderer ist? – und man ist immer ein Anderer.

Er saß auf dem Deck und schaute zum Meer hinaus. Ein roter Feuerball brannte über dem uferlosen, alles verschlingendem Blau. Das Meer war ruhig, kaum eine Welle traute sich es mit dem Schiff aufzunehmen. Still beobachtete er wie selbst die letzten Funken verschluckt wurden und eine lange Lichterkette ihren Platz einnahm.

› … Sterne … ‹

Noch nie hatte er einen so hell-leuchtenden Himmel gesehen. Er fühlte sich richtig, hier, in dieser Leere zwischen den Sternen, dem endlosem Himmel und ihrem tiefen Spiegel. Dachte er aber wieder an seine Kollegen und Kolleginnen, wie sie Karten spielten, sich unterhielten oder in ihren Zimmern vor ihren dunkel-leuchtenden Spiegeln saßen, dann fühlte er sich wieder fremd, einsam und verloren.

›In der Leere unter den Sternen gibt es keine Einsamkeit, es gibt nur das All – – – was das auch immer sein soll.‹

»Na willst du hier ewig Wurzeln schlagen.«

»Am liebsten ja, genau hier und nirgendwo anders .«, kam die Antwort ganz automatisch aus seinem Mund.

»Mit mir oder den Sternen?«, sie lachte leise.

»Was immer mir näher sein sollte.«, antwortete er in einem kaum hörbarem Seufzer und bereute es im gleichen Moment laut gedacht zu haben.

Mit verlorenen Augen schaute er aufs Meer hinaus, auf dem die kleinen funkelnden Sterne schwankten. Erst als sie schon längst, ihre Arme um ihre Knie geschlungen, neben ihm saß und er ihre warme Schulter an seiner spürte, schaute er zu ihr hinüber. Ruhig und mit entspanntem Blick schaute sie dort hin, wo er gerade noch hingestarrt hatte. Er lächelte, etwas unsicher. Ein kurzer stiller Moment entstand und er wandte sich wieder dem Meer zu, doch die Stille wurde nicht mehr leise. Jetzt, wo er sie einmal gefunden hatte, war sie da – er war nicht mehr allein.

Plötzlich spürte er ihren warmen Körper. Sie war näher an ihn herangerückt, schmiegte sich wärmend an ihn und holte ihn aus der Stille heraus, ohne dabei ihre Augen vom Meer abzuwenden: »Warum sitzt du hier ganz alleine?«

Er konnte nicht antworten, konnte ihr keine Wärme zurückgeben. Er fühlte sich allein, obwohl sie direkt neben ihm saß.

»Ich bin ja nicht allein.«

Von außen mussten sie aussehen wie ein Paar, das diesen ruhigen romantischen Abend genoss. Dabei wollte er – er wollte da sein, er wollte ihre Wärme erwidern, die nur ganz seicht zu ihm durchdrang. Doch er konnte sie einfach nicht spüren. Es lag zu viel Himmel und zu viel Meer zwischen ihnen.

»Nein, das mein ich nicht, ich meine jetzt, draußen in der Kälte. Alle anderen sind schon schlafen oder sitzen noch im Saal und unterhalten sich.«

Zwei Fremde, sie hatten sich vorher noch nie gesehen und nun saßen sie hier zusammen, eng aneinander geschmiegt.

»Ich weiß nicht – – es ist so … so ruhig und friedlich hier. Die Sterne klaren die Dunkelheit auf, alles ist klar und weit, frei, irgendwie –« und für einen kurzen Moment verschwand sein Blick erneut im Meer.

»Na ich geh dann mal lieber wieder rein. Ich hab morgen früh Schicht. Vielleicht sehen wir uns aber dann am Mittag, in der Kantine?«

»Ja, das wäre Klasse.«

»Super, ich freu mich. Bis morgen.« und zum letzten Mal für diesen Tag, für diese Nacht, lächelte sie ihn an und verschwand wieder im Schiffsrumpf.

Eine sanfte Wärme erfüllte ihn und er schaute ihr lange nach, starrte auf die bleiche Tür, die vom kleinen gelben Licht erhellt aus der Dunkelheit hervor trat, bis das Licht erloschen war und sie wieder in der Dunkelheit verschwand. Dann ließ er sich fallen und schaute in den klaren Sternenhimmel.

Über dem Meer lag ein blauer wolkenloser Himmel. Weiß schlugen die kleinen Wellen ans Schiffs. Bis auf eine leichte Strömung lag das Meer still und öffnete ihren endlosen Horizont. Sanft spiegelten sich die warmen Strahlen der Sonne im Wasser. Doch von all dem sah er nichts, er war unter Deck, im Maschinenraum. Leise sonorten die Maschinen vor sich hin und dank der Lüftung war die Luft hier unten wie an jedem anderen Ort. Nur das gelbe, leicht schweflige Licht konnte einem mit der Zeit Kopfschmerzen bereiten. Aber solange musste keiner hier unten bleiben. Trotzdem vermisste er ein Fenster – die Wolken, den Himmel, die Sonne – und wäre er alleine, wäre dieses leise Summen in der Stille zu einem Sturm geworden. Doch er war zum Glück nicht allein:

»Also, sie hat sich zu dir gesetzt und dann?«

»Ach, was weiß ich … nichts.« Er ging zwei Schritte vor ihm und bückte sich leicht zur Maschine herunter, während er hinter ihm lief und die Zahlen notierte.

»Wie? – Nichts?«

»Ja keine Ahnung … müssen wir wirklich jetzt darüber sprechen?«

»Was hast du überhaupt draußen gemacht, alleine?«

Die Chance, dass er verstehen würde, dass er sich nach ein wenig Einsamkeit, nach ein wenig Selbst sehnte, schien ihn doch zu gering, als dass er sich ihm anvertrauen wollte. Der Rückzug war Seins, niemand konnte, sollte oder durfte es verstehen – wie hätte es auch Seins sein können, wenn er es teilen oder bloß mitteilen könnte? Und selbst wenn, selbst wenn er es selber verstehen würde, wie hätte er es in Worte fassen können? Worte sind viel zu oberflächlich, sie können nur das Wiedergeben, was man fassen kann, das, was jeder kennt … aber das, das war selbst ihm unbekannt.

»Halloho, ich hab dich was gefragt? Na ist ja auch egal, lass was Essen gehen. Das war die letzte Maschine, den Wasserfilter können wir auch nacher sauber machen.«

» … auf jeden Fall meinte er, dass wir wahrscheinlich schon morgen Abend den nächsten Hafen erreichen werden.«

Mit nachdenklichen Augen starrte er auf die Teller, die sich hinter gelb-leuchteten Glaskästen versteckten und versuchte die konstante Stimme in seinem Rücken zu ignorieren.

»Mach's doch einfach so wie ich, immer das, was am besten aussieht.«, er warf sich eine Pommes in den Mund und griente ihn breit an.

Mit hochgezogener Augenbraue und leichtem Kopfschütteln griff er nach einem Teller.

»Hey,«, mit einem fröhlichen Lächeln und strahlenden Augen sprang sie neben die Beiden, »Ich würde das hier empfehlen« und griff nach dem Teller vor ihm.

»Nä, das hier sieht auch ganz lecker aus«, breit strahlte er zurück.

»Ich lass euch zwei dann mal alleine – – wir sehen uns später.«

»Und was durftest du heute machen?«, begann sie das Gespräch, als sie sich an einen freien Tisch gesetzt hatten.

»Zahlen lesen.«

»Klingt entspannend.«

»Ja eben, es gibt spannenderes.«

Langsam führte er, ohne seinem Essen auch nur einen Blick gewürdigt zu haben, leise lachend, die Gabel zu seinem Mund.

»Was hast du denn heute gemacht?«

»M« – sie schluckte – »ich war im Navigationsraum.«

»Nein?! – also gehörst du zu den wenigen, die immer wissen, wo sie sind und wo sie hin wollen?«

»Naja, ich lese auch nur Zahlen ab«, sie lachte, »aber im Prinzip,«, machte eine kurze Pause und setzte dann, ihn im ironischen Ton nachahmend, hinzu, »jap, ich weiß immer wo ich bin und wo ich hin will.«

»Und wo willst du hin?«

»Jetzt oder im Allgemeinen«, erwiderte sie immer noch lachend.

»Beides.« setzte er schnell hinzu.

»Jetzt – will ich nirgendwo hin.«, sagte sie, ihm verträumt in die Augen blickend.

»Aber wir sind doch ständig wo anders –«

»Ja, aber ich bin ja nicht alleine.«, antwortete sie, ihn immer noch mit ihren Augen festhaltend.

»Mh, also willst du immer da sein, wo du nicht alleine bist?«

»Ich will immer da sein, wo die Menschen sind, die mir etwas bedeuten, die mir das Gefühl geben, nicht alleine zu sein ... Zuhause zu sein.« Sie hatte ihren Ton geändert. Auch ihr Blick hatte sich jetzt verändert. Jetzt schaute sie ihn mit großen warmen Augen an. Das fröhliche Lächeln, das sich so fest in ihrem Gesicht eingenistet hatte, war verschwunden. Stattdessen schien sie ihn etwas traurig anzuschauen, als wenn sie Mitleid mit ihm hatte. Eine merkwürdige Stille setzte sich zwischen die Beiden. Fest schauten sie sich gegenseitig in die Augen. Dann brach sie die Stille: »Und du? – Wo willst du hin?«

›Weg‹ – – wäre die ehrlichste Antwort gewesen. »Nirgendwo – Ich will erst mal da sein, bevor ich woanders hin will.«

Sie lachte. Endlich hatte er sie verstanden. Hatte er? Schnell, nachdem er geantwortet hatte, nahm er eine große Gabel, um seinen Gesichtsausdruck zu verschlüsseln und lächelte dann mit fröhlichen und glasigen Augen zurück.

»Ich hab gehört, dass wir morgen schon den nächsten Hafen erreichen werden. Vielleicht hast du ja Lust … also nur irgendwohin gehen … uns verlaufen?«, frage er plötzlich, etwas aus dem Nichts.

»Ja, das wäre Super. Wir könnten ja in eine Bar oder so gehen.«

»Oder so,« antwortete er, einfach nur froh über ihre schnelle Antwort. Doch trotzdem schien er seine Enttäuschung nicht vollständig vor ihr verbergen zu können.

»Ich darf doch mal probieren oder?« Ohne auf eine Antwort zu warten, stand sie plötzlich auf und griff mit ihrer Gabel über den Tisch zu seinem Teller.

»Dann will ich aber auch bei dir.«

Da standen sie nun, beide über den Tisch gebeugt, Kopf an Kopf, mit ausgestreckten Armen im Essen des Anderen herumstochernd. Und kaum hatten sie die Gabeln in ihre Münder gesteckt, sahen sie sich in die Augen … und fingen an zu lachen.

Das Lachen der Sonne

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