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(Kapitel 5 – Ozellan – Die Augen der Meere)
ОглавлениеDas Individuum besitzt weder Gesicht noch Namen. Es besitzt nur zwei eindringlich blickende Augen.
Als er aufwachte war ihm übel. Sein Magen war ein wild pulsierender Vulkan. Er versuchte sich aufzurichten, doch kaum bewegte er sich, schoss ihm ein stechender Schmerz in den Kopf. Sofort ließ er sich wieder fallen und legte seine rechte Hand auf seine Stirn. Sie war zu warm. Alles um ihn herum drehte sich. Er schaute auf die Uhr – fünf Minuten zu spät. Das hieß er musste jetzt sofort hoch, um noch rechtzeitig an Deck zu sein. Essen hätte er eh nicht drin behalten können, so verrückt, wie sich sein Magen drehte.
Mit Mühe zwang er sich zum Aufstehen. Dann schoss es ihm den Hals herauf – »öup« nur Luft. Vorsichtig ging er ins Badezimmer. Kaum dort angekommen, klappte er über der Toilette zusammen. ›Spucken‹, dachte er, einfach nur Spucken, dann würde es ihm bestimmt besser gehen. Er konzentrierte sich fest auf seinen Magen und fing an zu würgen. Es ging nicht. Er stand wieder auf und ging zum Waschbecken. Kaum hatte er sich ein wenig Wasser ins Gesicht geworfen, als er erneut übers Klo fiel – – Seine Stirn pochte, er spürte jede Ader. Dann ließ der Schmerz wieder nach.
Am Deck wurde er bereits von einem breiten Grinsen erwartet: »Na, schon wieder durch?«
Er brauchte nicht zu antworteten, sein Blick und seine Körperhaltung sagten schon genug.
»Hier – nimm eine von denen, dann wird es dir viel besser gehen.«
Widerwillig nahm er die Pille in den Mund und drückte sie mit etwas gesammelten Spucke herunter.
»Wie lange haben wir gestern eigentlich noch gemacht?«, fragte er dann stöhnend.
»Keine Ahnung, du bist auf jeden Fall irgendwann ins Bett.«
»Willst du sagen, dass du durchgemacht hast, die Anderen waren doch schon längst nicht mehr da?«
»Na ich hatte doch noch deinen neuen Freund und das Meer.«, ironisch griente er ihn an, »Ich musste ja noch herausfinden, was du gemeint hast, dass das Meer«, er stoppte und führte den Gedanken nicht weiter aus, »Und ich dachte, betrunken geht das bestimmt besser als nüchtern. Können ja nicht alle so durch sein wie du.«
»Was bei dem Sturm etwa?«
»Na du warst doch so fasziniert vom wild tobenden Meer«, er lachte, »oder weißt du das etwa nicht mehr?«
Verwirrt schaute er ihn an. Er hatte recht, er hatte nur noch verschwommene Bilder in seinem Kopf.
»Naja, am Morgen hatte es aufgeklart.« Er grinste immer noch. Er wusste, dass er keine Erinnerung mehr hatte.
»Aha. Und? Hast du erlebt, was du erleben wolltest?« Müde und genervt schaute er über die Reling aufs Meer.
»Als ich an Deck stieg, sah ich ein in Gold getauchtes Meer, an dessen Ende ein roter Feuerball das Meer in Flammen setzte und als mich diese mystische Stimmung zutiefst berührt hatte,«, er setzte eine dramatische Pause an, »hat mir eine Scheiß Möwe auf den Kopf geschissen.« Jetzt konnte er sein Lachen nicht mehr unterdrücken, laut spuckend brach es aus ihm hervor. Zu schlecht war der Versuch gewesen seine Sprache zu imitieren und ihn damit aufzuziehen.
Zufrieden stieg er mit ins Lachen ein. »Na dann hast du's ja verstanden.«
»Ne, nicht wirklich.«
Erst jetzt merkte er, dass sein Kopf gar nicht mehr schmerzte. Was auch immer er ihm gegeben hatte, es wirkte und das schnell. Ganz ruhig atmete er jetzt ein und aus. Sein Brustkorb senkte sich sanft auf und ab. Die salzige Luft in seiner Lunge half seinen Magen zu beruhigen. Er lächelte, schloss seine Augen und schaute in die warme Sonne.
»Was machen wir eigentlich hier?«, platze es plötzlich aus ihm heraus.
»Wie? Also ich bin hier um zu arbeiten. Was du hier machst, keine Ahnung, aber an der Arbeit scheint es auf jeden Fall nicht zu liegen.«
»Haha, was machen wir jetzt hier auf dem Deck?«
»Pff – keine Ahnung – uns vor der Arbeit drücken.«
»Was?! Du willst mich verarschen oder?«
Er lachte. »Ne warum? – ich hab noch frei, was mit dir ist, weiß ich nicht.«
»Was? – und dann laberst du mich hier voll, du Arsch –«
Er schubste ihn zur Seite und rannte zur Tür … während diese hinter ihm zu fiel, hörte er noch ein lautes Lachen. Er stoppte. Wohin lief er eigentlich? – oder besser: Wohin musste er eigentlich laufen?
›Warte, was haben wir heute, Dienstag? Mittwoch? Oder doch erst Montag? Ach Scheiße!‹ Er hatte die Zeit verloren. ›Moment, gestern sind wir im Hafen eingelaufen,‹, war das wirklich erst gestern, es schien viel weiter weg zu liegen, ›das heißt heute müsste frei sein – oder zumindest – – – .‹
Langsam drehte er sich um und drückte die Tür wieder auf.
»Du Arsch!«
Beide lachten.
Dann trat eine ruhige und entspannte Stille ein. Beide schauten, nebeneinander stehend, die Arme übers Geländer gelehnt, aufs Meer hinaus.
Dann drehte er sich plötzlich wieder hektisch um und rannte erneut auf die Tür zu. Er wusste, was er tun musste. Sein Traum war nur eine Ahnung und nicht die Tat gewesen. Ohne zu zögern lief er den Flur entlang, stieg die Treppe hinauf und lief geradenwegs auf eine Tür zu. Verwirrt schaute er in den Raum hinein, drehte seinen Kopf hektisch suchend hin und her. Im Raum standen zwei Männer vor einem regelmäßig piependen Monitor. Beiden starrten ihn verwundert an. Doch sein Blick fuhr einfach an beiden vorbei und schenkte ihnen keine Aufmerksamkeit. Er überging sie einfach, als wären sie bloß ein weiterer Teil des Equipments. Dann hielt er kurz inne und schaute sie an.
»Haeh« Er holte zum Sprechen aus, stoppte aber sofort wieder, schüttelte seinen Kopf und schloss die Tür. Mit leerem Blick starrte er auf die weiße Fläche. Sie war nicht da. Dann drehte er sich um und ging – weiter in die Leere starrend. Er hatte ein klares Ziel vor seinen Augen, nur wusste er nicht, wo es lag. Ohne konkreten Plan ging er einfach weiter, stieg die Treppe wieder hinunter und folge ihr weiter nach unten. ›Am sinnvollsten‹, dachte er, ›wäre es die Treppe einfach als Ausgangspunkt zu nehmen und eine Etage nach der Anderen abzusuchen‹, dass diese Idee Stunden benötigen würde und auch einfach nur verrückt war, kam ihm dabei natürlich nicht in den Sinn.
Es war dunkel. Das einzige Licht, das den gesamten Flur beleuchtete, war ein viel zu dunkler Bewegungsmelder. »Ding!« Kaum hatte er die letzte Stufe betreten, sprang dieser an. Er stoppte. Das plötzliche Geräusch und das damit verbundene Aufleuchten des Lichts hatten ihn aus seinem Konzept gebracht. Unerwartet hob ihn das Licht aus der Dunkelheit empor, machte ihn durch seinen eigenen Schatten für ihn selbst sichtbar. Er stieg die letzte Stufe herunter und schaute den dunklen Flur entlang. Kein Licht, kein Ton, nur das leise Summen von arbeitenden Maschinen, die unsichtbar hinter verschlossenen Türen lagen. Unsicher setzte er seinen Weg fort. »Ding!« Das nächste Licht sprang an. Wieder stoppte er, dieses Mal erschrocken von dem ungewöhnlich lauten Geräusch – macht Licht überhaupt Geräusche? – Er ging weiter. »Ding!« Alle fünf Meter setzte ein neuer Bewegungsmelder ein und beleuchtete ein kleines Stück vom Flur, dessen Ende sich weiterhin in der Dunkelheit versteckte. »Ding!« Langsam wurde er schneller. »Ding!« Anstatt bei jedem neuem Licht stehen zu bleiben, begann er zu laufen. »Ding!« »Ding!« »Ding!« Seine Stimmung hatte sich rasend schnell verändert, sein verrückter Gedanke, sie zu finden, war von einem panischen Verfolgungswahn verdrängt worden. Rote Steine hingen an der Wand, bedeckten den Flur – oder wirkten sie nur im dunklem Licht wie rote Steine? »Ding!« Immer wieder durchbrach eine weiße Tür die roten Wände, auf die sofort sein Schatten geworfen wurde. »Ding!« Es schien egal zu sein, wo er gerade stand, ob in der Mitte des Flurs oder mit dem Rücken zur Wand, immer fiel sein Schatten genau auf die kleine weiße Fläche und starrte ihn an. »Ding!« Selbst das leise, kaum hörbare Summen der Maschinen wurde nun immer lauter. Warum waren hier eigentlich keine Menschen? »Ding!« Hektisch blickte er über seinen Rücken. »Ding!« »Ding!« Dann hielt ihn nichts mehr. Panisch rannte er los, überholte die Bewegungsmelder und stolperte blind in die Dunkelheit hinein. »Ding!« »Ding!« »Ding!« »Ding!« Als würde er versuchen vor dem Licht zu fliehen. »Ding!« »Ding!« Das Licht musste sich beeilen, um ihn zu folgen. »Ding!« Sein Atem wurde schwerer. Er hatte das Gefühl als wäre seine Lunge voller Wolle, als würde er ganz langsam ersticken. Schweiß lief ihn von der Stirn, am Auge vorbei, das Gesicht hinunter. Hatte der Flur denn gar kein Ende? »Ding!« »Ding!« Mit jeden Schritt fiel ihm das Atmen schwerer. »Ding!« »Ding!« »Ding!« Dann brach er völlig erschöpft zusammen. Heftig keuchend, kniete er auf allen Vieren. Schweiß tropfte von seinem Kinn auf den Boden. »Ding!« Es hatte ihn eingeholt. Stark hob sich seine Brust, im gleichen Takt senkte sich sein Rücken. Langsam hob er seinen Kopf, der steif in seinem Nacken stockte. Vor ihm lag eine Tür. Ohne Schatten. Matt dämmerte eine kleine Lampe über ihr, dort, wo eigentlich eine Notausgangsleuchte sein müsste – doch auf einem Schiff gibt es keinen Notausgang. Dumpf beleuchtete sie das lackfarbene Rot der Tür. Dicke längst erfrorene Fäden hingen an ihr herunter. Kein Ton schallte aus ihr heraus. Wie hypnotisiert von ihr, vergaß er den Lärm, der durch all die anderen Türen hindurch hämmerte. Ihre Stille verdrängte den Lärm aus seinen Ohren. Auf Knien starrte er sie mit großen Augen an. Ohne seinen Blick von ihr abzuwenden, – als wenn er Angst hatte, dass sie verschwinden könnte, wenn er einmal blinzeln würde – stand er ganz langsam auf. Steif wie eine Puppe, setzte er einen Fuß vor den Anderen, fiel dabei leicht zur Seite, dass sein Arm ganz automatisch zum Boden griff und ihn wie eine Krücke stütze, bis sein Bein gebeugt vor ihm stand und seinen gesamten Körper empor drückte. Leicht schräg kam er zum Stehen. Immer noch steif, streckte er langsam seinen Arm nach der Tür aus. Wie in Zeitlupe verschwand die Bewegung aus seinem Ellenbogen und als würde sie von der Tür gezogen, folgte seine Schulter dem Arm nach, bis seine Hand den schwarzen Griff berührte und seine Finger krampfhaft das harte schwarze Plastik umschlossen. Der nasse Schweiß seiner Finger ließ ihn noch fester zugreifen. Zitternd drückte er die Klinke herunter. Dann Riss er die Tür mit einem starken Schwung auf –
Vorsichtig, ohne dabei den Boden zu verlassen, setzte er eine Fuß vor den Anderen. Seinen Körper zum dunklen Raum gerichtet, hielten seine Fingerspitzen das Gewicht der Tür und gaben ihr ganz langsam nach. Trotzdem schlug das ganze Gewicht der Tür laut krachend ins Schloss. Es war dunkel, wirklich dunkel, stockfinster und es roch merkwürdig. Er konnte aber nicht erkennen wonach. Er war direkt vor der zugefallen Tür stehen geblieben. Vorsichtig schlurfte er mit seinem Fuß über den Boden, tastend folgte der Andere dem Ersten. Der Boden war feucht, doch er spürte noch etwas anderes, etwas weiches. Er stoppte, hielt seinen Atem an, horchte mit weit aufgerissen Augen – da war was – – »Heh … Hah.« »Heh … Hah.« Ein Atmen. Hektisch drehte er sich um, suchte nach dem Ursprung des Geräusches –
»Ah.« – und schlug dabei mit seinem Ellenbogen gegen ein Regal. Lautes Klirren. Irgendetwas schlug dumpf auf dem Boden und lief aus. »Hah« Dann stoppte er schlagartig jede Bewegung. Zwei große, weit aufgerissene Augen starrten ihn an. Sie waren fast genauso dunkel wie der Raum. Es gibt keine Farben ohne von Licht. Die Dunkelheit wirft keinen Schatten. Nur ihre weißen Ränder machten sie sichtbar. Sie glühten fast, so viel Kraft lag in ihnen. Steif vor Angst starrten sie ihn an. Die Pupillen begannen zu zittern. Das fremde Atmen wurde heftiger, während er immer noch seinen eigenen Atem anhielt. »Hech« »Hach« Plötzlich ergriff eine flehende Panik die beiden Augen – »Uff« – und er spürte einen Stoß gegen seine Brust.
Er hatte es noch gerade geschafft den Fall mit seinem Arm zu bremsen, trotzdem schlug er hart auf den kalten Boden auf. Dann hörte er hektische Schritte auf dem Flur und das laute Geräusch der Bewegungsmeldung. Das Einzige, was er noch sah, war ein dunkler Schatten, der aus der Dunkelheit in die anspringenden Lichter fiel und dunkelrote Fußabdrücke auf dem Boden hinterließ, bevor die Tür wieder mit einem lauten Knall zu fiel.
Ruhig stand er, leicht stöhnend, auf, klopfte sich den Staub von seinen Beinen und ging zur Tür. Kaum hatte er diese erreicht, bemerkte er beim Tasten nach der Türklinke, rechts neben ihr einen Lichtschalter. Leicht grinsend öffnete er die Tür und lief den Flur entlang. Wieder sprang ein Licht nach dem anderem an, wieder dröhnte das laute Surren der Maschinen durch die verschlossenen Türen, doch dieses Mal störte es ihn nicht. Mit einem Mal war er ganz ruhig, so als ob seine Panik – –
An der Treppe wunderte er sich über den kurzen Weg und drehte sich noch einmal nach der roten Tür um – doch die Tür war längst wieder in der Dunkelheit der erloschenen Lichter verschwunden. Nur das kleine schwefelige Licht über ihr dämmerte noch leicht zu ihm hindurch – wie hatte er es vorher nur übersehen können? Lächelnd schüttelte er den Köpf, drehte sich, das Geländer fassend, um und stieg, sich am Geländern hochziehend, auf die erste Stufe. Er schaute nach oben. Wieder wunderte er sich, er konnte bereits das Ende der Treppe sehen. Dann setzte er langsam einen Fuß nach dem anderen auf die nächste Stufe. Seine Hand folgte, das kalte, metallene Geländer streichelnd, den vorsichtigen Schritten seiner Füße. Sie hatte ihn doch nicht verlassen, die Panik, sie war nur langsam, ohne dass er es bemerkt hatte, von seinem Körper in seine Gedanken übergegangen. Wild tanzte sie jetzt dort, fasste seine Gedanken bei der Hand und wirbelte sie durch seinen Kopf. Sie tanzte, mit zu viele, zu dynamische Tänze, dass er keinen einzigen zu fassen bekam. Sie flogen einfach an ihm vorbei. Kaum hatte er einen Tänzer ins Auge gefasst, war er wieder verschwunden und eine neue, eine andere Tänzerin hatte sich an seine Stelle gesetzt. Es war absolutes Chaos. Verzweifelt versuchte er sich zu erinnern, warum er eigentlich nach unten gestiegen war – – doch es waren nur wilde Wortfetzen übrig: ›Wer?‹ ›Da.‹ ›Was ist?‹ ›Aber d?‹ ›Sie?‹ ›Weg?‹ ›Das L?‹ ›Wo?‹ ›Er?‹ ›Licht?‹ ›Ich?‹ ›Wer?‹
Dann blieb er plötzlich ganz steif stehen. Seine Füße hatten keine Stufe mehr vor sich, seine Hand nur noch das kleine Stück Geländer, an dem sie sich festhielt. Schützend musste er seine Augen vor der plötzlich auf ihn einfallenden Sonne zu kneifen. Sie waren noch an das schimmernden Licht der Kellers gewöhnt. Er verdeckte mit seinem freien Arm die Stirn und versuchte immer wieder durch seine Deckung hindurch zu blinzeln, wurde aber sofort eines besseren belehrt. Ganz langsam gewöhnten sich seine Augen wieder an den goldenen Schatten und eine verschwommene Gestalt trat aus ihm hervor.
Sie stand direkt vor ihm, nur ein paar Meter von ihm entfernt. Sanft schwebte sie über den Boden, streichelte ihn mit ihren Füßen. Papier in der einen, einen Stift in der anderen Hand. An ihrem Körper ragte ein kleiner dünner weißer Faden empor, legte sich wie eine Schlange, eng, aus ihrer Hüfte kommend, an ihrer Taille entlang, über den Bauch, an ihre Brust und verschwand in ihrem Ohr. Pfeifend stand sie vor der Navigation und kontrollierte die Zahlen, die Lichter ›… Sterne …‹ und tanzte dabei, von einem Platz zum Nächsten. Ihr ganzer Körper bebte im Rhythmus der unsichtbaren Musik, die von ihren Füßen zum ganzen Körper, bis in ihre kleinste Haarspitze stieg. Durch das große Fenster in ihrem Rücken schien die breit strahlende Mittagssonne in den Flur. Sie lachte, ab und zu hinter eine Wolke verschwindend. Und wie die Sonne kniff auch sie immer wieder ihre glänzenden Augen zu, verzog dabei ihren Mund, als würde sie eine unsichtbare Melodie singen – – Es waren die einzigen kurzen Momente, in denen ihr Lächeln aus ihrem Gesicht verschwand und eine andere Grimasse ihr Gesicht erfüllte.
Still, immer noch den Arm auf die Stirn gelegt, sich am Geländer festhaltend, stand er auf der letzten Stufe. Er hatte sich nicht bewegt. Es war das erste Mal, dass er sie mit offen Haaren sah. Wild flogen sie ihr, in kurzer Verzögerung ihren Bewegungen folgend, ins Gesicht, legten sich über ihre Schultern und hoben erneut ab. Vorsichtig machte er einen Schritt zurück und ließ sich in eine dunkle Kante der Treppen fallen. Hier schien ihm die Sonne nicht mehr so bedrohlich ins Gesicht. Jetzt hatten seine Gedanken sich auch wieder beruhigt und folgten wie seine Augen, ruhig, ihren Bewegungen. Sie war völlig im Moment aufgelöst, tänzelte, völlig befreit von der Arbeit, völlig aufgehend im Spiel ihrer Bewegungen, von einer Seite zur anderen. Entspannt, leicht auf dem Geländer sitzend und den Rücken an die Wand gelehnt, sah er ihr zu – ohne Interesse, nicht beobachtend, einfach nur zu sehend. Niemand kam vorbei, sie waren ganz allein, für sich. Dann drückte er sich mit seinen Schultern von der Wand, entstieg der Treppe und ging zurück zum Deck.
Ein kalter salziger Wind schlug ihm ins Gesicht, als er die Tür öffnete. Er stand immer noch da, die Arme übers Geländer gelehnt und schaute aufs offene Meer hinaus. Leicht atmete er lächelnd aus. Für einen kurzen Moment standen sie wieder schweigend, die Arme aufs Geländer gelehnt, nebeneinander und schauten zum Meer hinaus.
»Na musstest du letzte Nacht wieder loswerden?«, kam es dann plump von der Seite neben ihm, ohne dass er seinen Blick vom Meer wandte.
Er lachte sanft und antworte nach einer kurzen Pause, ebenfalls ohne seinem Blick vom Meer abzuwenden: »Ist es nicht erstaunlich, dass wir uns so schnell Vorwärts bewegen, ohne irgendetwas davon zu merken?«
»Na dir scheint es ja schon wieder besser zu gehen.«
Er lachte.